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Dies ist die wahre Geschichte des Diebstahls eines Wahlboots und der anschließenden Entführung von vier "Wilden" aus Feuerland, deren schockierende Verfehlung an der Vorschule in Walthamstow zu Charles Darwins Fahrt an Board der Beagle, zur Zerstörung der tiefsten Glaubensüberzeugungen der Menschheit und zum höchst ironischen und melancholischen Schicksal von deren Kapitän Robert Fitzroy führte.

Produktbeschreibung
Dies ist die wahre Geschichte des Diebstahls eines Wahlboots und der anschließenden Entführung von vier "Wilden" aus Feuerland, deren schockierende Verfehlung an der Vorschule in Walthamstow zu Charles Darwins Fahrt an Board der Beagle, zur Zerstörung der tiefsten Glaubensüberzeugungen der Menschheit und zum höchst ironischen und melancholischen Schicksal von deren Kapitän Robert Fitzroy führte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2005

Ein Seemann von trauriger Gestalt
Das Duell zwischen Darwin und seinem Kapitän
Am Ende standen die beiden Gentlemen in feindlichen Lagern. Der eine schimpfte: „Ich zumindest kann nichts Erhebendes an dem Gedanken finden, ein Nachfahre selbst des ältesten Affen zu sein.” Der andere höhnte über die Idee, „das Mastodon sei ausgestorben, weil es nicht durch den Eingang der Arche gepaßt habe”. 1859, als Charles Darwin die „Entstehung der Arten” veröffentlichte, war das Tuch zwischen ihm und Robert FitzRoy endgültig zerschnitten. Nichts war übrig geblieben vom Einvernehmen zwischen dem Kapitän und dem Naturforscher, die miteinander dreißig Jahre zuvor fast die ganze Welt umrundet hatten. Die Reisebeobachtungen von damals führten beide zu entgegengesetzten Schlüssen.
Peter Nichols zeichnet die Entzweiung zwischen Darwin und FitzRoy mit viel Gespür für das Lokal- und Zeitkolorit der englischen upper class des 19. Jahrhunderts nach. Das gut recherchierte Buch profitiert von den vielfältigen Talenten des Verfassers. Der Journalist, Drehbuchschreiber und Werbetexter Nichols jongliert virtuos mit dramaturgischen Kniffen und beherrscht eine flotte Schreibe, die selbst nautischen Laien das Einmaleins von Navigation und Wetterkunde nahe bringt.
Als der zweiundzwanzigjährige Darwin, Spross eines angesehenen Landedelmanns, 1831 die „HMS Beagle” betrat, hatte er bereits in die Medizin und die Theologie hinein geschnuppert. Beides behagte ihm nicht, und er wandte sich den Naturwissenschaften zu. Robert FitzRoy dagegen konnte bereits auf eine Bilderbuchkarriere zurückblicken: 1805 geboren, hatte er die königliche Marineakademie mit Auszeichnung absolviert. Er galt als „selbstbewusst, eitel, zielstrebig und vermögend”. FitzRoy stammte aus der Dynastie der Herzöge von Grafton. Der einzige Makel seiner Abkunft war die mütterliche Linie der Londonderrys, die den Ihren einen Hang zur Schwermut vererbte. Auch FitzRoy litt darunter. Das Launische, Reizbare seines Temperaments fiel Darwin rasch auf, nachdem sie sich im Herbst 1831 begegnet waren.
Ein gottloser Triumph
Die Bekanntschaft der beiden hatte eine längere Vorgeschichte. FitzRoy war 1828 mit der „Beagle” schon einmal unterwegs gewesen, um Feuerland und die Magellanstraße zu kartographieren. Bei seiner Rückkehr 1829 hatte er vier Feuerländer an Bord, die er mit den Segnungen der Zivilisation vertraut zu machen gedachte. Die Eingeborenen machten zwar Furore auf der britischen Insel, aber zwei von ihnen begannen ein Techtelmechtel, was dem strenggläubigen FitzRoy missfiel. Er fasste den Entschluss, die Feuerländer schleunigst zu repatriieren, und suchte deshalb bei der Admiralität um eine neuerliche Mission nach. Zugleich wünschte er sich einen Kompagnon, eine „wissenschaftlich gebildete Person”, um „jede Möglichkeit zu nutzen, während der Reise nützliche Informationen zu sammeln”. Nachdem etliche Kandidaten abgelehnt hatten, fiel die Wahl auf einen Bakkalaureus aus Cambridge: Charles Darwin.
So stachen sie im Winter 1831 in See - der Hypochonder Darwin, stets gebeutelt von Seekrankheit, und FitzRoy, häufig von düsteren Gedanken geplagt. Dennoch verstand sich das Duo prächtig auf der Route, die von Südamerika zum pazifischen Galapagos-Archipel, nach Tahiti, Neuseeland und Australien führte. Wenn Darwin an Land Exkursionen unternahm, schickte FitzRoy dem „liebsten Philos” stapelweise Briefe hinterher. Darwin seinerseits sammelte alles, was Fauna und Flora hergaben, und diskutierte mit dem Kommandanten seine Forschungshypothesen. Noch hatte sich die spätere Kluft nicht aufgetan. Darwin anerkannte genau wie FitzRoy „die Bibel als eine unanfechtbare Autorität”. Das änderte sich erst, nachdem die „Beagle” 1836 wieder ihren Heimathafen Plymouth angesteuert hatte. Der Kapitän betrachtete weiterhin alle Entdeckungen der Fahrt als Gottesbeweis; sein Passagier jedoch wandelte sich, je eingehender er die mitgebrachten Funde studierte, desto entschiedener zum Atheisten.
Der Reisebericht, den beide verfassten, stieß auf ein geteiltes Echo. Während Darwin als „erstklassiger Landschaftsmaler mit der Feder gepriesen wurde, riefen FitzRoys schöpfungsgeschichtliche Exkurse Kritik hervor. Der Kapitän fühlte sich vom undankbar auftrumpfenden Darwin aufs Abstellgleis manövriert.
Nach verschiedenen, nicht eben glanzvollen Intermezzi gelang es FitzRoy im Jahr 1856 den Posten des ersten Meteorologen der Regierung zu ergattern - was ihn immerhin in den Rang eines Konteradmirals beförderte. Trotzdem blieb sein gottesfürchtiges Dasein verschattet von Darwins gottlosem Triumph. Von Depressionen gequält, schnitt sich FitzRoy 1865 im Ankleidezimmer seines Landsitzes die Kehle durch.
Ob es wirklich vor allem Darwins bahnbrechende Ideen waren, die ihn am Leben verzweifeln ließen, bleibt auch bei Nichols Spekulation. Sicher ist freilich, dass beide auf alle Zeit miteinander verwoben sind. Ohne FitzRoy hätte Darwin die artengeschichtliche Fundgrube namens Galapagos wahrscheinlich niemals erblickt. Schon deshalb lohnt es sich, Nichols auf die Spuren von Darwins Kapitän zu folgen.
DORION WEICKMANN
PETER NICHOLS: Darwins Kapitän. Die tragische Geschichte des Mannes, der an Darwins Entdeckungen zerbrach. Europa Verlag, Hamburg 2004. 430 Seiten, 22,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dieses "mit viel Gespür für das Lokal- und Zeitkolorit der englischen Upperclass des 19. Jahrhunderts" verfasste Werk hat den Rezensenten Dorion Weickmann sichtlich fasziniert. Wir erfahren aus Peter Nichols' Buch, woran die innige Männerfreundschaft zwischen Charles Darwin und dem Kapitän der "Beagle", Robert FitzRoy, mit dem Darwin von 1831 bis 1836 um die Welt segelte, zerbrach: Darwin wurde nach der gemeinsamen Forschungsfahrt zum Leuchtstern der Naturwissenschaften, aus dessen Schatten FitzRoy, der zudem die biblische Schöpfungsgeschichte gegen Darwins Evolutionstheorie verteidigte, nie wieder heraustreten konnte. Schließlich nahm sich FitzRoy das Leben - dass auch Nichols über Darwins Anteil daran im Spekulativen verbleiben muss, macht Weickmann dem Autor aber keinesfalls zum Vorwurf. Denn der Journalist, Drehbuchschreiber und Werbetexter Nichols habe gut recherchiert und vermöge es überdies, dem Leser mit seiner "flotten Schreibe" ganz nebenbei die Grundlagen von Nautik und Meteorologie beizubringen.

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