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Die uns erhaltenen Briefe Adalbert Stifters bis zum Jahre 1848 umspannen einen in seinem Werdegang weiten Bogen. Dieser beginnt mit einem lateinisch verfassten Schreiben an seinen Lehrer Placidus Hall (1822) in seiner Schulzeit im Stiftsgymnasium der Benediktinerabtei Kremsmünster und setzt sich in den oft weit ausgreifenden Briefen an die jüngeren Freunde Sigmund Freiherr von Handel und Adolf von Brenner-Felsach fort. Doch vor allem die Briefe an seine "große Liebe" Fanni Greipl dokumentieren diese unglückliche Beziehung und legen Zeugnis davon ab, wie schwer es Stifter nach einem nicht…mehr

Produktbeschreibung
Die uns erhaltenen Briefe Adalbert Stifters bis zum Jahre 1848 umspannen einen in seinem Werdegang weiten Bogen. Dieser beginnt mit einem lateinisch verfassten Schreiben an seinen Lehrer Placidus Hall (1822) in seiner Schulzeit im Stiftsgymnasium der Benediktinerabtei Kremsmünster und setzt sich in den oft weit ausgreifenden Briefen an die jüngeren Freunde Sigmund Freiherr von Handel und Adolf von Brenner-Felsach fort. Doch vor allem die Briefe an seine "große Liebe" Fanni Greipl dokumentieren diese unglückliche Beziehung und legen Zeugnis davon ab, wie schwer es Stifter nach einem nicht abgeschlossenen Jurastudium fällt, sich auch nach der Heirat mit Amalia Mohaupt (1837) beruflich zu orientieren und etablieren. Die Beziehung zum (Buda)Pester Verleger Gustav Heckenast, an den 70 der 190 Briefe adressiert sind, ist wegweisend. Die zunächst in Journalen veröffentlichten Erzählungen erscheinen in überarbeiteter Form ab 1844 in den sechs Bänden der "Studien". Hier tritt Stifters Doppelbegabung als Maler und Schriftsteller zutage und sichert ihm über die Donaumonarchie hinaus einen Platz im kulturellen Leben seiner Zeit. Später erfährt sein Leben jedoch durch die revolutionären Aufstände in Wien (1848) und den nachfolgenden Umzug nach Linz wiederum eine entscheidende Zäsur.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Es ist so eine Sache mit Adalbert Stifter und den Briefen, führt Rezensent Tilman Spreckelsen aus: Einerseits war der Autor eigenen Angaben zufolge ein unzuverlässiger, teils auch unwilliger Korrespondent, andererseits erkannte er selbst den literarischen Wert seiner Briefe und adressierte sie implizit wohl stets auch an die Nachwelt. Der nun vorliegende neue Band der Stifter-Briefsammlung umfasst die Jahre 1822 bis 1848, so Spreckelsen, und man erfährt in ihnen, unter anderem, einiges über Stifters erste große Liebe Fanny Greipl, die er zu heiraten hoffte. Erst als das sich als unmöglich herausstellte, ehelichte der Autor stattdessen Amalia, eine Frau, die er, so Platthaus nach der Brieflektüre, erst mit den Jahren lieben lernte. Auch die Haltung des Autors zur 48er-Revolution kommt Spreckelsen zufolge zur Sprache, wobei ihm deutlich wird, dass Stifters anfängliche Begeisterung bald Skepsis wich, da er für ein vorsichtiges, auf Ausgleich bemühtes Vorgehen plädierte. Abschließend bedauert der Rezensent, dass nach wie vor Lücken in der Überlieferung der Briefe und auch allgemeiner in der Stifter-Forschung klaffen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2023

Der Riese Scharmak kämpft gegen die Amazonen
Was ist Verliebtheit gegen die biedermeierliche Ehe? Ein neuer Band der Adalbert-Stifter-Briefausgabe zeigt den Autor als erkaltenden Brausekopf

Dass ihm das Briefschreiben "verhasst" sei, schreibt Adalbert Stifter 1834 in einem emphatischen Brief an seinen Jugendfreund Adolf von Brenner, und 1842 erinnert er Ludwig von Collin daran, "wie ungern und selten ich einen Brief schreibe". Gemessen daran ist es ambitioniert, dass die Herausgeber der großen Historisch-kritischen Stifter-Ausgabe, die nach mehr als fünfzig Jahren und 42 Bänden langsam in die Zielgerade einbiegt, für die Briefe des unwilligen Schreibers ganze sechs Bände vorgesehen haben, von denen mittlerweile drei erschienen sind - die Antwortbriefe sind in dieser Rechnung noch gar nicht enthalten.

Oder ist dieser bekundete Unwille nicht auch Koketterie? Einerseits scheint Stifter tatsächlich ein säumiger Korrespondent gewesen zu sein, und zwar ein Leben lang: Soweit man es den vorliegenden Bänden ablesen kann, sind seine Schreiben voller Entschuldigungen und Ausflüchte für verspätete Antworten, meist wird auf die angegriffene Gesundheit seiner Frau Amalia verwiesen. Andererseits fällt 1837 in einem Brief an Sigmund von Handel der viel zitierte Satz: "Meine Werke werden alle in Briefen geschrieben, und ich beschwöre meine Freunde, bei denen die Kapitel ad mea opera omnia herumliegen, in denen ich witzig, verständig, schwärmerisch und alles bin, nach meinem Tode alles herauszugeben, sonst fahre ich ab und bin kein Schriftsteller gewesen."

Beim Schreiben von Briefen an die Nachwelt zu denken hat Stifter nicht exklusiv, schon gar nicht als Dichter im neunzehnten Jahrhundert. Trotzdem ist die starke Betonung dieser Textgattung als das eigentliche Werk bemerkenswert und wirft natürlich die Frage auf, wie authentisch Briefe, und seien sie noch so als Herzensergießungen stilisiert, von einer Person berichten können, die zugleich auch auf Leser schielt, die womöglich noch gar nicht geboren sind.

Der jüngst erschienene Band deckt nun die Jahre zwischen 1822 und 1848 ab, vom ersten erhaltenen Brief des damals knapp Siebzehnjährigen, der auf Latein an seinen Lehrer und Förderer Placidus Hall schreibt, bis zum Silvesterbrief im turbulenten Revolutionsjahr an seine Frau, der mit dem salbungsvollen Satz beginnt: "Nichts auf der Welt geht über ein Herz, von dem man mit Gewißheit weiß, dass es einzig und unwandelbar an uns hängt, und keine Faser Falschheit und Eigensucht hat." Die Beschreibung bezieht er im folgenden Satz offenbar auf Amalias Herz, es mag aber auch sein, dass er im nicht ganz spannungsfreien ehelichen Zusammenleben die Gattin daran erinnern wollte, dass auch ihr Mann über ein solches treues Herz verfüge und das ein bisschen mehr anerkannt zu sehen wünscht.

Wenn in den frühen erhaltenen Briefen von Liebe die Rede ist, dann allerdings noch nicht von Amalia, die Stifter erst 1833 kennenlernte und vier Jahre später heiratete. In der Nähe seines böhmischen Heimatortes Oberplan gehörte er einem Freundeskreis an, in dem auch Fanny Greipl verkehrte, die Tochter eines wohlhabenden Händlers aus Friedberg. In den sieben erhaltenen Briefen an die junge Frau stellt sich Stifter als einen wenig entschlossenen Liebhaber dar, und in den Briefen an andere Freunde zweifelt er an sich und seinen Gefühlen für Fanny.

Dass ihre Eltern Vorbehalte ihm gegenüber hegten, die mit seiner unsicheren beruflichen Zukunft zu tun hatten, wird deutlich; Stifter versichert, dass er hart arbeiten will, um voranzukommen und dann Fanny heiraten zu können, aber in der langen Zeit der Liaison war davon wenig zu erkennen, besonders dann nicht, wenn es darum ging, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, eine der verheißungsvollen Stellen auch antreten zu können, etwa durch das Ablegen von Prüfungen.

Es kam verständlicherweise zu Irritationen. In einem Brief, dem letzten erhaltenen an Fanny, entwickelt Stifter dann einen abenteuerlichen Plan. Da er gehört hatte, dass sie einen anderen heiraten sollte, hätte er aus gekränktem Stolz nun ebenfalls einer anderen - Amalia - die Ehe versprochen: "Ich liebte sie nicht, und sollte mir ihr Kuß Wohlgefallen sein, so müßte ich mir deine Lippen dazu denken." Wenn sie, Fanny, aber bereit sei, ihn nun doch zu heiraten, dann wolle er Amalia wieder absagen und bei ihren Eltern - denen sie diesen Brief ruhig zeigen dürfe - um ihre Hand anhalten. Es überrascht wenig, dass Fanny ein Jahr später tatsächlich einen anderen heiratete. Ob sie je auf dieses Schreiben geantwortet hat, ist unbekannt.

Stifter aber war nun wild entschlossen, mit Amalia eine gute Ehe zu führen und die Frau an seiner Seite zu lieben und ehren. "O was ist alles Verliebtsein für schales Zeug gegen wahre eheliche Liebe", schreibt er 1843, die letzten drei Worte des Satzes unterstrichen. Fanny Greipl ist da schon vier Jahre tot und begraben.

Der jetzt erschienene Briefband behandelt entscheidende Themen in Stifters Biographie. Darunter die Revolution von 1848, die Stifter zunächst begrüßte und unterstützte; als er sah, dass der von ihm bevorzugte evolutionäre Weg zu Veränderungen nicht ausreichend geteilt wird, zog er sich zurück. In einem Schreiben an seinen Verleger Heckenast plädiert er für Ausgleich zwischen den Gegensätzen und bietet ihm an, diese Passage auch gern zu veröffentlichen; im nächsten Brief zieht er das zurück, weil er fürchtet, "mißverstanden" zu werden. Insgesamt findet er, dass "durch gegenseitiges Nachgeben die Sache am ehesten gefördert werden" könnte. Was er fürchtet, ist Anarchie und "die Zügellosigkeit der Presse", gegen die eingeschritten werden sollte - als hätte er nicht selbst Erfahrungen mit der Zensur gemacht.

In den Jahren, die der Band abdeckt, verstand sich Stifter wesentlich als Maler, und wenn er in einem Brief an Amalia davon schreibt, wie fleißig er seine literarischen Brotarbeiten verrichte, dann betont er, dass er erst nach deren Erledigung an seine Bilder gehe, von denen er einige an Freunde verschenke, manche verkaufe und wenige ausstelle. Sein Verleger Heckenast, den er über die Arbeit an dem von Stifter redigierten Sammelwerk "Wien und die Wiener" näher kennenlernte und später zum Freund gewann, kaufte eines dieser Bilder. Und es war diese Verlagsverbindung, die langsam dazu beitrug, Stifter eine bürgerliche Existenz zu verschaffen.

Der Band führt ein weiteres Mal vor Augen, dass es mit der Überlieferung von Stifters Briefen nicht zum Besten steht. Immer wieder klaffen hier Lücken, manchmal ist kein einziger Brief in vollen zwölf Monaten erhalten, manchmal ist die Pause sogar länger. Man kann sie sich als vernichtet denken, oder als achtlos weggeworfen, was nicht nur Stifters eigenhändige Mitteilungen angeht, sondern auch die seiner Korrespondenten. Besonders ärgerlich ist, dass es eine Reihe von Stifter-Briefen wohl bis ins zwanzigste Jahrhundert geschafft hatte und dann verschollen ging, sodass sie - trotz mancher Funde - auch in diesem Band nur nach früheren, willkürlich gekürzten Editionen zitiert werden können. So hat die wundervolle Beschreibung einer Eisenbahnfahrt als Fragment eines viel längeren Briefes zusammen mit anderen Fragmenten überlebt, aber übrige Schilderungen dieser Reise, die Stifter ohne seine Frau unternommen hat, sind verloren.

Und schließlich bleiben trotz des vorzüglichen Kommentars Rätsel, die sich offenbar nicht mehr lösen ließen. So schreibt Stifter Anfang Dezember 1843 an Heckenast, dass er den Kindern des Hofarchitekten Koch und deren Umfeld ein Schauspiel zu schreiben versprochen habe, dessen Titel laute: "Der scheußliche Riese Scharmak, oder der Sieg der Amazonen". Die Kinder sollen das Stück zu Heiligabend aufführen, und die Zusammensetzung der Mitspieler verlangt dem Autor einiges ab: "Da sind 7 Mädchen, die alle Rollen haben wollen, der Cousin ist der Riese. Es wird sich wohl selten ein Dichter rühmen können, daß er in einem Tage ein Drama gemacht hat." Wie über vieles andere in Stifters Biographie wüsste man auch über dieses Schauspiel gerne mehr. TILMAN SPRECKELSEN

Adalbert Stifter: "Briefe bis 1848". Werke Bd. 11,1.

Hrsg. von Paul Keckeis, Werner Michler und Karl Wagner.

Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2023.

709 S., geb., 650,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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