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Haffner ist charmant, eitel und moralisch verwerflich. Er ist ein Freigeist und ein Wüstling. Und er liebt Frauen.
In einem behaglichen Alpen-Kurort sitzt Haffner nun, mit 78 Jahren, und denkt über die Verkopplungen des Lebens nach. Und sucht ein Allheilmittel, eine Wiedergutmachung. Und noch mehr Frauen. Nach und nach kommen bei ihm und dem Leser Fragen auf. Hat man seine Vergangenheit eigentlich verdient? Hat man die Familie, die man brauchte? Und die eigene Geschichte? Musste das sein?
Ein brillanter, bösartiger und melancholischer Roman, eine unzüchtige Komödie, die den Leser verblüfft zurücklässt.
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Produktbeschreibung
Haffner ist charmant, eitel und moralisch verwerflich. Er ist ein Freigeist und ein Wüstling. Und er liebt Frauen.

In einem behaglichen Alpen-Kurort sitzt Haffner nun, mit 78 Jahren, und denkt über die Verkopplungen des Lebens nach. Und sucht ein Allheilmittel, eine Wiedergutmachung. Und noch mehr Frauen. Nach und nach kommen bei ihm und dem Leser Fragen auf. Hat man seine Vergangenheit eigentlich verdient? Hat man die Familie, die man brauchte? Und die eigene Geschichte? Musste das sein?

Ein brillanter, bösartiger und melancholischer Roman, eine unzüchtige Komödie, die den Leser verblüfft zurücklässt.
Autorenporträt
Adam Thirlwell wurde 1978 in London geboren, wo er auch lebt. Seine bisher erschienenen Romane »Strategie«, »Flüchtig« und »Grell und Süß« wurden international hochgelobt, sein Werk wurde in 30 Sprachen übersetzt. Er war 2003 sowie 2013 auf der »Granta's List of Best young British Novelists« und erhielt 2008 den Somerset Maugham Award. Als London-Redakteur ist er für die »Paris Review« tätig, war gemeinsam mit Daniel Kehlmann S. Fischer Gastprofessor und hat zusammen mit Hans-Ulrich Obrist und Rem Kohlhaas das »Studio Créole« entwickelt, eine Performance-Reihe zur Übersetzung. »Die fernere Zukunft« ist sein vierter Roman.

Henning Ahrens lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Frankfurt am Main. Er veröffentlichte diverse Lyrikbände sowie die Romane »Lauf Jäger lauf«, »Langsamer Walzer«, »Tiertage« und »Glantz und Gloria«. Für S. Fischer übersetzte er Romane von Richard Powers, Kevin Powers, Khaled Hosseini. Zuletzt erschien sein Roman »Mitgift«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2010

Peepshow der reifen Jahre

Zirkusrevue flüchtiger Reflexe: Adam Thirlwell, der für sein Debüt "Strategie" viel Lob einheimste, hält in "Flüchtig" einem alternden Libertin die Stange.

Trotz seiner 78 Jahre und seines himmelblauen Jogginganzugs ist Raphael Haffner immer noch der Liebling der Frauen; selbst sein schwuler Masseur denkt, nicht nur der Namensähnlichkeit wegen, sofort an Hugh Hefner. Haffner ist ein Mythos des zwanzigsten Jahrhunderts: Ewiger Jude und aristokratischer Anarchist, Zyniker und Menschenfreund, Bankier und Soldat; vor allem aber ist er ein alter Playboy. Eigentlich wollte er bei seinem Ausflug in ein Alpenhotel nur eine Erbschaft seiner verstorbenen Frau Livia regeln. Aber was kann Haffner dafür, dass er so viel Charme und Chuzpe hat? Frau Tummel, die resolute Matrone, macht ihm Avancen. Zinka, die junge Rumänin, lässt den greisen Faun im Kleiderschrank heimlich zuschauen, was sie mit ihrem Liebhaber im Schaumbad treibt. Die Frauen reizen Haffners erschlaffte Nerven und seine brillante Formulierungsgabe zu Höchstleistungen, aber als Leser von Edward Gibbon und Suetons Cäsarenbiographien weiß er auch, dass diktatorische Macht den Keim von Dekadenz und Untergang in sich trägt und jeder Triumph nur ein Pyrrhussieg ist.

Das voyeuristische Theater im Schrank, Frau Tummels peinliche Hingabe, die Sadomaso-Orgien mit Zinka sind für den althistorisch bewanderten "Bewunderer von Effekten" nur noch schale Genüsse, nicht halb so beglückend wie die Erinnerung an die Zeiten mit Livia; damals stand er als Bankier von Jayne Mansfield und Tanzpartner von Frau Thatcher, als Holocaust-Überlebender, Weltkriegssoldat und universaler Schwerenöter noch seinen Mann an allen Fronten seines Jahrhunderts. Ähnlich wie bei Philip Roths Portnoy ist in Haffners sexuellen Beschwerden und Obsessionen die Geschichte Fleisch geworden, wenn auch eher welkes. Wie für Roths egomanische Helden gehören auch für den britischen Dandy Liebesverrat im Kleinen und Untreue gegen Nation, Religion und Klasse zusammen. Wer Champagner und Frauen liebt, mit dem Geld und den Idealen anderer Leute spekuliert, kann kein langweiliger Engländer oder gar orthodoxer Jude sein. "Haffner, mein Held", bestätigt sein namenloser junger Biograph (der mit Adam Thirlwell nicht nur das Alter teilt), "glaubte nicht an den Ernst des Lebens."

"Kehren Sie wieder, Monsieur Stendhal! Ziehen Sie vom Leder, Mr. Dickens! Schreiben Sie einen gefühlvollen Bildungsroman für die Ältesten und Reifsten." Vergil, Flaubert, Kafka, Nabokov und die 42 anderen Großmeister der europäischen Literatur, denen Thirlwell in einer Nachbemerkung für "gelehrte Zitate, die meisten abgewandelt", dankt, haben den Ruf nicht erhört. So hat er sich selbst Haffners erbarmt und wenn schon keinen reifen Bildungsroman, so doch die "Peepshow seiner reifen Jahre" geschrieben.

Der alternde Libertin, der melancholisch auf sein vergeudetes Leben zurückblickt, ist allerdings seit Casanova eine ausgereizte Figur. Wenn er dann noch Plattitüden über Weib und Welt wie boshafte Bonmots und unwiderstehliche Epigramme verkündet, wird er vollends zum Ärgernis. "Alles, was geschah, dachte Haffner, entpuppte sich als unerwartet klein. Das Große war viel kleiner als erwartet." Das gilt nicht nur für Haffners männliches Teil: Auch Thirlwells affektierte, manierierte "Brillanz" kann ihren Mangel an Substanz nur oberflächlich kaschieren. So entpuppt sich der "Endpunkt der Moderne" als koketter Kindskopf und der große Bildungsroman als kleine Farce.

"Der wahre Freigeist", philosophiert der alte Satyr Haffner einmal, "ist ein Meister der Wiederholung. Im Gegensatz zum Künstler des Einmaligen, des Improvisierten. Jeder kann improvisieren. Das wahre Talent liegt in der Beständigkeit." Thirlwell macht die geistreiche Pointe allen Ernstes zu seinem Programm. Schon die (an John Updikes "Rabbit"-Zyklus angelehnten) Kapitelüberschriften - "Haffner Entfesselt", "Haffner Entflammt", "Haffner Verbannt", "Haffner Jüdisch", "Haffner Gastronomisch" - sind nicht unbedingt originelle Stilmittel, und der ständige Wink mit dem Zaunpfahl abendländischer Bildung ist auch nicht sehr lustig. Zinkas nass gescheiteltes Haar erinnert Haffner an alle androgynen Frisuren seines Jahrhunderts, etwa der ",Flappers' aus den zwanziger Jahren und der nouvelle vague, der movida nach Franco, der zugleich perversen und zivilisierten dolce vita der Faschisten und Kommunisten in Rom". Eine Nacht mit einer Frau oder in der Oper sind für ihn sein "Cinco de Mayo, sein Risorgimento, die Pariser événements seiner wilden Erhebung". Madame Tummel und die zerdehnte Zeit auf dem Zauberberg beschwören Thomas Mann herauf, aber das Glasperlenspiel führt nur ins Leere. Im Grunde besteht "Flüchtig" aus lauter Zitaten, preziösen Metaphern und unoriginellen Wiederholungen: ein Schaumbad epigonaler Selbstgefälligkeit.

Thirlwell, Oxford-Absolvent und eleganter "Esquire"-Kolumnist, erhielt für seinen ersten Roman "Strategie" viel Lob; schon sein zweites Buch, ein literarisches Vexierspiel um "Miss Herbert", die Gouvernante von Flauberts Nichte, wurde von der englischen Kritik als eitles Getändel gerügt. Man muss schon Milan Kundera heißen, um nun in diesen frivolen, gelegentlich auch pornographischen gewagten Haffneriaden die unerträgliche Leichtigkeit des Seins zu entdecken: "Bei Adam Thirlwell ist der Witz melancholisch, die Melancholie hinterhältig und das Talent einzigartig." "Flüchtig" ist nicht die "unzüchtige Komödie" des zwanzigsten Jahrhunderts, sondern eine Zirkusrevue flüchtiger Effekte, kalter Provokationen und geborgter Kunststückchen, weniger ein Roman als eine Sammlung nachlässig zusammengeleimter Glossen über Cricket, Fußball, französischen Hiphop, Jazz und jüdische Identität. Wenigstens der Held ist auf der Höhe seiner Zeit: Haffner ist ungefähr so bescheiden und liebenswert wie Nero und Caligula.

MARTIN HALTER

Adam Thirlwell: "Flüchtig". Roman. Aus dem Englischen von Henning Ahrens. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2010. 384 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2010

Beim Altherrenausstatter
Wunderkindskopf mit Cherubslächeln: Adam Thirlwells zweiter Roman „Flüchtig“ ist ein ballettöses Satyrspiel über einen alten Erotomanen,
mit dem der britische Autor in die Fußstapfen von Philip Roth tritt  Von Christopher Schmidt
Im Grunde habe es nur zwei Frauen in seinem Leben gegeben, räsoniert Haffner: Livia und alle anderen. Livia, das ist seine Ehefrau, und alle anderen, das sind die Frauen, mit denen er Livia betrog. Haffner heißt der komische Held von Adam Thirlwells zweitem Roman, und anders als sein promisker Protagonist erweist sich der britische Autor als treu – zumindest, was sein Thema angeht: Sex. Schon sein Debütroman „Strategie“, der bei uns 2004 herauskam, war eine erotische Lotterie für drei Spieler, die mit immer höherem Einsatz auf ihre Lüste wetten.
Das Buch wurde bereits als einer der zwanzig besten englischen Gegenwartsromane gehandelt, bevor es veröffentlicht war, und der damals 26-jährige Thirlwell galt als literarisches Wunderkind. Es gab aber auch kritische Stimmen, die den Erstling als ebenso frühreif wie altklug empfanden. Vor allem an seiner Manieriertheit und Geschwätzigkeit stießen sich einige Rezensenten.
Auch das neue Buch „Flüchtig“ (The Escape) hat in seinem leichtfüßigen Parlando etwas Tänzelnden und Tändelndes; es ist ein ballettöser, burlesker Roman, der seine buffoneske Hauptfigur episodisch umspielt, Thema und Variation – eine „Haffneriade“, wie der Autor das nennt. Gereift im Vergleich zum ersten Buch ist zunächst einmal das Personal des Romans. Thirlwell schreibt nicht wie in „Strategie“ über seine eigene Generation, sondern widmet sich den erotischen Niederlagen und Demütigungen eines Roués im vorgerückten Alter. Dieser Haffner, britischer Jude, Banker im Ruhestand und Kapitalist durch und durch ist in ein ehemals kommunistisches Land in Südosteuropa gereist, um dort die Restitution einer Villa voranzutreiben, die der Familie seiner verstorbenen Frau gehörte, bevor sie von den Nationalsozialisten enteignet wurde. Das einstige Feriendomizil wieder in Besitz zu nehmen, betrachtet Haffner als nachgetragenen Liebesdienst an seiner Frau, Wiedergutmachung für die Jahre an seiner kaltherzigen Seite.
Von den örtlichen Behörden gegängelt, immer wieder hingehalten und behindert durch das obstruktive Zusammenwirken von Bürokratie, Korruption und provinziellem Phlegma, sieht sich Haffner zurückgeworfen auf die überschaubaren erotischen Offerten eines Kurhotels am Rande der Alpen, das er sich als „lustvolles, tuberkulöses Treibhaus“ ausgemalt hatte, dessen Morbidezza jedoch bestens zu seinem mürben Gemütszustand passt. Das Land wird im Roman nicht genannt, es kann sich aber angesichts des nahen Hochgebirges, mit dem wohl die Julischen Alpen gemeint sind, nur um Slowenien handeln.
Wie zum Hohn ist auch noch Haffners Koffer verloren gegangen, so dass er auf Tweedanzug und Einstecktuch verzichten und mit der Freizeituniform des sportiven Rentners Vorlieb nehmen muss: dem Jogginganzug. In diesem Tarnkleid mischt sich der 78-jährige Sexmaniak, von dem es heißt, „er schätzte Eigenarten wie Feigheit, Obszönität, Charme und lose Moral. Er hatte Schneid“ unter die arglosen Kurgäste und lauert auf Beute. Eher uninspiriert stolpert er dabei in eine Affäre mit einer matronenhaften Mittfünfzigerin hinein, deren welkes Fleisch allerdings nur unter dem Spitzenschleier eines romantischen Abenteuers in Wallung gerät. Dafür ist Haffner nun genau nicht der Mann. Alter und Potenznot fordern ihren Tribut in Form schärferer Reize. Und so hockt er in der Eingangsszene seiner unmoralischen Komödie in einem Kleiderschrank und schaut seiner Geliebten, der jungen Yogalehrerin Zinka, dabei zu, wie sie es mit einem anderen treibt. Und lässt es geschehen, dass die kräftigen Hände des Hotelmasseurs sich in Tabuzonen seines Körpers verirren.
In diesen kompromittierenden, von Thirlwell aber farcenhaft aufgefassten Verwicklungen und Kapriolen erschöpft sich der Plot von „Flüchtig“. Allzu patent ist die Handlung gestrickt, jeder rote Faden wird sauber vernäht im Motivgeflecht. Das geht so weit, dass Haffner sich die Verkühlung, mit der schließlich sein langes Sterben beginnt, ausgerechnet durch einen Sprung in den kalten See zuzieht, den er nur wagte, damit Zinka nicht sein Verhältnis mit der entflammten Frau Tummel entdeckt. Ein alter Schwerenöter findet den Tod auf der Flucht aus dem Schlafzimmer, das nennt man poetische Gerechtigkeit.
Dass aber die Fallhöhe des lächerlichen Frauenhelden nicht höher ist als die nächste Bettkante, birgt ein Risiko, das der Roman nicht wirklich tragen kann, obwohl er es sehr bewusst eingeht. Einerseits traktiert Thirlwells allwissender Erzähler, der Haffners Enkel sein könnte, seinen Protagonisten, als wäre er „ein Nadelkissen für die bunten Plastikpfeile des siegreichen Kindergottes: Cupido“, mit geradezu sadistischer Hingabe. Andererseits betreibt er maßlosen Aufwand, um die bittersüßen Qualen Haffners ins Allgemeingültige zu überhöhen.
Mit zahllosen gelehrten Anspielungen und akademischen Verweisen wie mit bunten Federn gespickt, wirkt der Roman überinstrumentiert und kommt daher wie aus dem Kostümverleih. Der Held dieser Donquichotterie wird zum Popanz des verspielten literarischen Herrenausstatters Adam Thirlwell. Das Übermaß bringt die Mittel um ihren beabsichtigten Effekt. Ständig müssen Säulenheilige aus dem Zettelkasten herbeizitiert werden, um Haffner zu stützen. So nennt Thirlwell in einer Nachbemerkung rund fünfzig Dichter der Weltliteratur, die er versteckt zitiert hat, von W. H. Auden bis Virgil. Dabei fällt auf, dass der Schriftsteller, dessen Einfluss sich in „Flüchtig“ am stärksten geltend macht, nicht genannt wird: Philip Roth, der Meister des garstigen Satyrspiels um das sterbende Tier namens Mann.
Die Ära der Haffners, schreibt Thirlwell, „war ein Interregnum: eine Pause“ und: „Im Grunde war es gar keine Ära“. Offenbar soll Haffners Leben, dessen Finale zusammenfällt mit dem Ende des Jahrtausends, hochgetrommelt werden zu einem Schicksal, das exemplarisch ist für den spätantiken Hedonismus nach dem Ende der großen Erzählungen. Unter diesem Anspruch ächzt der Roman angestrengt. Über weite Strecken hat er den Charakter einer Apostrophe, einer Anrufung. Und doch bleibt Adam Thirlwell eine Erklärung schuldig, warum er sich so tief in die Sexualpein einer Figur versenkt, die mehr als doppelt so alt ist wie er selbst. Es sei denn, es ginge nur darum, das Publikum durch seine Anverwandlungskünste zu verblüffen.
Thirlwells frühvollendeter Stil ist auch noch in Hennings Ahrens’ weniger pompösen Übersetzung von artistischer Selbstgenügsamkeit, bis hin zu so gesuchten Vokabeln wie „Oubliette“, „Queste“ oder „Dschinn“. Aber dass Thirlwell sich außer in feinsinnigen Reflexionen oft in Anekdoten verliert, hat auch mit dem jüdischen Erbe zu tun. Die Passagen über das Dilemma der Assimilation gehören zu den besten des Buches. Blond und blauäugig wie er ist, fühlt sich Haffner als Engländer, nicht als Jude. Die Identifikation geht so weit, dass er, als er im Zweiten Weltkrieg in Palästina stationiert ist, nicht versteht, warum es ihm nicht zumutbar sein soll, auf Menschen aus seinem eigenen Volk zu schießen. „Die hiesigen Juden sind nicht meine Jungs“, sagt er.
Seinen Niedergang als Mann erlebt Haffner denn auch als Rache der verleugneten Herkunft. Zu lange hatte er sich der Täuschung hingegeben, seiner Geschichte und der des Jahrhunderts entfliehen zu können, einer „Minderheitssekte mit genau einem Mitglied“ anzugehören, und geglaubt, dass es im Leben ist wie beim Cricket, wo man Sieg und Niederlage nie genau unterscheiden kann.
Zumindest der Roman hat eineechte Gemeinsamkeit mit dem Cricket. Zu dessen Tradition gehört es, dass die Schiedsrichter die Mützen der Spieler halten müssen, wenn diese ihnen hinderlich sind – eine Demutsgeste gegenüber dem accomplished gentleman . Auch als Leser von „Flüchtig“ fühlt man sich zum Garderobenständer eines Autors degradiert, der als literarischer Oberklassensportler seine kunstvollen Spielzüge vorführt.
Adam Thirlwell
Flüchtig
Roman. Aus dem Englischen von Henning Ahrens. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 384 S., 19,95 Euro.
Bedeutet Anti-Zionismus
am Ende, dass man als Brite
noch nationalistischer ist?
Adam Thirlwell, geboren 1978, ist der Überflieger unter den britischen
Romanciers. Sein neues Buch will gediegen sein und provokant zugleich.

Fotos: plainpicture/Readymade-Images/Ph, picture press
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christopher Schmidt hat der überambitionierte Roman des jungen Briten Adam Thirlwell erschöpft bis verärgert, er fühlt sich gar zum "Garderobenständer eines Autors degradiert, der als literarischer Oberklassensportler seine kunstvollen Spielzüge vorführt". Missmutig gestimmt haben ihn der enorme Aufwand, den Thirwell mit seinem  Protagonisten Haffner betreibt, der auf seine alten Tage in ein heruntergekommenes Hotel in einem postkommunistischen Landes geschickt wird, um dort vorschriftsmäßig, wie es sich für einen ausgekochten und sexbesessenen Kapitalisten gehört, auf der Suche nach einem Abenteuer zu sterben. Wozu die ganze Posse?, fragt sich der Rezensent, den der Versuch einer Überhöhung ins Allgemeingültige unter Zuhilfenahme sämtlicher verfügbarer literarischer Hausgötter nicht eben versöhnlicher stimmt. Die Abschnitte, die Haffner als nicht assimilierten Juden charakterisieren, dem es mit seinem Selbstverständnis als Engländer während des Zweiten Weltkriegs schwer fällt sich zu seinem Volk zu bekennen, zählt Schmidt zu den interessantesten des Buches.

© Perlentaucher Medien GmbH