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Christian Weise, ein junger Philosoph und Dichter, reist 1664 im Auftrag des Herzogs August d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel nach Sant' Andrea bei Florenz, um für die berühmte Wolfenbüttler Bibliothek der Herzöge den, wie es heißt, letzten Brief des großen Niccolo Machiavelli zu begutachten und zu erwerben. Eine gewisse Ippolita Machiavelli bietet ihn zum Kauf an. In Sant' Andrea kann die alte Ippolita dem Deutschen in der Tat ein hochinteressantes Konvolut präsentieren: das ausführliche Lebenszeugnis eines großen Denkers. Doch viel Zeit zur Prüfung bleibt Weise nicht. Er gerät ins Netz…mehr

Produktbeschreibung
Christian Weise, ein junger Philosoph und Dichter, reist 1664 im Auftrag des Herzogs August d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel nach Sant' Andrea bei Florenz, um für die berühmte Wolfenbüttler Bibliothek der Herzöge den, wie es heißt, letzten Brief des großen Niccolo Machiavelli zu begutachten und zu erwerben. Eine gewisse Ippolita Machiavelli bietet ihn zum Kauf an. In Sant' Andrea kann die alte Ippolita dem Deutschen in der Tat ein hochinteressantes Konvolut präsentieren: das ausführliche Lebenszeugnis eines großen Denkers. Doch viel Zeit zur Prüfung bleibt Weise nicht. Er gerät ins Netz einer mörderischen Intrige: Ippolita wird ermordet und Weise der Tat verdächtigt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.10.2003

Der missbrauchte Fürst
Peter O. Chotjewitz’ Roman „Machiavellis letzter Brief”
Kurz vor seinem Tod soll er seiner Tochter noch etwas diktiert haben, doch fast hundertfünfzig Jahre wusste niemand etwas von Machiavellis letztem Brief. Nun, im Jahre 1664, wird der Text des berüchtigten Autors der Bibliothek in Wolfenbüttel zum Kauf angeboten. Die Handschrift zu prüfen und im Echtheitsfall zu erwerben, schickt der regierende Fürst den jungen Gelehrten und Schriftsteller Christian Weise aus Zittau los. Beinahe zwanzig Jahre begleitete Peter O. Chotjewitz das MachiavelliProjekt, aus dem nun sein neuer Roman wurde. Zweifellos verdient der geniale Florentiner die lange Zeit der Recherche, der kritischen Lektüre und der Sonderung von Tatsachen und Rezeptionsmüll, lebt Niccolò Machiavelli (1469-1527) doch heute als Schlagwort fast ohne Bezug zum Werk.
Kaum jemandem außerhalb der eifrigen Universitäten scheint es nötig, wenigstens das Hundert-Seiten-Opusculum „De principatibus” („Der Fürst”), mit dem sich Machiavelli ewigen Weltruhm einhandelte, zu studieren, glaubt man doch alles über die Lehre des zynischen Machttheoretikers und Vaters der Politologie zu wissen. Die Strahlkraft seines Namens und die wenig bekannten biographischen Umstände in und um das Florenz der Renaissance machen ihn also zum idealen Sujet für einen historischen Roman. Der Leser darf denn auch Figuren vom Schlage der kunstsinnigen, brutalen Medici oder des terroristischen Mönchs Savonarola erwarten, politische Intrigen, diplomatische Verwicklungen, Folter, Sex, Mord, prächtige Paläste, liebliche Landschaften und herrliche Kunstwerke. Doch Chotjewitz wollte keine Romanbiographie Machiavellis schreiben.
Die fälschende Urenkelin
Das Phänomen des Nachlebens, die Frage nach Original und Fälschung reizte ihn mindestens so sehr wie die faszinierende Konstellation in Florenz um 1500 und was davon nach eineinhalb bzw. nach fünf Jahrhunderten übriggeblieben. Damit entgeht er den typischen Problemen historischer Romane, deren Verfasser die Distanz zur Vergangenheit bagatellisieren. Chotjewitz schickt den Leser mit Christian Weise (1642-1708) auf die Suche nach Machiavellis Hinterlassenschaft. Weise kommt schließlich bei der Urenkelin Ippolita Machiavelli an und wird dort in eine Intrige verwickelt, aus der er mit knapper Not, doch ohne Manuskript und ohne das Geld für den Kauf entkommen kann. Der Roman besteht aus sieben Büchern, meistens Briefe, Tagebuchauszüge oder Berichte Weises für den Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel, welche – ohne chronologische Strenge – die Reise bis und die Ereignisse in und nahe Florenz schildern. Daneben gibt es längere Abschriften von Machiavellis letztem Brief und aus seinem Tagebuch, die sich allerdings im Verlauf der Handlung als Fälschungen im Auftrag der Urenkelin herausstellen.
Im letzten Teil, der nur scheinbar die faktische Basis des Romans erläutert, jedoch Tatsachen und Fiktionen mischt, meldet sich Chotjewitz selbst zu Wort und Zweifel an, ob Weise die geschilderten Erlebnisse im Hause Ippolitas und in Florenz wirklich erlebt, ob er sie sich nicht ausgedacht habe, um zu vertuschen, dass er das Geld für das Manuskript in Italien durchgebracht habe. Chotjewitz rekurriert damit auf sich selbst, hat er doch Weises Reise erfunden (welcher in diesen Jahren in Leipzig lehrte) und die 1664 seit 51 Jahren tote Urenkelin Ippolita extra für den Roman auferstehen lassen.
Weil es bei Chotjewitz überall etwas zu entdecken gibt – Kafkas „Urteil”, Newtons Fallgesetze, die Montagsdemos –, macht die Lektüre Spaß, aber die Überfülle der Verweise, Gags und Anachronismen strengt auch an. Genauso übrigens wie der unentschiedene Ton, die kitschnahen Beschreibungen und das zu häufig flachsinnige Philosophieren, das Chotjewitz Weise unterschiebt.
Am stärksten gelingen ihm die Szenen auf dem Erbgut der Machiavellis, wo die Enkelin mit dem Nachlass des berühmten Vorfahren umgeht wie Elisabeth Förster-Nietzsche mit dem ihres Bruders. Hier gönnt Chotjewitz seinem Helden eine schöne Affäre mit einem Buckligen, und wenig später erlebt er in Florenz eine Räuberpistole à la Schillers „Geisterseher”. Die im Buch ausgebreiteten Machiavelli-Tagebücher und der titelgebende Brief überzeugen dagegen nicht. Da hilft es auch wenig, wenn im Roman auf die Fälschung hingewiesen wird, hätte ein Fälscher doch zuvörderst den genialen Stil Machiavellis imitiert. Stattdessen liest man über die komplexe Materie der Machtwechsel in Florenz in umgangssprachlichen Wendungen wie: „Ich hab’ mein Amt, juchhu!” Solche und andere Formulierungen nimmt man weder Machiavelli noch Weise ab.
Beide Schriftsteller missbraucht ihr Autor auch zu oft als Funktionsfiguren, die wider die Wahrscheinlichkeit in ihren Briefen oder Tagebüchern nur zu dem Zwecke Sachverhalte erläutern, um den Romanleser zu informieren. Nicht ganz verständlich ist schließlich, warum Chotjewitz nicht mehr auf die tatsächlichen historischen Verbindungen zwischen Weise und Machiavelli einging, unterschied sich die Rezeption des Zittauers doch von der durchweg plumpen Verdammung Machiavellis durch die Zeitgenossen.
Weise plädierte in seiner späteren Funktion als Rektor des Zittauer Gymnasiums ähnlich wie der Florentiner dafür, dass man als Mensch ein Recht auf Bildung habe, pragmatisch leben, improvisieren und flexibel sein, die moralische Integrität jedoch möglichst bewahren müsse. In einem seiner bekanntesten Stücke, „Bäurischer Machiavellus” (1679), den Chotjewitz nur kurz erwähnt, zeigt Weise, dass er erkannt hatte, wie schon zu seiner Zeit „Der Fürst” und sein Verfasser zu einem Vorwand wurden, unmoralisch zu handeln. In Weises Drama spricht Machiavelli als Angeklagter im Jenseits von seiner eigentlichen damaligen Absicht, dass er „durch eine Satyrische Schrifft die gewöhnliche Tyranney der Italiänischen Fürsten vor der gantzen Welt prostituiren wolte” und dass nicht er daran schuld sei, wenn „Der Fürst” missbraucht werde. Aller Einrede zum Trotz bleibt „Machiavellis letzter Brief” ein Roman, gedanken- und ereignisreich, dessen besonderer Vorzug darin besteht, im Spiel mit Fiktion und Fakten, mit Vergangenheiten und Gegenwart, mit Politik und Literatur die Lust auf die Originalschriften Machiavellis wie Weises angefacht zu haben.
ROLF-BERNHARD ESSIG
PETER O. CHOTJEWITZ: Macchiavellis letzter Brief. Roman. Europa Verlag, Hamburg 2003. 448 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2003

Irgendwo metzelt man immer
Die Toskana-Aktion: Ein historischer Roman von Peter Chotjewitz

Der alten Frage, ob man aus der Geschichte lernen könne, haben sich postmoderne Zeiten dadurch entledigt, daß sie überhaupt an der Existenz von Geschichte zweifeln. Fiktion sei sie, nichts anderes. Vielleicht ist also einzig und allein der historische Roman noch legitim als Bericht über alles Vergangene. Erste und wichtigste Aufgabe des Erzählers wäre es dann, seinen Lesern begreiflich zu machen, warum sie sich dafür interessieren sollen, zum Beispiel für die Reise des damals zweiundzwanzigjährigen Dichters Christian Weise aus Zittau in der Oberlausitz, eine Reise, die er im Jahre 1664 nach Italien gemacht haben soll, und zwar im Auftrag des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel. Dieser nämlich hatte von einem angeblich "letzten Brief" des großen Staatsdenkers, aber nicht immer glücklichen florentinischen Staatsdieners Niccolò Machiavelli gehört, von einem Dokument, das ihn als Kostbarkeit für seine ansehnliche Bibliothek reizte. So jedenfalls erzählt uns das Peter Chotjewitz, und es sieht fast so aus, als wäre der Autor damit nach einem fast vierzigjährigen, nicht immer ebenen und bequemen literarischen Weg durch deutsche Gegenwart nun in der abgeklärten Sphäre der Geschichte angekommen.

Der junge Christian Weise brennt darauf, die "heilige italische Erde zu küssen", dieses "Land der Zitronen und Tomatensaucen". Als zeitweiligen Reisebegleiter wird er den polnischen Dichter Pjotr Chodkiewicz treffen, der ihn mit horrenden Geschichten von Priestersünden und göttlicher Gnade meisterlich unterhält. "Verachtet mir die Meister nicht!" notiert sich Weise später in sein Tagebuch, das überhaupt von kernigen Worten strotzt. Im milden Herbstlicht der Toskana etwa möchte der junge Diarist dankbar ausrufen: "Herr, der Sommer war sehr groß . . ." Oder er zieht im Pferdewagen auf staubiger Straße recht mühselig voran, so daß "der Schatten des Körpers des Kutschers schwankte". Nicht täglich gibt es schließlich "einen Abend mit Goldrand". Wagner, Rilke, Peter Weiss und Arno Schmidt sowie der Autor selbst: Hier wie vielerorts überhaupt in diesem Stück erzählter Geschichte bedient Chotjewitz belesene Literaturfreunde reichlich mit der Würze anachronistischer Zitate und Anspielungen.

Denn der Reisepfad des Buches führt im Grunde durch drei Zeitalter, durch das siebzehnte des jungen Deutschen, durch das sechzehnte des großen Italieners und so ganz nebenbei auch durch ein Stück Gegenwart des Autors, der sich selbst oft und lange in Italien aufgehalten hat. "Ich hatte das Gefühl, aus der Zeit gefallen zu sein", meditiert Weise, "aber das störte nicht die Klarheit meiner Empfindung. Es war einerlei, in welcher Zeit ich mich befand, in welchem Jahrhundert, welcher Epoche, denn ob die Zukunft uns gleich verschlossen ist, wußte ich doch, daß es immer so war und in fünfhundert Jahren so sein würde. Immer wird irgendwo geschossen werden, gemetzelt, niedergebrannt und verwüstet, einerlei, ob wir die Menschheitsgeschichte als einen Weg begreifen, der ins immer Ärgere führt, oder als Aufstieg zu leuchtenden Zeiten." Das ist ein dunkler, bedrückender Gedanke. Ansichten von Romanfiguren müssen nicht identisch mit denen ihres Schöpfers sein, aber solche Sätze dürften doch wohl die Überzeugungen des Erzählers selbst ins Spiel bringen, der sich einst einen beträchtlichen Ruf als politisch engagierter Schriftsteller und Jurist erworben hatte.

Weises Weg von Zittau über Wolfenbüttel in den Süden führt ihn zu Schlössern mit kunstsinnigen Grafen wie denen von Stolberg in Wernigerode oder zu einer Exekution im Schloßhof von Sondershausen. In "Teutschland" habe "nahezu jeder Flecken, und sei er noch so klein, eine Hinrichtungsstätte". Menschen aller Art begegnen ihm, kluge und dumme, böse und gute, und es dauert mehr als einhundert Seiten, bis die "Wolken-Kratzer von Bologna" auftauchen und schließlich "Fiorenza", das Ziel im Tale. Chotjewitz malt Geschichte wortstark und in kräftigen Farben, aber es ist eben nicht Vergangenheit um ihrer selbst willen, sondern gespiegelt in einem kritischen Intellekt. Das macht dieses Buch von vornherein anziehend, auch wenn es dann seine äußere Spannung aus Intrigen um das nachgelassene Manuskript sowie einem Mord an Ippolita, der Urenkelin Machiavellis, entfaltet, eine Affäre, in die Weise als vermeintlich Schuldiger hineingezogen wird.

Hinter solcher Aktion aber wird nach und nach plastisch greifbar die Gestalt Machiavellis, den Chotjewitz als einen Elegiker der Politik sieht, dabei entschieden die oberflächliche Vorstellung korrigierend, es habe sich beim Autor des "Fürsten" um einen Apologeten zynischer Machtausübung gehandelt. Jene "heitere Trauer", die Chotjewitz seinem Helden ausdrücklich im Nachwort attestiert, prägt als Moll-Tonart das ganze Buch. Nur hat dieser Roman vom Aufstieg des Niccolò Machiavelli aus armen Verhältnissen zum höchsten Beamten der Republik Florenz, von seinem Glück und Leiden nichts Larmoyantes oder Müdes an sich. Alles Resignative ist eher auf Zorn gegründet, und daß die Welt nicht wirklich bewegt wird durch die Gewaltaktionen von "ein paar unterlegenen Wirrköpfen", war ebensosehr Machiavellis Erfahrung, wie es wohl die des einstigen Achtundsechziger-Anwalts Chotjewitz sein mag.

Machiavelli habe uns, so erklärt seine Urenkelin Ippolita dem jungen Deutschen aus Zittau, "die Augen dafür geöffnet, wie der Mensch beschaffen ist und welche Kräfte ihn dazu treiben, das zu tun, was er tut und tun muß". Das allerdings ist bedauerlicherweise nichts anderes als Dummheit, Eigennutz, Trägheit und Angst. Bloß ist das wohl insgesamt kein Grund, über die Welt lediglich den Kopf zu schütteln und ihn dann einzuziehen. So zielt eben auch die postmoderne Erkenntnis, daß die Geschichte nichts weiter als eine Erfindung sei, die uns daran hindere zu verstehen, wie es wirklich war, bei Chotjewitz nicht auf Enttäuschung schlechthin. Denn eben ein Roman wie dieser widerspricht ihr ja in seiner ganzen Buntheit und Lebendigkeit. Chotjewitz, Jahrgang 1934, dürfte nichts dagegen haben, wenn dieses Buch ein Alterswerk genannt wird, verbinden sich darin doch Erfahrung und Einsicht mit erzählerischer Leidenschaft aufs fruchtbarste.

GERHARD SCHULZ

Peter O. Chotjewitz: "Machiavellis letzter Brief". Historischer Roman. Europa Verlag, Hamburg/Wien 2003. 448 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gerhard Schulz ist von diesem historischen Roman sehr angetan, der die Reise eines deutschen Schriftstellers im 17. Jahrhundert von Zittau nach Florenz reist, um dort den verschollenen letzten Brief von Machiavelli zu findet und in seinen Besitz zu bringen. Der Rezensent betont, dass die literarische Reise durch drei "Zeitalter" geht, nämlich durch das 17. Jahrhundert des Reisenden, das 16. Jahrhundert Machiavellis und nicht zuletzt auch durch unsere Gegenwart, indem der Autor die Schilderungen durch seinen "kritischen Intellekt" filtert. Was Schulz besonders an diesem Roman begeistert, ist, dass trotz der Erkenntnis über die Schlechtigkeit der Menschen und trotz der "Moll-Tonart", von der die Persönlichkeit Machiavellis geprägt ist, von Larmoyanz oder Resignation nichts zu lesen ist. Stattdessen überwiegt "Buntheit und Lebendigkeit" in den Schilderungen, so der Rezensent begeistert. Er scheut sich nicht, diesen Roman als gereiftes "Alterswerk" des Autors zu bezeichnen und er preist das Buch als eine "fruchtbare" Verbindung von "Erfahrung und Einsicht mit erzählerischer Leidenschaft".

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