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Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 14.06.2014
Detering, Monika

Herzfrauen


weniger gut

Ich bediene mich heute mal des Klappentextes. „In unmittelbarer Nähe des Bielefelder „Wahlfamilienhauses“ stürzt ein junger Mann, der Pharmazievertreter Till Matthusch, aus dem Fenster. Kurze Zeit später häufen sich Vergiftungen unter den Bewohnern dieses Wohnprojekts. Hauptkommissar Viktor Weinbrenner, der ebenfalls hier lebt, glaubt nicht an einen Zufall. Er beginnt zu ermitteln – genauso wie seine Mitbewohnerin Sybille Gott. Die Journalistin wittert in einem Artikel über Schenkkreise, den „Herzfrauen“, ihre große Chance. Plötzlich ergeben die mysteriösen Ereignisse im „Wahlfamilienhaus“ einen Sinn. Viele Ungereimtheiten verdichten sich zu einem unheilvollen Bild. Und alle Spuren führen zu den Herzfrauen.“

Puh, endlich geschafft. Ich habe jetzt eine geschlagene Woche für 270 Seiten gebraucht. Ich musste auch jeden Tag, wenn ich mich dransetzte, wieder ein ganzes Stück zurückblättern, weil mir die letzten gelesenen Seiten nicht mehr präsent waren.

Spannend fand ich diesen Krimi leider an keiner einzigen Stelle. Der aus dem Fenster gestürzte Mann ist nicht sofort tot, sondern hat noch über viele Seiten Gelegenheit, zu halluzinieren. Ich erspare euch Zitate daraus – mir wurde es wirklich zu viel und ich konnte den Verdacht nicht loswerden, dass die Autorin selbst etwas neben sich stand.

Die sich häufenden Vergiftungen geschehen erst im späteren Verlauf des Buches. Bis dahin habe ich mich nur gewundert, denn ich finde es zwar ganz toll, wenn jemand in seinem Beruf engagiert ist und ihm seine Mitmenschen nicht egal sind, aber dass ein Polizist und eine Ärztin nicht mehr zur Ruhe kommen, dass sie nicht aufhören können zu grübeln und zu ermitteln, wieso ein Mann aus dem Fenster stürzte – tut mir leid, aber das glaube ich nicht. Zumal eigentlich von Anfang an klar ist, dass sich niemand sonst in seiner Wohnung befand.

Eine weitere große Rolle nimmt die Beschäftigung mit diesem Schenkkreis ein. Die Skrupellosigkeit der „Ober-Herzfrau“ war für mich das Interessanteste in dem Buch. Trotzdem war für mich nicht nachvollziehbar, dass sie als so schwer traumatisiert dargestellt wurde, dass sie sogar über Leichen geht, weil ihr Vater, als sie ein junges Mädchen war, wegen Betrugs verhaftet wurde. Indem ich das hier erzähle, produziere ich übrigens keinen Spoiler, denn das "furchtbare Erlebnis" wird im Prolog geschildert.

Der Kommissar sowie sämtliche anderen Charaktere blieben für mich absolut farblos. Und wieso der Mann nun aus dem Fenster sprang, ist mir am Ende übrigens immer noch nicht klar gewesen.

Ich vergebe 2 Punkte, weil ich die Idee, das Verbrechen im Umfeld eines solchen Schenkkreises anzusiedeln, ganz interessant fand und weil auf den letzten Seiten Rezepte abgedruckt sind, die die Bewohner des Wahlfamilienhauses im Handlungsverlauf kochen. Und außerdem, weil noch die beiden folgenden Fälle von Viktor Weinbrenner auf meinem SuB liegen und ich mir ein bisschen Hoffnung erhalten möchte.

Bewertung vom 14.06.2014
Eckert, Horst

Schwarzlicht


ausgezeichnet

„Mit Anfang zwanzig hatte man noch Ideale, aber er war kein Grünschnabel mehr. Er wusste seit langem: Dieser Job war durch und durch korrupt.
Man tat nicht das, was man für richtig hielt. Man passte sich an. Kollegen achteten darauf, dass man nicht aus der Reihe tanzte. Vorgesetzte benutzten die Karriere als Mittel, um einem das Rückgrat zu brechen. Das Ministerium erfand den Polizeidienst alle paar Jahre neu, und als Beamter machte man jeden Schwachsinn mit.“

Eine Woche vor der Wahl wird der NRW-Ministerpräsident ertrunken in seinem Pool aufgefunden. Vincent Veih, der neu ernannte Leiter des KK11 findet schon bald Hinweise, dass es sich keinesfalls um einen Unfall gehandelt hat, wie man an oberster Stelle gerne erklärt hätte. Bei seinen Ermittlungen gerät er immer mehr unter Druck.

Auch von privater Seite ist der Druck kaum geringer. Seine Freundin ist ausgezogen, mit seiner Mutter, einer ehemalige RAF-Terroristin, kann er immer noch keine zwei Sätze wechseln, ohne dass die Fetzen fliegen und der Großvater, bei dem er aufwuchs, entpuppte sich als Nazi-Verbrecher. Nicht selten fragt sich Vincent, was von den beiden möglicherweise in ihm steckt.

Ein wirklich spannendes Buch! Ich war froh, dass ich es mir an einem Wochenende vorgenommen hatte – ich hätte es nämlich ungern weggelegt. Der Schreibstil sagte mir sehr zu und die Kapitel ließen sich locker weglesen. Das Buch ist aufgeteilt in Abschnitte, die den Kalendertagen bis zur Wahl entsprechen, wobei ich gegen Mitte des Buchs staunte, dass im Grunde erst drei Tage vergangen waren – so viel war schon passiert.

Gerade zum Ende hin gab es einige Stellen, die mir wie spannende Filmszenen vor meinem geistigen Auge erschienen. Und auf die Auflösung wäre ich auch nicht so schnell gekommen. Ein Polit-Thriller durch und durch, der kaum ein brisantes Thema auslässt.

Allerdings muss ich gestehen, dass ich mich jetzt erst mal bei einem weniger realistischen Buch erholen muss. Diese Korruption an allen Ecken und Kanten, alle Menschen mies… Sicher ist das Realismus, dem man sich stellen muss, aber ich bewahre mir gerne das Gefühl (oder die Illusion), dass es auch noch ehrliche Menschen gibt. Auch bei der Polizei, auch bei Politikern. Und wenn man schon mit so viel Realismus um sich wirft – ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie realistisch es denn dann sein kann, dass ein Mann mit einer solchen familiären Vorbelastung und auch einem in Jugendzeiten nicht ganz einwandfreien Lebenslauf es auf eine solche Leitungsposition schaffen kann.

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Bewertung vom 10.06.2014
Lansdale, Joe R.

Ein feiner dunkler Riss


ausgezeichnet

„Außerdem fiel mir etwas Merkwürdiges auf. Nachts, wenn ich im Bett lag und mit geschlossenen Augen aufs Einschlafen wartete, hatte ich das Gefühl es sei jemand in meinem Zimmer. Ein Schauer überlief mich. Ich dachte, wenn ich die Augen öffnete, würde jemand neben meinem Bett stehen und sich wie ein drohender Schatten über mich beugen – vielleicht dieser Hexenschatten, den ich im Stilwind-Haus auf dem Hügel gesehen hatte.
In mir wuchs die Befürchtung, dass es – was auch immer es war – mich packen und mit sich ziehen würde, auf die andere Seite dieses feinen, dunklen Risses: der Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten.“
Der Klappentext beginnt mit den Worten: „East Texas, 1958. Stans Welt ist von Gewalt geprägt.“ Das kann man wohl sagen! Mit seinen Eltern und der 16jährigen Schwester ist der 13jährige Stan kürzlich in diese Kleinstadt gezogen, weil sein Vater dort ein Autokino betreiben möchte. In dieser kleinen Stadt Dewmont gibt es eine klare Rangordnung: Ganz oben – praktisch am Anfang der Nahrungskette – stehen reiche Männer. Danach kommen „normale“ Männer und dann erst mal eine Weile nichts. Irgendwann geht die Reihe weiter mit männlichen Kindern und erst danach kommen Frauen und Mädchen. Und ganz am Ende die „Nigger“.
Stan’s Familie unterscheidet sich schon zu Beginn der Geschichte von den übrigen Bewohnern Dewmonts. Mit fassungslosem Erstaunen nimmt er wahr, dass es um ihn herum scheinbar üblich ist, dass Väter ihre Frauen und Kinder verprügeln. Und dass es sich zudem für einen „anständigen“ Weißen nicht schickt, privat mit „Niggern“ zu verkehren.
Stan’s erste Freunde in der neuen Stadt sind das farbige Hausmädchen Rosy Mae, der farbige Filmvorführer Buster aus dem Autokino und ein Mitschüler namens Richard, dessen Mutter ständig mit zerschlagenem Gesicht rumläuft und der sich an die Prügel seines Vaters schon beinahe „gewöhnt“ hat.
Eines Tages findet Stan in der Nähe des Autokinos eine kleine Kiste, voll mit Briefen und Tagebuchseiten. Neugierig geworden forscht er nach der Herkunft dieser Kiste und stößt dabei auf das Schicksal zweier junger Mädchen, die vor einigen Jahren in Dewmont lebten und die beide vor einigen Jahren in derselben Nacht starben. Die eine verbrannte in ihrem Haus und die andere wurde ganz in der Nähe ermordet…
Die Geschichte beginnt wie ein typischer Abenteuerroman, die Geschichte eines Sommers im Leben eines 13jährigen Jungens. Das habe ich schon gerne gelesen, aber dann nam die Handlung Fahrt auf und wurde richtig spannend. Stan ist ein richtig sympathisches Kerlchen, zu Beginn der Handlung noch sagenhaft unschuldig und noch richtig „Kind“ – am Ende des Sommers wird er jedoch so viel Schreckliches gesehen haben, dass es eigentlich für mehr als ein Leben reicht. Wie das auf den intelligenten und fantasiebegabten Jungen wirkt, kann man sich vorstellen. Das gesamte Szenario, geprägt von Gewalt und Rassismus, ist sehr intensiv dargestellt und ich liebe einfach Geschichten über Menschen, die in einem solchen Klima auf Oppositionskurs gehen! Und zudem gibt es ja auch noch das Schicksal der toten Mädchen, das bis zu diesem Zeitpunkt nie geklärt wurde.
Recht und Unrecht, Gewalt, Homosexualität, Vorurteile, Rassismus, religiöser Wahn - in dieser Geschichte steckt wirklich viel drin. Toll geschrieben!
„Schrecklich, wie es in Wirklichkeit zuging auf der Welt, in Dewmont. Wahrscheinlich spielten sich solche Dinge in jeder Kleinstadt ab, und die meisten Leute merkten nichts davon. Ich hätte lieber zu den meisten Leuten gehört. Es war, als ob ich einen Deckel angehoben hätte, und nun kamen alle üblen Geheimnisse der Welt hervorgekrochen.
Noch vor gar nicht so langer Zeit war meine größte Sorge, meine größte Enttäuschung gewesen, dass es den Weihnachtsmann nicht gab.
Ich seufzte und starrte an die Decke.
Langsam musste es mal wieder bergauf gehen.
„Muss es einfach“, sagte ich laut.
Aber das Schicksal war noch nicht fertig mit mir.“

Bewertung vom 10.06.2014
Funder, Anna

Alles, was ich bin


ausgezeichnet

„Furcht ist das psychologische Fundament der Diktatur. Der Diktator weiß, dass nur der Mensch, der die Furcht überwindet, jenseits seiner Macht lebt, sein einziger gefährlicher Feind ist. Denn wer die Furcht überwindet, hat den Tod überwunden.“


„Drei Menschen, drei Schicksale, ein leidenschaftlicher Kampf für die Freiheit. 1935 werden in einem Londoner Hotelzimmer die bekannten deutschen Widerstandskämpferinnen Dora Fabian und Mathilde Wurm tot aufgefunden. Die Gestapo spricht von Selbstmord der beiden Frauen, die engstens mit dem charismatischen Revolutionär und Schriftsteller Ernst Toller bekannt waren. Von Hitlers Machtergreifung in Berlin an begleitet Anna Funder in ihrem großen Roman die Gruppe von Freunden, die über Nacht zu einer Bande Verfolgter wird. Sie fliehen nach London, wo sie neue Verbündete finden und große Gefahren auf sich nehmen, um den Widerstand gegen die Nazis zu organisieren. Aber sie sind dort nicht sicher – ein einziger Verrat wird die Freunde auseinandersprengen und in alle Winde zerstreuen. Packend und tief bewegend bringt Anna Funder Licht in eine der mysteriösesten Geschichten des Exils. Sie erzählt von der Verbindung dreier außergewöhnlicher Menschen, die in Zeiten größten Aufruhrs alles riskieren – für die Freiheit und die Liebe.“ (Klappentext)

„Als Hitler an die Macht kam, lag ich in der Badewanne.“ Mit diesem Satz beginnt eine überaus beeindruckende Erzählung über das Leben einer jungen Frau, die, gemeinsam mit ihren Freunden versuchte, den sich ankündigenden Wahnsinn eines neuen Krieges und der Gewaltherrschaft Hitlers zu verhindern – unter Einsatz des eigenen Lebens.

In Rückblenden erleben wir die gesamte Geschichte mit. Es gibt zwei Erzähler: Zum einen die Jüdin Ruth, die als einzige überlebt hat und nun, mit 95 Jahren, sich zurückerinnert. Der zweite Erzähler ist der Autor Ernst Toller – auch er einer der Widerstandskämpfer. Sein Leben jedoch endete schon früh, durch seinen niedergeschriebenen Nachlass – den Ruth liest – spricht er zum Leser.

Beide Erzähler schildern fesselnd und mitreißend. Vor allem Ruths Berichte sind von so einer ungeheuren Intensität, dass es mich beim Lesen gepackt und nicht mehr losgelassen hat. Ganz deutlich nimmt man als Leser Anteil an den Gefühlen, Ängsten und Sorgen der Charaktere, die wechselnden Erzählperspektiven erlauben verschiedene Betrachtungsweisen – und kommen doch am Ende zum gleichen Ergebnis.

Ein starkes Stück Geschichte! Der zeitliche Rahmen beginnt früh, noch zu Zeiten des 1. Weltkriegs. Alles beginnt mit dem Wunsch nach Frieden, mit dem Wunsch, einen weiteren Krieg dauerhaft zu verhindern. Von der Gründung der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und ersten politischen Aktivitäten geht es weiter und endet im Exil und auf Todeslisten. Mehr als einmal hab ich mich gefragt, was ich wohl getan hätte… Schwer vorstellbar, ich hoffe, ich würde in einer vergleichbaren Situation richtig handeln. Aber weiß man es? Auf jeden Fall macht es für mich Sinn, mich immer mal wieder mit diesem Stück deutscher Geschichte auseinanderzusetzen.

Bewertung vom 10.06.2014
James, Peter

Stirb schön / Roy Grace Bd.2


ausgezeichnet

„Falls Sie der Polizei mitteilen, was Sie gesehen haben, oder jemals wieder versuchen sollten, diese Website zu besuchen, wird das, was mit Ihrem Computer geschehen ist, auch mit Ihrer Frau Kellie, Ihrem Sohn Max und Ihrer Tochter Jessica geschehen.“

Als Tom Bryce die CD-ROM, die er im Zug gefunden hat in seinen Laptop einlegt, glaubt er, dass er sich im schlimmsten Fall einen Computer-Virus einfangen könnte. Und auch dieses Risiko schätzt er gering ein, denn schließlich wähnt er seinen Rechner in einem topgesicherten Zustand. Niemals hätte er damit gerechnet, etwas so Schreckliches mit ansehen zu müssen, wie das, was in den nächsten Minuten auf seinem Bildschirm zu sehen sein wird. Und niemals hätte er damit gerechnet, dass das Einlegen dieser CD-ROM sein ganzes Leben und das seiner Familie total verändern würde!

Snuff-Film. Wikipedia liefert als nüchterne Erklärung dafür den Satz: „Als Snuff-Film wird die filmische Aufzeichnung eines Mordes bezeichnet, der zur Unterhaltung des Zuschauers begangen wurde.“ Allein der Begriff „Unterhaltung“ erscheint mir in diesem Zusammenhang schon ausgesprochen bizarr!
Tom Bryce gehört nicht zu den Menschen, die sich einen solchen Film freiwillig auch nur ansehen würden. Daher versucht er sich auch zunächst einzureden, dass das Abschlachten einer jungen Frau, das er auf seinem Bildschirm verfolgt hat, nicht echt gewesen sein kann. Als kurz danach sämtliche (und damit meine ich wirklich alle!) Daten auf seiner Festplatte gelöscht sind, klappt das mit dem Einreden schon nicht mehr so gut. Und als die Polizei am Folgetag die zerstückelte Leiche eben dieser jungen Frau findet, ist ihm klar, dass er das Gesehene melden muss. Wenn da nur nicht die (siehe Eingangszitat) Warnung wäre, die er erhalten hat…

Wahnsinn! Dieser Thriller hat mich förmlich ans Sofa gefesselt. Allein die Grundthematik des Snuff-Films ist heftig, aber man denkt ja, dass man „normalerweise“ damit nie in Kontakt geraten würde. Und genau so erging es hier diesem Familienvater, der sicher ein wenig dumm oder leichtsinnig war, als er die gefundene CD in seinen Rechner einlegte, aber ansonsten doch arglos. Und schon hängt er drin, in den Fängen eines Snuff-Rings und muss sich mit fürchterlichen Gewissensentscheidungen herumschlagen.

In seinem zweiten Fall wird Detective Superintendent Roy Grace und seinem Team wieder alles abverlangt. Während mich im ersten Band („Stirb ewig“) noch ein wenig störte, dass die Klärung des Falls durch ein pendelschwingendes Medium unterstützt wurde, findet Graces Hang zum Okkulten diesmal – für mich sehr angenehm – größtenteils nur in der Nebenhandlung statt. Daher gibt es für mich bei diesem Fall absolut nichts zu kritisieren!

Auch der Schreibstil gefiel mir sehr und sorgte mit dafür, dass ich förmlich „durch das Buch flog“. Grace ist mir sympathisch und die zwischendurch stattfindenden Ausflüge in sein Privatleben dämpften nicht die Spannung. Weitere interessante Charaktere und flotte Dialoge rundeten alles ab. Das ergibt in der Summe von mir eine volle Leseempfehlung für diesen sehr spannenden Thriller!

Bewertung vom 06.06.2014
Wendeberg, Annelie

Teufelsgrinsen / Anna Kronberg & Sherlock Holmes Bd.1


ausgezeichnet

„Im Alter von siebenundzwanzig Jahren wurde ich Zeugin eines abscheulichen Verbrechens. Niemand wagte, es der Öffentlichkeit preiszugeben. Niemals wurden die Einzelheiten festgehalten – weder von der Polizei noch von Journalisten oder Historikern. Stattdessen versuchte man, die Sache so schnell wie möglich zu vergessen.“

"Ich war Bakteriologe und Epidemiologe, der Beste, den man in England finden konnte. ... Bei sämtlichen Choleratoten oder anderen Opfern angriffslustiger Keime in und um London wurde ich hinzugebeten.
Diese Fälle traten mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf, und somit hatte ich häufiger das Vergnügen, mit Kriminalinspektoren der Metropolitan Police zusammenzuarbeiten. Es war ein gut gemischter Haufen Männer, deren geistige Schärfe zwischen der eines Buttermessers und der einer überreifen Pflaume variierte."

London, 1889. Anna führt ein Doppelleben. Nur abends und nachts ist sie eine Frau, ist sie Anna. An jedem Morgen jedoch wird aus Anna Anton… In einer Zeit, in der es Frauen untersagt ist, Medizin zu studieren und Ärztin zu werden, hat sie sich als Mann verkleidet und genau das getan. Dabei ist sie ausgesprochen erfolgreich – schon seit Jahren praktiziert sie als angesehener Mediziner unter dem Namen Dr. Anton Kronberg und wird auch von Scotland Yard regelmäßig zu Todesfällen hinzugezogen. In der ganzen Zeit ist keinem der Polizisten aufgefallen, dass sie in Wahrheit eine Frau ist. Eine Tatsache, die sie einerseits freut, sie aber andererseits zu der oben aufgeführten Erkenntnis über die männlichen Inspektoren gebracht hat. Eines Tages jedoch trifft sie bei einem Einsatz auf jemanden, der ihre Maskerade durchschaut…

„ „Dr. Kronberg, das hier ist Mr. Sherlock Holmes“, fuhr der Inspektor fort, als ob ich wissen müsste, wer Sherlock Holmes sei.“

Gemeinsam machen sie sich an die Aufklärung eines Todesfalls, noch nicht ahnend, welche Ausmaße er annehmen wird, welches ungeheure Verbrechen tatsächlich dahintersteckt…

Ein tolles Buch! Der Fall, den die beiden lösen müssen, wird überaus spannend. Gebannt habe ich verfolgt, wie die Dimension des Verbrechens immer größer wurde. Die beiden Protagonisten gehen große Risiken ein, es wird richtig gefährlich für die beiden. Dabei liefern sie sich herrliche Wortgefechte, versuchen sich ständig gegenseitig zu übertrumpfen, was ihre Analysefähigkeiten angeht. Sie arbeiten zusammen, aber immer auch ein wenig gegeneinander. Das zu verfolgen, hat mir viel Spaß gemacht.

Und dann geht es natürlich auch noch um Annas Doppelleben. Aus heutiger Sicht kann man ja nur kopfschüttelnd vor Berichten aus der damaligen Zeit die Rolle der Frau betreffend stehen. Dass es Frauen untersagt war, Mediziner zu werden erscheint schier unglaublich! Was Anna alles auf sich nimmt, um ihrer Berufung nachkommen zu können, ist sehr mutig und bewundernswert. Täglich muss sie einen ungeheuren Aufwand betreiben, um ihre Maskerade durchzuziehen, immer in Furcht vor Entdeckung.

Eine starke Frau + ein bekannter Detektiv + ein abscheuliches Verbrechen + witzige Dialoge = absolut lesenswert! Zum Glück lässt das Ende des Buchs hoffen, dass Kronberg und Holmes noch häufiger gemeinsam ermitteln werden.

Bewertung vom 06.06.2014
Krämer, Micha

Tod im Lokschuppen


sehr gut

„Ich glaube, wir haben den Rest der Leiche gefunden.“
In einem alten Lokschuppen in der kleinen Stadt Betzdorf wird eine fürchterlich zugerichtete Leiche gefunden. Bei den Ermittlungen stoßen die junge Kommissarin Nina Moretti und ihr Partner Hans Peter Thiel nicht nur auf einige alte Bekannte sondern auch auf Hinweise, die darauf schließen lassen, dass der Ermordete ein Doppelleben führte.
Er, der alteingesessene Geschäftsmann, war scheinbar nicht überall beliebt. Und was hat es mit dieser Spur, die ins Kölner Rotlichtmilieu führt, auf sich?
Moretti und Thiel stehen vor vielen Fragen…
Und da geschieht schon der nächste Mord…

Ein neues interessantes Ermittler-Duo lernen wir hier kennen. Ein Duo, das seinen Reiz wieder aus seiner totalen Gegensätzlichkeit bezieht. Auf der einen Seite die junge, etwas chaotische Nina und auf der anderen Hans Peter, der schon die Tage bis zu seiner Pensionierung zählt. Beide haben ihre persönlichen Schwachpunkte und kommen daher ausgesprochen menschlich rüber. Die diversen Reibungspunkte zwischen den beiden sind meist die „klassischen“, sind aber so schön umgesetzt, dass ich immer wieder schmunzeln musste.

„Fahren Sie immer streng nach Vorschrift?“ – „Ja, Frau Moretti. Und ein Tipp unter Kollegen. Sie sollten sich das auch angewöhnen.“

Der Fall bleibt spannend, liefert überraschende Wendungen und eine ungewöhnliche Auflösung. Wobei ich persönlich mit dem Ende nicht ganz glücklich war, aber das ist mein persönliches Empfinden, denn schlüssig gemacht wurde es schon. Auf jeden Fall mag ich die beiden Ermittler und freue mich, dass es bereits vier Folgebände gibt.

Reihenfolge:
Tod im Lokschuppen
Krähenblut
Tod im Elefantenklo
El Toro
GEMA TOD

Bewertung vom 06.06.2014
Detering, Monika; Radke, Horst-Dieter

Endstation Heißen


sehr gut

„Als Mann haben Sie ja keine Vorstellung, wie das ist, von sonnem Ferkel angegrabscht zu werden. Erst fummeln, dann kommt die Vergewaltigung … Ham wer doch genuch gehabt. Und von da ist es zum Morden auch nicht weit … Ich fühl dat, die Anna Puff hat nen sechsten Sinn, falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten.“

Mülheim an der Ruhr, 1953. Das Straßenbahnfahren ist derzeit für die Frauen der Stadt kein reines Vergnügen. Der „Straßenbahngrabscher“, wie er genannt wird, belästigt vor allem in den Abendstunden allein fahrende Frauen. Und nun gab es auch noch eine Vergewaltigung in Heißen. Das Opfer wurde „aus der Straßenbahn geworfen und übelst zugerichtet“. Trotzdem fährt Kriminalinspektor Alfred Poggel entspannt in den Urlaub. Schließlich ist der „Grabscher“ ein Fall für die Sitte und nicht für ihn. Zurück in Mülheim muss er aber leider feststellen, dass seine Zimmerwirtin Anna Puff Recht hatte, denn nun findet man in Heißen die erste ermordete Frau. Und es wird nicht die letzte bleiben…

An diesem Krimi hatte ich viel Spaß! Alles, was man sich von einem historischen Regionalkrimi erhofft, konnte ich in diesem Buch finden. Die eigentliche Krimihandlung ist solide und führt über diverse Irrwege und falsche Verdächtigungen letztlich zum Täter. Alles natürlich unter – aus heutiger Zeit – erschwerten Bedingungen. Von Dingen wie „DNA-Abgleichen“ wird noch nicht mal geträumt. Die Realität findet für die Mordkommission zu einem nicht unerheblichen Teil hinter staubigen Aktenbergen statt. Und wenn man zum Außeneinsatz fahren möchte, kann man nur hoffen, dass der Dienst-Käfer oder die Dienst-Horex nicht schon besetzt sind. Sonst bleibt nämlich nur das Dienst-Fahrrad!

Daneben gibt es viel Zeitgeschichte und Lokalkolorit. Die Luft ist schwarz von der allgegenwärtigen Kohle. Der Begriff „Etagentoilette“ ist vielen nur zu gut bekannt, „Mann“ geht nach der Schicht in die Kneipe wohingegen „Frau“ mit Kittelschürzenuniform den Haushalt versorgt. Überhaupt ist die Rolle der Frau ein Thema, das in diesem Buch immer wieder aufkommt. Das tausendjährige Reich ist zwar vorbei, das dazugehörige Frauenbild aber immer noch in vielen Köpfen. Selbst bei solchen Männern, die sich klar vom Nationalsozialismus distanzieren. An dieser Stelle muss auch Poggel sich schwer an die eigene Nase fassen, denn der jungen Kollegin in seiner Abteilung traut er rein gar nichts zu und schikaniert sie fortwährend. Aber alle Freunde von Poggel können beruhigt sein: Der Mann ist zum Glück lernfähig!

Lokalkolorit gibt’s auch in Sachen Sprache. Während Poggel und seine Kollegen (und Kollegin) hochdeutsch sprechen, spricht der „einfache“ Bürger oder Arbeiter Ruhrdeutsch. Ich bin selbst in diesem sprachlichen Umfeld groß geworden und kann mich über das geschriebene Ruhrdeutsch köstlich amüsieren. An der ein oder anderen Stelle hab ich mich gefragt, ob ein „Nicht-Ruhri“ die Übersetzung wohl vollständig hinbekommt, aber ich denke, dass sich der Sinn doch aus dem Zusammenhang ergibt.

Dies ist der zweite Fall für Alfred Poggel nach „Blütenreine Weste“. Weitere Mülheim Krimis sind geplant. Zum Verständnis ist die Kenntnis des ersten Bandes nicht unbedingt erforderlich.

Bewertung vom 06.06.2014
Marley, Robert C.

Inspector Swanson und der Fluch des Hope-Diamanten / Inspector Swanson Bd.1


ausgezeichnet

„Die Sache mit den Fingerabdrücken ist mir nicht ganz geheuer, Sir“, meinte Phelps und betrachtete seine Fingerkuppen. „Das Ganze hat in meinen Augen mehr von Okkultismus als von exakter Wissenschaft. Wahrscheinlich muss man daran glauben, damit es funktioniert.“

London, im September 1893. Noch immer sind die furchtbaren Morde des Rippers im allgemeinen Gedächtnis, da wird die Stadt schon von einer neuen Mordserie heimgesucht. Die Taten sind nicht weniger bestialisch, diesmal allerdings sind die Opfer Goldschmiede. Und da ihnen außer ihrem Leben nichts geraubt wurde ist Chief Inspector Donald Sutherland Swanson und Sergeant Peter Phelps schnell klar, dass da ein hartes Stück Arbeit auf sie zukommt…

Dieser Krimi macht Spaß von der ersten bis zur letzten Seite! In den zeitlichen Rahmen des viktorianischen Zeitalters wird die Krimihandlung überaus unterhaltsam eingebettet. Die unglaubliche Prüderie der Zeitgenossen zeigt sich in diversen Szenen, über die ich mich köstlich amüsiert habe. Als starken Kontrast dazu landen unsere Ermittler auch mal in der Homosexuellenszene, deren Teilnehmer entweder ein Musterbeispiel für Doppelmoral sind oder schillernde Auftritte haben wie Oscar Wilde.

Einen weiteren starken Gastauftritt hat ein Privatermittler namens Arthur Conan Doyle, der in bester Sherlock Holmes Manier nach Spuren sucht und dabei Methoden anwendet, die in Polizeikreisen noch als äußerst fragwürdig angesehen werden (siehe Eingangszitat). Das macht Spaß und liefert zudem interessante Einblicke in die Anfänge der modernen Kriminalistik

Der Schreibstil hat mir ebenfalls gut gefallen. Der Autor hat einen trockenen Humor, den ich sehr mag. Das fängt bei den Namen der Ermittler an, geht weiter mit beispielsweise einem jungen (zunächst noch prüden) Sergeant, dem sich bei der Untersuchung eines Schlafzimmers eine ganz neue Welt eröffnet und endet bei einem Autogramme schreibenden Henker. Und wenn Swanson beim Amtsarzt zur Autopsie erscheint und der ihn „in einem hölzernen Verschlag [erwartet], den ein Blinder im Hinterhof der Polizeiwache zusammengezimmert haben musste“, dann sehe ich die ganze Szene mehr als deutlich vor mir!

Fazit: Eine volle Leseempfehlung von mir für diesen viktorianischen Krimi mit Humor!

P.S. Noch eine kleine Ergänzung zum Namen: Wer mal „Jack the Ripper“ googelt, findet bei den Namen der ermittelnden Polizeibeamten tatsächlich einen Donald Swanson. Ich habe aber keine Ahnung, ob der außerdem noch „Sutherland“ hieß.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.05.2014
Flaubert, Gustave

Madame Bovary


gut

„Wenn es irgendwo auf Erden ein Wesen gab, stark und schön und tapfer, begeisterungsfähig und liebeserfahren zugleich, mit einem Dichterherzen und einem Engelskörper, ein Schwärmer und Sänger, warum war sie ihm nicht zufällig begegnet? Ach, weil das eine Unmöglichkeit ist! Weil es vergeblich ist, ihn zu suchen! Weil alles Lug und Trug ist! Jedes Lächeln verbirgt immer nur das Gähnen der Langeweile, jede Freude einen Fluch, jeder Genuß den Ekel, der ihm unvermeidlich folgt! Die heißesten Küsse hinterlassen dem Menschen nichts als die unstillbare Begierde nach der Wollust der Götter!“

Der Klappentext weiß zu berichten, dass der Roman nach seinem Erscheinen einen Skandal verursachte. Der Grund dafür hat sich mir nicht erschlossen.

Das Buch erzählt die Geschichte von Emma, die Zeit ihres Lebens auf ihren Märchenprinzen wartet. Die sich todunglücklich wähnt, da sie mit einem Arzt verheiratet ist, der sie zwar liebt und alles für sie tut, aber nicht auf die Idee käme, ihr täglich irgendwelche romantischen Verse vorzulesen. Der nicht von strahlender Schönheit ist und der den größten Teil des Tages über für seine Patienten da ist. Der nicht in Geld schwimmt und mit dem sie „nur“ eine Tochter zusammen bekommen hat und nicht den gewünschten Sohn, aus dem sie dann einen kleinen Prinzen hätte formen können.
Bei ihrer beständigen Suche nach dem Märchenprinzen fällt sie immer wieder auf die Sorte Männer rein, die schnell versteht, dass man ihr nur romantisch ins Ohr säuseln muss und schon sinkt sie in seine Arme und in sein Bett. Wenn sie irgendwann bemerkt, dass ihr Prinz es nicht ernst meint, wird sie depressiv und beklagt seitenweise ihr furchtbares Schicksal. Ichbezogen bis zum Ende, gelingt es ihr, mehr als ein Leben vollständig zu zerstören.

Selten habe ich mich so über einen Charakter aufgeregt wie über diese Emma. Allein wie sie sich ihrem Mann und ihrer Tochter gegenüber benimmt, hat beim Lesen regelmäßig meinen Blutdruck steigen lassen.
Wo war der Skandal in dem Buch? Lag der darin begründet, dass eine Frau so denkt und handelt? Das wäre ein möglicher Grund gewesen, aber dann hätte sie mit einem ihrer Liebhaber glücklich werden müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Ihr Handeln wird zu jeder Zeit in dem Buch deutlich verurteilt. Unaufhörlich wird mit dem moralischen Zeigefinger gedroht, wird ganz klar gemacht: „Achtung, liebe Frauen! Wenn ihr euch so unmoralisch benehmt, dann droht euch folgendes schlimme Schicksal…“

Und wie steht es mit der Rolle der Frau in dieser Zeit? „Frau“ war damals nicht unbedingt zu beneiden, in vielen Bereichen wurde ihr nichts zugetraut, wurde sie nicht ernst genommen. Das Thema klingt zwar an der ein oder anderen Stelle sanft an, aber man hätte wesentlich mehr draus machen können. Emma ist zwar ein Charakter, der sich nicht mit seiner Situation einfach abfindet, aber dabei geht es ihr nur darum, dass sie meint, ihr müsste doch das Leben einer Prinzessin zustehen. Emanzipation oder Gleichberechtigung sind ihr völlig gleichgültig, solange sie auf Händen getragen wird und mit Geld um sich werfen kann.

Das einzig Angenehme an den 448 Seiten war die schöne, natürlich der damaligen Zeit entsprechenden Sprache und einige gelungene Landschaftsbeschreibungen. Und sicher ist das Buch eine absolute Empfehlung für Leser, die auch in den Leiden des jungen Werther schwelgen können. Das ergibt in der Summe wohlwollende 3 Punkte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.