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Europäern gilt Chaplin als Prototyp des vagabundierenden Tramps. Doch er spielte kaum den Vagabunden, sondern oft den Hobo, den Wanderarbeiter auf Arbeitssuche. In der Hierarchie der Straße stand dieser oben, es folgte der Tramp, dann der Bum, der besoffene Penner. In dieser "Gesellschaft" spielten schließlich auch die Yeggs, die Verbrecher, ihre Rolle. Aus wirtschaftlicher Not begannen viele ihre Laufbahn als Hobos, auch Prominente wie etwa Spencer Tracy oder Clark Gable: ein spannend-bewegtes Kapitel der Sozialgeschichte, das tiefe Spuren im Film und besonders in der Literatur hinterlassen…mehr

Produktbeschreibung
Europäern gilt Chaplin als Prototyp des vagabundierenden Tramps. Doch er spielte kaum den Vagabunden, sondern oft den Hobo, den Wanderarbeiter auf Arbeitssuche. In der Hierarchie der Straße stand dieser oben, es folgte der Tramp, dann der Bum, der besoffene Penner. In dieser "Gesellschaft" spielten schließlich auch die Yeggs, die Verbrecher, ihre Rolle. Aus wirtschaftlicher Not begannen viele ihre Laufbahn als Hobos, auch Prominente wie etwa Spencer Tracy oder Clark Gable: ein spannend-bewegtes Kapitel der Sozialgeschichte, das tiefe Spuren im Film und besonders in der Literatur hinterlassen hat, von Mark Twain über Jack London und John Steinbeck bis hin zur "Beat Generation".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.09.2005

Spähend in alle Ecken, abseits und nie entdeckt
So viel Mobilität verlangt die Besiedlung des Westens: Michael Schulte erzählt von Hobos und Tramps
„Prepare to meet thy god!” Ende der fünfziger Jahre beschloss Ches McCartney, Präsident der USA zu werden. Seine Chancen schienen ihm nicht schlecht zu sein. Immerhin hatte er seinem Konkurrenten John F. Kennedy etwas Entscheidendes voraus: Er kannte fast alle amerikanischen Staaten aus eigener Erfahrung. Zu seinem Besitz gehörten drei Dutzend Ziegen und zwei alte Wagen voller Gerümpel. Vogelkäfige, Windräder, Laternen oder Pfannen, all das, was sich auf zahllosen Wanderungen angesammelt hatte. Der Plan scheiterte. Das Predigen hätte er im Falle eines Wahlsieges vielleicht aufgegeben - aber sein Leben auf der Straße?
Und doch war die große Zeit der Hobos und Tramps schon eine Weile vorbei. Man könnte sie, mit Walt Whitman, als Märchen erzählen: „Ich wandere durch Neu-England, ein Freund, ein Reisender, / plätschere mit nackten Füßen am Rande der Sommerwellen auf Paumanoks Ufersand, / ziehe durch die Prärien, wohne wieder in Chicago, wohne in jeglicher Stadt". Chicago war tatsächlich der geheime Mittelpunkt dieser Reisenden. Hier gab es den größten Bahnhof des Landes und die billigsten Unterkünfte. Dazu eine Szene aus Bohemiens, linksradikalen Buchhandlungen und Verlagen, Clubs und Kneipen. Aber das Leben am Rand war weit weniger idyllisch, als es die Gesänge Whitmans vermuten ließen. Nicht reine Wanderlust oder die Angst vor gesellschaftlichen Zwängen trieb viele der Menschen auf die Straße, sondern wirtschaftliche Not. Während die Hobos sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielten, lehnten die Tramps jegliche Arbeit ab.
Der Publizist Michael Schulte zeigt, wie sehr sich das Auftauchen der Hobos den wirtschaftlichen Umständen im damaligen Amerika verdankt. Die Besiedelung des Westens verlangte Wanderarbeiter, die sich um den Bau von Straßen, Ortschaften und der Eisenbahn kümmerten. Erst recht aber kam man auf den Plantagen nicht ohne billige Erntehelfer aus. Es gehört zu den kleinen Paradoxien dieser Geschichte, dass die Reisenden nach und nach von jenen Schienen vertrieben wurden, die sie zum größten Teil selbst gelegt hatten. Später, schon im zwanzigsten Jahrhundert, brachten die wirtschaftlichen Depressionen andere Hobos hervor, die einzig ums Überleben kämpften.
All das erzählt Schulte bilderreich und anregend. Seine Stärke ist die Anekdote, verpackt in einen ironischen Ton, der nur selten etwas zu abgeklärt wirkt. So verliert er sich weder in wissenschaftlichem Jargon noch in moralisierenden Sätzen. Seine Thesen für den großen Überblick indes überzeugen eher wenig. Ein genetisch bedingtes „gleichgültiges Verhältnis zu Sachen und Personen”, das den Wunsch der Amerikaner „unterwegs zu sein” erklären soll - das ist eine Klammer, die ebenso allgemein erscheint wie schlecht gesetzt. Sie reibt sich nicht nur am historischen Ansatz des Buches, sondern fasst auch die vielen Seitenstränge unglücklich zusammen, die Schulte an anderen Stellen so schön auffaltet. Wie wichtig der Blick für Kleinigkeiten ist, Walt Whitman wusste es genau: „Spähend in alle Ecken, abseits und nie entdeckt, kein Wesen noch Ding übersehend, / alles nehme ich auf, für mich und diesen Gesang.”
NICO BLEUTGE
MICHAEL SCHULTE: Wo immer ich bin, ist nirgendwo. Hobos und Tramps in Amerika. Oesch Verlag, Zürich 2005. 224 Seiten, 14,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Spannend findet Nico Bleutge diese anekdotenreiche Einführung die Welt der amerikanischer Landstreicher, die Hobos und Tramps auf jeden Fall - auch wenn der Autor mit einigen Erklärungsansätzen, die einen großen Auf- und Überblick auf das Thema versuchen ,nach Meinung des Rezensenten gehörig daneben liegt und seinen eigentlich historischen Ansatz damit fast kaputt macht. Doch im Detail erscheint ihm das Buch ungleich überzeugender, bilderreich und anregend. Als seine Stärke schildert Bleutge die Anekdote, verpackt in einen ironischen Ton, der nur selten etwas zu abgeklärt wirke. Bleutge begrüßt diesen Einblick in eine Welt, die gerne romantisiert wurde und die heute fast vergessen ist.

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