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Lena
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Köln

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Insgesamt 166 Bewertungen
Bewertung vom 13.10.2025
Schreiber, Jasmin

Da, wo ich dich sehen kann


sehr gut

Emma Kopmann wurde in Hamburg von ihrem Ehemann Frank getötet. Die neunjährige Tochter Maja hatte ihre Mutter leblos aufgefunden und den Notruf verständigt. Doch für Emma kam jede Hilfe zu spät. Frank Wolf wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Maja wohnt nun bei ihren Großeltern mütterlicherseits, die sich liebevoll um ihre Enkelin kümmern. Noch Monate später sitzt der Schmerz tief. Trauer und Wut sind bei den Hinterbliebenen allgegenwärtig. Auch Emmas beste Freundin Liv leidet schwer unter dem Verlust. Alle, selbst die kleine Maja, machen sich Vorwürfe und haben mit Schuldgefühlen zu kämpfen. Jeder denkt darüber nach, ob der sinnlose Tod nicht hatte vermieden werden können, wenn sie mehr hingesehen oder mehr zugehört hatten.

"Da wo ich dich sehen kann” ist ein persönlich motivierter Roman und das ist auf jeder Seite zu spüren. Der Autorin ist es ein Anliegen, auf häusliche Gewalt und Femizide aufmerksam zu machen und stellt eindrücklich die Folgen für alle Beteiligten dar.

Der Roman ist in kurzen Kapiteln aus der Sicht von Emmas Hinterbliebenen, aber rückblickend in kurzen Abschnitten auch aus Emmas Sicht geschrieben. Die Gefühle aller Beteiligten sind nachvollziehbar und der Schmerz über den Verlust sowie die Wut auf den Mörder und die damit einhergehenden Schuldgefühle und Versagensgedanken spürbar. Originell sind die alternativen Realitäten, wenn die Figuren sich Gedanken machen, was passiert wäre, wenn sie an einem Punkt anders reagiert hatten.

Jeder von ihnen trauert anders, macht den Schmerz mit sich selbst aus oder Sucht sich Hilfe. Neben den seelischen Auswirkungen werden auch die körperlichen Folgen des Traumas beschrieben. Der Roman berührt, integriert aber auch Fakten und Sachinformationen zur Thematik. Zeitungsartikel zu häuslicher Gewalt und Tötung von Frauen sowie juristische Schreiben im Zusammenhang mit der Aushandlung des Sorgerechts über Maja unterstreichen die Authentizität des Romans.

Es ist eine fiktive Geschichte mit fiktiven Personen, die jedoch stark faktenbasiert ist. Der Roman entwickelt sich dabei wenig überraschend und verzichtet auf Dramatik, denn der Ausgangspunkt mit dem Mord an einer Ehefrau und Mutter durch den eigenen Mann ist bereits schlimm genug.
Spannung darf man insofern nicht erwarten. Auch kann die Geschichte aufgrund der Vielzahl an Perspektiven und darüberhinausgehenden Problemen, die angesprochen werden, nicht in die Tiefe gehen.

Der Roman muss vielmehr als Aufschrei verstanden werden, nicht wegzusehen und (sich) Hilfe zu holen. Es ist ein Appell an Politik und Gesellschaft mehr zu tun, um Frauen vor Unterdrückung, Erniedrigung und Gewalt zu schützen. Diesbezüglich werden am Ende des Romans zahlreiche Anlaufstellen und Ansprechpartner für Hilfe im deutschsprachigen Raum genannt.

Bewertung vom 13.10.2025
Caplin, Julie

Das kleine Zuhause in Prag / Romantic Escapes Bd.12


gut

Anna und Leo treffen sich nach sechs Jahren zufällig in Prag wieder. Beide haben sich für einen Wettbewerb um das beste Bier qualifiziert. Sie sind tatsächlich die einzigen Kandidaten und müssen sich für die Dauer des Wettbewerbs eine Wohnung teilen. Während Anna in festen Händen ist, ihrem Freund Steve bisher jedoch nichts von ihrem Ex-Mann Leo erzählt hat und direkt wieder ausziehen möchte, sieht Leo die Situation ganz entspannt und scheint nach wie vor am liebsten seinen Charme bei den Frauen spielen zu lassen. Anna arrangiert sich, da sie auch bereits Kontakt zu den netten Nachbarn unter ihnen geschlossen haben und spürt schon bald, dass sie immer noch Gefühle für Leo hat. Leo, der unter der Trennung gelitten hat, schlägt eine freundschaftliche Beziehung vor. Doch je mehr Zeit sie miteinander verbringen und gemeinsam die Stadt mit all ihren Sehenswürdigkeiten und kulinarischen Köstlichkeiten erkunden, desto schwerer fällt es Leo, Anna auf Distanz zu halten.

"Das kleine Zuhause in Prag" ist der zwölfte Band der "Romantic Escapes"-Reihe. Auch wenn die Bücher unabhängig zu lesen sind, begegnet man Charakteren aus bisherigen Teilen wieder. So wurde Leo bereits in Band 11 "Die kleine Villa in Italien" als Bruder der männlichen Hauptfigur vorgestellt.

Der Roman weckt vor allem zu Beginn wenig romantische Gefühle. Es ist kaum vorstellbar, dass Anna und Leo verheiratet waren, denn sie wirken so, als würden sie sich kaum kennen. Anna ist unsicher, fühlt sich unzulänglich und hat ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Leo. Leo hingehen ist selbstbewusst, lebenslustig und spontan und zieht mit seinem sonnigen Gemüt die Menschen an. Der dritte im Bunde Steve ist plakativ negativ, einfältig und dümmlich dargestellt und damit so offensichtlich der Falsche für Anna. Die Liebesgeschichte entwickelt deshalb keine Spannung, denn der Weg ist uninspiriert vorgezeichnet. Genauso wenig spannend ist der Wettbewerb um das Bierbrauen, denn der spielt letztlich nur eine sehr untergeordnete Rolle. Stattdessen wird gegessen, getrunken, geflirtet, renoviert und die Stadt erkundet, wobei sehr schnell Kontakt zu Einheimischen geknüpft wird, die allesamt herzerwärmend nett sind und Anna und Leo mit offenen Armen aufnehmen.
Der Grund für die Scheidung erschließt sich nicht wirklich und eine Aufarbeitung der Vergangenheit findet auch nicht statt, weshalb die Geschichte sehr flach in einem erwartbaren Happy End mündet.

Das Setting ist gelungen, denn das Buch liest sich wie ein kleiner Reiseführer, der die Wahrzeichen Prags, die Kulinarik und tschechische Lebensart näher bringt. Die Second-Chance-Romance ist hingegen langweilig und besonders enttäuschend ist, dass der Aufhänger des Romans um das Bierbrauen und den Wettbewerb darum völlig in den Hintergrund tritt. Das Cover des Buches hätte in jedem Fall stimmiger gewählt werden müssen.

Bewertung vom 11.10.2025
Turner, A. K.

Was die Toten sehen / Raven & Flyte ermitteln Bd.4


ausgezeichnet

Die talentierte und sensible Singer-Songwriterin Bronte galt als der nächste große Star im Musikbusiness, bis sie sich aus dem zehnten Stock stürzte. Eine Drogenvergangenheit und eine Abschieds-SMS lassen die Polizei auf einen Suizid schließen. Ihre streng gläubige Mutter kann dies nicht glauben und auch die Assistentin der Pathologie Cassie Raven hat bei der Inaugenscheinnahme der Leiche ein anderes Gefühl. Sie kennt Bronte noch als ihre Klassenkameradin Sophia Angelopoulos, die nach einem unsäglichen Vorfall die Schule verließ, wofür sich Cassie bis heute Vorwürfe macht. Sie verspricht Bronte herauszufinden, was wirklich passiert ist.
Parallel arbeitet die ehemalige Polizistin Phyllida Flyte an dem Fall, die seit Kurzem als Ermittlerin für die IOPC, einer unabhängigen Organisation, die die Polizeiarbeit überprüft, tätig ist.

"Was die Toten sehen" ist der vierte Band um die Sektionsassistentin Cassie Raven, die über eine besondere Gabe verfügt, mit den Toten zu kommunizieren. Die Aufklärung des Todesfalls um die Sängerin Bronte, die kurz vor ihrem musikalischen Durchbruch stand, ist Cassie ein persönliches Anliegen, denn sie hatte ihre ehemalige Schulkameradin schon einmal im Stich gelassen.

Nach einer eingehenden Untersuchung der Leiche ist klar, dass der Tod Brontes nur nach einem Selbstmord aussehen sollte. Während die Polizei den Fall, der beinahe schon zu den Akten gelegt werden sollte, neu aufrollt wird und die ehemalige Detective Sergeant Phyllida Flyte hinzugezogen wird, recherchiert Cassie auf eigene Faust im Umfeld von Bronte, um herauszufinden, wer ihr das angetan haben könnte.

Auch dieser vierte Band ist im Hinblick auf die Aufklärung des mysteriösen Todesfalls des prominenten Opfers spannend und wendungsreich aufgebaut. De beiden Hauptfiguren Cassie Raven und Phyllida Flyte sind originelle und Charaktere, die besonders sind, aber dennoch authentisch wirken und auf der Suche nach der Wahrheit akribisch, beharrlich und voller Empathie für die Opfer alles geben. Zudem haben sie beide weiterhin mit ihren Dämonen zu kämpfen.
Das Zusammenspiel aus methodischer Polizeiarbeit sowie forensischen und medizinischen Erkenntnissen ist dabei wieder hervorragend gelungen. Cassie und Phyllida ergänzen sich perfekt und DI Bacon, der an Phyllidas Seite anfangs plump auftritt, ist mit seinem Instinkt und speziellem Charme nicht zu unterschätzen.
Eine Reihe von zwielichtigen Verdächtigen sorgt für anhaltende Spannung bis zum Schluss.

Bewertung vom 06.10.2025
Schmidt, Andreas

Hass ist meine Liebe


sehr gut

In einem Brunnen in Wuppertal wird die Psychologin Theresa Winkler nachts von einem Taxifahrer tot aufgefunden. Die Ermittlungen ergeben, dass die Frau, die Straftäter psychologisch betreute, ermordet wurde. Nachdem ihr Ex-Mann sich wenig kooperativ zeigt, aber ein sicheres Alibi hat, gerät ein trauernder Familienvater in Verdacht, der ein Rachemotiv hat. Nur Stunden später wird eine zweite Frauenleiche in Wuppertal gefunden. Mia Sommer und Björn Lassner, die in dem Fall Winkler ermitteln, erkennen Parallelen zwischen den beiden toten Frauen und können einen Serientäter nicht mehr ausschließen.

"Hass ist meine Liebe" ist der Auftakt einer Krimireihe aus dem Bergischen Land um die Kriminalkommissarin Mia Sommer. Letztlich wird aber im Team ermittelt, wobei ihr Partner Björn Lassner mindestens einen genauso großen Anteil hat, weshalb es zumindest im ersten Band eher die Geschichte eines Ermittler-Duos ist.

Wechselnde Perspektiven sorgen dafür, dass man nicht nur Einblick in die Ermittlungen und die Privatleben der beiden Hauptfiguren, sondern auch eine Täter- und Opfersicht erhält.
Der Täter scheint es auf mehrere Frauen abgesehen zu haben, die in seinen Augen den Tod verdient haben. Das Entführungsopfer weiß nicht, warum sie festgehalten wird und die Polizei ermittelt aufgrund zu offensichtlich Verdächtiger zunächst in die falsche Richtung, bis sie eine Verbindung zwischen den Toten erkennt.

Obschon man als Leser einen Wissensvorsprung gegenüber den Kriminalkommissaren hat, ist der Fall spannend aufgebaut. Die schnellen Perspektivwechsel sorgen für Dynamik und laden zum Miträtseln über Motiv und Täter ein. Die zeitliche Abfolge erscheint dabei nicht immer realistisch, da sich in kürzester sehr viel ereignet und die beiden Hauptfiguren rund um die Uhr im Dienst zu stehen scheinen.
Der Schreibstil ist mitunter blumig und in unwesentlichen Details zu ausführlich und neigt zu Wiederholungen. Routineabläufe wie Nahrungsaufnahme, Ankleiden oder Nachrichten lesen sowie Beschreibungen von Kollegen und Inneneinrichtung, die keine wesentliche Rolle spielen, wirken in einem Krimi deplatziert und unnötig. Auch die Eifersüchteleien von Lassners Ehefrau ohne konkrete Verdachtsmomente sind überflüssige Lückenfüller.
Trotz der Kritik fesselt der wendungsreiche Fall mit Täter, der die Polizei mit seinem schnellen Handeln und seiner Skrupellosigkeit und unter Druck setzt. Für weitere Bände sollten die Hauptfiguren, die sich durch keine herausragenden Eigenschaften hervortun, noch einen Feinschliff erhalten.

Bewertung vom 05.10.2025
Specht, Heike

Die Frau der Stunde


sehr gut

Im Herbst 1978 wird die Politikwissenschaftlerin und stellvertretende Vorsitzendes des Auswärtigen Ausschusses Catharina Cornelius überraschend Außenministerin und Vizekanzlerin, nachdem der bisherige Amtsinhaber seinen Posten nach einem politischen Skandal räumen musste. Es ist mehr als nur ein strategischer Schachzug, um die sozialliberale Koalition zu erhalten, denn Catharina ist eine unerschrockene, erfahrene Frau mit diplomatischem Geschick.
Catharina muss sich sowohl national als auch international wiederholt in einer Männerdomäne beweisen und sich gegen Chauvinismus durchsetzen. Hinter ihr stehen jedoch ihre beiden besten Freundinnen aus Internatszeiten, Suzanne de Vries, Korrespondentin für die belgische Tageszeitung in Bonn, und Azadeh Nouri, eine iranische Regisseurin und Frauenrechtlerin, sowie ein festes Netzwerk aus Frauen in ihrem politischen Umfeld, denen sie Vertrauen kann.
Doch schon wenige Monate nach ihrem Amtsantritt wird an ihrem Stuhl gesägt und Intrigen geschmiedet, um sie wieder in die zweite Reihe zu verdrängen.

"Die Frau der Stunde" und titelgebende Hauptfigur ist Catharina Cornelius, deren erste Monate als frisch ernannte Außenministerin man begleitet. Daneben gibt es Einblicke in die Leben ihrer beiden besten Freundinnen Suzanne und Azadeh, die sich in Bezug auf den Erhalt ihrer Freiheit mit eigenen Problemen konfrontiert sehen. Suzanne steht trotz eines modernen Ehemanns an ihrer Seite als berufstätige Frau und Mutter im Spagat zwischen Beruf und Familie. Azadeh hat die politischen Ereignisse in ihrem Heimatland verfolgt und den Sturz des Schahs verfolgt. Der neue religiöse Machthaber ist jedoch alles andere als ein Befreiungsschlag. Trotz der gefährlichen Situation reist Azadeh wiederholt nach Teheran.

Die drei Freundinnen sind wie die genannten Politiker fiktive Figuren, während die Schilderung des Umbruchs im Iran auf wahren Ereignissen beruht. Die Mischung aus Fiktion und historischen Ereignissen ist gelungen und der Schauplatz Iran fügt sich zudem gut in den Arbeitsplatz der Außenministerin ein.
Durch die anschaulichen Beschreibungen wird die Bonner Republik Ende der 1970er-Jahre lebendig. Man erhält ein Gefühl für die damalige Zeit und in welchem Umfeld sich Catharina bewegt. Der fiktive Lebenslauf der bewundernswert unermüdlichen Frau wird dabei geschickt mit der Zeitgeschichte kombiniert.

Nach einem anfänglich gemächlichen Start, in dem Catharina nahezu reibungslos ihren Weg geht, gibt es im weiteren Verlauf so einige Hindernisse, die die Handlung interessanter gestalten. Auch wenn die Geschichte einzelne Längen hat und die Perspektivwechsel nicht jeder Frau genügend Raum zur Entfaltung geben, besticht der Roman durch den Zeitgeist und einzelne sehr eindrückliche Szenen aus dem Deutschen Bundestag und den Dienstreisen der Außenministerin, die beweisen, wie wenig Frauen in der Politik zugetraut wird und wie schwer es ihnen gemacht wird, sich auf Sachthemen zu konzentrieren und mit ihrem Können zu überzeugen.
Das Ende erfolgt abrupt und mitten im Geschehen. Ein Epilog mit einem Blick in die Zukunft wäre an dieser Stelle passend gewesen und hätte zu einem für mich befriedigenderen Abschluss geführt.

Bewertung vom 04.10.2025
Nelson, Jandy

Wenn unsere Welt kippt


ausgezeichnet

Die drei Geschwister Fall, Nachfahren eines sagenumwobenen Weinbauers, leben zusammen mit ihrer Mutter in Paradise Springs in Nordkalifornien, nachdem der Vater die Familie unter mysteriösen Umständen verlassen hatte.
Die jüngste Dizzy kann Geister sehen, glaubt an Engel und hat eine enge Bindung zu ihrem Bruder Wynton. Dieser ist ein brillanter Geigenspieler, der auf den großen Durchbruch als Musiker hofft, neigt jedoch zu selbstzerstörerischem Verhalten. Der mittlere Miles ist als wunderschöner, herausragender Schüler der "Vollkommene" und deshalb einsam. So unterschiedlich die drei sind, vereint sie die Sehnsucht nach ihrem Vater. Zudem begegnen alle drei unabhängig voneinander dem Regenbogenmädchen Cassidy und sind fasziniert von ihr. Bevor sie sie näher kennenlernen können, ereignet sich eine Katastrophe und Cassidy wird für sie zu einem rettenden Engel, den sie unbedingt finden müssen.

"Wenn unsere Welt kippt" ist als Jugendroman deklariert und auch wenn er überwiegend aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen geschrieben ist, enthält er so viele universelle Themen und insbesondere so viel Emotionen, die auch einen erwachsenen Leser nicht kaltlassen.

Aus wechselnden Perspektiven geschildert, taucht man tief in die Leben von Cassidy, Miles, Dizzy und Winton ein, die schwierige Verhältnisse zu ihren Eltern haben. Sie fühlen sich verloren, sind auf einer andauernden Suche nach Identität, von einer tiefen Sehnsucht geprägt und sehen sich gezwungen, ihre Probleme mit sich selbst auszumachen. Während Miles und seine Geschwister über den Verlust ihres Vaters nie hinweggekommen sind, aber zumindest mit einer liebevollen Mutter aufgewachsen sind, ist Cassidy allein mit ihrer Mutter, die ihre Mutterrolle nur unzutreffend erfüllt.

Alle Charaktere des Romans sind besonders und vor allem die Jugendlichen sind liebenswert und nahbar. Ihre Schicksale gehen zu Herzen und der stetige Wechsel aus Enttäuschungen und Hoffnung, Liebe und Hass, ist kaum zu ertragen. Die Geschichte entwickelt sich überraschend, weckt Emotionen und ist spannend aufgebaut. Durch die Mischung aus gegenwärtiger Erzählung und Rückblenden in die Vergangenheit werden Geheimnisse offenbar, die erst allmählich gelüftet werden und den Kindern zeigen, was ihre Eltern verbergen.

Der Erzählstil ist durch Einschübe von Briefen, E-Mails, Auszügen aus Tage- und Notizbüchern abwechslungsreich, zumal märchenhaft und durchgängig bildhaft. Die Personen und auch die Heimat der Falls wird damit leicht vorstellbar. Zudem hat man wie die Kinder selbst Farben vor Augen, Musik in den Ohren und verschiedene Gerüche in der Nase. Synästhesie unterstreicht die Besonderheit der Figuren und auch der magische Realismus passt perfekt zur Entwicklung ihrer Geschichte.

"Wenn unsere Welt kippt" ist ein All-Age-Roman voller Liebe, Geheimnissen und Magie. Er handelt von Einsamkeit, Verlust, Depressionen und Ängsten, aber auch von Zusammenhalt und Freundschaft, erster Liebe, einem Traum von Freiheit, Hoffnung und dem Glaube an Wundern. Es geht um Trauma, die über Generationen weitergegeben werden, über Familienfluche und Geschwisterrivalitäten, die den Roman zu einem spannenden Mix aus komplizierter Vergangenheit und turbulenter Gegenwart machen. Die Geschichte ist wendungsreich und metaphorisch und wird trotz des Umgangs von knapp 650 Seiten niemals langweilig.

Bewertung vom 29.09.2025
Brandstäter, Lisa Sarah

Mord in eiskalter Nacht / Leena Victor ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Am Morgen von Heiligabend wird die bekannte Fernsehmoderatorin Kira Westerlund von ihrem Ehemann tot im Schlafzimmer aufgefunden. Während Sören als Arzt im Dienst war, hatte seine Ehefrau zusammen mit Freunden aus der Film- und Fernsehbranche die alljährliche Weihnachtsparty in ihrem Haus gefeiert. Auch Kriminaloberkommissarin Leena Victor war ihrer Schwester zuliebe anwesend. Nun befindet sie sich im wohlverdienten Urlaub und wollte die Zeit nutzen, um sich mit den ungeklärten Umständen des Tods ihres Vaters zu beschäftigen, der vor über zwanzig Jahren Selbstmord begangen haben soll. Leena kann sich aber nicht bremsen, im Hintergrund im Mordfall Westerlund zu ermitteln und kommt zufällig dem mutmaßlichen Täter auf die Spur und kann ihre Kollegen der Mordkommission damit unterstützen.

"Mord in eiskalter Nacht" ist der erste Band einer neuen Scandi-Crime-Reihe um Kriminaloberkommissarin Leena Victor der Mordkommission Helsinki, die auf Sexualdelikte spezialisiert ist. Aufgrund persönlicher Erfahrungen sind ihr Gewaltdelikte gegen Frauen ein besonderes Anliegen.

Die Geschichte wird in kurzen Kapiteln aus vielen wechselnden Perspektiven erzählt. Hierbei gibt es Einblicke in die Sicht der Opfer, Täter sowie der polizeilichen Ermittler. Durch Rückblenden wird offenbar, was Leena und ihre ältere Schwester in ihrer Kindheit erlebt haben und was ihr Handeln nach wie vor beeinflusst.

Trotz des frühen Leichenfunds und dem Fokus auf den Ermittlungen zur Aufklärung der Tat, schildert die Geschichte mehr als nur einen Kriminalfall. Durch sie Involvierung des Privatlebens verschiedenster Personen, die am Rande oder unmittelbar in den Fall involviert sind, ist es ein vielschichtiger Roman, der eine große Bandbreite an Themen beinhaltet. Er handelt von Machtmissbrauch, sexuellen Übergriffen, Gewalt gegen Frauen, #metoo, erlebte Traumata, Bulimie sowie Karriere, Selbstverwirklichung, Selbstvertrauen, Kampf um Gerechtigkeit, Solidarität und einem engen Band der Schwesternschaft.

Die Erzählung ist lebendig und dynamisch und bindet den finnischen Lebensstil mit Naturverbundenheit, (problematischem) Alkoholkonsum und klirrender Kälte bildhaft ein.
Trotz der Vielzahl der Themen wirkt der Roman nicht überladen, denn sie überschneiden sich und fügen sich rund zusammen.
Leena ist eine sympathische Heldin, die empathisch und instinktgesteuert handelt, aber auch die Nebencharaktere sind lebensecht und können mit Ecken und Kanten überzeugen.

Unterhaltsam, spannend, emotional und gesellschaftskritisch fesselt der Krimi bis zum Schluss.
Die Vergangenheit von Leena respektive ihres Vater macht neugierig und bietet neben neuen Kriminalfällen viel Potenzial für weitere Bände und die persönliche Entwicklung der Hauptfigur. Ich freue mich schon jetzt auf Band 2 "Tod in heller Sommernacht", der voraussichtlich im Juli 2026 erscheinen wird.

Bewertung vom 26.09.2025
Kitching, Jess

Opfer Nummer 11


sehr gut

Als Hannah Allen vierzehn Jahre alt war, wurde sie von dem Serienmörder Peter Harris entführt, der so schwer zu fassen war, dass er in der Öffentlichkeit "Ghost" genannt wurde. Hannah sollte sein elftes Opfer werden, doch sie war die einzige, die überlebte.
Zehn Jahre später ist Hannah mit einem liebevollen Mann zusammen und möchte nun die Selbsthilfegruppe der "Vertrauensschwestern" quittieren, die dazu beigetragen hat, das Trauma ihrer Vergangenheit zu überwinden. Doch dann verschwinden innerhalb kürzester Zeit mehrere Frauen in dem kleinen Ort. Die Leichen weisen ähnliche Verletzungen wie Peters Opfer auf. Zudem erreichen Hannah Botschaften, die darauf hindeuten, dass jemand Peters Werk fortführt und Hannah in unmittelbarer Gefahr schwebt. Während sich die Presse auf sie stürzt, ist Hannah verängstigt und weiß nicht mehr, wem sie noch trauen kann.

Der Roman wird überwiegend aus der Ich-Perspektive von Hannah geschildert, wodurch sie sehr nahbar wirkt. Es fällt leicht, sich in sie hineinzuversetzen und ihre Gefühle der Wut und Angst nachvollziehen zu können. Daneben gibt es einzelne Einblicke in die Polizeiarbeit durch den Kommissar Conrad, dem es ein persönliches Anliegen ist, Hannah zu schützen und den Mörder zu fassen.

Die Geschichte beginnt anfangs gemächlich und erinnert mehr an ein Drama. Hannahs Emotionen und ihr persönliches Schicksal stehen im Vordergrund. Sie kämpft mit der Ungerechtigkeit, die sie erfahren hat und noch immer erfährt und möchte die Opferrolle endlich ablegen. Es wird deutlich, wie schwer ein Neuanfang nach einem solchen Trauma der Entführung und Folter ist, wie schwer es fällt, Vertrauen zu fassen, Beziehungen einzugehen und ein "normales" Leben zu führen. Freunde und Therapie, aber vor allem das Bestärken des Glaubens an sich selbst sind notwendig, wovon Hannah bereits profitiert hat.

Die Spannung setzt ein, als nach zehn Jahren weitere Frauen Opfer eines Serientäters werden, der als Nachahmer des berüchtigten Peter Harris deklariert wird. Hannahs Ängste sind spürbar und die Gefahr steigt, als der Mörder immer näher kommt. Es hat den Anschein, dass der Mörder aus Hannahs eigenem Umfeld stammt und Peter Harris Tat zu Ende bringen möchte. Wie nah muss Hannah den Täter an sich heranlassen, damit er gefasst werden kann?

Die Auflösung kann überraschen, ist aber dennoch nachvollziehbar und das Tatmotiv nicht abwegig. Der Showdown ist blutig und typisch für einen Psychothriller.
Die Geschichte setzt dem Titel entsprechend das Opfer eines Verbrechens in den Vordergrund. Sie handelt von Gewalt gegen Frauen, von sexuellen Übergriffen und den öffentlichen und persönlichen Umgang damit. Während die Polizeiarbeit ein wenig dilettantisch, scheint das Auftreten der Medien und der Einfluss von Social Media realistisch dargestellt.

Bewertung vom 24.09.2025
Huth, Peter

Aufsteiger (eBook, ePUB)


gut

Felix Licht ist Journalist und steht mit knapp 50 Jahren vor dem Höhepunkt seiner Karriere. Nach einem politisch unkorrekten Artikels des Chefredakteurs muss der Posten neu besetzt werden und Felix malt sich aufgrund seiner Erfahrung und dem guten Draht zum Verleger die größten Chancen aus. Der Champagner ist bereits kaltgestellt, als Felix erfährt, dass Zoe Rauch neue Chefredakteurin des Magazins wird. Zoe war vor zwölf Jahren seine Volontärin, die die Redaktion verlassen hatte, nachdem sie sich zu nahe gekommen waren. Zoe ist alles, was Felix nicht ist - weiblich, jung, dunkelhäutig - und soll dem Magazin damit neuen Aufwind geben. Felix ist in seinen Grundfesten erschüttert. Nachdem es in seiner Ehe bereits kriselte, steht er nun nicht mehr nur vor der Scheidung, sondern auch vor seinem Karriereende.

Ausgehend von dem tiefen Fall des Felix Licht, der sich so sicher wähnte, den Posten des Chefredakteurs zu erreichen, auf den er über Jahre hingearbeitet hatte, handelt der Roman im Umfeld der Medienbranche von zahlreichen politisch und gesellschaftlich strittigen Themen. Es geht um Cancel Culture, Genderfragen, Klimaaktivisten, Diskriminierung, Feminismus und einen Kampf um Gerechtigkeit. Mit Konflikten zwischen den Generationen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Rechts und Links ist der Roman brandaktuell und am Puls der Zeit.

Die Figuren sind mitunter stereotyp dargestellt, was jedoch weniger störend ist, sondern zur ironischen Sichtweise und den zum Teil aberwitzigen Diskussionen passt, die nicht nur im Buch, sondern auch im wirklichen Leben geführt werden.
Die Themen werden dadurch aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, so dass keine vorgefertigte Meinung aufgezwungen wird. Es bleibt allein der Leserin/ dem Leser überlassen, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Der Einblick in die Medienbranche, in die Arbeit in einem Wochenmagazin sowie der Einfluss von Bloggern und Social Media wirken authentisch. Es ist ein schnelllebiges Metier, in welchem Fehler und falsche Prognosen zu ungeahnten Folgen führen können. Erfolg und Scheitern liegen oftmals dicht daneben, Macht und Manipulation werden rigoros ausgenutzt. Wer den Anschluss verpasst, gerät ins Aus, aber auch wer zu progressiv vorgeht, kann sich unmittelbar ins Abseits manövrieren.

Auch wenn kein Charakter wirklich sympathisch ist und die einzelnen Schicksale trotz ihrer dramatischen Entwicklung nur bedingt berühren können, unterhält "Aufsteiger” durch eine mitunter überspitzte Darstellung und die Gesellschaftskritik, die so pointiert in Romanform wiedergegeben wird.
Leider verliert sich die Geschichte am Ende mit einer Offenbarung und driftet anschließend kitschig und dramatisch ab.

Bewertung vom 24.09.2025
Mustard, Jenny

Beste Zeiten


sehr gut

Sickan zieht zum Studium nach Stockholm - möglichst weit weg von ihrem unterkühlten Elternhaus und dem Mobbing ihrer Mitschüler*innen. In der Großstadt möchte sie ihr altes belastetes Leben hinter sich lassen und sich neu erfinden. Mit der wohlhabenden und selbstbewussten Kommilitonin Hanna findet sie eine Freundin, neben der sie sich selbst nicht mehr so eigenartig vorkommt und mit Abbe die erste Liebe zu einem jungen Mann, mit dem sie eine traumatische Vergangenheit gemein hat.
Endlich geht Sickans Wunsch nach Zugehörigkeit in Erfüllung, während sie ein typisches Studentenleben führt, mit dem sie sich selbst beweist, dass sie nicht seltsam ist.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Sickan geschrieben, wodurch sie sehr nahbar ist. Ihre Sorgen und Ängste, die zu Beginn erdrückend sind, sind spürbar. Schwierige Situationen lösen Flashbacks aus, die sie immer wieder gedanklich in die Vergangenheit katapultieren.
Durch die in Teilen erschütternden Erinnerungen kann noch mehr Verständnis für Sickans Handlungen und Verhaltensweisen entwickelt werden.

"Beste Zeiten" schildert Sickans Neuanfang als Studentin, die ihr altes Ich ablegen möchte. Der Roman handelt von Freundschaft, Loyalität und erster Liebe, von einer Suche nach Identität und dem Wunsch nach Zugehörigkeit, aber auch von sozialen Ängsten, Ausgrenzung und Rassismus. Die Entwicklung Sickans ist authentisch und nachvollziehbar dargestellt und problematisiert eine Verunsicherung, die gar nicht "seltsam" ist.