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Carlos Fuentes furioser, vielstimmiger Roman über die konfliktreiche Gegenwart Mexikos. Groß ist das Unglück im kleinen. Sechzehn familiäre Tragödien, die von verletzten Gefühlen und gekränkter Liebe erzählen, von Neid und Hass. Eine Frau wird von ihrem Mann gequält, zu Hause gefangen gehaltenund kann sich nicht befreien, weil sie Obsession mit Liebe verwechselt. Ein Sohn rebelliert gegen seinen übermächtigen Vater und kann doch ohne seine Protektion nicht leben. Eine Mutter schreibt dem Mörder ihrer Tochter ins Gefängnis. Sie will ihm sagen, wie der Mensch war, den er umgebracht hat. Ein sprachmächtiges Fresko, das den Stimmlosen eine Stimme gibt.…mehr

Produktbeschreibung
Carlos Fuentes furioser, vielstimmiger Roman über die konfliktreiche Gegenwart Mexikos.
Groß ist das Unglück im kleinen. Sechzehn familiäre Tragödien, die von verletzten Gefühlen und gekränkter Liebe erzählen, von Neid und Hass. Eine Frau wird von ihrem Mann gequält, zu Hause gefangen gehaltenund kann sich nicht befreien, weil sie Obsession mit Liebe verwechselt. Ein Sohn rebelliert gegen seinen übermächtigen Vater und kann doch ohne seine Protektion nicht leben. Eine Mutter schreibt dem Mörder ihrer Tochter ins Gefängnis. Sie will ihm sagen, wie der Mensch war, den er umgebracht hat. Ein sprachmächtiges Fresko, das den Stimmlosen eine Stimme gibt.
Autorenporträt
Carlos Fuentes, am 11. November 1928 in Panama geboren, studierte Jura und schlug zunächst die diplomatische Laufbahn ein, um sich dann vor allem dem Schreiben und der Literatur zuzuwenden. 1975/76 mexikanischer Botschafter in Paris. Lehrauftrag in Harvard. Sein Werk umfasst zahlreiche literarische und politische Essays, Theaterstücke, Erzählungen und Romane. 1987 erhielt Carlos Fuentes die höchste Auszeichnung der spanischsprachigen Welt: den Cervantes-Preis. 2011 wurde Carlos Fuentes mit dem "Formentor"-Literaturpreis geehrt. Der Autor verstarb im Jahr 2012.

Lisa Grüneisen, 1967 geboren, arbeitet seit ihrem Studium der Romanistik, Germanistik und Geschichte als Übersetzerin. Sie übersetzte u.a. Carlos Fuentes, Miguel Delibes, Alberto Manguel und Frida Kahlo.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2008

Im Chor der Ehefrau

Der große mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes hat seiner Heimat in seinem neuesten Buch ein weiteres Denkmal gesetzt. Aber in erster Linie geht es in "Alle glücklichen Familien" um familiäre Tragödien.

Der mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes, der am heutigen Dienstag seinen achtzigsten Geburtstag feiert, gehört wahrlich zu den Großen der lateinamerikanischen Literatur. Der sehr kultivierte, gewiss auch von Anfang an hochprivilegierte Mann blickt auf ein reiches Leben zurück - ein Leben auch von erstaunlicher Schaffenskraft: Romane, Erzählungen, Essays, Theaterstücke, Filmbücher.

Schon sein Vater war, was er selbst mit Selbstverständlichkeit ebenfalls wurde: Diplomat. Bereits als Kind und Heranwachsender ist Carlos Fuentes viel herumgekommen: Panama (dort wurde er geboren), Quito, Montevideo, Washington. In Genf studierte er Jura. Er war Botschafter seines Landes in Paris. Danach lebte und lehrte er in den Vereinigten Staaten - in Harvard, versteht sich -, dann abwechselnd in Mexiko-Stadt und London. Der Nobelpreis fehlt ihm, falls er ihm fehlt, aber er erhielt, schon vor zwanzig Jahren, den größten Literaturpreis der riesigen spanischsprachigen Welt, den "Premio Cervantes". Politisch versteht er sich noch immer als Linker. Eine Aufsatzsammlung von 2004 heißt so deutlich wie knapp "Contra Bush".

Der Roman "Alle glücklichen Familien" erschien im Original 2006. Lisa Grüneisen hat ihn gut übersetzt; nur gelegentlich gerät man ins Stocken. Eine Übersetzung aber, an der man nicht herummäkeln könnte, gibt es nicht. Zudem diese alles andere als leicht war: Es handelt sich um eine Folge von sechzehn Erzählungen. Jeder Erzählung folgt ein mit ihr kaum zusammenhängendes Gedicht. Diese Gedichte, die aber für den Zusammenhang insgesamt wichtig sind, gehen meist über mehrere Seiten. Sie sind ebenfalls erzählend, doch tun sie dies hastig, atemlos, vielfach auf Aufreihung einzelner Wörter reduziert. Sie sind auch anklagend, werden beherrscht von einem Unterton: "Seht, macht euch nichts vor, so geht's zu in der Welt!" Die Gedichte treten dem Leser jeweils als "Chor" entgegen: als "Chor der jungen Straßenmütter", "Chor der rivalisierenden Freunde", "Chor der unglücklichen Kinder" und so weiter. Es gibt sogar, im eigentlich unmöglichen Singular, einen "Chor der perfekten Ehefrau". Einzig das letzte Gedicht ist nicht mehr "Chor" überschrieben und sehr kurz: "die gewalt, die gewalt". Die lauert hier in der Tat, brutal oder subtil, vielförmig überall. Dabei sind die Gedichte nicht weniger packend als die Erzählungen.

Der Titel der Sammlung, die als solche ziemlich einheitlich, also beileibe kein Sammelsurium ist, nimmt den berühmten Anfang von Tolstois "Anna Karenina" auf: "Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich. Jede unglückliche Familie aber ist unglücklich auf ihre Weise." Ist dieser Gedanke nicht richtig, so ist er doch suggestiv. "Die glücklichen Völker", sagen die Franzosen, "haben keine Geschichte." Unter den Familien von Carlos Fuentes dominieren ganz klar die unglücklichen. Schuld sind beispielsweise "Eheliche Bande" (da gibt es sogar zwei auseinandergerückte und sich überraschend ergänzende Erzählungen), dann natürlich Mütter, Töchter, Väter ("Der unsterbliche Vater" heißt die letzte, besonders beunruhigende, ins Irreale gehende Geschichte). Es geht um Söhne, Brüder und Schwestern, "Die Dienstmagd des Vaters" fehlt ebenso wenig wie ein homoerotisches Männerpaar, das sich schließlich doch subtil auseinanderlebt. Es finden sich "feine" Leute, aber die "unfeinen" bleiben in der Mehrzahl.

Wie die Gedichte wild sind, sind es, auf eine andere, behutsamere Weise, auch die Geschichten. Zum Teil sind sie auf herrische Art ironisch grimmig. Eigentlichen Humor, gar Lustigkeit findet sich kaum. Sind die Erzählungen denn realistisch? Nicht in jeder Hinsicht. Der Lieblingsautor von Carlos Fuentes ist, wie man liest, Balzac, der ja ebenfalls als realistischer Autor unzureichend gekennzeichnet wäre. Außerdem habe ihn, heißt es, der Chilene Pablo Neruda stark beeinflusst. In ihren Themen ebenso wie in ihrer Sprache sind diese Gedichte und diese Erzählungen zum Teil sehr drastisch. Bewundernswert ist bei alledem, wie es dem kultivierten Autor Carlos Fuentes gelingt, seine Bildung so sparsam einzusetzen; auch, wie er an seiner eigentlich traditionellen Schreibweise festhält und diese dabei wieder modern macht.

Fast alle Geschichten und Gedichte des Bandes "spielen" in Mexiko. Dennoch sollte man "Alle glücklichen Familien" auf keinen Fall primär "exotisch" lesen. Das Buch will keine literarisches Porträt Mexikos sein. Die Erzählungen und Gedichte sind weniger spezifisch mexikanisch denn - wie alle große Literatur - universell. Das bunte Bild Mexikos ist das des Menschenlebens überhaupt, wenngleich es hier natürlich in mexikanischem Gewand daherkommt - "makesicko seedy". So heißt es in einem Gedicht, ins amerikanische Englisch gebracht für "Mexiko City": macht krank und ist "seedy", mies. Aber um die Gefahren, das Krankmachende dieser Stadt (Carlos Fuentes hat über Mexiko-City 1958, vor fünfzig Jahren, den ersten Großstadtroman, "Die durchsichtigste Gegend", geschrieben) geht es hier nur am Rand.

HANS-MARTIN GAUGER

Carlos Fuentes: "Alle glücklichen Familien". Aus dem Spanischen übersetzt von Lisa Grüneisen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 411 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.05.2010

Außenansicht
Demokratie
und Elend
Wie Lateinamerika in 400 Jahren zuerst zur Unabhängigkeit fand
und dann zur Herrschaft des Rechts – und was die nun bedroht
Von Carlos Fuentes
Lateinamerika hatte seine Berufung zur Unabhängigkeit schon im 16. Jahrhundert verspürt. Bereits damals hatten zwei der vielen Kinder des spanischen Konquistadoren von Mexiko, Hernán Cortés, gegen die Krone rebelliert. Sie versuchten, ein unabhängiges Mexiko zu gründen, scheiterten und bezahlten mit Gefängnis und Verbannung.
Dieser Wille zur Unabhängigkeit wurde in Lateinamerika zwar sehr früh sichtbar, aber erst die Entwicklungen der drei folgenden Jahrhunderte konnten ihn verstärken. Erst mussten die Rassen von Europäern, Indigenen und Afroamerikanern sich vermischen, eine Volkskultur und eine literarische Kultur entstehen, soziale Klassen sich bilden, und zu guter Letzt musste sich auch dort die Ansteckungskraft der Französischen und der nordamerikanischen Revolution entfalten. Es waren diese Faktoren, die im 18. Jahrhundert den Grafen Aranda, den aufgeklärten Minister am Hof von Karl III., dazu brachten, seinem König eine „Gemeinschaft hispanischer Nationen“ vorzuschlagen, vergleichbar dem heutigen britischen Commonwealth. Sie sollte aus drei Königreichen in Lima, Mexiko und Santa Fe bestehen, die der spanischen Monarchie angegliedert wären. Der König ignorierte ihn.
Im Jahr 1767 vertrieb Karl III. die Jesuiten aus seinen lateinamerikanischen Besitzungen. Dies vertiefte die Kluft zwischen Spanien und Lateinamerika. Zudem begannen die Jesuiten plötzlich, von Rom und von London aus, von „hispano-amerikanischen Nationen“ zu sprechen.
Im Jahr 1808 marschierte Napoleon auf der Iberischen Halbinsel ein. Er ernannte seinen ältesten Bruder Joseph Bonaparte zum König von Spanien. Das Königreich war so sehr mit seinem eigenen Daseinskampf beschäftigt, dass die Kolonien im Jahr 1810 die Gelegenheit ergriffen, die Unabhängigkeit zu proklamieren – auch wenn sie die zu der Zeit noch nicht durchsetzen konnten. Stattdessen errichtete die spanische Krone im Unabhängigkeitskrieg die sogenannten Cortes von Cádiz. Diese Höfe hatten die Aufgabe, eine neue Verfassung auszuarbeiten, und daran sollten auch Vertreter der lateinamerikanischen Kolonien mitwirken. So wollte die Krone deren weitere Anbindung an Spanien garantieren. Und tatsächlich erweiterte die liberale Verfassung die Rechte der Kolonien.
Fünf Jahre lang hielt sich Joseph Bonaparte auf dem Thron, dann musste sein Bruder den spanischen Thronfolger Ferdinand VII. wieder einsetzen. Dieser stieß die für die Kolonien so wichtige Verfassung um, stellte die absolute Monarchie wieder her und verfolgte grausam Freimaurer und Intellektuelle, die Freunde der napoleonischen Besatzung. Damit verlor er die Unterstützung anderer europäischer Monarchien. Wenige Jahre später zerbrach das gouvernementale Band zwischen Spanien und Amerika für immer.
Von 1821 an enthüllte die Unabhängigkeit die widersprüchlichen Interessen der sozialen Akteure Lateinamerikas: die der weißen Kreolen (die von Europäern abstammten), die des Bauernstands und die der Arbeiterklasse. Auch Beschwerden aus den Provinzen wurden laut. Und jedes Anliegen beanspruchte Aufmerksamkeit – bis sich dann „Mini“-Republiken in Argentinien und im Hochland von Peru bildeten. Die nationale Einheit galt zwar als einziger Weg, um diese lokalen Separatismen zu überwinden. Aber sie brachte nicht die lateinamerikanische Einheit mit sich. Die Debatten drehten sich eher um die Regierungsform: Imperium oder Republik? Und wenn Republik: föderal oder zentral?
Auf der Grundlage dieser Konflikte, die in der Unabhängigkeit und ihren Verzweigungen resultierten, entstanden die lateinamerikanischen Republiken. Die rechtliche Fassade verdeckte oftmals die soziale Realität. Dass Gesellschaft und Staatsordnung zueinanderfanden, war daraufhin die Absicht von Präsidenten wie Benito Juárez in Mexiko und Domingo Sarmiento in Argentinien. Die mexikanische Revolution führte das soziale Element in die Verfassung ein. Andere Wege – die liberale Demokratie Kolumbiens, die Volksdemokratie in Chile, der Korporatismus in Brasilien – versuchten, Gerechtigkeit und Fortschritt miteinander zu verbinden.
Der Kalte Krieg unterbrach diesen Prozess. Militärregierungen, die mit den Vereinigten Staaten verbündet waren, unterdrückten die lateinamerikanische Demokratie im Namen des Antikommunismus. Das Ende des Kalten Kriegs hat die demokratische Bewegung wieder in Gang gesetzt – und zwar in einem solchen Maß, dass die Mehrheit unserer Regierungen heute das Ergebnis zuverlässiger Wahlen sind. Wir können uns auf Exekutiven verlassen, denen Grenzen gesetzt werden, auf Kongresse, die unabhängig sind, sowie auf eine freie Presse, auf unabhängige Gewerkschaften und Mehrparteiensysteme.
Fast die Hälfte der Bevölkerung Lateinamerikas lebt noch immer in verschiedenen Abstufungen des Elends. Hier muss die Demokratie ihren sozialen Rhythmus beschleunigen – zugunsten der Armen. Sonst werden die Mehrheiten Zuflucht suchen bei den Versprechen von Demagogen oder sogar auf die Wiederkehr von Militärdiktatoren setzen. Sie könnten das machen in der Hoffnung, dass Demagogie oder Diktatur ihre Probleme lösen können. Doch eben das vermögen sie nicht: Der Autoritarismus schafft lediglich eine Illusion von Fortschritt. Das Gebot ist also, dass die Demokratie sich nun auf die Arbeit, die Erziehung und die Gesundheit jener Millionen Menschen in Lateinamerika ausdehnt, denen es daran noch mangelt.
Der Mexikaner Carlos Fuentes, 81, ist einer der bekanntesten Schriftsteller Lateinamerikas („Alle glücklichen Familien“, „Der Tod des Artemio Cruz“). Übersetzung: Camilo Jiménez.
Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als einen der ganz Großen der lateinamerikanischen Literatur würdigt Hans-Martin Gauger den mexikanischen Schriftsteller Carlos Fuentes, der heute achtzig wird. Er wirft einen Blick auf das Leben des Autors und vor allem auf seine verblüffende Schaffenskraft, bevor er auf Fuentes neues Buch "Alle glücklichen Familien" zu sprechen kommt, das er als ein "weiteres Denkmal" auf die Heimat des Schriftstellers bezeichnet. Allerdings hebt er zugleich hervor, dass das Buch kein "literarisches Porträt" Mexikos sein will. Die sechzehn Erzählungen, die von Gedichten kommentiert werden, beanspruchen seines Erachtens universelle Geltung. Im Mittelpunkt der Geschichten sieht Gauger unglückliche Familien und familiäre Tragödien. Die Gewalt lauere hier überall, mal subtil, mal brutal. Beeindruckt hat ihn, wie es Fuentes gelingt, seine im Grunde eher traditionelle Schreibweise "modern" zu machen. Mit Lob bedenkt er auch die Übersetzung von Lisa Grüneisen.

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