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Zur allfälligen Frag, aus welchen zweifelhaften Beweggründen ich gerade das Thema Sex gewählt habe, möchte ich zuerst kurz einige Zahlen anführen: Laut der Weltgesundheitsorganisation denkt eine Frau im Durchschnitt dreißig Mal am Tag an Sex, und zwar auch im Klimakterium; ein Mann ohne Rücksicht auf das Alter, durchschnittlich alle acht Minuten. Laut Untersuchungen tschechischer Sexologen hat ein Tscheche in seinem Leben im Durchschnitt zwölf Intimpartnerinnen; eine Tschechin hat heutzutage bis zu ihrem neunundzwanzigsten Lebensjahr mehr als sechs Sexualpartner. Vor diesem Hintergrund wage…mehr

Produktbeschreibung
Zur allfälligen Frag, aus welchen zweifelhaften Beweggründen ich gerade das Thema Sex gewählt habe, möchte ich zuerst kurz einige Zahlen anführen: Laut der Weltgesundheitsorganisation denkt eine Frau im Durchschnitt dreißig Mal am Tag an Sex, und zwar auch im Klimakterium; ein Mann ohne Rücksicht auf das Alter, durchschnittlich alle acht Minuten. Laut Untersuchungen tschechischer Sexologen hat ein Tscheche in seinem Leben im Durchschnitt zwölf Intimpartnerinnen; eine Tschechin hat heutzutage bis zu ihrem neunundzwanzigsten Lebensjahr mehr als sechs Sexualpartner. Vor diesem Hintergrund wage ich nun schon zuzugeben, dass ich das Thema Sex aus mehr oder weniger persönlichen Gründen gewählt habe.
Autorenporträt
Viewegh, Michal
Michal Viewegh, geboren 1962 in Prag, arbeitete nach einem abgebrochenen Wirtschaftsstudium als Nachtwächter und studierte anschließend Tschechisch und Pädagogik. Er lebt heute als freier Schriftsteller in Prag, wo er ein Bestsellerautor ist. Bei Deuticke erschienen bisher: Erziehung von Mädchen in Böhmen (1998), Die Liebe eines Vaters (1999), Roman für Frauen (2002), Geschichten über Sex und Ehe (2004), Völkerball (2005), Der Fall untreue Klára (2007), Engel des letzten Tages (2010), Zeitweiliger Orientierungsverlust (2011) und Die Mafia in Prag (2014).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2004

Dichter im Fitnesscenter
Michal Viewegh berichtet aus dem Prager Liebesleben

Oskar muß etwas tun für seinen Körper. In jungen Jahren, lange vor seiner Ehe, dem Kind und der Scheidung, war er ein ambitionierter Abfahrtsläufer, aber nachdem er die 35 überschritten hat, stellt er immer öfter fest, daß sein Erfolg bei Frauen nicht auf seinem Äußeren beruht. Auch nicht auf seinem Inneren allerdings, auf Witz, Charme und Parole. Sondern schlicht auf der Tatsache, daß er ein Schriftsteller ist, der beim jüngeren Publikum Kultstatus genießt und den Frauen brennend gern kennenlernen wollen. Im Fitnesscenter nun begegnet er einer Psychologiestudentin, die ihn nicht erkennt. Sie will nicht trainieren, sondern vielmehr empirische Forschungen in freier Männerwildbahn betreiben: "Also alle Kraftsportler duzen einander? ... Ist das eine Art Ständeritual?" Um peinlichen Fragen auszuweichen, gibt sich Oskar als Kranführer aus und schockiert mit bewußt plumper Anmache. Als er sie zum Essen überreden kann, findet er Gefallen an der Rolle des feinfühligen Proletariers: "Noch am gleichen Nachmittag nahm er sie mit zu sich nach Hause. Sie war betrunken, aber auch wieder nicht so sehr, daß sie in Oskars Arbeitszimmer nicht verstanden hätte, daß sie sich nicht in der Wohnung eines Kranfahrers befand."

Der Prager Autor Michal Viewegh, Jahrgang 1962, nennt sein neues Buch wieder Roman, obwohl es eigentlich eine Sammlung von Kurzgeschichten mit der gleichen Hauptfigur ist. Die ersten Oskar-Stories stammen noch aus den achtziger Jahren; Viewegh griff erneut zur Maske dieses Alter ego, um von Lust und Last des Singledaseins zu erzählen - von der Frage, welches der "Mädels" am Freitag abend zuerst anzurufen ist, von der Qual, sich unerwartet heftig in die Frau des besten Freundes zu verlieben, oder dem proustschen Problem, plötzlich vom Geruch einer Tütenchinasuppe unwillkürlich an die Exfrau erinnert zu werden. Viewegh zitiert Lewis Nordan: "Natürlich sind die Begebenheiten nicht wahr, aber sie gehören schon so lange zu meinem Leben, daß sie über mich gewissermaßen weit mehr aussagen als das meiste von dem, was wirklich passiert ist." Bruchstücke einer großen Konfusion also, die man modernes Leben nennt.

Das klingt manchmal nach Milan Kundera, manchmal nach Woody Allen oder Tschechow - oder auch John Updike, der seine Stories um das Ehepaar Maples später in einem Band zusammenfaßte. Wo bei einem Maxim Biller Schmerz, Tragik und auch beißender Spott dominieren, rückt Viewegh seine Beziehungsdramolette mit flapsig-derber Komik in selbstironische Distanz - so wenn eine Kneipenrunde die Frage umtreibt, was einen denn mit fünfzig allein noch erregen wird, wenn schon mit 35 die sexuelle Vorstellungskraft nur noch Perversionen hervorbringt. Ein solches Schutzschild verlangt die Schonungslosigkeit, mit der hier maskuliner Selbstbetrug und intellektuelle Eitelkeit vorgeführt werden, etwa wenn in "Hunde und Katzen" der geballte Schwachsinn einer Unterhaltung mit Animierdamen protokolliert wird oder Oskar mit wachsender Lächerlichkeit ein für ihn trotz seiner Künstleraura unerreichbares Mädchen herumzukriegen versucht ("Zwei Könige"). Überhaupt sind die schönsten Liebesgeschichten hier die, die unerfüllt bleiben, so die wunderbare Romanze des Prager Routiniers mit der naiven, aber liebenswerten Dorfschönheit Maruska. Bei Viewegh ist also viel über Sex zu lernen. Vor allem dies: Es läuft immer darauf hinaus, aber es geht niemals darum.

Michal Viewegh: "Geschichten über Sex und Ehe". Roman. Aus dem Tschechischen übersetzt von Johanna Posset. Deuticke Verlag, Wien 2004. 256 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die "kos" zeichnende Rezensentin ist höchst angetan von Vieweghs Geschichten zum Thema Nr. 1, der Liebe. Vieweghs Alter Ego Oskar sei bei den Pragerinnen alles andere als erfolglos. Er flirte heftig, ohne es mit der Liebe erklärtermaßen allzu ernst zu meinen: Wenn er eine Favoritin nach der Uhrzeit fragt, nimmt er vorher sichtbar die Armbanduhr ab, beschreibt die Rezensentin Oskars Strategie. Für sie liegt die große Stärke des Autors in der Gradwanderung zwischen "Erotik und Gedankenkombinatorik", gepaart mit einer guten Portion Selbstironie und einer leicht parodistischen Darstellung der Ambitionen des Protagonisten. So manch deutschsprachiger Autor kann sich beim Umgang mit dieser Thematik von Vieweghs Können "einiges abschauen", resümiert "kos.".

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