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Was braucht man zum Leben? Eine Heimat, einen Job und die Liebe? Thomas, ein junger Journalist, der seit einigen Jahren in den USA lebt, zieht mit Teresa an den Stadtrand von Philadelphia. Doch das eigentümliche Paar kann sich nicht im Alltag einrichten. Christiane, eine deutsche Austauschschülerin, greift Teresa gewaltsam an, verführt schließlich Thomas und stellt das Leben der beiden in Frage. Ricarda Junge erzählt in ihrem ersten Roman von Menschen, die zwischen zwei Ländern und zwei Geliebten eine Heimat suchen.
Das Leben ist ein Spiel aus Nähe und Kälte, Sehnsucht und Angst. Aber
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Produktbeschreibung
Was braucht man zum Leben? Eine Heimat, einen Job und die Liebe? Thomas, ein junger Journalist, der seit einigen Jahren in den USA lebt, zieht mit Teresa an den Stadtrand von Philadelphia. Doch das eigentümliche Paar kann sich nicht im Alltag einrichten. Christiane, eine deutsche Austauschschülerin, greift Teresa gewaltsam an, verführt schließlich Thomas und stellt das Leben der beiden in Frage. Ricarda Junge erzählt in ihrem ersten Roman von Menschen, die zwischen zwei Ländern und zwei Geliebten eine Heimat suchen.
Das Leben ist ein Spiel aus Nähe und Kälte, Sehnsucht und Angst. Aber manchmal, mit etwas Glück, gelingt es, dem anderen nahe zu kommen, so weit er auch entfernt zu sein scheint.
Tom ist in Deutschland aufgewachsen und lebt seit einigen Jahren in den USA. Er arbeitet für die 'Philadelphia Daily News' und muss über eine Reihe unerklärlicher Selbstmorde schreiben. Seine Freundin Teresa ist Lehrerin an einer Highschool und kämpft mit den Folgen eines Attentats. Der Umzug in einen beschaulichen Vorort Philadelphias soll für beide ein Neunanfang sein. Aber die Idylle trügt - was anfangs nur ein Gefühl der Unsicherheit ist, wird bald zu einer realen Bedrohung.
Ricarda Junge erzählt die Geschichte einer Suche, die so typisch wie untypisch, so altbekannt wie modern ist ...
Autorenporträt
Ricarda Junge, 1979 geboren, studierte zwei Semester Rechtswissenschaft. Dann wechselte sie ans Deutsche Literaturinstitut Leipzig. Sie erhielt mehrfach Förderpreise des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen, 2003 den "Grimmelshausen-Förderpreis". 2013 wurde sie mit dem "Robert Gernhardt Preis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.07.2005

Der Putsch gegen die Nützlichkeitsdoktrin
Ricarda Junge erzählt in ihrem Roman „Kein fremdes Land” vom Erziehungswahn
Ein Mädchen läuft mit einer Tüte Mehl im Arm durch den Flur eines Gebäudes. Die Mehltüte trägt einen Strampelanzug und wird fürsorglich „Lily” genannt. Eine Szene aus der Psychiatrie? Nein, wir befinden uns in einer amerikanischen Highschool, die noch dazu eine der zehn besten der Ostküste sein soll. Voller Stolz erläutert der Direktor einem deutschen Vater die seltsame Erziehungsmethode als Präventivprogramm zur Verhütung von Teenagerschwangerschaften. Wer vier Wochen lang für so etwas Verletzliches wie eine Tüte Mehl oder ein rohes Ei (auf das der Lehrer ein Gesicht malt, damit es nicht ausgetauscht werden kann) verantwortlich gewesen sei, der lege sich nicht so schnell ein Kind zu. Der Vater ist fasziniert, seine sechzehnjährige Tochter packt das Grausen. Am liebsten würde sie postwendend nach Deutschland zurückkehren, wo man, statt wochenlang rohe Eier und Mehltüten zu hätscheln, einfach die Pille nimmt.
Erfolg und Liebe
Die 1979 in Wiesbaden geborene Ricarda Junge erzählt in ihrem ersten Roman einleuchtend und geschickt von den Erfahrungen ihrer Generation. Was in ihrem Erzählungsband „Silberfaden” noch ganz der typische Lebensstoff dieser Generation gewesen ist - ein in syntaktischer Schlichtheit vorgetragener Reigen aus zerbrochenen Familien, karg eingerichteten WG-Zimmern, ziellosem Hin- und Herziehen zwischen Wohnorten, Urlaubsdomizilen und Weltmetropolen -, formt sich nun zu einem Thema. Die Sätze sind immer noch denkbar schlicht, die dramaturgischen Erfordernisse der größeren Form zwingen die Autorin aber zu mehr gestalterischer Disziplin. Das tut ihr gut und dem Leser auch. Denn endlich begreift er die andere Lebenserfahrung, die in ihrer fremdartigen Unentschiedenheit oft willkürlich und abstoßend wirkt; nämlich dann, wenn sie nichts anderes zu sein scheint als ein kapriziöses Warten auf das große Ereignis namens Leben, notdürftig strukturiert durch das ständige Anzünden neuer Zigaretten. Eine Konstellation, die sich in zahlreichen Erzählungen junger Autorinnen wiederholt.
„Kein fremdes Land” ist ein Roman über Erziehung. Er handelt von den fatalen Folgen eines Liberalismus, der sich nur noch ökonomisch denken lässt, weil sein Freiheitsversprechen in allen anderen Bereichen menschlichen Zusammenlebens aufgezehrt ist. Die Eltern trennen sich, wann und wie es ihnen passt, sie lassen Kinder zurück, für die sie sich entweder überhaupt nicht mehr interessieren oder die sie in hysterischer Überprotektion zu erfolgreichen Menschen heranziehen wollen. Wo aber ökonomischer Erfolg zum einzigen Maßstab wird, muss Erziehung scheitern. Kinder haben ein feines Gespür für den verachtenswerten Aspekt ökonomischer Gewinnmaximierung. Wahrscheinlich gibt es kein anderes zwischenmenschliches Verhältnis, wo der Konnex zwischen Erfolg und Liebe so grausame Folgen haben kann wie zwischen Eltern und Kind, man denke nur an Elfriede Jelineks „Klavierspielerin”. Seit dem 18. Jahrhundert gilt das Kind als jenes Wesen, dem es unbedingt zusteht, um seiner selbst willen geliebt zu werden. So zumindest war das Ideal des europäischen Bildungsbürgertums. Es könnte sein, dass wir zur Zeit Zeugen eines Gesinnungswandels werden. Dass zum ersten Mal ohne Not auf dieses Ideal verzichtet wird, auch und gerade in den so genannten gebildeten Kreisen.
Ricarda Junge erzählt davon, ohne es eigens zu thematisieren. Doch sie findet eindrückliche Bilder und Szenen dafür. „Was immer in dir steckt, (. . .) wir holen es heraus. Wir machen aus dir, was du schon immer sein wolltest.” Besser als in dieser Äußerung des Highschool-Direktors kann man den neuen pädagogischen Imperativ nicht zusammenfassen: eine Mischung aus religiösem Erweckungswahn und ökonomischem Pragmatismus. Der Roman spielt in den Staaten, wo Tom, der deutsche Erzähler, dessen Mutter Amerikanerin ist, seit ein paar Jahren als Journalist lebt. „Kein fremdes Land” ist allerdings alles andere als ein Roman des Amerika-Bashings. Bewusst blendet die Autorin Deutschland- und Amerikaerfahrungen ineinander. Wie der Titel schon sagt, sind sich die beiden Länder ähnlicher, als man annimmt. Der Roman wimmelt von Spiegelungen und Symmetrien, die manchmal etwas zu schematisch ausgeführt sind, insgesamt aber ihr Ziel erreichen: den American Spirit als Zeichen der Zeit zu erkennen. Jeder hat die Freiheit, ein erfolgreicher Mensch zu sein.
Unter diesem Selbstformungsimperativ stehen - und leiden - alle Figuren. Das führt zu Verletzungen, Narben, Selbstverstümmelungen. Maria, Toms Freundin aus Jugendtagen, die inzwischen auch in den Staaten lebt, lässt sich die Brüste vergrößern und zwei Rippen entfernen. Ihr Freund Mario wird „Schnitzer” genannt, weil er Frauen damit verführt, dass er mit einem Messer über die Stellen streicht, die sie selbst an sich nicht mögen, um sie mit großem Hokuspokus wegzuzaubern.
Im Wartesaal des Lebens
„Kein fremdes Land” hat noch Schwächen. Man nimmt Ricarda Junge den männlichen Erzähler nicht ab, weil alle intimen Erfahrungen, von denen sie berichtet, weiblicher Natur sind, und weil er selbst völlig unbestimmt bleibt. Er ist fett, deutsch und hatte eine behütete Kindheit, viel mehr erfahren wir nicht über ihn, obwohl er in der ersten Person erzählt. Nicht umsonst muss die Autorin ihrem Tom ein weibliches Pendant zur Seite stellen, die junge Deutsche, die in eine amerikanische Highschool kommt. Nur mit dieser Spiegelfigur gemeinsam kann sie, die selbst als Sechzehnjährige für ein Jahr nach Philadelphia ging, ihre Erfahrungen unterbringen und zugleich die männliche Erzählposition behaupten. Dennoch zeugt dieser Kunstgriff von ihren Fähigkeiten. Sie weiß, dass man den eigenen Lebensstoff distanzieren muss, will man mehr als sich selbst zum Thema machen. Und deshalb begreifen wir in diesem Roman das Zigarettenrauchen im Wartesaal des Lebens auch als ein Zeichen des Widerstands: ein winzigkleiner Putsch gegen die Nützlichkeitsdoktrin der Erwachsenenwelt, die gerade im Begriff ist, Gesundheit und Erfolg zum kategorischen Imperativ zu erheben.
MEIKE FESSMANN
RICARDA JUNGE: Kein fremdes Land. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005. 281 Seiten, 15 Euro.
Werden Kinder um ihrer selbst willen geliebt?
Foto: Hartmut Schwarzbach/argus
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Bis auf die Kritik am allzu "symbolischen" Schluss erntet Ricarda Junges Romandebut beim Rezensenten viel Lob und Begeisterung. Die Autorin erzählt in ihrer Geschichte, die in Philadelphia während des ersten Golfkrieges spielt, in "schnörkellosen Dialogen" von den "Verknotungen des Schreckens", so der Rezensent. Tom, ein junger Mann, lebt mit einer Lehrerin zusammen, die permanent Gewalttätigkeiten von Schülern ausgesetzt ist. Dann lernt er eine Schülerin kennen, die ihrerseits von einem autoritär-moralischen Erziehungssystem drangsaliert werde. Ringsum, so Rezensent Rainer Motz, begingen junge Frauen Selbstmord, und der Held recherchiere bei Gelegenheit für eine Tageszeitung die Hintergründe. Die Autorin schaffe es, so Motz, diese schrecklich alltäglichen Szenarien zu erzählen, ohne sie zu kommentieren. Und das mache sowohl die Kraft als auch die Qualität des Romans aus.

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