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Juti
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Insgesamt 740 Bewertungen
Bewertung vom 02.08.2025
Twain, Mark

Germany and the Awful German Language Deutschland und die schreckliche deutsche Sprache


gut

Biedere Auswahl, wechselhafte Übersetzung ***

Als Mark Twain Kenner bin ich genau der Richtige, um dieses Büchlein zu bewerten.
Da ist zunächst die Frage, welche Texte in die Auswahl von A Trump Abroad kommen. Inzwischen werden so oft nur die Reisekapitel Twains übersetzt, dass der Unwissende glaubt, dies sei sein Hauptwerk. Bei den Raben im Heidelberger Stadtwald schimmert aber sein Können bei Legenden und Sagen durch.

Selbstverständlich kann man sie alle weglassen, auch seine schönen Anekdoten, aber welchen Wert hat die ausführliche Beschreibung eines spätestens im Zweiten Weltkrieg zerstörten Heilbronner Hotelzimmer, wenn man die nächtliche Wanderung durch eben dieses weglässt? Welchen Wert hat die Floßfahrt auf den Neckar, wenn man die Erzählung vom Sturm vor Hirschhorn und sein tragisches Ende in Heidelberg weglässt?

Nicht zum ersten Mal hören wir seine Meinung über die Oper, das schwierig zu übersetzende Kapitel über die Loreley wird hingegen uns wieder einmal vorenthalten.


Als Zweites ist zu fragen, ob die Übersetzung stimmt. Manches hat mir gut gefallen wie die Studenten im „Gänsemarsch“ im Heidelberger Schlossgarten. Anderes gefiel mir weniger:
Wanderrucksäcke sind keine „Tornister“ (49) und man schreibt auch nicht: [Sie] „nahmen ein herzhaftes Frühstück“, sondern: Sie frühstückten herzhaft. (51) Auch beim Witz vom Rheinwein und Essig muss „Etikett“ das letzte Wort sein. (77)
Beim Beginn der Floßfahrt enthält die Frage: „Wollt ihr mit?“ keinerlei Gefahrenhinweise.
Bei der deutschen Sprache geht der Witz mit dem Turner verloren, wenn man von deklinieren anstatt von beugen spricht. (125)
Andererseits ist beispielsweise das Kapitel über Baden-Baden gut übersetzt. Und die Schrecken der deutschen Sprache sind kurz und prägnant geschildert und lassen den Balast der alten Übersetzung weg.
Manches ist auch Interpretation. Ich hätte die Grammatik der Tiere gelassen, aber das geht auch freier.


Mir schwant, dass der Übersetzer sich ein dickeres Buch gewünscht hätte und auch die Misthaufen im Schwarzwald erklärt hätte, der Verlag stand aber vermutlich auf der Bremse. Schade, denn so wären mehr als 3 Sterne unverdient.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.08.2025
Anders, Florentine

Die Allee


ausgezeichnet

Eine Familiengeschichte mit dem berühmten DDR-Architekten Henselmann *****

Von Architektur habe ich wenig Ahnung. Ich bin nur ein kleiner Bauhaus-Fan. Und dann bin ich natürlich überrascht, dass ich in diesem Buch lese, dass der vielleicht berühmteste Architekt Hermann Henselmann der DDR aus dieser Schule stammte, aber vor allem unter Honecker nicht so bauen durfte, wie er wollte.

Dieser Roman ist aber keine Architekturgeschichte, sondern eine Familiengeschichte. Gleichrangig wird seine Frau Isi behandelt, die zehn Jahre jünger Hermann vor ihrem Studium kennenlernt, also nicht studiert und mit ihm acht Kinder bekommt. Selbst ihre Geschwister werden zum Thema. Die Schwester hat nach dem Krieg den DDR-Kritiker Havemann geheiratet, der Bruder arbeitet in Bonn beim Auswärtigem Amt und wird später sogar wegen Spionageverdacht verhaftet.

Die weitere Hauptfigur Isa ist eins davon, die immer wieder vom Vater verprügelt wird. Ständig zieht die Familie, was sich dann auch auf die Tochter vererbt. Als sie Marzahn wohnt, heißt es, dass die Siedlung „nicht nur aus genormten, sondern auch aus genormten Menschen zu bestehen scheint.“ (280f)

Einerseits nimmt der Roman zu allen politischen Themen in der DDR Stellung, andererseits fehlen auch nicht die vielen Affären Hermanns und der Männer von Isa. Und es beginnt mit einem mysteriösen Unfall von Isa, der aber im Verlauf aufgeklärt wird.
Da Hermann kurz vor dem 90.Geburtstag stirbt und der Roman danach nur einen kurzen Ausblick bietet, endet der Roman in den 90ern, der Neuaufbau Berlins nach der Wende fehlt also nicht.

Außer dass sich die Figuren am Ende an Dinge erinnern, die wir vorher schon gelesen hatten, hat mir dieses rundum gelungene Buch sehr gefesselt. 5 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.07.2025
Graf, Bernhard

Majestätisch kuren


sehr gut

großes Bildwerk, gute Tipps ****

Der Autor der Carl Theodor Biografie hat vorher dieses großformatige Buch geschrieben, dass auch durch seine Bilder überzeugt. Fotos aus einer Dokumentation des BR finde ich dagegen zu viel des Guten. Zu viel des Guten sind auch die zahlreichen Namen. Erst mit Beginn der Neuzeit, als mir die Menschen bekannter werden, wird das Buch besser lesbar.

Der Historiker beginnt in der Antike mit den nach Geschlecht getrennten Bädern von Claudius dem Etrusker, während in Abano gemischt gebadet wird, ähnlich wie in Boccacios Decamerone. Ein Zitat aus einem anderen Buch: „Auch du Mädchen wirst feucht, wenn du die Ungezogenheiten und poetischen Spielereien in meinem Büchlein liest, magst du auch aus Padua stammen.“ (17)

Im späten Mittelalter befinden wir uns im Krumbad in Schwaben: „Kein Anblick ist reizender, als wenn eben mannbare, oder schon in voller Blüte stehende Jungfrauen nackend im Wasser, mit dem schönsten Gesicht, der freiesten offensten Miene, an Gestalt und Sitten Göttinnen gleich, in ihrem Instrumente singen. - Ihr Gewand ist leicht zurückgeworfen, und schwimmt auf dem Wasser, dass man so ein Mädchen für eine zweite Venus halten könnte.“ (21)

Leider lehnten die protestantischen und calvinistischen Theologen das badefreudige Mittelalter ab, dann verurteilte auch das Konzil von Trient alles Nackte. (58) Dennoch zeigten die Fürstbischöfe der Schönborn in Mainz und Bamberg wie moderne Badeanlagen auszusehen haben. (68) Und Carl Theodors Frau wird zitiert: „Ich flehe Sie an, küssen Sie nicht Ihre Lieblingsstelle, denn ich habe sie so stark gespürt, dass es mich immer noch brennt, ich bin verärgert, dass das Bett vom Regen befleckt wurde“ (77). Carl Theodors Badehaus in Schwetzingen fehlt natürlich nicht, auch wenn seine Mätresse Maria Josepha Gräfin von Heydeck bei der Fertigstellung 1772 schon ein Jahr tot war. So enden hier die freizügigen Zitate mit Ausnahme des bayerischen Königs Ludwig II., der glaubte, es genüge mit einer Frau im selben Bett zu liegen, um Kinder zu bekommen. (146)

Alexandersbad wurde dagegen erst ausgebaut, als es ab 1791 den Hohenzollern gehörte. Dafür kaufte der Markgraf den Landsitz des Lord Melcombe bei Hammersmith und Lord Carvens Sitz Benham. (91)

Dieses Buch könnte auch als Reiseführer für bayerische Bäder gelesen werden. Burghausen, Abbach, Bad Gögging, Heilbrunn, Bad Steben, Seeon mit dem Ausflugsziel Ratzingerhöhe bei Rimsting, Greifenberg, auch das weniger bekannte Moor- und Schlammbad Bad Aibling – nichts fehlt. Vom Wildbad bei Wemding ist aber offenbar nicht mehr als ein Hotel übrig geblieben. Und selbst in Gleisweiler wurde 1843/44 ein Kurhaus gebaut.
Mit Bad Kissingen folgt der Höhepunkt gegen Ende. Der Kurplatz 1737 von Balthasar Neumann erdacht war 1737 hochwassersicher außerhalb der Stadt angelegt worden. Dort änderte auch Reichskanzler Bismarck seine Meinung über Ärzte. Früher sagte er: „Wenn der Arzt nicht da ist, schadet’s nichts.“ Nun lernte er Schwenninger kennen und bekannte: „Alle früheren Ärzte habe ich behandelt, jetzt endlich habe ich einen, der mich behandelt.“ (152)

Diesem monumentalen Werk hätte sowohl ein Personen- als auch ein Ortsregister gut getan. Insgesamt also 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.07.2025

Die NSDAP in Heidelberg


sehr gut

Gedruckte Magisterarbeit ****
Wie bei solchen Prüfungsarbeiten üblich, stellt der Autor klar vor, was er zu tun gedenkt und was dabei neu ist. Untersuchungen über die NSDAP in einer Mittelstadt sind bisher nicht bekannt, da die Partei nach der Machtübernahme 1933 eigentlich überflüssig wurde und nur noch mit der Volksbildung im Sinne der Nazis beschäftigt war.
Nebenbei, also nur als Fußnote, erwähnt der Autor, dass Heidelberg 1942 durch die Verlegung des Hauptbahnhofs vom Bismarckplatz an die heutige Stelle eine neue Prachtstraße erhalten sollte. Diese Pläne scheiterten am Kriegsverlauf. Als 1952 der neue Hauptbahnhof eingeweiht wurde, wurden die Pläne der Nazis verschwiegen und der Nazi-Bürgermeister Neinhaus kam dank amerikanischen Persilschein zurück in sein Amt.
Lokal historisch interessant ist, dass die Parteizentrale von 1929 bis 1932 am Marktplatz 3, dann in die Villa Gaisbergstraße 55 umzog, um 1939 auf dem Schloßberg 1 zu landen.
Danach beginnt die soziologische Untersuchung, die an der kleinen Grundgesamtheit von 51 Funk­tionären in Heidelberg leidet, die etwas älter, überwiegend evangelisch, später auch gottgläubig waren und – das ist vielleicht das wichtigste Ergebnis – überwiegend aus Heidelberg oder Umland stammten, außer bei den höheren Kreisfunktionäre, die auch extra für das Amt in die Region kamen.
Auch die Mittelstandspartei stimmt nicht so. Die Kreisfunktionäre hatten doch häufig einen akademischen Abschluss. ****
Zur Karriere der Funktionäre nach 1945 sagt die Arbeit leider nichts. Insgesamt aber doch interessant und schnell zu lesen, also 4 Sterne.

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Bewertung vom 25.07.2025
Gontscharow, Iwan Aleksandrowitsch

Oblomow


sehr gut

Russischer Klassiker ***
Oblomow ist so destruktiv, dass er die ganze Zeit im Bett liegt. Er grübelt über seine Probleme. Seine Wohnung in Petersburg soll er verlassen und aufs Land ziehen, wo er dank des Besitzes seiner Familie ein Gut hat, von dessen Geld er lebt. Seine Einnahmen werden aber immer weniger und so hat er überall Schulden, auch beim Metzger und beim Bäcker. Doch all das verdrängt er: „Weder über seine Einkünfte noch über seine Ausgaben wusste er genau Bescheid, auch hatte er nie ein Budget aufgestellt – nichts von alledem.“ (95)***
Sein Diener Sachar liebt seinen Herrn auch nicht. Er hintergeht ihn, wo er nur kann. Dennoch ist er der Einzige neben einem Deutschen, der noch richtigen Kontakt mit ihm hat. Ein anderer Besucher, dessen Name Tarantjew ich vergessen hatte, kommt nur wegen seiner Karriere und leiht sich Sachen aus, die er nicht zurückbringt. Von ihm wird berichtet, dass er es fertigbringt, „Bestechungsgelder von seinen Kollegen und Bekannten anzunehmen.“ (59) ***
Trotz seiner Handlungsarmut ist es ein interessanter Roman. Nur Oblomows Traum gefiel mir nicht so. Deswegen 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.07.2025
Puchner, Martin

Kultur


weniger gut

Einfache Zusammenfassung


In einem Satz könnte man dieses Buch zusammenfassen: Die Kultur profitiert vom Austausch mit anderen Kulturen und aus dem Wissensspeicher der vorherigen Generationen.
Dabei fängt der Autor in einer Eiszeithöhle in Frankreich an, vergisst auch Indien und die Azteken nicht und beschreibt den Wissenstransfer von Konstantinopel nach Bagdad, da das Christentum nicht einmal nichtchristliche Autoren wie Platon und Aristoteles zuließ. Erstaunlich auch, dass selbst die Gründung der Religion durch den Apostel Paulus eine Fußnote wert ist.


Völlig abgefahren sind teilweise die Kapitelüberschriften. So hat das Kapitel über den indischen Gott in Pompeji 20 Seiten, der Gott selbst wird auf einer Seite behandelt. Über die Bundeslade in Äthiopien geht es mit Karl dem Großen zu Hildegard von Bingen. Weiter nach Mexico und Portugal bevor es immer literarischer wird.


Ich war froh als es endlich zu Ende war, also nur 2 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.07.2025
Defoe, Daniel

Kurze Geschichte der pfälzischen Flüchtlinge


ausgezeichnet

berühmter Autor, vergessene Geschichte

Im 17. Jahrhundert erlebte die Pfalz zwei große Kriege: Auf dem Dreißigjährigem Krieg folgte der Pfälzische Erbfolgekrieg, nachdem die französischen Truppen eine verwüstete Pfalz hinterließen.

Zu allem Überfluss war der neue Kurfürst nicht mehr reformiert, sondern katholisch. Ich hörte, dass er seine protestantischen Untertanen mit einer Sondersteuer belegte. Kein Wunder, dass sie auswandern.
Defoe schreibt das so: „Diese Gegend ist der allerschönste Teil des Deutschen Reiches und war deswegen bei den benachbarten Fürsten zu allen Zeiten begehrt.“ (45f) und: „Nachdem sie fast hundert Jahre lang Kriegsschauplatz war und alles erduldete, was das Haus Österreich ihr anzutun vermochte, hat das Haus Bourbon ihren Ruin vollendet. (47)

Zu ihrem Glück gab es Menschen wie Defoe, der seine Glaubensbrüdern in England im New Forest und in englischen Städten mit florierender Textilindustrie eine neue Heimat geben wollte, wie der König von Preußen, der Pfälzer in Magdeburg ansiedelte. (26)

Auf Seite 57 listet er kurz und knapp die Gründe auf, die für die Aufnahme der Pfälzer und durch die Unterstützung durch reiche Privatleute sprechen:
„1. weil die Pfälzer in großer Bedrängnis waren
2. weil sie Fremde waren und
3. weil nicht bekannt war, ob die Regierung oder andere sie versorgten.“

Fremde brauchen anfangs immer Unterstützung. Später können sie zum Segen werden, wenn sie dank Arbeit zu Steuerzahlern werden.

Eine sehr lesenswerter Aufsatz! 5 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.07.2025
Knaus, Gerald

Wir und die Flüchtlinge


sehr gut

2021 veränderte mehr als 2015


Später wird man „das Jahr 2021 als den Moment beschreiben, an dem sich Europas Demokratien von der Genfer Flüchtlingskonvention abwandten“, schreibt der Autor zu Beginn (9). Und weiter: „Jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, weiß, dass heute an den Außengrenzen der EU systematisch EU-Recht gebrochen und Menschenrechte verletzt werden.“ (14)

Während an der Südgrenze der EU, insbesondere in Griechenland, immer wieder verdeckte Pushbacks stattfanden, werden sie seit dem Sommer 2021 ganz offen an der polnischen Grenze zu Weißrussland betrieben. Der Diktator Lukachenko hatte offensichtlich Flüchtlinge im Irak anwerben lassen und sie nach Minsk geflogen mit dem Versprechen, sie in die EU zu bringen. Diese Art der Migration hat die Amerikanerin schon 2010 in einem Buch schon als „Waffe“ und „Erpressung“ bezeichnet. (61)

Polens Regierung sah dies als hybriden Angriff und verteidigte sich nach Änderung des Asylrechts mit Pushback, was zwar gegen EU-Recht verstößt, aber wie schon in Ungarn Jahre vorher zu keinerlei Konsequenzen geführt hat.
Der EU-Grenzschutz Frontex zöge sich dann zurück, aber Polen hat ihn
gar nicht erst abgefordert. Weil Ungarn und Polen Pushbacks nicht leugnen, entstehen keine „Heucheleikosten“ und die Staaten sind nicht mehr erpressbar. (64)

So gibt es auf dem Papier guten Schutz: Genfer Flüchtlingskonvention, Europäische Menschenrechtskonvention und das EU-Asylrecht, doch setzen die Staaten diese außer Kraft, weil die Initiative nicht in Brüssel, sondern in den Mitgliedsländern liegt.

Im Jahr 2021 nach der UNHCR haben die Türkei und Uganda mit je etwa 100.000 die meisten Flüchtlinge aufgenommen, Deutschland etwa 45.000. (83) Irreguläre Migrantion ist oft tödlich und nur selten erfolgreich. Doch müsse man mit Mythen aufräumen: Die meisten Flüchtlinge sind Binnenflüchtlinge. (75)


Ein sehr lesenswertes Buch, das aber jedes Jahr aktualisiert werden müsste. Daher 4 Sterne

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2025
Thielemann, Markus

Von Norden rollt ein Donner


gut

Lüneburger Heide Heimatroman

Wie in den Vorjahren auch, ist es mir heute gelungen, alles lesbaren Bücher des Deutschen Buchpreises zu lesen. Dieses Jahr war mit drei unlesbaren Büchern, darunter auch die Preisträgerin, kein gutes Jahr. Auf der Longlist stehen bessere Romane.

Dieses Buch gehört zu den drei von mir im weitesten Sinne als Heimatroman, wobei Orthmanns Buch 74 über die Jesiden das mit Abstand packendste war. Wolffs Lichtungen gaben uns Einblicke nach Siebenbürgen, insbesondere wie es sich lebt, wenn viele Landsleute nach Deutschland abwandern.

Thielemann dagegen bleibt im Land, nimmt uns mit zu Schäfern auf die Lüneburger Heide. Ihre Einstellung zur Rückkehr des Wolfs ist das Zentralthema des Buches. Daneben taucht auch mal ein Fernsehteam auf, doch hätte hier mit der Ausstrahlung und den Reaktionen darauf noch mehr erzählt werden können.

Nebenbei wird noch die demenzkranke Oma unseres Helden Jannes (anfangs hatte ich James gelesen und mich über den englischen Namen in der Heide gewundert, aber die Lesebrille hat weitergeholfen) erwähnt, die im Heim lebt, weil die Familie nicht mehr mit ihr klar kam.


Alles in allem ist dieses Buch dem Buch von Wolff sehr ähnlich, nur ein anderer Ort und damit auch andere Themen. 3 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.06.2025
Maisel, Lukas

Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete


ausgezeichnet

Wie das Schachspiel die Welt rettete

Auch wenn das Buch als Roman verhökert wird, ist es doch eine Novelle. Wer Stanislaw Petrow nicht kennt, möge sich diesen Namen merken. Er rettete am 25.9.1983 die Welt.

„Eines Tages wird dich dein Abwarten noch einmal in Schwierigkeiten bringen“ (26), unkt seine Frau, als er in den Streit seiner Kinder nicht eingreift. Weit gefehlt.

Kollege krank, Petrow übernimmt die Nachtschicht. Um 0.15h kommt der Befehl START. Angeblich sollen die Amerikaner eine Atomrakete gestartet haben. Bei seinen Kollegen herrscht Schockstarre. Doch ausgerechnet auf S.64 erfahren wir sein Wichtigstes Können: „Petrow erinnerte sich, wie sein Vater ihm als Junge die Feinheiten des Schachspiels beigebracht hatte. Wenn er eine Figur leichtfertig gezogen hatte, ermahnte sein Vater ihn, jeden Zug und seine Folgen vollständig zu durchdenken.“

Also hatte er zwei Möglichkeiten: 1. Den Alarm als glaubwürdig weitergeben. Der todkranke Andropow würde dann den Befehl zum Start der Atomraketen geben. Oder 2. Er meldete einen Fehlalarm. „Wenn du gewinnen willst, musst du Opfer bringen“(67) hatte er vom Vater beim Schach gelernt. Er wollte nicht Schuld am Atomkrieg sein.

Eine Rakete war auch nicht sinnvoll. Mit dem Erstschlag musste der Gegner vollständig ausgelöscht werden. Dann folge Alarm 2, 3, 4 und fünf. Petrow tat nichts. Einmal Fehlalarm, immer Fehlalarm. 0.31h: Auf dem Radar ist keine Rakete zu sehen. Entwarnung. Seine Entscheidung war richtig.

Petrow wird nicht befördert. Es muss ein Opfer geben, warum der Computer falsch gewarnt hatte. Petrow ist das Opfer. Drei Tage musste seine Frau auf ihn warten. Er wechselt in eine Rüstungsfirma.

Zu guter Letzt werden Sicherheitssysteme kritisiert. Nach dem Briten Tim Harford habe bereits Galilei erkannt, dass eine mit 2 Balken geshützte Marmorsäule in der Mitte bricht, wenn sie noch einen dritten Balken bekommt (120).


Zwei Monate lag dieses Buch auf meinem Nachttisch. Nun habe ich es an einem Tag gelesen. Im Gegensatz zur FAZ bin ich vollauf begeistert. Der von der FAZ erwähnte Film kommt auch im Buch vor und wird scharf kritisiert. Seltsam, dass die FAZ nichts darüber schreibt. 5 Sterne


Zitat: Laut Pythagoras war der Mensch auf Erden, um den Himmel zu betrachten. Der zweitschönste Satz von Pythagoras. (14)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.