Der Plot dieses kurzen Romans hat mich gleich gecatcht: Eine berühmte Schauspielerin trifft einen jungen Mann, der behauptet er sei ihr Sohn. Sogar Ähnlichkeiten sind vorhanden zwischen den beiden. Aber es gibt einen Haken: Sie hat nie ein Kind bekommen. Wie kommt er also auf diese wilde Behauptung?
Trotz der Kürze ist „Die Probe“ ruhig erzählt. Neben dem Umkreisen der Schauspielerin und Xavier – dem jungen Mann und vielleicht-Sohn – wird einiges aus der Vergangenheit der Schauspielerin erzählt. Über ihre Ehe, ihre Karriere, ihre aktuelle Arbeit. Auch analysiert sie ständig die sie umgebenden Personen und versucht die unausgesprochenen Gedanken und Gefühl zu ergründen, die diese vielleicht haben. Auch sich selbst hinterfragt sie immer wieder. Ihre Welt scheint komplett aus Konkurrenz und Misstrauen zu bestehen. Das war anstrengend zu lesen.
Auch eine Theaterprobe nimmt viel Raum im Roman ein. Natürlich geht es um eine Szene, die noch durchdrungen werden muss. Puh. Hier hängt die Geschichte etwas durch, nimmt dafür im zweiten Teil wieder fahrt auf, weil etwas passiert, dass mich durchgängig verwirrt und zu vielen Fragezeichen geführt hat. Das ist aber durchaus positiv gemeint! Die Frage nach dem „Was ist passiert?“ hat mich bei der Stange gehalten, denn inhaltlich ist nicht wirklich viel los. Leider wird die Story zunehmend irre, abgedreht und für mich in keiner Weise mehr nachvollziehbar. Ja, letztlich wird alles (kind of) aufgeklärt aber ich fand große Teile der Geschichte absolut unglaubwürdig und überzogen.
Vom eigentlichen Plot, der mich zu Beginn so interessiert hat, bleibt nicht viel mehr als mal wieder eine irre, kinderlose Frau, die mit ihrem Leben nicht zurecht kommt. Danke, aber nein danke.
Eine bitterböse 1 Sterne Kritik über das Theaterdebüt einer jungen Schauspielerin zu schreiben ist vielleicht nicht nett, aber sowas kommt vor. Diese Kritik für eine große Tageszeitung zu schreiben, tut der Bewerteten schon mehr weh aber auch das könnte man verschmerzen. Aber direkt nach dem Schreiben besagter Kritik mit der Schauspielerin ins Bett zu stiegen, ohne mit einem Wort zu erwähnen, dass man ihre Show gesehen, geschweige denn darüber geschrieben hat, das geht gar nicht! Doch genau das hat Alex Lyons gemacht. Und natürlich ist diese Schauspielerin, Hayley Sinclair, darüber stocksauer. Kurzerhand wirft sie das Konzept ihrer Show um und erzählt Öffentlichkeitswirksam, was Alex ihr angetan hat. Mit welcher Wucht ihre neue Show einschlägt, damit hätte Hayley nicht gerechnet. Und noch weniger mit all den anderen Frauen, die sich bei ihr melden und die ebenfalls nichts Gutes über Alex zu berichten haben. Doch wohin führt der Hype?
Erzählt wird die ganze Geschichte von Sophie. Sie ist Alex' Kollegin und mit ihm zusammen auf dem Kunstfestival in Edinburgh auf dem unter vielen anderen Hayley ihre One-Woman-Show aufführt. Die eher zurückhaltende, frisch aus der Elternzeit kommende Sophie ist das Gegenteil des charmanten und gutaussehenden Alex, der zu allem Übel auch noch der Sohn einer berühmten Schauspielerin ist. Mit der Zeit wird sie seine einzige Verbündete, während der Rest der Welt ihn mit jeder neuen Story die über ihn herauskommt mehr zu hassen scheint. Dabei hat sie vollstes Verständnis für Hayley und die anderen Frauen. Dementsprechend zerrissen fühlt Sophie sich. Aber all das lenkt sie wunderbar von ihrem Privatleben ab, mit dem sie unglücklicher ist, als sie es sich eingestehen will.
Mir hat die Mischung aus Festival und Feminismus, Schuld und Social Media, Absturz und Höhenflug richtig gut gefallen. Die Dynamik von Hayleys neuer Show und der darauf folgende Wirbel um ihre Person waren toll geschildert. Irgendwie schafft es Runcie, dass einem alle Figuren auf ihre Art sympathisch bleiben - was besonders bei Alex durchaus keine leichte Aufgabe war. Aber selbst Sophies im Vergleich zu den Festivalereignissen beschauliches Privatleben das immer wieder eingestreut wird hat mir gut gefallen. Es gibt dem Ganzen mehr Substanz und setzt den so akut wichtig scheinenden Presserummel in Relation. Auch, die Entwicklung, die alle drei Hauptfiguren im Laufe der Story durchmachen war wunderbar realistisch dargestellt.
Mich hat „Standing Ovations“ richtig gut unterhalten. Ein kluger Roman mit feministischem Tenor aber ohne jeden erhobenen Zeigefinger und insgesamt sehr ausgewogen. Tolle Figuren und ein Plot, der Spaß macht. Spannende Einblicke in den Kunstbetrieb und Bewertungs-Journalismus. Da denkt man über seine eigene Bewertung gleich zweimal nach! :)
Alec, Meg und Tess sind beste Freundinnen. Umständehalber eigentlich, da sie Außenseiterinnen sind, aber das tut der Freundschaft keinen Abbruch.
Erzählerin Alec hat zwar ein liebevolles Elternhaus, ist aber ein Einwandererkind und lebt in prekären Einkommensverhältnissen. Tess ist still und zurückaltend und leidet nicht nur darunter, dass ihr Vater ihre Mutter prügelt, sondern mehr noch, dass diese nichts dagegen tut. Meg hingegen ist selbstbewusst und forsch, aber mit einer alkoholkranken Mutter die sie ständig sich selbst überlässt und versucht Vernachlässigung mit Geld zu kompensieren.
Ich mochte die zwei Zeitebenen auf denen die Geschichte erzählt wird. Einmal die frisch verliebte, 17 jährige Alec, die sich an Schule, Nebenjob und dem heftigen Klassenunterschied zwischen ihr und ihren Boyfriend Romaine abarbeitet. Die mit ihren nach den Furien benannten Freundinnen trinkt und standesgemäß Megs unrealistischen Rachefantasien lauscht. Und dann die Enddreißigerin Alec, endlich erfolgreich, mit viel Geld aber leer und einsam. Es war interessant zu lesen, wie beide Teile ihres Lebens zusammenhängen. Allerdings hätte die Freundschaft der drei Mädchen gerne intensiver beschrieben werden können. Dafür, dass sie Titelgebend ist, wird sie doch sehr von der Liebesbeziehung überschattet.
Was mir nicht gefallen hat, war dass sich die Geschichte mehr und mehr entwickelt zu einem "mit einem Kind wird alles besser", "ein Baby wird mich retten", "eine Frau ohne Kind muss einsam sterben". Klar, lass ein Baby deine Traumata lösen, ganz ganz tolle idee! 😑 Das war absolut nicht mein Vibe.
An sich ist "Furye" also ein unterhaltsamer Roman mit melancholisch-traurigem Ton und wirklich unglaublich schönem Cover.
Der Roman hat etwas sommerliches ohne leicht oder seicht zu sein. Doch das Ende hat mich mit seiner implizierten Botschaft in mehreren Punkten so sauer gemacht, dass es jegliches positives Lesegefühl zunichte gemacht hat. Schade!
Nachdem sie sich als Krankenschwester jahrelang kaputt geschuftet hat, betreut Janis jetzt Patientinnen und Patienten im Schlaflabor. Keine Notfälle mehr, keine ständig schrillende Klingel, keine Schichtarbeit und nur eine Person um die sie sich kümmern muss. Aber auch wenn es "nur" Nachtarbeit ist, liegt Janis' Sozialleben brach.
Um so besonderer fühlt es sich an, als Sina ins Schlaflabor kommt und beide Frauen eine chaotische aber ebenso befreiende Nacht miteinander verbringen.
Sina ist Lehrerin, verheiratet und Mutter. Künstlerin war sie mal, aber das ist unter all den täglichen Pflichten verloren gegangen. Gerade ist sie sowieso kaum fähig ihren Alltag zu bestreiten, da sie starke Schlafprobleme hat, teilweise gar nicht schläft und immer verzweifelter wird. Ihr Powermann kann nicht verstehen, wie es ist nicht perfekt zu funktionieren und Sina fühlt sich allein. Bis sie bei Janis im Schlaflabor landet.
Die Freundschaft würde beiden Frauen gut tun, man merkt gleich wie toll sie zusammen funktionieren und wie wichtig es ist, jemanden zum reden zu haben. Aber Janis macht einen Fehler, der die beiden erstmal wieder auseinander treibt.
'Der Schlaf der anderen' ist ein schöner Roman über Freundschsaft und davon, was man im Leben will. Die beiden Hauptfiguren wirken lebendig und ihre Geschichten sind beide auf ihre Art interessant. Tamara Noort schreibt mit Humor und Einfühlungsvermögen. Der Roman ist ruhig, erzählt eigentlich nichts weltbewegendes aber er unterhält und ist hübsch zu lesen. Eine schöne Geschichte mit Wohlfühlpotenzial!
Carla ist Ende 30, eigentlich studierte Philosophin aber durch Umstände, die sie lieber vedrängt, seit fast 10 Jahren im Einkauf eines Büroausstatters tätig. Ihren Job findet sie wenn sie ehrlich ist relativ schei*e, Freunde gibt es wenig, ihre Altbauwohnung ist abgewohnt aber immerhin nicht so schäbig, wie die Gegend in der sie wohnt. Zerstreuung und ein kleines Nebeneinkommen hat sie mit ihrem Alter Ego Cormic-Charly: Einer Astro-Seite, auf der sie Horoskope an eine kleine aber treue Stammkundschaft verkauft. Zwar glaubt sie selbst nicht an Astrologie aber lassen kann sie nicht von ihrem speziellen Hobby.
Als eines Morgens ein Ziegelstein durch ihr Schlafzimmerfenster fliegt und eine Kiste voller Dollars vor ihrer Tür steht, wird ihr schnöder Alltag ordentlich durchgewirbelt. Clara kommt ins grübeln und entschließt sich mit dem Dollarsegen als Rückendeckung ganz ins Astrobusiness einzusteigen. Und ihr Plan scheint besser zu klappen als gedacht!
Dieser Roman hat mich wirklich gut unterhalten! Mit seinem lockeren Erzählstil, dem trockener Humor, der interessanten Story und einer Protagonistin, wie man ihr eher selten begegnet, hat es mich nur so durch die Geschichte gezogen. Ich mochte Claras bissig-pessimistische Art, ihre smarten moves und die Entwicklung, die sie durchmacht.
Neben der wunderbar absurden Story mochte ich die Botschaft, dass man sich immer trauen sollte, Dinge zum Positiven zu verändern. Manchmal braucht es nur einen kleinen Anstoß - oder eben einen Ziegelstein durchs Schlafzimmerfenster.
Das Ende des Romans hat mich im ersten Moment etwas blöd aus der Wäsche schauen lassen, aber jetzt länger ich darüber nachdenken, desto genialer finde ich es. Katja Kullmann hat definitiv Humor!
Stars hat mich super unterhalten. Die Mischung aus absurd und sympathisch ist zu 100% gelungen. Gerne mehr davon!
Zwei Dipolmatenkinder deren Leben geprägt sind von häufigen Umzügen werden beste Freunde. Ihre gemeinsame Leidenschaft ist die Musik, die sie durch die elterliche Plattensammlung entdecken und verehren, wie etwas Übernatürliches. Die Freundschaft der beiden ist sehr eng, aber für die Erzählerin auch zunehmend einengend. Dass sie als Musikerin aus diesem Schneckenhaus der Zweisamkeit ausbrechen will, könnte zum Bruch führen.
So weit so gut. Diese Inhaltsangabe aus dem Roman heraus zu zutzeln war allerdings nicht so einfach wie es klingen mag. Der Erzählstil ist sehr Anekdotenhaft und obwohl sich auch hübsche Sätze im Buch verstecken, war es mir meistens einfach zu nichtssagend. Es wird viel geredet aber kaum etwas gesagt. Der Plot ist dünn und ich habe mich die meiste Zeit gelangweilt.
Die Erzählerin und ihr „Niemand“ genannter Freund waren mir in ihrer verbohrten Zweisamkeit und ihren verschrobenen Weltbild extrem unsympathisch. Dazu ist alles so emotionslos erzählt. Ein Anekdötchen folgt dem nächsten. Sprachlich ist es gewollt gewitzt, manchmal albern, manchmal – ja, auch das - sehr treffend. Aber der Ton kollidiert für mich mit der Inhaltsleere und greift nicht.
Ich hatte mir einen Roman über Musik und über Freundschaft erhofft. Nach dem lesen fühle ich mich, als hätte ich noch nicht einmal einen Roman bekommen. Wer ein gutes Buch zu den genannten Themen sucht, dem sei Mitchells „Utopia Avenue“ ans Herz gelegt. Oder Bretts „Lola Bensky“. Oder wer etwas mehr Spannung dazu möchte, der greife zu „Vingage“ von Hervier. „Walzer für Niemand“ würde ich eher Lesern empfehlen, die auch „Delulu“ von Julia Friese mochten.
Eine junge Frau bewirbt sich auf eine Stelle im Ministerium. Um welches Ministerium es sich genau handelt, wird ihr erst zusammen mit der Jobzusage mitgeteilt: Das Ministerium der Zeit. Offenbar ist es der britischen Regierung gelungen, eine Art Zeitmaschine herzustellen. Damit sind eine Handvoll sogenannter Expats aus der Vergangenheit gerettet worden. Und ihr Job ist es nun, einen von Ihnen ins 21. Jahrhundert einzuführen – sie wird eine Brücke.
Verständlicherweise sehen die Expats es nicht unbedingt als Rettung, sich plötzlich in einem anderen Jahrhundert zu befinden. Mit all der modernen Technik und der veränderten Welt in der sie gestrandet sind, gehen die Reisenden alle anders um. Margaret, eine fröhliche junge Frau, die im 17. Jahrhundert fast an der Pest gestorben wäre, begrüßt die Freiheiten der neuen Zeit. Arthur Reginald-Smith, der aus dem Jahr 1916 aus der Schlacht an der Somme gerettet wurde, hat zusätzlich zum Schock der Zeitreise mit den Nachwirkungen des Kriegsgeschehens zu kämpfen. Dass es später noch einen zweiten Weltkrieg gegeben hat, verrät man ihm erstmal lieber nicht. Der Expat, der unserer Erzählerin zugeteilt wird, ist Commander Graham Gore. Er kommt aus dem Jahr 1847, wo er von einer im Eis gestrandeten Arktisexpedition gerettet wurde. Für einen Mann mit viktorianischen Moralvorstellungen macht er sich relativ gut. Gore ist charmant, neugierig und humorvoll und gefällt auch seiner Brücke besser, als sie es sich eingestehen will.
„Das Ministerium der Zeit“ ist ein wirklich unterhaltsamer Roman, der für mich vor allem von den Zeitreisenden selbst gelebt hat. Ich mochte die Entwicklung der Beziehung zwischen der Erzählerin und Gore gerne, deren Dialoge viel Witz versprühen. Über die Kapriolen der Expats zu lesen, macht unheimlich Spaß. Allerdings fehlte mir etwas der Einblick in die Geschichte der Expats, bei denen die Integration nicht ganz so rund lief. Diese werden leider immer nur am Rande erwähnt.
Was sich nicht ganz so rund las, war der Plot rund um das Ministerium und dessen Pläne. Es war ein wilder Mix mit spärlichen Informationen. Nur im Nebensatz wird mal kurz hingeworfen warum und von welcher Seite Gore nun eigentlich verfolgt wird. Oder warum die Expats überhaupt in Gefahr sind. Ich fand es sehr unklar wer warum was tut, wer auf welcher Seite steht und was genau die Erzählerin sich nun genau vorwirft, übersehen zu haben. Das hätte man irgendwie runder und informativer gestalten können.
Immerhin gefiel mir der Romance-Part der Geschichte – und ich bin wahrlich kein Romance-Fan. Insgesamt bin ich also etwas zwiegespalten: Ich mochte ich die Idee und die Figuren des Romans wirklich gerne. Der Action-Teil des Plots war mir aber zu wirr. Trotzdem ist Kaliane Bradley ein sehr charmanter literarischer Zeitreise-Roman gelungen!
Annett ist stolz auf ihre Tochter Linn, die gleich nach dem Abi in die weite Welt hinaus ist. Nach dem Studium im Ausland hat Linn nun einen guten Job in Berlin. Doch auf einer Tagung bricht Linn am Rednerpult zusammen, zieht anschließend erst einmal wieder bei ihrer Mutter ein und plötzlich wirkt es so, als sei die engagierte junge Frau gescheitert. Damit muss Annett erst einmal zurechtkommen.
Nun, da Linn wieder bei ihr wohnt, denkt Annett viel nach über ihr Leben mit der kleinen Tochter nach dem viel zu frühen Tod ihres Mannes. Über die ständigen Geldsorgen. Darüber es besser machen zu wollen als die eigenen Eltern. Dass es ihr eigentlich auch gelungen ist, man aber trotzdem nie alles richtig machen kann. Über Stolz auf die erwachsene Tochter, Einsamkeit und den schmalen Grat zwischen elterlicher Sorge und Vorwurf. Ich hätte mir gewünscht, dass sie über irgendetwas davon auch mit Linn redet. Aber genau wie ihre Tochter macht sie das meiste mit sich selbst aus.
Annett wirkt manchmal ein bisschen trutschig, war mir insgesamt aber sehr sympathisch. Auch das Setting in den alten Häuschen nahe des Watts hat mir gefallen. Generell sind alle Orte – Linns Wohnung, das verlassene Haus in der Senke, das Hotel, die Werkstatt des Restaurators – mit wenigen Worten so treffend beschrieben, dass sie mir bildhaft vor Augen standen.
Obwohl sich der Roman wirklich schnell und angenehm lesen ließ und mir der Erzählton wieder sehr gefallen hat, hatte ich das Gefühl, dass hier eine Zielgruppe angesprochen wird, zu der ich nicht gehöre. Die dezenten Konflikte (Konfliktchen eher) in der Mutter-Tochter-Beziehung haben mich nicht so sehr interessiert, dass ich einen ganzen Roman darüber lesen müsste. Annetts Gedanken zum Leben ihrer Tochter waren interessant. Mit den Fokus darauf wirkte es aber wie ein Nostalgieroman für Muttis. Viel mehr hätte mich die Zeit interessiert, in der Annett ihren Mann verloren hat, in der sie sich von ihrem Vater emanzipierte oder gerne auch die Zukunft – etwa ob sie in ihrem Häuschen wohnen bleibt oder ob ihr Leben vielleicht noch eine ganz andere Richtung einschlägt. Eben genau dieses „Leben neu überdenken und ausrichten“ von dem der Klappentext spricht, das aber eigentlich kaum stattfindet.
Insgesamt war Halbinsel ein schöner, ruhiger Roman, mit einer interessanten Hauptfigur, in deren Leben ich gerne einen Blick geworfen habe. Inhaltlich hat es aber bei mir keinen Nerv getroffen und es blieb mir etwas zu beschaulich.
Ihren eigenen Namen hat sie vergessen. Zu oft ist sie in die Rolle anderer Personen geschlüpft. Verschwundene Frauen, deren Angehörige nicht mit dem Verlust abschließen können und deswegen ihre Hilfe in Anspruch nehmen. Nun ist sie Emma, aber was bringt sie dazu deren toxische Beziehung immer weiter fortzuführen? Wohin ist die echte Emma verschwunden? Und kann sie ihren speziellen Job weiter ausführen, wenn sie ein echtes Leben mit echten Gefühlen führen will?
Das Setting des Romans hat mir sehr gut gefallen. Man merkt, man lebt in einer Zeit weit in der Zukunft, die sich aufgrund der Zerstörung außerhalb der Siedlungen aber eher rückläufig entwickelt hat. Das Gewaltverbot und das Verbot über das Davor und Draußen zu reden machen die Sache spannend, auch wenn sich eigentlich niemand so richtig daran hält. Dazu kommen seltsame Phänomen, die diese dystopische Welt nochmal aufregender machen.
Auch die Geschichte unserer Erzählerin mit den vielen Namen und dem ungewöhnlichen Job ist ziemlich interessant. Warum schlüpft sie bis zur Selbstvergessenheit immer wieder in neue Personen und was sind das für Leute, die ihre Dienste in Anspruch nehmen? Spannende Fragen, die Amira Ben Saoud hier aufgeworfen hat.
Am Ende blieben mir die Motive der weiblichen Figuren etwas zu unklar. Dass nicht alles bis ins Kleinste erklärt wird ist ja kein Problem und gerade bei dystopisches Geschichten fast schon Standart, aber gerade über die Beweggründe der beiden Frauen hätte ich schon gerne mehr erfahren.
Ich mochte den ruhigen Erzählton und den rätselhaften Touch der Geschichte. Auch die Figuren und das Setting haben mir sehr gefallen. Am Ende hätte ich gerne ein klein wenig mehr erfahren aber für Fans literarischer Dystopien ist dieses Buch definitiv ein must-read!
Marie ist auf der Flucht. Irgendetwas ist in ihrer Wiener Wohnung vorgefallen, dass sie in Panik versetzt hat. Und da fällt ihr ihre Cousine Johanna ein, die sie zwar seit Jahren nicht mehr gesehen hat, die aber auf einer vollkommen abgelegenen Alm wohnt, auf die Marie niemand folgen wird. Aber Johanna ist über den überraschenden Besuch nicht unbedingt glücklich.
Katharina Köller erzählt in ihrem Debütroman von zwei gegensätzlichen Frauen, denen von den Eltern schon in jungen Jahren eine Konkurrenz angedichtet wurde, die eigentlich nie da war - die aber enormen Einfluss auf die Mädchen hatte. Dadurch, dass wir im Roman quasi in Maries Kopf stecken, in dem die Gedanken und Sorgen nur so herumrasen, wirkt die stille, verschlossene Johanna noch gegensätzlicher. Trotzdem hoffte ich die ganze Zeit, dass die beiden Frauen sich näher kommen. Sich öffnen. Endlich richtig miteinander reden.
Den Roman zur Seite zu lesen, was unheimlich schwer! Es gibt keine Kapitel, die Geschichte rast genauso, wie Maries Gedanken. Diese atemlose Erzählweise hat dafür gesorgt, dass ich immer weiter lesen wollte.
Ich fand es großartig, wie Marie nach und nach ihre Jugendzeit und ihre aktuelle Lebenssituation reflektiert. Wie Marie als Jugendliche zum Beispiel von den Eltern fürs Nächte durchmachen, fürs trinken, fürs liebliche aussehen, für diese vermeintliche Normalität gefeiert wurde und doch immer schon ahnte, dass Johannas stille Art, die sich ihren Rausch in der Natur holte, irgendwie richtiger war, als das, was sie gemacht hat. Marie hat diese früh Konditionierung in eine toxische Beziehung geführt. Johanna ist freiwillig in die Einsamkeit gegangen aber sie scheint jede Minute davon zu genießen. Auch wenn das Leben auf der Alm – und auch das beschreibt Köller richtig gut – mit enorm viel Arbeit verbunden ist.
Köller haut einem teilweise Sätze um die Ohren, die eine enorme Schlagkraft haben. Ich habe Johannas direkte Art genauso bewundert, wie Maries Reflektion ihres eigenen Verhaltens, in deren people-pleasing-Tendenzen ich mich oft wiedergefunden habe. Marie hat Witz, auch wenn sie tief in einer Krise steckt. Ich habe über beide Frauen unheimlich gerne gelesen.
So ist „Wild wuchern“ eine rasante wie poetische Gesellschaftskritik, der der Wiener Schmäh noch das gewisse Etwas gibt!
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