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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

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Insgesamt 479 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2025
Gestern, Hélène

Rückkehr nach St. Malo


sehr gut

RÜCKKEHR NACH ST. MALO
Hélène Gestern
ET: 12.8.25

Es ist fast genau zwei Jahre her, dass Yanns Vater gestorben ist – Charles Kèranbrun, das sture, eigenwillige und wenig empathische Familienoberhaupt. Verstanden haben sich die beiden nie. Während sein Vater ihn unbedingt als Nachfolger im Familienunternehmen sehen wollte, zog es Yann schon früh fort. Nach dem Abitur verließ er die Bretagne und begann in Paris eine akademische Laufbahn, die ihn bis an die Sorbonne führte. Sein Zwillingsbruder hingegen stieg in die Reederei ein – doch ein tragischer Unfall sollte alles verändern.

Nun, Jahre später, steht Yann wieder auf dem Familiensitz der Couèrons in St. Malo – in dem Arbeitszimmer, das ihm als Kind stets verboten war. Dort stößt er auf alte Dokumente und Briefe seines Urgroßvaters Octave und dessen Frau Julia. Was zunächst seine wissenschaftliche Neugier weckt, entpuppt sich bald als Spur zu einem tief verborgenen Familiengeheimnis.

Hélène Gestern erzählt diese Geschichte auf mehreren Zeitebenen. Mit feinem Gespür für Atmosphäre lässt sie das Rauschen des Meeres und die raue bretonische Küste lebendig werden – man meint, den Wind und das Salz auf der Haut zu spüren. Während die erste Hälfte vor allem durch ihre bildreiche, atmosphärische Sprache besticht, entfaltet sich die Handlung in der zweiten Hälfte in einem zarten, ruhigen Tempo, das dennoch eine stetige Spannung trägt. Es ist kein klassischer Pageturner, doch ich hatte den starken Drang, immer weiterzulesen, um die ganze Geschichte der Familie Kèranbrun zu erfahren.

Fazit:
Eine Familiengeschichte über vier Generationen – bildhaft, atmosphärisch dicht und emotional fein erzählt. Ich empfehle das Buch allen, die sich den Duft der Bretagne und die stürmische See an einem Herbstabend ins Haus holen möchten.
4/5

Bewertung vom 06.10.2025
Menschik, Kat;Kutscher, Volker

Westend / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.20


sehr gut

WESTEND
Volker Kutscher
ET: 4.9.25

Der Privatdozent und Historiker Prof. Dr. Singer besucht den 74-jährigen Kriminalkommissar a.D. Gereon Rath in seiner Seniorenwohnung. Offiziell möchte er die Entwicklung der politischen Systeme – von der Weimarer Republik über das Dritte Reich bis in die Nachkriegszeit – aus der Perspektive der Polizei beleuchten. Doch schnell wird klar, dass Singer weit mehr weiß, als er vorgibt: über Raths Lebensweg, seine früheren Kollegen und sogar über seine Ex-Frau.
Zunächst dreht sich das Gespräch um die berüchtigten Polizeimorde am Bülowplatz 1931. Doch bald nimmt das Interview eine unerwartete Wendung, die Rath äußerst missfällt. Spionage, Intrigen und die erstaunliche Karriere vieler „entnazifizierter“ Herren in hohen Ämtern nach dem Krieg rücken ins Zentrum.

Mit Westend beschließt Volker Kutscher die Geschichte um Kommissar Rath – diesmal in Form eines intensiven Kammerspiels. Vorausgegangen waren Moabit und Mitte, ebenfalls Bände aus der Reihe illustrierter Lieblingsbücher von Kat Menschik. Begleitet wird der Roman von Menschiks gewohnt kunstvollen Illustrationen, die das Buch zu einem kleinen Schmuckstück machen – literarisch wie optisch.

Besonders hervorheben möchte ich auch das Hörbuch: Walter Kreye, Leslie Malton, Julian Mehne und Timo Weisschnur verleihen den Figuren mit ihren Stimmen eine beeindruckende Lebendigkeit. Dadurch wird die dichte Atmosphäre des Textes zu einem wahren Hörerlebnis.
Fazit: Ein würdiger, atmosphärischer Abschluss der Rath-Reihe, der nicht nur die dunklen Kapitel deutscher Polizeigeschichte beleuchtet, sondern auch literarisch wie akustisch begeistert.
4/5

Bewertung vom 02.10.2025
Wahl, Caroline

Die Assistentin


weniger gut

Die Assistentin
Caroline Wahl
ET: 28.8.25

Nachdem mir die beiden vorherigen Bücher von Caroline Wahl ausgesprochen gut gefallen haben, war ich natürlich sehr gespannt auf Die Assistentin. Ich mag Wahls Schreibstil und wie sie Figuren lebendig wirken lässt – deshalb war meine Erwartungshaltung entsprechend hoch.

Grundsätzlich finde ich es toll und mutig, dass die Autorin mit diesem Buch einen etwas anderen Weg eingeschlagen hat. Es ist nicht einfach, sich aus der Komfortzone zu bewegen und neue Themen oder Tonalitäten auszuprobieren – das respektiere ich sehr. Leider hat mich die Umsetzung diesmal aber nicht ganz überzeugen können.

Die Grundidee war interessant, und an manchen Stellen blitzt auch wieder dieser Charme durch, den ich an Wahl so schätze. Aber insgesamt hat mich die Geschichte nicht so richtig gepackt. Einige Figuren blieben für mich zu blass, die Dynamik zwischen den Hauptcharakteren konnte mich nicht mitreißen, und zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass sich die Handlung etwas zieht. Während ich bei den vorherigen Büchern regelrecht mitgefiebert habe, bin ich hier oft auf Distanz geblieben.

Mein Fazit: Die Assistentin war für mich persönlich leider nur mittelmäßig. Kein schlechtes Buch, aber eben auch keines, das mir nachhaltig im Gedächtnis bleiben wird. Von mir gibt es deshalb 2½ von 5 Sternen. Ich hoffe aber sehr, dass Caroline Wahl auch weiterhin Neues ausprobiert – denn Mut zur Veränderung sollte man als Autorin unbedingt haben, auch wenn nicht jedes Experiment für jede Leserin gleich funktioniert.

Bewertung vom 30.09.2025
Ottenschläger, Madlen

OTTO fährt los - Weihnachten in Finnland


ausgezeichnet

Ach, ich stelle immer wieder fest, dass ich ein richtiges Mädchen bin! Ich liebe Bücher, deren Cover glitzern, funkeln oder samtig sind.
Aber wenn dann auch noch der Inhalt zauberhaft ist, bin ich vollkommen hin und weg – und genau das ist mir bei diesem Buch passiert:

OTTO fährt los – Weihnachten in Finnland
Stefanie Reich
ET: 7.10.25

Otto, der liebenswerte Bulli, begibt sich mit Mama Rike, Papa Jakob und Sohn Anton auf eine weihnachtliche Reise nach Finnland. Schon beim Verlassen der Fähre taucht die Familie in eine magische Winterwelt ein: Der Schnee glitzert, die Luft leuchtet, und am Hafen funkeln unzählige kleine Buden im Weihnachtsglanz. Der Duft von frischem Gebäck liegt in der Luft – da müssen „Piparkakut“ , die finnischen Pfefferkuchen, natürlich probiert werden!
Die Reise steckt voller nordischer Traditionen und kleiner Abenteuer: Sie erleben das Lucia-Fest, genießen Punsch, wagen sich in die Sauna mit anschließendem Eisbaden (zum Glück ist es anschließend in Otto schön kuschelig), und entdecken die Wunder des Winters – von Iglus und Schneeengeln bis hin zum geheimnisvollen Fuchsfeuer, das grüne Funken am Himmel versprüht. Besonders zauberhaft wird Antons Begegnung mit der Sami Elen Marit und ihrem Rentier.

All das wird so liebevoll erzählt und durch die Illustrationen von Madlen Ottenschläger wunderbar ergänzt, dass man sofort Lust bekommt, sich selbst in Ottos Bulli zu setzen und loszufahren.

Fazit:
Ein großes Weihnachtsabenteuer voller Magie, Tradition und Herzenswärme. Perfekt zum gemeinsamen Lesen – und ein Buch, das man garantiert lieben wird.
(5+/5)

Bewertung vom 29.09.2025
See, Lisa

Die Geschichte der Lady Tan


sehr gut

DIE GESCHICHTE DER LADY TAN
Lisa See
ET: 31.7.2025

China, Mitte des 15. Jahrhunderts, zur Zeit der Ming-Dynastie:
Tan Yunxian wächst als Tochter wohlhabender Eltern auf. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter übernimmt ihr Vater Aufgaben am Kaiserhof und bringt Yunxian sowie ihren Bruder zu den Großeltern. Diese sind angesehene Ärzte, und schon in jungen Jahren erlernt Yunxian von ihrer Großmutter die Kunst der Frauenheilkunde.

Mit vierzehn Jahren endet für sie die Zeit der Milchtage, die Phase der Kindheit. Auf Vermittlung eines Heiratsvermittlers wird sie in eine wohlhabende Familie verheiratet, wo mit dem Haarehochstecken eine neue Lebensstufe beginnt. Ihre wichtigste Aufgabe besteht nun darin, einen Sohn zu gebären und damit die Fortführung der Familienlinie zu sichern. Gleichzeitig obliegt es ihr, die Kinder zu erziehen und die Töchter ab dem vierten Lebensjahr dem verbreiteten Schönheitsideal des Fußbindens zu unterwerfen, das die Füße klein und zierlich erscheinen lassen sollte. Später tritt sie in ihre dritte Lebensphase ein, die als Reis- und Salztage bezeichnet wird und mit zahlreichen Belastungen und Prüfungen verbunden ist.

Lisa See entführt uns in das alte China, wo das Leben der Frauen streng durch Traditionen bestimmt wird: Sie gehorchen zunächst ihrem Vater, später ihrem Ehemann. Nach der Hochzeit leben sie im Haus der Familie des Mannes – doch dort bestimmt allein die Schwiegermutter über alle Belange. Erst nach deren Tod kann die Ehefrau selbst zur Herrin des Hauses aufsteigen. Zudem ist es die Pflicht der Ehefrauen, sogar die Konkubinen für ihre Männer auszuwählen.

Zu Beginn empfand ich die detaillierten Beschreibungen der Heilmethoden und der verschiedenen Lebensphasen etwas langatmig. Doch je mehr ich mich eingelesen habe, desto stärker zog mich die Geschichte in ihren Bann. Besonders beeindruckend sind die bildreichen Schilderungen, die das Leben einer traditionellen Familie während der Ming-Dynastie lebendig werden lassen.

Ein atmosphärisch dichter Roman, den ich allen Fans historischer Geschichten empfehle – vor allem jenen, die sich für alte chinesische Traditionen interessieren.
4/5

Bewertung vom 27.09.2025
Fraser, Lu

Flapp lernt fliegen


ausgezeichnet

FLAPP LERNT FLIEGEN – Mut kommt manchmal über Nacht
Lu Fraser

Tief im Dschungel, dort wo die Glühwürmchen funkeln, hängt Flapp kopfüber an einem Ast – wie es sich für eine kleine Fledermaus gehört. Nur eines unterscheidet ihn von den anderen Fledermäusen: Flapp traut sich nicht, den Ast loszulassen. Niemand hat ihm je erklärt, wie man im Flug lenkt oder wie man wieder anhalten kann.

Zum Glück hat Flapp einen guten Freund – die Motte. Sie spricht ihm Mut zu und gibt hilfreiche Tipps. Doch den entscheidenden Schritt muss Flapp allein wagen. Und als eines Tages ein Sturm aufzieht und die Motte in Gefahr gerät, zeigt sich, wie viel Mut tatsächlich in ihm steckt.

Dieses zauberhafte Bilderbuch ab 4 Jahren ermutigt Kinder, an sich selbst zu glauben und Neues auszuprobieren. Der Text ist leicht verständlich und meist in Reimen geschrieben – nur wenige Wörter musste ich meinen Kindern erklären. Besonders hervorheben möchte ich auch die wunderschönen Illustrationen von Sarah Warburton, die die Geschichte lebendig und liebevoll untermalen.

Fazit:
Ein warmherziges, ermutigendes Buch, das sich hervorragend als Gutenachtgeschichte eignet.
4½ /5

Bewertung vom 10.09.2025
Keßler, Verena

Gym


ausgezeichnet

GYM
Verena Kessler
ET: 19.8.25

Unsere namenlose Ich-Erzählerin sucht dringend einen Job. Mit ungewaschenen Haaren und Erdnussflip-Bauch steht sie vor Ferhat, dem Besitzer des Mega Gyms. Schon beim ersten Blick ist ihm klar: Diese Bewerberin passt so gar nicht in sein Bild von „schlank, sportlich, muskulös“. Doch als sie behauptet, gerade entbunden zu haben, drückt er ein Auge zu und stellt sie ein – ohne zu ahnen, dass es sich dabei um eine Notlüge handelt.
Fragen nach dem Baby weicht sie geschickt aus, und wenn jemand Fotos sehen will, präsentiert sie kurzerhand das Kind einer Ex-Kollegin.

Doch die Umgebung im Gym bleibt nicht ohne Wirkung: Umgeben von trainierten, perfekt durchgestylten Körpern beginnt sie, sich selbst immer stärker in Frage zu stellen. Der Drang zur Selbstoptimierung packt sie – und bald kennt ihr Ehrgeiz beim Training kaum noch Grenzen.
Wie weit sie geht und wo das alles endet, müsst ihr selbst lesen …

Was für ein krasses Buch!
Ich habe es in einem Rutsch verschlungen. Verena Kessler trifft einmal mehr den Nerv der Zeit: Schönheitswahn, Leistungsdruck, der Wunsch nach Anerkennung – all das verdichtet sie in einer packenden Geschichte. Besonders gelungen fand ich die Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die der Erzählung viel Tiefe geben.

Der Schreibstil ist wie gewohnt mitreißend, klar und nie vorhersehbar – ein Text, der immer wieder überraschende Haken schlägt. Allerdings sollte man als Leser*in nicht zu zart besaitet sein, denn manche Szenen sind durchaus verstörend oder eklig.

Ein kleiner Kritikpunkt: Ich hätte mir mehr Hintergrund darüber gewünscht, was letztlich die Psychose der Protagonistin ausgelöst hat. Dieser Aspekt blieb für mich etwas offen.

Fazit:
Ein starkes, eindringliches Buch, das direkt ins Heute passt, tiefgründig und dennoch schnell zu lesen. Ich brauch definitiv noch ein wenig Zeit, um alles nachwirken zu lassen.
4½/5

Bewertung vom 09.09.2025
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


sehr gut

SCHWEBENDE LASTEN
Annett Gröschner
ET: 3.9.25

Annett Gröschner erzählt das Leben von Hanna Kraus, das fast ein Jahrhundert umspannte. Unter schwierigen Bedingungen wuchs sie ab ihrem vierten Lebensjahr in Magdeburg als Waise auf. Mal lebte sie bei der einen Halbschwester, mal bei der anderen – doch keine von ihnen war je liebevoll zu ihr. Stattdessen wurde sie als eine Art „Mädchen für alles“ behandelt.

Hanna liebte Blumen. Geprägt durch eine Halbschwester, die einen Blumenladen führte, erlernte sie den Beruf der Floristin. Nach der Hochzeit mit Karl – vor dem ihre Schwestern sie als „Taugenichts“ gewarnt hatten – eröffnete sie im Knattergebirge einen eigenen Laden. Doch bald sollte sich zeigen, dass die Warnungen der Schwestern nicht unbegründet waren: Karl unterstützte sie kaum, fühlte sich nicht zum Arbeiten berufen und machte ihr stattdessen ein Kind nach dem anderen. Insgesamt brachte Hanna sechs Kinder zur Welt, erlitt eine Fehlgeburt und musste häufig die Dienste einer „Engelmacherin“ in Anspruch nehmen.

Der Krieg zerstörte ihren Blumenladen, Karl verlor im Stahlwerk ein Bein, und Hanna hielt die Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Besonders schwer traf sie der Verlust von zwei Kindern, die sie nie beerdigen konnte – ein Schmerz, der sie ihr Leben lang begleitete. Nach dem Krieg wurde sie, trotz ihrer Höhenangst, in der DDR Kranführerin. Auch wenn das Leben nun etwas ruhiger verlief, blieb es alles andere als langweilig. Bis zu ihrem Tod verlor Hanna nie ihre Liebe zu den Blumen.

Das Lebensporträt von Hanna Kraus habe ich mit gemischten Empfindungen gelesen. Die Stärke dieser Frau ist unübersehbar, und man mag sich kaum ausmalen, welche Wege ihr offen gestanden hätten, wäre ein verlässlicher Partner an ihrer Seite gewesen. Besonders eindringlich sind die Schilderungen der Kriegsjahre – im Mittelteil konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Der Beginn und das Ende hingegen wirken deutlich nüchterner, fast distanziert, und haben mich emotional weniger erreicht. Auch die vielfach hervorgehobene poetische Sprache konnte ich in dieser Form nicht entdecken.

Insgesamt ein solides Buch – ob es für den Deutschen Buchpreis reicht, bleibt abzuwarten.

Zitat: (S.82) "Sie wollte kein weiters Kind. Aber für Karl, der nicht mehr gehen und nicht einmal ein Baby im Stehen halten konnte, war es sehr wichtig, dass er wenigstens noch in der Lage war zu zeugen."

Bewertung vom 08.09.2025
Graw, Theresia

In uns der Ozean


ausgezeichnet

IN UNS DER OZEAN
Theresia Graw
gelesen von Elke Schützhold
ET: 31.7.25

1929:
Rachel träumt davon, als Biologin das Meer zu erforschen. Doch als ihr Vater plötzlich stirbt, zerplatzen ihre Pläne. Aus einfachen Verhältnissen stammend, bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Schulden des Vaters zu begleichen und ihre Familie zu versorgen – ihre Promotion muss sie aufgeben.

In Washington D.C. findet Rachel Arbeit bei der amerikanischen Fischereibehörde. Dort verfasst sie Texte für eine Radiosendung. Anfangs wird sie von ihren männlichen Kollegen belächelt, doch schon bald macht sie sich einen Namen – verborgen hinter ihren Initialen. Kaum jemand ahnt, dass sich hinter den wissenschaftlich fundierten und zugleich poetisch geschriebenen Beiträgen eine Frau verbirgt.

Bald entdeckt der Verlag Simon & Schuster ihr Talent und bietet ihr einen Buchvertrag an. Ihre Werke werden zu Bestsellern, tausendfach verkauft und gefeiert.

Als Rachel miterlebt, wie Flugzeuge in großem Stil das Pestizid DDT versprühen, beschließt sie, nicht länger zu schweigen. Mit unerschütterlichem Mut nimmt sie den Kampf gegen die mächtigen Chemiekonzerne auf – und verfasst ein Werk, das bis heute als eines der wichtigsten Sachbücher überhaupt gilt.

Rachel Louise Carson war ihrer Zeit weit voraus. Sie lebte unabhängig, unverheiratet, alleinerziehend – und brach damit sämtliche gesellschaftliche Konventionen. Theresia Graw gelingt es meisterhaft, die historische Persönlichkeit mit fiktiven Elementen zu verweben. Was zunächst wie eine spannende Lebensgeschichte beginnt, entwickelt sich zu einem packenden Roman, der sich fast wie ein Thriller liest.

Wir alle haben dieser außergewöhnlichen Frau viel zu verdanken: Ohne ihren unermüdlichen Einsatz hätten wir womöglich heute keine Vögel und Insekten mehr.

Ich durfte das Buch sowohl lesen als auch hören. Besonders hervorheben möchte ich die wunderbare Stimme von Elke Schützhold, die mich mit ihrer Interpretation tief beeindruckt hat.

Fazit: Ein mitreißendes Buch über eine außergewöhnliche Frau. Absolute Leseempfehlung!
5/5

Bewertung vom 05.09.2025
Flitner, Bettina

Meine Mutter


gut

MEINE MUTTER
Bettina Flitner
ET: 04.09.2025

Gila, die Mutter der Autorin, hat vor 40 Jahren Suizid begangen. Sie war nicht die Erste in ihrer Familie, die den Freitod wählte, und leider auch nicht die Letzte.
Bettina Flitner begibt sich auf Spurensuche und reist nach Schlesien, wo ihre Familie einst ein großes Sanatorium eröffnete. Die gute Luft zog Menschen aus nah und fern an – meist wohlhabend und gut situiert. Anfangs blickten die einfachen Dorfbewohner skeptisch auf die reichen Kranken, doch am Ende profitierten sie: Sie erhielten kostenlose Behandlungen und Arbeitsplätze für ihre Söhne und Töchter.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zerbrach dieser Aufstieg. Die Familie verlor ihr Hab und Gut und musste nach Celle fliehen. Doch auch dort stellte sich für Gila kein dauerhaftes Glück ein. Ihr Ehemann, Bettinas Vater, lebte neben der Ehe weitere Beziehungen, Gila versank in Depressionen, und nur selten erlebte sie kleine Momente der Freude.

Flitner erzählt diese Familiengeschichte auf Grundlage von Briefen, Tagebüchern und Erinnerungen ihres Großvaters und ihrer Tante. Das Buch "Meine Schwester" hatte mich im letzten Jahr begeistert und sehr berührt und war für mich ein Lese-Highlight. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen an dieses neue Buch.

Leider bleibt es hinter dem Vorgänger zurück. Stellenweise konnte es mich fesseln, aber nicht durchgehend. Auch wenn es erschütternde Szenen gibt, bleibt die Erzählung eher oberflächlich. Flitner schreibt, dass sie zu ihrer Mutter nur ein distanziertes Verhältnis hatte und genau das konnte ich beim Lesen spüren.

Fazit:
Eine traurige Familiengeschichte, ohne Frage, doch leider bleibt das Buch hinter meinen Erwartungen zurück. Trotzdem wünsche ich Bettina Flitner eine große Leserschaft und freue mich auf ein weiteres Buch von ihr – gern etwas ganz anderes.
3½/5