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Peter Schäfer untersucht die Rückwirkungen des sich herauskristallisierenden Christentums auf das zeitgenössische rabbinische Judentum. Vor allem die im Christentum allmählich konkrete Gestalt annehmende Idee einer göttlichen Zweiheit (Vater und Sohn) bzw. Dreiheit (Vater, Sohn und Heiliger Geist) hat im rabbinischen Judentum deutlichere Spuren hinterlassen als bisher meist angenommen. Daneben spielen die sich aus dem Menschensohn des Danielbuches entwickelnden Vorstellungen und die Gestalt eines höchsten Engels mit Namen Metatron eine Rolle, der sogar den Beinamen "Kleiner Gott" erhält. Auch…mehr

Produktbeschreibung
Peter Schäfer untersucht die Rückwirkungen des sich herauskristallisierenden Christentums auf das zeitgenössische rabbinische Judentum. Vor allem die im Christentum allmählich konkrete Gestalt annehmende Idee einer göttlichen Zweiheit (Vater und Sohn) bzw. Dreiheit (Vater, Sohn und Heiliger Geist) hat im rabbinischen Judentum deutlichere Spuren hinterlassen als bisher meist angenommen. Daneben spielen die sich aus dem Menschensohn des Danielbuches entwickelnden Vorstellungen und die Gestalt eines höchsten Engels mit Namen Metatron eine Rolle, der sogar den Beinamen "Kleiner Gott" erhält. Auch das stellvertretenden Sühneleidens des Messias wird (wieder) in das Judentum einführt. Die Grenzen zwischen "Rechtgläubigkeit" und "Häresie" erweisen sich als fließend, und mehr als einmal drängt sich die häretische Überlegung auf, ob man nicht nur von der "Geburt des Christentums aus dem Geist des Judentums" sprechen sollte, sondern umgekehrt auch von der "Geburt des Judentums aus dem Geistdes Christentums".
Autorenporträt
Peter Schafer, Born 1943; 1968 PhD; since 1998 Ronald O. Perelman Professor of Jewish Studies and Professor of Religion at Princeton University; since 2005 the Director of Princeton's Program in Judaic Studies.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.08.2010

Mutter und Tochter
zugleich
Peter Schäfer erhellt das Verhältnis
von Christentum und Judentum
Lange hat es gedauert, bis die christlichen Theologen eingesehen haben, dass sie ihre Religion nur verstehen können, wenn sie diese in ein rechtes Verhältnis zum Judentum setzen. Ein rechtes Verhältnis heißt: das Judentum nicht als Negativfolie des Fremden benutzen, sondern es als den Nährboden des Eigenen betrachten oder – metaphorisch gesprochen – Judentum und Christentum einander wie Mutter und Tochter gegenüberstellen.
So weit, so richtig. Doch wenn nicht alles täuscht, haben Theologie und Judaistik inzwischen einen nächsten Schritt getan. Denn sie mussten einsehen, dass sich auch das entstehende Judentum nicht ohne das Christentum begreifen lässt. Es ist ja nicht so, als wäre das Judentum schon „fix und fertig“ gewesen, als die ersten Missionare, Theologen und Bischöfe ihre Kirche gründeten und ausbauten. Das, was wir heute „Judentum“ nennen, hat sich langsam, über viele Wege und Umwege aus dem alten Israel heraus und parallel zum Christentum entwickelt – in Auseinandersetzung und Abgrenzung, unter offenkundiger oder heimlicher Bezugnahme. Deshalb ist es angemessener, Judentum und Christentum nicht mehr als Mutter- und Tochterreligion zu bezeichnen, sondern in ihnen Schwestern zu sehen, die mit- und gegeneinander aufgewachsen sind, die irgendwann aus dem gemeinsamen Vaterhaus ausgezogen und in eigene Häuser eingezogen sind, die aber – im Bösen wie im Guten – nie voneinander loskommen werden.
So weit, so einleuchtend, aber auch so allgemein. Nur, wie bekommt man einen lebendigen Eindruck von dieser gemeinsamen und gegenläufigen Entwicklung? Dazu müsste man antike jüdische Texte studieren. Doch diese sind sehr fremd. Peter Schäfer, ein Altmeister der deutschen Judaistik, ist es nun in seinen Jenaer „Tria Corda“-Vorlesungen gelungen, das paradoxe Verhältnis zwischen antikem Judentum und Christentum anhand von ausgewählten Textbeispielen plastisch vorzustellen, und dies ebenso allgemeinverständlich wie philologisch genau. Es sind befremdliche Texte, aber sie geben eindrücklich Zeugnis davon, wie intensiv und innovativ antike Rabbiner mit der christlichen Häresie gerungen haben. Da die Grenzen zwischen recht- und falschgläubig, christlich und jüdisch noch offen waren, konnten sie gelegentlich die Lager wechseln, mussten aber umso heftiger streiten. Wie anspruchsvoll und überraschend diese Debatten waren, zeigt sich zum einen in der Frage, in wie vielen Formen sich Gott manifestiert. Gibt es nur eine oder mehrere Erscheinungsarten? Hier präsentiert Schäfer erstaunliche spekulative Versuche, bis hin zu den Vorstufen einer jüdischen Trinitätstheologie.
Der Messias Efraim
Ein anderer Schwerpunkt ist die Messiasfrage. Klassischerweise erwartete das rabbinische Judentum einen Messias aus dem Hause Davids. Aber Schäfer hat einen Midrasch aus dem sechsten oder siebten Jahrhundert ausfindig gemacht, der einen Messias Efraim proklamiert. Dieser sei schon vor der Schöpfung bei Gott gewesen, sei dann auf Erden erschienen, demütig und auf einem Esel reitend, sei als Frevler Israels verfolgt worden und habe mit seinem Leiden gesühnt die Sünden der Menschen, habe sich also geopfert, um Gott mit seiner Schöpfung zu versöhnen und die Menschen zu erlösen, um schließlich auf einen himmlischen Thron an Gottes Seite erhöht zu werden. Diese erregende Häresie liest sich, als hätte ein rabbinischer Renegat ein christologisches Leitmotiv usurpiert, um es einmal durchzuspielen. Repräsentativ ist dies nicht, aber es zeigt, mit welcher Freiheit antike Juden sich theologisch mit dem Christentum beschäftigt haben.
Vieles an den von Schäfer ausgewählten Texten wird dunkel bleiben, und manche seiner Deutungen reizen zum Widerspruch. Der Gewinn der Vorlesungen ist aber, dass sie einem die handelsüblichen Klischees über Judentum und Christentum gründlich austreiben. Der Buchtitel allerdings ist überpointiert. Es wird der falsche Eindruck erweckt, als wolle Schäfer das Judentum zu einem Epiphänomen des Christentums herunterdeuten. Das ist nicht der Fall. Vielmehr zeigt er, dass sich beide mit- und gegeneinander entwickelt haben. Dies nicht nur behauptet, sondern an Texten nachvollziehbar gemacht zu haben, ist die Leistung dieses kleinen, inhaltsreichen Buches. JOHANN HINRICH CLAUSSEN
PETER SCHÄFER: Die Geburt des Judentums aus dem Geist des Christentums. Fünf Vorlesungen zur Entstehung des rabbinischen Judentums. Mohr Siebeck, Tübingen 2010. 210 Seiten, 24 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Titel dieses Bandes geht dem Rezensenten Johann Hinrich Claussen viel zu weit. Denn was der Judaist Peter Schäfer in seinen Vorlesungen zeigt, ist nicht die Geburt einer Religion aus der anderen, sondern eher, wie man Christentum und Judentum in einem Verhältnis sehen muss, in dem sich beide gegenseitig aufeinander beziehen und voneinander abgrenzen. Sehr aufschlussreich findet Claussen daher die Texte antiker Rabbiner, die Schäfer hier diskutiert und die sich mit der christlichen Häresie zum Teil "intensiv und innovativ" auseinandergesetzt haben. Allerdings räumt Claussen auch ein, dass einige Texte dunkel bleiben und nicht alle Interpretationen Schäfers seine Zustimmung finden.

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