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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1219 Bewertungen
Bewertung vom 10.03.2018
Burton, Jessie

Das Geheimnis der Muse


sehr gut

Was geschah in Andalusien?

London 1967: Odelle ist vor 5 Jahren aus Trinidad gekommen. Sie hoffte, hier vom Schreiben leben können. In ihrer Heimat hatte sie englische Literatur studiert – in London muss sie Schuhe verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Denn sie ist eine Farbige. Erst das Skelton Institute bietet ihr wenigstens eine Stelle als Schreibkraft (Sekretärin) an. Ihre Vorgesetzte Marjorie Quick wird ihr Vorbild und mütterliche Freundin, Förderin. Quick hat ein eigenes Büro mit einem Messingschild an der Tür und die Menschen begegnen ihr mit Achtung. Sie ist sehr gebildet und fortschrittlich, gibt allerdings nur wenig von sich preis. Als Odelles Partybekanntschaft Lawrie Scott ein Gemälde ins Skelton bringt, dass er von seiner Mutter geerbt hat, wird Quick panisch. Edmund Reed hingegen, der Leiter des Instituts sein Glück kaum fassen – das Bild ist von dem im spanischen Bürgerkrieg verschollenen Maler Isaac Robles. Er will es unbedingt ausstellen: „In Robles ist alles enthalten. Wenn wir die Geschichte dieses Künstlers erzählen, erzählen wir die Geschichte eines ganzen Krieges.“ (S.234)

Januar 1936: Olive ist mit ihren Eltern, dem Wiener Juden Harold Schloss und ihre englischen aristokratischen Mutter Sarah – die trotz Depressionen, Alkohol und Medikamenten immer noch wie ein Filmstar aussieht – gerade ans Ende der Welt, nach Andalusien gezogen. „Olive dachte an ihre Reisekoffer ... die unzähligen Aufkleber ... die sich abschälten wie alte Häute, die sie und ihre Eltern abgeworfen hatten. Sie konnte sich kaum mehr an all die Leben, die sie schon hinter sich hatte, erinnern und fühlte sich, als wäre sie nicht 19, sondern neunzig.“ (S. 92) Dabei hatte sie in London gerade die Zusage der Kunstakademie fürs Studium bekommen. Aber ihr Vater, ein Kunsthändler, ist sowieso der Meinung, dass Frauen zwar malen, aber keine Kunstwerke erschaffen können. Als die Geschwister Terese und ihr Isaac in das Leben der Familie treten, ändert sich alles. Terese wird ihr fast so etwas wie eine Freundin („Ich weiß nie, ob sie meine Freundin sind oder nicht.“ (S. 271)) und Isaac fasziniert sie sofort, aber sein Herz schlägt für die Politik.
Während sich in Andalusien die Anzeichen auf einen Bürgerkrieg mehren und das Land im Wandel ist, wird die Finca zu einer Blase – einer eigenen kleinen heilen Welt voller Glück und Schaffenskraft, aber auch Eifersucht, Lügen und Geheimnisse. Olive blüht auf. Sie malt ihre besten Bilder, aber zeigt sie niemandem. Ihre Selbstzweifel sind zu groß. Ihr Vater würde sie sowieso nicht anerkennen. „Was war es, das aus einem Menschen, der bloß malte, einen Künstler machte?“ (S. 75) Auch ihre Mutter scheint zu gesunden, braucht immer weniger Medikamente, obwohl Olives Vater weiterhin seiner eigenen Wege geht und heimlich Anrufe einer anderen Frau bekommt.

In „Das Geheimnis der Muse“ kämpfen zu verschiedenen Zeiten zwei Frauen gegen die Ansichten und Vorurteile ihrer Mitmenschen.
Odelle wird wegen ihrer Hautfarbe nicht ernstgenommen, passt so gar nicht ins Upperclass-London. Ihr Selbstbewusstsein ist quasi nicht vorhabenden und sie versteckt ihre Geschichten lieber, anstatt sie bei Wettbewerben oder Zeitschriften einzureichen.
Olive hat früh feststellen müssen, dass männliche Maler deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen und vor allem viel mehr mit ihren Bildern verdienen. Warum sollte sie sich also der Kritik aussetzen?

Der Titel passt perfekt zum Buch, die Geschichte ist voller Geheimnisse und wartet am Ende mit echten Überraschungen auf. Trotzdem ist der Funke bei mir nicht so richtig übergesprungen. Die Handlung war mir stellenweise etwas zu langatmig, die politischen Hintergründe zu autark und zum Teil wie losgelöst vom Rest.
Dafür wird das Flair beider Zeiten und Orte gut wiedergegeben. Auch die Schaffensprozesse und (inneren) Kämpfe von Olive und Odelle haben mich sehr berührt.

Bewertung vom 07.03.2018
Schacht, Andrea

Mord im Badehaus / Myntha, die Fährmannstochter Bd.4


ausgezeichnet

Ein langsamer Abschied

Myntha hat es gerade nicht leicht. Ihr Vater, der Fährmeister Reemt, liegt mit einer dicken Erkältung im Bett und will im Fieberwahn wieder nach dem Rheingold suchen. Nur mit Mohnsaft kann sie ihn einigermaßen ruhigstellen. Dabei könnte sie gerade jetzt seine Hilfe sehr gebrauchen. Die Bademagd Molly wurde nämlich ermordet und der mit dem Fall beauftragte geschäftstüchtige Schöffe Thyn hat nicht besseres zu tun, als alle Männer zu verhaften, die Molly „näher kannten“ – genauer gesagt, denen sie ihre Gunst schenkte. Leider waren das ziemlich viele und Thyn schreckt nicht davor zurück, sogar den Pfarrer und den Hauptmann der Wache zu verhaften. Auch Mynthas Brüder Witold und Haro waren Mollys regelmäßige Kunden und geraten in Thyns Fänge.

Eins vorweg: „Mord im Badehaus“ ist schon der 4. Band der Mittelalterreihe um die Fährmannstochter Myntha und es ist ratsam, mit dem ersten Band anzufangen, sonst versteht man einiges sicher nicht.
Leider ist die Autorin Andrea Schacht vor kurzem verstorben und so geht diese Reihe nun bald zu Ende. Es wird nur noch einen weiteren Band geben, dann ist Mynthas Geschichte auserzählt. Das merkt man dem Buch etwas an. Die bisher nur angedeuteten Vorleben der Protagonisten werden langsam aufgelöst und das eine oder andere Geheimnis bereits jetzt gelüftet.

Andrea Schacht kann wunderbar erzählen. Obwohl das Buch als historischer Roman und nicht als Krimi ausgezeichnet ist, ist er sehr spannend. Sie zeichnet wieder ein sehr lebendiges Bild des Lebens im Mittelalter. Man erfährt, wie ein Hauswesen (Haushalt) organisiert war und verschiedene Handwerke funktionierten.

Neben den Mordermittlungen, von denen sich Myntha natürlich nicht abhalten lässt, muss sie sich auch mit den verschiedensten Bewerbern um ihre Hand beschäftigen. Ihre Brüder haben es sich in den Kopf gesetzt, sie endlich unter die Haube zu bringen. Das ist bei ihrer Vorgeschichte als Mondsüchtige allerdings gar nicht so leicht. Die Bewerber waren zum Teil sehr erheiternd. Doch wenn sie ehrlich ist, gehört ihr Herz längst dem spröden Rabenmeister Frederic. Wird es im letzten Band endlich ein Happy End geben oder entscheidet sie sich doch für einen der anderen Kandidaten??? Ihre amüsanten Wortgefechte würden mir auf jeden Fall fehlen.

„Mord im Badehaus“ ist ein sehr spannender und unterhaltsamer historischer Roman, der mit seinem etwas offenen Ende neugierig auf den letzten Band macht.

Bewertung vom 03.03.2018
Barns, Anne

Drei Schwestern am Meer


ausgezeichnet

Zartbitter, nicht zu süß ... mit einer Schicht salzigen Karamells

„Manche Menschen hinterlassen eine Lücke, andere machen Platz.“ (S. 28)
Sagt Oma Anni zu Rina, als diese den Antrag ihres Freundes Daniel nicht annimmt. Rina kann ihm seine Affäre vom letzten Jahr (noch) nicht verzeihen und er will nicht warten. Eigentlich will sie jetzt bei Anni auf Rügen ihre Wunden lecken, sich neu orientieren – schließlich ist sie nur wegen Daniel nach Berlin gegangen und könnte nun zurückkommen. Doch da bricht Anni zusammen und Rina, die Ärztin ist, muss sie wiederbeleben. Anni wird in ein künstliches Koma versetzt und Rina ruft ihre Schwestern Pia und Jana an. Sie sind nach dem Unfalltod der Eltern bei ihrer Oma aufgewachsen und haben eine ganz besondere Verbindung zueinander. Während sie um Annis Leben bangen, überdenken sie ihre derzeitige Situation neu. Was ist wirklich wichtig, wie soll es weitergehen? Außerdem machen sie eine Entdeckung, die letztendlich das Leben aller auf den Kopf stellen wird: „Ja, die Vergangenheit. Sie lässt uns einfach keine Ruhe.“ (S. 231)

Schon mit „Apfelkuchen am Meer“ hatte mich Anne Barns verzaubert und in den Bann einer Insel (damals war es Juist) gezogen. Auch bei „Drei Schwestern am Meer“ ist das Rügen-/Meer-/Urlaubsfeeling sofort da. Ich war selber schon ein paar Mal auf der Insel und suche an der Steilküste genau so gern wie die Schwestern nach Fossilien, schönem Treibholz und Bernstein. Man kann beim Lesen des Buches den warmen Sand unter den Füßen und das Brennen der Sonne auf der Haut fühlen – auch wenn wir hier gerade zweistellige Minusgrade haben.

Mir gefiel besonders die unglaubliche Gruppendynamik der Schwestern. Sie sind zwar sehr verschieden, ergänzen und unterstützen sich aber perfekt und sind immer füreinander da. Auch Pia und Jana haben kein Glück mit den Männern – liegt das wirklich am frühen Verlust der Eltern, wie Jana, die Psychologie studiert, immer wieder behauptet?
Übrigens hat Anne Barns in der Leserunde verraten, dass dieses Buch der Auftakt einer Trilogie ist – jede der Schwestern wird ihre eigene Geschichte in einem eigenen Buch erzählen dürfen 3.

Die Handlung wird durch die eingeschobenen Albträume von Anni immer verzwickter und spannender. In ihnen geht es um rote Stiefel, Judith und Georg – was haben sie zu bedeuten?

Das Buch ist sehr emotional. Ich habe mit Rina, Pia und Jana um Annie gelitten und es wieder viel zu schnell ausgelesen. Auch das Ende ist einfach nur WOW. Ich finde es toll, dass nicht alles komplett aufgelöst wird, sondern ein bisschen was der Fantasie des Lesers überlassen bleibt. (Oder in den oben schon erwähnten weiteren zwei Bänden aufgeklärt wird).

Zudem wird auch auf Rügen wieder geschlemmt, was das Zeug hält und mir lief beim Lesen das Wasser im Mund zusammen. Für einige der im Buch erwähnten Gerichte gibt es die Rezepte im Anhang, außerdem hat der Verlag ein zuckersüßes Rezeptheft zu Anne Barns Romanen herausgegeben – ich „musste“ irgendwann das Lesen unterbrechen, um die „Leipziger Lerchen“ nachzubacken – ein Gedicht!

Mein Fazit: „Drei Schwestern am Meer“ ist eine wunderbar spannende Familiengeschichte mit viel Gefühl, die Lust auf Mee(h)r macht.

Bewertung vom 28.02.2018
Völler, Eva

Tulpengold


ausgezeichnet

Holland im Tulpenfieber

„Tulpengold“ war das erste Buch, das ich im Rahmen einer Leserunde bei der Lesejury lesen durfte. Das Besondere an diesen Runden ist, dass pro Woche nur ein Abschnitt gelesen und darüber diskutiert wird. Ich konnte allerdings nicht einfach nach dem ersten Abschnitt aufhören – dazu war das Buch viel zu spannend. Das wäre ja, als würde man nur 1 Stück Lieblingsschokolade essen oder nur einen Schluck Wein trinken ;-) ...

1636 beginnt Pieter seine Lehre bei Rembrandt von Rijn. Er ist mit 18 eigentlich schon zu alt dafür, aber er kann sehr gut zeichnen und Rembrandt wird gut für Pieters Ausbildung bezahlt. Rembrandt braucht das Geld. Er lebt über seine Verhältnisse, sammelt Kunst und Raritäten und investiert wie fast alle Holländer in Tulpenzwiebeln. Außerdem ist er kein einfacher Charakter und überwirft sich immer wieder mit seinen Auftraggebern (die ihre Bilder dann nicht bezahlen). Als mehrere von ihm porträtierte Tulpenhändler ermordet und ihre Tulpenzwiebeln gestohlen werden, gerät er unter Verdacht. Zu dieser Zeit erzielten die Zwiebeln immer neue Höchstpreise und viele versetzten dafür Haus und Hof ...

Pieter ist ein sehr ungewöhnlicher junger Mann. Er scheint an Asperger zu leiden, nimmt immer alles wörtlich und ist sowohl künstlerisch als auch mathematisch extrem begabt. Er braucht Formen, Regeln und Konzepte zum Leben und Arbeiten - ohne sie fühlt er sich unwohl. Dass er Maler werden soll, hat sein Vater festgelegt. Ihn selber interessieren die Mathematik und die Aufklärung der Morde viel mehr – weil sie mit Logik zu tun haben. Er beschäftigt sich u.a. mit Wahrscheinlichkeitsrechnung und berechnet so ziemlich alles: wer der Mörder sein könnte, wann der Tulpenhandel zusammenbricht oder wie man eine Frau für sich gewinnen kann - letzteres leider ohne Erfolg :-). Mit seiner Art erinnerte er mich stark an Monk oder Sheldon Cooper.
Pieter wird von seinen Mitmenschen unterschätzt. Auch Rembrandt entdeckt erst nach und nach dessen Fähigkeiten. Dann nutzt er ihn allerdings schamlos aus. Sobald seine Schüler nämlich in seinem Stil malen können, verkauft er die Gemälde unter seinem eigenem Namen. Damit macht er sich nicht nur bei bei ihnen unbeliebt.
Fasziniert hat mich auch seine Frau Saskia. Sie war die geschäftstüchtigere von beiden und versucht oft die Situationen zu retten, wenn er wieder mal jemanden verprellt hat.
Eine echte Freundin scheint Pieter nur in Mareikje zu finden. Ihr gehört das Gasthaus, in der die Versteigerungen der Tulpenzwiebeln bzw. Anteilsscheine stattfinden. Die Wortgeplänkel zwischen ihnen sind sehr amüsant, da er sie oft missversteht. Sie bringt Pieter zum Nachdenken und fordert ihn heraus. Zudem ist sie die Einzige, die immer nett zu ihm ist und ihn fragt, was er eigentlich im Leben machen oder erreichen will.

Wie schon geschrieben, hat mich das Buch sofort seinen Bann gezogen. Ich kenne das Phänomen des „Tulpenfieber“ schon aus anderen historischen Romanen, wusste aber nicht, dass auch Rembrandt ihm verfallen war.
Der Kriminalfall ist sehr verzwickt. Zu Beginn deuten alle Hinweise auf Rembrandt, aber im Laufe der Handlung erschien mir wirklich jeder verdächtig – inklusive Pieter!

Eva Völler erzählt sehr fesselnd, wie die Menschen damals gelebt und gearbeitet haben, wie Rembrandts Manufaktur organisiert war und der Tulpenboom funktionierte und endete. Sehr interessant sind auch die Beschreibungen, wie die Farben hergestellt wurden und die Bilder entstanden sind.

Für mich klang „Tulpengold“ nach dem Beginn einer Reihe – Pieter hat auf jeden Fall Potential für weitere Bücher!

Bewertung vom 23.02.2018
Graw, Theresia

Mit Hanna nach Havanna


sehr gut

Liebe, Feuer, Leidenschaften

Katrin ist Fernsehjournalistin und erhofft sich vom Abendessen mit ihrem Chef eigentlich eine Beförderung oder gar die Nominierung für den Journalistenpreis „Goldener Griffel“, doch es kommt anders. Sie wird ab jetzt die Seniorensendung „Kaleidoskop“ moderieren. Sie ist wie geschaffen dafür: so „ernsthaft, sachlich, ruhig, glaubwürdig, kultiviert ...“ „Kurzum: sterbenslangweilig.“ (O-Ton Katrin) (S. 26). Zum Glück bleibt ihr ihre leicht skurrile Assistentin und beste Freundin Trixie erhalten, die auch gleich wieder die besten Ideen beisteuert: sie werden der Sendung einfach eine neue Ausrichtung geben, neuen Schwung reinbringen, z. B. indem sie außergewöhnliche Senioren interviewen und ihre Geschichten erzählen. Der erste Auftrag kommt ausgerechnet von einer „Johanna Maria Henriette Wagner von Trottau zu Dannenberg“ – kurz Hanna. Die will ihre erste Liebe Julio – eigentlich Julius Wagner, der ihr vor 60 Jahren das Herz gebrochen hat - wiederfinden. Er ist 1958 nach Kuba ausgewandert und jetzt hat sie ihn in einer Reportage entdeckt. „Wäre es vielleicht möglich, dass sie mich auf die Reise meines Lebens begleiten ...?“ (S. 72) Doch Katrin lässt sich nur schwer überzeugen: „Wenn es vier Dinge gibt, die ich verabscheue, dann sind das Salsa, Rum, Zigarren und Temperaturen über fünfundzwanzig Grad.“ (S. 75) Erst als sie das diesjährige Thema für den „Goldenen Griffel“ erfährt - „Liebe, Feuer, Leidenschaften“ - ist sie dabei.

„Mit Hanna nach Havanna“ verbreitet wunderbares Kuba- und Urlaubsfeeling. Es wird genau so beschrieben, wie ich es aus Filmen wie „Buena Vista Social Club“ und den Erzählungen und Fotos meiner Eltern kenne, die schon mehrfach da waren. Ruinen stehen neben Edelhotels, alte amerikanisch Straßenkreuzer neben Eselkarren, die Strände sehen aus wie in der Werbung und die Menschen sind immer hilfsbereit und freundlich – allerdings auch auf ihren Vorteil bestimmt, wie Katrin und Hanna bald feststellen müssen. Da bringt sie der Taxifahrer schon mal eben zu Haus seiner Schwester, statt das reservierte Hotel anzufahren, Hanna trinkt sich ganze Tage durch die Bars von Havanna (dabei werden sie auch noch von tanzwütigen Männern regelrecht überrannt) und bei der Autovermietung gibt’s nur noch den in die Jahre gekommenen rosa Cadillac ...
Außerdem könnten Katrin und Hanna kaum unterschiedlicher sein. Katrin plant alles effizient durch, trinkt nur Wasser und will so schnell wie möglich Julio finden – sie kam mir oft deutlich älter vor als Anfang 30. Hanna ist das ganze Gegenteil. Sie sieht aus wie Judi Dench und lebt in Kuba richtig auf - wie sehr sie das Reisen in den letzten Jahren doch vermisst hat. Hanna nimmt jeden Umweg, jede Panne gelassen und das Ziel rückt in immer weitere Ferne – der Weg wird zum Ziel und die Spannung zwischen den beiden Frauen immer explosiver. „Das liegt nur daran, dass Du es nicht gewohnt bist, etwas zu genießen ...“ (S. 167) Doch sie sind nicht die einzigen, die Julio suchen und die Zeit rennt ihnen davon ...

Ein kleines Manko muss ich trotzdem anmerken: Mir war die Liebesgeschichte zu vorhersehbar – mit dem ersten Auftauchen von Mr. X wusste ich, worauf es hinausläuft und auch das Ende war mir zu konstruiert und happy - da wäre weniger mehr gewesen.

Fazit: Wer eine locker leichte und sehr flüssig lesbare Urlaubsgeschichte mit ganz viel Liebe und kubanischem Flair sucht, bei der man den Sandstrand unter den Füßen und die eiskalten Cocktails im Mund spüren kann, dem kann ich „Hanna in Havanna“ sehr empfehlen.

Bewertung vom 22.02.2018
Köhler, Hannes

Ein mögliches Leben


ausgezeichnet

Ein Traum von Licht und Freiheit

... ist das Amerika hinter dem Stacheldraht, nach dem sich Franz und die anderen deutschen Kriegsgefangenen sehnen. Amerika ist das komplette Gegenteil zum dunklen Hitlerdeutschland, wo die jungen Männer aufgewachsen sind. Groß, hell und weit. Es zeigt sich als Land der (relativen) Freiheit, von dem man nachts träumen kann.

1944. Der 2. Weltkrieg ist noch nicht vorbei, auch nicht im Lager in Hearne (Texas) Die Gefangenen bekommen zwar genug zu Essen, aber das (Über)Leben ist hart. Sie müssen genau wie die Schwarzen auf den Kartoffel- und Baumwollfeldern arbeiten. Außerdem gibt es zwei Lager im Lager: 100%ige, die an den Endsieg glauben und solche, die nur noch das Kriegsende und nach Hause wollen. Zwischen den Hitleranhängern und ihren Gegnern kommt es immer wieder zu blutigen Kämpfen auf Leben und Tod.

An all das erinnert sich Franz, als er 70 Jahre später mit seinem Enkel Martin noch einmal nach Texas fliegt und u.a. mit ehemaligen Wärtern redet, um die Erinnerungen zu überprüfen und für die Nachwelt aufrecht zu erhalten, z.B. durch Martin.

Man denkt ja immer, man hat alles schon mal gehört oder gelesen, doch dann kommt wieder ein Buch, dass die bisherige Weltsicht auf den Kopf stellt.
Da ich in der DDR geboren und aufgewachsen bin, war mir nicht bewusst, dass die Amis tausende Kriegsgefangen in ihren Truppenschiffen nach Amerika brachten. Ich wusste nicht, dass es ehemalige Auswanderer gab, die nach Deutschland zurückkehrten, um auf Hitlers Seite zu kämpfen – dass es auch in New York riesige Kundgebungen und Demonstrationen FÜR Hitler gab.

Nach der Leseprobe hatte ich eine Großvater-Enkel-Geschichte vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Amerikareise erwartet. Martin weiß so gut wie nichts über Franz, schon gar nicht über die Zeit damals. Doch auch sein eigenes Leben ist ihm irgendwie fremd. Als Lehrer wird immer nur für ein Schuljahr angestellt und dann wieder entlassen. Er hat eine Tochter mit einer fast Unbekannten, aber sie haben ein ungewöhnliches Arrangement und kümmern sich gemeinsam das Mädchen. Martin ist irgendwie ziellos und es wird Zeit, dass er endlich im Leben ankommt. Die Reise und der damit verbundene Abstand von der Normalität helfen ihm dabei.

„Ein Mögliches Leben“ ist eine Ode an die Freundschaft, Kameradschaft. Es geht darum, auf der richtigen Seite und zu seinen Überzeugungen zu stehen, auch wenn es gefährlich ist. Außerdem zeigt der Roman, wie wichtig Familie ist und wie sehr die eigene Vergangenheit spätere Generationen beeinflusst.

„Es war nicht immer leicht. Mit allem, was bei uns so passiert ist.“ „Nein, ... es war nicht leicht.“ (S. 46)

Bewertung vom 21.02.2018
Benedict, Marie

Frau Einstein / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.1


ausgezeichnet

Der Pakt

1897 schließen zwei Frauen in Zürich einen Pakt: Mileva Maric, Studentin der Mathematik und Physik, und Helene Kaufler, Studentin der Geschichte wollen eine gemeinsame Zukunft, ohne Ehemänner. „Selbst wenn wir gern heiraten würden – warum sollten wir? Wir werden ... gut ausgebildete berufstätige Frauen sein. ... Wir werden ein werden einander haben und unsere Arbeit. Wir sind nicht darauf angewiesen, den traditionellen Weg zu gehen.“ (S. 62)
Für beide war es ein langer Weg bis dahin. Eine weiterführende Bildung für Frauen an einem Gymnasium oder gar einer Hochschule / Universität gab es nicht – sie wurden schlichtweg nicht zugelassen. Schließlich lag ihre gesellschaftliche Aufgabe darin, sich um ihren Mann, die Kinder und den Haushalt zu kümmern.

Mileva hat von Geburt an ein Hüftleiden und ihre Eltern machen ihr schon früh klar, dass sie damit auf dem Heiratsmarkt keine Chance hätte. Zum Glück ist sie überdurchschnittlich intelligent und wird durch ihren Vater gefördert.
Sie studiert Mathematik und Physik, findet sie zum ersten Mal im Leben Freundinnen, die genau so sind wie sie. Doch die Anerkennung ihrer männlichen Kommilitonen und Professoren muss sie sich hart erarbeiten, dabei überflügelt sie diese bald. Einzig ihr Mitstudent (Albert) Einstein scheint sie von Anfang an ernst zu nehmen und macht ihr schon bald den Hof. Sie bricht den Pakt mit Helene.

Beim Lesen hab ich mich immer wieder gewundert, wie gutgläubig Mileva gewesen sein muss. Sie darf Albert zwar bei den Berechnung helfen bzw. geht man heute davon aus, dass sie sogar den Anstoß zur Relativitätstheorie gab, doch Albert veröffentlicht die gemeinsamen Arbeiten nur unter seinem Namen. Außerdem hat er Affären. Sie ist enttäuscht von ihm, aber sie bleibt – weil sie seinen Beteuerungen glaubt und wegen der Kinder. Es war erschreckend, ihre Selbstaufgabe, Enttäuschung und Erniedrigung mitzuerleben. Er nimmt ihr den Erfolg, die Würde und das versprochene gemeinsame (Arbeits-)Leben. Am Ende ist sie eine gebrochene Frau.

Albert Einstein kommt in diesem biographischen Roman nicht wirklich gut weg, aber die Historie scheint das zu bestätigen. War er überhaupt in Mileva verliebt oder brauchte er sie nur für seine Berechnungen? Er scheint extrem egoman gewesen zu sein, strafte sie immer wieder mit Missachtung, beleidigte sie oder verschwand für Tage, wenn ihm etwas nicht passte. Am Ende habe ich ihn regelrecht gehasst – Genie hin oder her. Er hat sie jahrelang ausgenutzt, ihre Entdeckungen als seine ausgegeben und soviel Empathie entwickelt wie eine Eintagsfliege (hoffentlich beleidige ich die Fliege jetzt nicht). Er bekam den Nobelpreis, während sie die brave Hausfrau spielen musste. Egal wie die Zeiten damals waren, ich habe nicht verstanden, dass sie trotz dieser Umstände bei ihm blieb. Ich wäre zu stolz dazu.

Das Buch ist sehr eindringlich geschrieben. Der Schreibstil ist sehr persönlich, fast so, als würde man Milevas Tagebuch lesen. Ich hab ihre Beweggründe nicht immer verstanden, hätte vieles anders gemacht als sie, aber es war ja auch eine andere Zeit. Mileva wahrlich hatte kein schönes Leben, ich beneide sie nicht darum.

Bewertung vom 17.02.2018
Clermont-Tonnerre, Adélaïde de

Der Letzte von uns


gut

„Ändern sie seinen Namen nicht, er ist der Letzte von uns.“
... sind die letzten Worte von Luisa, als sie im Februar 1945 mitten im Bombenhagel in Dresden ihren Sohn Werner Zilch zur Welt bringt. Ihren Mann Johann wähnt sie bereits tot, umgebracht von der Gestapo und auch sie selbst überlebt die Geburt nur um wenige Minuten. Zum Glück kann ein Soldat ihre Schwägerin Martha Engerer finden und ihr den Säugling übergeben – für beide beginnt eine Odyssee durch das Deutschland der letzten Kriegstage.

25 Jahre später ist Wern(er) ein aufstrebender Bauunternehmer in Manhattan. Er wurde mit 3 Jahren adoptiert. Auch seine Adoptiveltern haben den letzten Wunsch der Mutter respektiert und ihm seinen Namen gelassen. Leider wird der ihm zusammen mit seinem Aussehen zum Verhängnis, als er das erste Mal die Mutter seiner großen Liebe Rebecca („Sie ist die Frau meines Lebens.“ (S. 32)) kennenlernt. Und dann verschwinden sie und ihre Familie am nächsten Tag ...

Adélaïde de Clermont-Tonnerre erzählt auf zwei Zeitebenen Werners Geschichte und deckt nach und nach die Vergangenheit seiner Familie auf, von der er nichts weiß. Nur die immer wiederkehrenden Albträume von der Bombennacht und seiner Geburt, die er allerdings nicht versteht, sind ihm als Erinnerung geblieben.
Diese Zeitwechsel haben mich die ersten zwei Drittel des Buches gestört, da die Kapitel recht kurz sind und es dadurch etwas langatmig begann. Erst das letzte Drittel wurde dann richtig spannend.

Rebecca und Wern sind Kinder ihrer Zeit. Er wuchs in einem eher ärmlichen Elternhaus auf und hat hart für seinen Erfolg gearbeitet. Da Rebeccas Vater sehr reich ist und ihn überhaupt nicht akzeptiert oder wenigstens ernst nimmt, beginnt er sich für seine Herkunft und Familie zu schämen. Außerdem war Wern bis zu ihrem Kennenlernen ein echter Weiberheld und gewohnt, über alles die Kontrolle zu haben. Rebecca entzieht sich ihm immer wieder, sucht ihre Bestätigung in der Kunst. Sie malt, kennt die Größen ihrer Zeit (wie z.B. Hendrix, Morisson, McCartney, Warhol), geht in die richtigen Clubs und „erweitert ihr Bewusstsein“ (natürlich im Namen der Kunst) gern durch die Einnahme von Drogen.

Die Geschichte lebt vor allem von den Geheimissen um Werns Vorfahren und Rebeccas Mutter, welche zusammenhängen und nach und nach aufgeklärt werden. Sie haben mich zum Teil sehr mitgenommen. Die Geschehnisse während des Krieges und kurz danach werden sehr anschaulich und ungeschönt beschrieben. Vor allem meine brennende Heimatstadt Dresden, Werners Geburt und die Vergangenheit von Rebeccas Mutter gingen mir sehr nahe.

Leider hat mich „Der Letzte von uns“ nicht komplett überzeugen können. Der Spagat zwischen Liebesgeschichte, Unterhaltungsroman und den traumatischen Geschehnissen während des Nationalsozialismus ist der Autorin nicht ganz geglückt.

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Bewertung vom 16.02.2018
Marly, Michelle

Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.5


ausgezeichnet

Das Leben trennt die Liebenden

Welche Frau träumt nicht davon, ein kleines Schwarzes von Chanel zu besitzen? Und dazu eine der berühmten Perlenschnüre ... Falls ich nicht mal im Lotto gewinne (ok, ich müsste erst mal anfangen zu spielen ;-)), wird es für mich wohl beim Träumen bleiben.
Auch Coco Chanel hatte 1919 einen Traum. Nach dem Tod ihres Geliebten Boy (Arthur Capel) kapselt sie sich komplett von ihrer Außenwelt auf. Bis dahin hat sie sich immer nur über ihren Partner definiert. „Ich bin nichts ohne ihn!“ „Du bist immer noch alles, was Boy geliebt hat.“ (S. 39). Ihre beste Freundin bringt sie schließlich auf die Idee, zu Capels Andenken ihre letzte gemeinsame Idee zu verwirklichen und ein Parfüm zu kreieren, ein „Monument für ihre Liebe“. Aber Coco ist kein Parfümeur – wie also vorgehen? Den passenden Duft entdeckt sie bald darauf bei dem russischen Impresario Sergej Djagilew – es ist das Parfüm der russischen Zarin. Allerdings wird dieser seit der Oktoberrevolution nicht mehr produziert und ihn „nachbauen“ zu lassen gelingt ihr auch nicht.
Bei einem Urlaub in Venedig trifft sie den russischen Großfürsten Dimitri Pawlowitsch Romanow und erliegt seinem Charme. Er bringt sie letztendlich auf die Spur des Parfüms ...

Michelle Marly (das ist das Pseudonym einer Berliner Bestsellerautorin) hat eine sehr außergewöhnliche Romanbiografie über Coco Chanel geschaffen, die sich speziell mit der Zeit der Entwicklung von Chanel Nr. 5 – DEM Parfüm – befasst. Meine Mutter benutzt es übrigens seit Jahren, darum sind mir der Flakon und der Duft sehr vertraut. Und auch eine Biographie über Coco habe ich schon in meiner Jugendzeit unter den Büchern meines Vaters entdeckt und gelesen.

Gabrielle, wie Coco mit bürgerlichem Namen hieß, war eine sehr bemerkenswerte Frau. Sie entsprach mir ihrem knabenhaften Äußeren so gar nicht den Vorlieben ihrer Zeit und entstammt einer einfachen Familie. Aber mit viel Fleiß, Disziplin, einer außerordentlichen Kreativität und Weitsicht schaffte sie es an die Spitze der Modeschöpfer.
Sie war sehr wissbegierig, ungemein belesen und förderte viele Künstler. Gleichzeitig ließ sie alle Eindrücke in ihre Kollektionen einfließen, erfand sich und ihre Mode ständig weiter und neu.

Sehr geschickt lässt die Autorin diese Informationen und die historischen Hintergründe in die Handlung einfließen. So erfährt man fast nebenbei, dass Katharina de Medici als Begründerin des Parfumzentrums Grasse gilt und Cocos Parfüm wirklich eine Weiterentwicklung von dem von Katharina der Großen war.
Ich war fasziniert, mit welchen Größen ihrer Zeit sie verkehrte (wie z.B. Picasso oder Strawinsky). Sie lebte, liebte und kämpfte leidenschaftlich für ihre Ideen und um Anerkennung. Leider fand sie nie den einen Mann fürs Leben, obwohl sie sich insgeheim danach sehnte.

Wer einen spannenden und sehr gut recherchierten Roman über diese faszinierende, umfassend interessierte und gebildete Frau lesen will, dem lege ich „Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe“ ans Herz. Eine sehr charmante Geschichte mit viel Leidenschaft, Esprit und französischem Flair, welche die goldenen 20er wieder lebendig werden lässt. Und über allem liegt ein Hauch von Chanel ...