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Xirxe
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Hannover
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Insgesamt 872 Bewertungen
Bewertung vom 23.09.2025
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


weniger gut

Als bekennende T.C.-Boyle-Leserin war ich begeistert, als ich sah, dass er ein neues Buch veröffentlicht hat. No Way Out klingt nach großem Drama: zwei Männer lieben dieselbe Frau – Bethany – und geraten sich dabei gehörig in die Quere. Das könnte spannend sein; Boyle hat mich schon mit deutlich unspektakuläreren Themen in seinen Bann gezogen.
Diesmal aber nicht. Nach rund 150 Seiten habe ich das Buch entnervt zugeklappt – von Spannung leider keine Spur. Stattdessen zieht sich die Handlung zäh dahin, was wohl auch daran liegt, dass ich das Verhalten der Hauptfigur Terry schlicht nicht nachvollziehen konnte.
Terry, ein angehender Facharzt, steht unter Dauerstress und ist vom überraschenden Tod seiner Mutter zusätzlich belastet. In dieser Situation trifft er im Ort seiner Mutter auf Bethany und ist sofort fasziniert. Doch was er danach alles hinnimmt, ließ mich nur noch kopfschüttelnd weiterlesen: Bethany besetzt kurzerhand das Haus seiner Mutter, nutzt deren Auto, lässt ihn nach einem gemeinsamen Abend einfach stehen und zieht auch noch eine Freundin ein, von der sie Miete kassiert – während Terry immer wieder wütend aufbegehrt, nur um dann doch klein beizugeben.
Auch Bethanys Ex-Freund ist noch immer verrückt nach ihr und warnt Terry sogar vor ihr. Was jedoch den Reiz dieser Frau ausmacht, bleibt für mich vollkommen im Dunkeln. Boyle gelingt es diesmal nicht, mir deutlich zu machen, warum Bethany beide Männer so um den Verstand bringt – zumal Terry sonst ein rationaler, fast unromantischer Typ ist. Mit jeder Seite wuchs mein Unverständnis, bis ich schließlich aufgab. Vielleicht verpasse ich damit die erlösende Erklärung für diese Obsession – aber so richtig glaube ich nicht mehr daran.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.09.2025
Enders, Giulia

Organisch


gut

Giulia Enders zeigt in Organisch (Ullstein) den menschlichen Körper als lernendes Netzwerk statt als Maschine. In fünf Kapiteln – Lunge, Immunsystem, Haut, Muskeln und Gehirn – entfaltet sie ein anschauliches Bild davon, wie Organe kooperieren, Signale deuten und Prioritäten setzen. Wer Darm mit Charme kennt, findet hier weniger einzelne Aha-Gags, dafür einen umfassenderen, fast poetischen Blick auf unser Innenleben. Statt von „Kampf“ und „Maschinen“ zu reden, beschreibt Enders leise Strategien wie Zusammenarbeit, Anpassung und Regeneration – vom Immunsystem, das mit Mikroorganismen verhandelt, bis zur Haut, die nicht nur Barriere, sondern auch Kontakt- und Resilienzorgan ist.

Besonders stark sind ihre alltagsnahen Bezüge: Atemübungen, Schlaf, Wundheilung, Berührung und Muskelerholung werden nicht als Lifestyle-Tipps, sondern als biologische Grundlagen für Ruhe, Kraft und Selbstregulation erklärt. Jill Enders’ Illustrationen helfen, komplexe Abläufe zu verstehen und geben dem Buch Struktur. Der Ton ist zugänglich, wissenschaftlich sauber, aber weniger verspielt als in Enders’ Debüt – dafür nachhaltiger in der Wirkung.

Ich fand das Buch stellenweise sehr detailliert und musste mich manchmal durchkämpfen, wurde aber mit neuen Perspektiven belohnt: Statt schneller Hacks vermittelt Organisch eine verständige Aufmerksamkeit für das eigene Körperwissen – und zeigt, wie sehr wir von Kooperation, Vernetzung und Regeneration profitieren, nicht nur biologisch, sondern auch gesellschaftlich.

Bewertung vom 01.05.2025
Blöchl, Alexandra

Was das Meer verspricht


weniger gut

Ein schönes Cover, ein vielversprechender Klappentext – ich war gespannt. Eine kleine Insel hoch im Norden, 36 Seemeilen vom Festland entfernt, bildet die Kulisse. Dort lebt die 27-jährige Vida seit jeher mit ihren Eltern. Während ihr Bruder Zander schon früh den Absprung aufs Festland schaffte und dort blieb, scheint für Vida der Weg vorgezeichnet: weiterhin im elterlichen Lebensmittelladen helfen, Jannis heiraten, auf der Insel bleiben.
Doch mit der Ankunft von Marie – selbstbewusst, unabhängig, in allem das Gegenteil von Vida – gerät Vidas Weltbild ins Wanken. Die beiden Frauen freunden sich an, und Vida beginnt, ihr Leben infrage zu stellen. Als dann auch noch Zander zurückkehrt und Marie begegnet, nimmt das Verhängnis seinen Lauf.
Die Geschichte beginnt durchaus vielversprechend. Der Schauplatz ist interessant gewählt, das Setting hat Potenzial. Allerdings fiel mir schon zu Beginn auf, wie bemüht atmosphärisch der Stil ist. Das führt leider zu eigenartigen Formulierungen wie: „Sie setzte sich auf, und dort logierte sie nun, am Rand der Kaimauer…“ oder „… rumpelige Weiden …“ – ungewöhnlich, manchmal irritierend. Anfangs kann man darüber noch hinweglesen, denn die Geschichte selbst trägt zunächst.
Doch etwa ab der Mitte, mit Zanders Rückkehr, verliert der Roman deutlich an Tempo. Immer wieder kreist die Ich-Erzählerin um dieselben inneren Konflikte, dieselben düsteren Vorahnungen. Das sich ständig wiederholende Hadern mit sich, der Welt und dem Bruder wirkt zunehmend ermüdend. Trotz der spannungsvollen Andeutungen verliert sich der Plot im Kreisen – und ich begann schließlich, nur noch querzulesen, um ans Ende zu kommen.
Mein Fazit:
Eine eigentlich gute Geschichte, erzählt in einem stilistisch durchwachsenen Ton, die mit zunehmender Länge an Schwung verliert. Auch ein Arbeitsstipendium für Literatur der Stadt München ist eben kein Garant für ein gutes Buch.

Bewertung vom 18.10.2024
Sanyal, Mithu

Antichristie


gut

Puh, das war mühsam. Nicht dass das Buch schwierig zu lesen wäre; es ist durchaus amüsant geschrieben. Und die Geschichte ist voller witziger Einfälle. Aber was einem bei dieser Lektüre auf über 530 Seiten um die Ohren gehauen wird, ist eine derartige Fülle von zumeist schrecklichen Informationen, die einen schier erschlägt. Doch der Reihe nach.
Durga, 50 Jahre alt, erfolgreiche Drehbuchautorin, Tochter einer Deutschen und eines Inders, fährt kurz nach dem Tod ihrer Mutter zu einem Workshop in London, wo in einer multikulturellen, diversen Gruppe an einer kritischen Verfilmung von Agatha Christies Werken gearbeitet werden soll. Als sie in der Stadt unterwegs ist, findet sie sich plötzlich im London von 1906 als junger Mann wieder und kommt in Kontakt mit indischen Nationalisten. Junge Männer, die ihr wohlbekannt sind durch ihre Mutter, die eine glühende Kämpferin für das unabhängige Indien war. Durga, jetzt ein junger indischer Mann namens Sanjeev, wird wohlwollend von der Gruppe aufgenommen, die im India House lebt, einem Studentenwohnheim für indische Studierende, das sich zur Basis der Revolutionäre entwickelt, die für die Unabhängigkeit Indiens kämpfen. Sanjeev, die sich als Durga stets für Gewaltfreiheit einsetzte und eine große Bewunderin Ghandis war, lernt nun eine Realität kennen, die viele seiner/ihrer Überzeugungen in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Parallel dazu ist Durga weiterhin Teilnehmerin des Workshops, der von heftigen Demonstrationen gegen die Neuverfilmung sowie lebhaften Diskussionen in der Gruppe über Kolonialismus, Rassismus, Unterdrückung usw. begleitet wird und muss gleichzeitig versuchen, mit ihrer Trauer über den Tod ihrer Mutter klar zu kommen.
Die Geschichte wird wirklich amüsant erzählt, aber man wird in recht kurzer Zeit derart mit Information zugeschüttet, dass man am Ende kaum noch weiß, wann wer wo was gemacht hat. Die kolonialen Verbrechen Englands (und das sind nicht wenige), über die kein Mensch redet und die dadurch kaum bekannt sind; die Lebenswege bekannter Persönlichkeiten wie beispielsweise Ghandi, der gegenüber Moslems ein Rassist ohnegleichen war; das ständige Springen in verschiedene Zeitebenen - und nicht nur die beiden von Durga; die vielen für zumindest mich ungewohnten Namen; der Wechsel zwischen realen und komplett erfundenen Geschehnissen wie auch Themen: Kolonialismus, Filmdrehbuch, Rassismus, Tod der Königin, Diskriminierung, Tod der Mutter. Zeitweise war es mir einfach zu viel und ich habe das Buch zur Seite gelegt, sodass es vergleichsweise lange dauerte, bis ich es durch hatte. Etwas weniger von Allem, weniger Themen, weniger Personen, weniger Zeitsprünge, weniger Zeitebenen - vermutlich hätte ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen. So war es leider eher eine mittlere Quälerei.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.09.2024
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


weniger gut

Erzählt wird die Geschichte von Julia Ames, Ende fünfzig, die alles hat, was ein glückliches Leben ausmacht: zwei wohlgeratene Kinder, einen liebenden Ehemann, einen stabilen Freundeskreis, finanziell gut situiert. Doch als sie einer Freundin aus einer anderen Zeit begegnet und sich gleichzeitig unvorhergesehene Dinge in ihrer Familie ereignen, breitet sich in Julia eine Unruhe aus und sie beginnt, ihr Glück in Frage zu stellen.
In Rückblicken erfahren wir, wie Julia zu einer selbständigen, aber unsichereren Frau und ohne Vertrauen in Andere heranwuchs, bedingt durch den irgendwann nicht mehr existenten Vater und ihre empathielose Mutter. Immer wieder enttäuscht und verletzt durch ihre Mutter vertraut sie nur noch sich selbst und ist selbst in ihrer Ehe stets am Zweifeln, was nach der Geburt ihres ersten Kindes zu einer schweren Krise führt. Doch Julia und Mark, ihr Mann, raufen sich, wenn auch mühsam, wieder zusammen und so liegen nun 25 gemeinsame Jahre hinter ihnen, die meisten davon glücklich. Aber nun scheint sich neues Unheil anzubahnen ...
Keine Frage, Julia litt und leidet ihr ganzes Leben an ihrer unglücklichen Kindheit: der Vater, der sie verließ; die Mutter, Alkoholikerin, die ihr keine Beachtung schenkte und sie offensichtlich nicht liebte. Alle Versuche, eine Beziehung in späteren Jahren zu ihrer Mutter aufzubauen, blieben erfolglos und vergrösserten Julias Selbstzweifel stets aufs Neue. Auch wenn es richtig gut beschrieben wird: Leider wird dies in wirklich epischer Breite immer wieder aufs Neue ausgeführt, sodass es mir irgendwann zuviel wurde und ich diese Passagen nur noch überflog.
Schwierig empfand ich auch die Person Julia: Sie ist intelligent und reflektiert, aber nicht in der Lage sich auch nur ansatzweise in 40 Jahren in der Beziehung zu ihrer Mutter weiter zu entwickeln. Ihr Verhältnis zu ihr ist mit Ende 50 praktisch das gleiche wie als 17jährige - auf mich wirkte dies nicht sehr glaubwürdig.
So bleiben gemischte Gefühle bei dieser Lektüre: Einerseits ist es gut geschrieben, andererseits gibt es eine unglaubwürdige Protagonistin und stellenweise sehr langatmige Passagen. Eine Kürzung von 200 oder 300 Seiten hätten dem Buch vermutlich sehr gut getan.

Bewertung vom 21.06.2024
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


sehr gut

Hinter dem vergleichsweise belanglosen Titel verbirgt sich ein 170 Jahre umspannender Gesellschaftsroman, in dessen Mittelpunkt der berühmte Hengst Lexington steht, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der berühmteste Zuchthengst der USA war. Doch keine Sorge, Pferde sind hier nur ein Thema von vielen.
Drei Zeitebenen umfasst diese Geschichte, die ihren Ausgang in Kentucky 1850 nimmt und über das New York der 1950er Jahre bis ins Washington D.C. der Gegenwart reicht, wo sich die Wissenschaftlerin Jess und der Kunsthistoriker Theo begegnen, die sich unabhängig voneinander mit der Geschichte Lexingtons befassen.
Der zweite Erzählstrang beginnt im Jahr der Geburt des berühmten Hengstes und berichtet über das Leben des Jungen Jarret, der als Sklave auf der Farm lebt wo Lexington auf die Welt kommt und zeit seines Lebens stets mit diesem aussergewöhnlichen Pferd verbunden bleiben wird. Dabei werden anschaulich und durchaus auch drastisch die Lebensbedingungen der SklavInnen in den Südstaaten dargestellt, kurz vor Beginn des Bürgerkrieges.
Durch die sich immer wieder abwechselnden Erzählstränge gelingt es der Autorin deutlich aufzuzeigen, wie die Folgen von Sklaverei und Rassismus die Gesellschaft der USA bis in die Gegenwart prägen.
Auch wenn es recht viele Wechsel der Erzählperspektive gibt, nicht nur der Zeit, auch der Personen, hält sich die Verwirrung bald in Grenzen 😊 Anstrengender empfand ich die Vielzahl der Themen, die die Autorin einbringt. Es geht um Rassismus, Sklaverei, aber auch Wissenschaft, Kunst, Armut, Philosophie - ein bisschen viel um allem gerecht zu werden. Etwas weniger wäre vermutlich mehr gewesen, meiner Meinung nach. Dennoch: Ein interessanter Schmöker mit einem Ende, das mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem verschlug. Und dennoch nah an der Realität befürchte ich.

Bewertung vom 01.04.2024
Aster, Alex

Der Fluch der Nachthexe / Emblem Island Bd.1


ausgezeichnet

Der 12jährige Tor muss sich eigentlich keine Sorgen um seine Zukunft machen: Das seltene Emblem an seinem Arm weist ihn als Anführer aus, doch er ist alles andere als glücklich damit. Als er am Neujahrsfest wie alle Emblemtragenden seinen Wunsch einer Änderung ins Feuer wirft, wird er jedoch mit einem Fluch bestraft, der seinen baldigen Tod zur Folge haben wird. Es gibt nur eine Lösung: Er muss die Nachthexe finden, die ihn verflucht hat, denn nur sie kann ihn retten. Mit seinem besten Freund Engle und seiner verhassten Klassenkameradin Melda machen sie sich auf den Weg über Emblem Island, wo überraschenderweise eine Menge gruseliger Kreaturen leben, die ihnen nach dem Leben trachten.
Ist das eine phantasievolle Geschichte! Was besonders auffällt, ist die unglaubliche Farbenpracht und Formenreichtum in dieser Welt von Tor, die ein wahres Paradies zu sein scheint. Und auch die ganze Insel weist eine enorme Vielfalt an unterschiedlichen Lebenswelten und -formen auf, die von einem Extrem zum anderen reichen: hell-dunkel, bunt-grau, modern-alt. Zudem findet sich ein ganzes Panoptikum der verschiedensten Charaktere von liebenswert bis abgrundtiefböse, sodass jede neue Begegnung immer wieder eine Überraschung ist.
Ich habe mich auch als Erwachsene gut bei dieser Lektüre unterhalten und bin mir sicher, dass die eigentliche Zielgruppe (Kinder ab 10 Jahren) begeistert von diesem Fantasyabenteuer sein wird. Hut ab vor der Phantasie der Autorin!

Bewertung vom 28.01.2024
Schellhammer, Silke

Askendor - Spiel mit der Wirklichkeit


sehr gut

Die fast schon 16jährige Florentine ist an Computerspielen nicht interessiert – ihre wenige freie Zeit verbringt sie lieber mit ihrer besten Freundin Paula. Ansonsten wird sie von ihrer nervigen Mutter in einen straffen Zeitplan eingebunden, vollgestopft mit Nachhilfe, Lernen, Musikunterricht …. Als sie eines Tages Finn, Paulas jüngeren Bruder, beim Computerspiel Askendor zusieht, registriert sie, dass die Hauptfigur des Spiels sie beobachtet. Völlig irritiert beschäftigt sie sich zu Hause mit Askendor und gelangt dabei durch ein Portal in die virtuelle Welt, wo sie ihrem Beobachter, dem Thronfolger Thosse von Baar begegnet, der überraschend menschlich wirkt. Dieser nimmt Florentine gefangen, da bereits mehrfach versucht wurde, ihn zu töten und er ihr misstraut. Und schon befindet sich Florentine mitten in einer Welt von Intrigen und einer tödlichen Rebellion, die ihrem Höhepunkt entgegenstrebt.

Auch wenn das Buch einige, auch etwas größere Unlogiken beinhaltet (ein 22jähriger grandios aussehender Trohnfolger interessiert sich für eine knapp 16jährige; vom schüchternen Teenager zur todesmutigen Amazone in sieben Tagen), ist es dennoch eine richtig amüsante und unterhaltsame Lektüre. Denn Florentine, die die Ich-Erzählerin ist, lässt uns auch an ihren Gedanken teilhaben – und die sind durchweg (selbst-)ironisch und provozierend. Obwohl die Geschichte insgesamt recht vorhersehbar ist, gibt es doch immer wieder überraschende Wendungen, wozu auch die Erklärung des Ganzen gehört.

Zielgruppe des Buches sind vor allem wohl 13-, 14jährige Mädchen, wobei mir als Erwachsene das Lesen auch viel Freude bereitet hat. Manchmal ist ’nur‘ amüsant und unterhaltsam auch ganz schön 😀

Bewertung vom 12.07.2023
Clarke, Lucy

One of the Girls


sehr gut

Eigentlich sind Bücher mit Toten immer gleich aufgebaut: Jemand stirbt und dann erfahren wir Lesenden, wieso, weshalb, warum und wie der oder die ÜbeltäterIn erwischt wird. Nicht so bei Lucy Clarke in diesem Buch.
Fünf Frauen reisen für einen Junggesellinnenabschied für ein Wochenende nach Griechenland und am Ende ist ein Mensch tot und eine der Frauen offenbar die Schuldige. Doch wer die beiden Personen sind, bleibt tatsächlich bis kurz vor Schluss offen. Bis dahin erfahren wir nach und nach, dass in der scheinbar so fröhlichen Gruppe jede ein Geheimnis mit sich herumträgt; manches größer, manches kleiner. Und jedes davon könnte grundsätzlich die Ursache sein, dass ein Mensch sein Leben verliert.
Dass letztendlich plötzlich Alle irgendwie miteinander verbunden sind, wirkt zwar ziemlich konstruiert, aber im Großen und Ganzen ist die Überraschung am Ende gelungen - die man mit SEHR aufmerksamen Lesen vielleicht hätte ahnen können.
Insgesamt eine gute Unterhaltung, wobei die Lesefreude durch die vielen Schreibfehler (falscher Name, Worte doppelt oder eines fehlt usw.) etwas getrübt wird.

Bewertung vom 02.05.2023
Pourchet, Maria

Feuer


sehr gut

Laure ist vierzig Jahre alt, Mutter von zwei Töchtern und lebt in einem Vorstadthaus mit ihrem Ehemann, einem Arzt. Sie ist Professorin für Literatur an einer Universität und führt ein scheinbar geordnetes Leben. Doch tatsächlich hat sie das Gefühl, dass das Leben an ihr vorbeizieht und sie selbst im Alltag und in Routinen erstarrt ist. Insgeheim beneidet sie ihre älteste Tochter Véra, die sich als Feministin engagiert und gegen die Ungerechtigkeiten der Welt kämpft.
Clément ist fünfzig Jahre alt, Single und arbeitet in einer Investmentfirma. Er hat viel Geld, aber wenig Sinn in seinem Leben, joggt an der Seine entlang, schaut YouPorn und redet mit seinem Hund Papa, der das einzige Wesen ist, dem er sich verbunden fühlt. Er hat keine Illusionen mehr über die Welt und wartet darauf, dass alles vorbei ist.
Als sich Laure und Clément für die Vorbereitung eines Vortrages von ihm begegnen, spüren sie sofort eine starke Anziehungskraft. Sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre, die beide aus ihrem Alltag herausreißt. Heimliche Treffen in Hotels, obszöne und/oder erotische Nachrichten per SMS - sie lassen sich von ihrer Lust treiben. Doch während Laure voller Leidenschaft ihren Gefühlen freien Lauf lässt, fühlt sich Clément zunehmend nicht nur von ihr, sondern auch von seiner Arbeit unter Druck gesetzt und versucht sich ihr zu entziehen.
Maria Pourchet beschreibt die Gefühle und Gedanken ihrer beiden Protagonisten, die gegensätzlicher kaum sein könnten, abwechselnd aus deren Perspektive, wobei Clément seine Gedanken an seinen Hund adressiert, sein einziges Bezugswesen. Laures Erleben wird hingegen in der Du-Form erzählt, was zu Beginn etwas irritierend wirken kann. Doch lässt man sich darauf ein, entsteht zusehends das Gefühl in Laures Kopf zu stecken und die Dinge unmittelbar mitzuerleben. Dass somit keine ‚normale‘ nachvollziehbare Geschichte entsteht, ist nachvollziehbar: Wer denkt schon streng chronologisch? Erlebtes, eigene Gedankensplitter zu Gegenwärtigem und Vergangenem, Stimmen von Verstorbenen – manches taucht unvermittelt auf und verschwindet auf ebensolche Weise wieder.
Cléments Einstellung entsprechend wird sein Alltag immer wieder recht sarkastisch, wenn nicht sogar zynisch dargestellt und zustimmend nicken wir beim Lesen: Jaja, Banker halt. Wobei Clément wohl lieber ganz anders wäre.
Das Ende hält zwei große Überraschungen bereit, wobei sich letztendlich auch ein schöner Widerspruch zeigt: Bei allem Feminismus – schöner ist es doch, wenn in der eigenen Familie alles bleibt wie es schon immer war.
Eine ungewöhnliche Lektüre, die sich zu lesen lohnt!

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