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yellowdog

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Insgesamt 2182 Bewertungen
Bewertung vom 22.08.2021
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


ausgezeichnet

Das Leben von Marco Carrera

Der Roman Der Kolibri erzählt in nicht chronologischer Reihenfolge das gesamte Leben eines Mannes.
Der Florenzer Marco Carrera hatte als ein Kind eine Wachstumstörung, weswegen seine Mutter ihn aufgrund der geringen Größe und Feingliedrigkeit Kolibri nannte.
Mit einer Hormonhandlung wurde er geheilt und wurde später Augenarzt.
Die Liebe zu Luisa ist ein wichtiger Teil seines Lebens, obwohl sie sich nur sehr selten sahen.

Der italienische Autor Sandro Veronesi nutzt die verschachtelte Erzählmethode auf originelle Weise, er reicherte sie an mit irrwitzigen Dialgen und mit diversen Briefen von oder an Marco.
Es ist auch ein Familienroman, denn die Geschichten seiner Eltern und Geschwister und seiner Tochter werden auch erzählt.Und der Familie bleiben einige Tragödien nicht erspart.

Sandro Veronesi erzählt detailverliebt und verspielt, aber auch sehr genau und sprachlich ansprechend.

Der Roman wurde von Michael von Killisch-Horn übersetzt und ich habe das Gefühl, dass die sprachlichen Eigenheiten Sandro Veronesis dabei erhalten blieben.

Bewertung vom 21.08.2021
Saller, Tom

Julius oder die Schönheit des Spiels


sehr gut

Der Graf

Julius oder Die Schönheit des Spiels stellt den Tennissport in den Mittelpunkt, aber eigentlich geht es um noch mehr. Um Haltung und Einstellung im Leben.
So ist der Tennisspieler Julius von Berg ein sensibler Mensch, der vom Zeitgeschehen in den zwanziger und dreißiger Jahren erfasst wird.
Tom Saller arbeitet diesen Charakter gründlich aus. Dabei ist es gut zu wissen, dass Julius auf eine reale Persönlichkeit, dem Tennisbaron Gottfried von Cramm basiert.
Es ist interessant Julius Leben von Jugend an zu verfolgen, ergänzt werden diese Passagen durch die Perspektive eines alten Mannes 1984 und kurzen Passagen mit Julius im Gefängnis Tegel im Jahr 1938.
Das ist alles sehr geschickt von Tom Saller verbunden und erzählt im letzten Romanviertel vom vielleicht besten Tennisspiel der Welt im Daviscup.
Außerdem legt er wie in seinen vorherigen Romanen Wert auf stilistische Eleganz.

Bewertung vom 21.08.2021
Weiß, Josefine

Und immer nur du


sehr gut

Sich der Vergangenheit stellen

Josefine Weiß zeigt, wie schon in ihrem letzten Roman, Menschen in emotionaler Krise. Das macht sie sehr eindringlich und wirklich viel besser als die meisten Autorinnen von Liebesromanen.
Dazu gehört auch, dass die Liebesgeschichte zwar sehr wichtig ist, aber nicht zentral alleine steht.
Svenjas Familie brach auseinander, als sie sechzehn Jahre alt war. Ihre Eltern trennten sich, Fenja ging mit ihrem Vater mit und brach den Kontakt zur Mutter ab, weil sie ihr die Schuld gab. Gleichzeitig machte ihr Freund Elias mit ihr Schluß, weil seine Eltern mit in die Sache involviert waren. Ein harter Schlag für Fenja.
14 Jahre später stirbt ihre Mutter und sie erfährt Zusammenhänge von früher, die die Sache in anderes Licht rücken. Noch einmal gerät ihr Leben durcheinander, doch diesmal wird sie hoffentlich gestärkt daraus hervorgehen.
Der Roman macht deutlich, wie die Vergangenheit und vergangene Schuld das Leben auf Jahre negativ beeinflusst und nur ein Aufarbeiten bringt einen vorwärts.
Man bleibt kontinuierlich stark an der Story dran, die einen nicht kalt lässt und das zu schaffen ist eine der Qualitäten der Autorin.

Bewertung vom 21.08.2021
Whitehead, Colson

Harlem Shuffle


sehr gut

Harlem in Aufruhr

An Harlem Shuffle überraschte mich, wie verhalten der Roman erzählt ist, jedenfalls verglichen mit dem hochemotionalen Underground Railroad.
Auch die Hauptfigur wirkt zurückhaltend, aber das mag plotbedingt so angelegt sein und für den Protagonisten Ray Carney spricht seine Eigenwilligkeit.
Einige Nebenfiguren, wie Carneys Cousin Freddie oder der Gangster Pepper sind sehr gelungen und glaubhaft dargestellt.

Wie Colson Whitehead die frühen sechziger Jahre in Harlem einsetzt ohne auf übliche zeitliche Verweise zu setzen, finde ich sehr respektabel. Er kann sehr gut Details beschreiben und das Zeitgefühl entsteht daraus, wie sich die Leute verhalten und wie sich unterhalten.
Harlem Shuffle ist dann auch mehr Gesellschaftsporträt als Gangsternovel, obwohl es im Milieu angesiedelt ist.

Colson Whitehead ist ein starker Autor, aber ich wünschte er hätte sich diesmal nicht ganz so selbst zurückgenommen. Es reichte aber dennoch zu einem eindrucksvollen Roman.

Bewertung vom 20.08.2021
Keller, Tae

Wie man einen Tiger fängt


sehr gut

Feinfühlig

.
Der fantasievolle Roman „Wie man einen Tiger fängt“ ist stark durch die Erzählperspektive der jungen Lily geprägt. Sie ist eine Stille, aber sie ist auch besonders sensible und empfänglich für Stimmungen und Emotionen.
Lily ist in Kalifornien geboren, hat aber koreanische Wurzeln.
Sie fährt mit ihrer älteren Schwester Sam und ihrer Mutter zur Großmutter, die offenbar krank ist. Lily spürt den Zustand der geliebten Großmutter und metaphernreich wie das Buch angelegt ist, sieht sie einen großen Tiger. Sinnbildlich für die Gefahr für ihre Großmutter. Sie setzt sich mit den Tigern auseinander und ringt um Heilung.

Obwohl mir der Roman gefallen hat, hätte ich mir gewünscht, dass Lilys Leben als Mädchen mit koreanischen Wurzeln etwas tiefer gehend gezeigt würde. Immerhin ist die Autorin Tae Keller auch zu einem Viertel Koreanerin, wie sie im Nachwort erzählt.
Immerhin ist es Lily wichtig, kein BAM (Braves Asiatisches Mädchen) mehr sein zu wollen und sie agiert mutig.

Der Roman ist kein Young Adult und kein Coming of Age, er ist gut für ältere Kinder geeignet, da auch Lily noch kein Teenager ist.

Bewertung vom 19.08.2021
Touré, Aminata

Wir können mehr sein (MP3-Download)


sehr gut

Das Buch „Wir können mehr sein – Die Macht der Vielfalt“ von Aminata Toure fand ich sehr interessant und die Version als Hörbuch sagte mir sehr zu, da die Autorin es selber liest. Ich habe schon Interviews mit Aminata Toure gesehen und da schließt sich das Hörbuch gut an.
Der Buchtitel ist Programm. Aber es gibt viel autobiografisches und die Herkunft ihrer Eltern sind wichtig. In ihrer Kindheit in den neunziger Jahren war eine deutlich rassistische Stimmung in Deutschland. Das hatte sie geprägt.
Ich finde es wichtig, dass sie darüber spricht, da es für so viele kein Thema ist und aufgearbeitet sind sie nicht, beispielsweise die Anschläge auf Flüchtlingsheime.

Aminata Touré ist Landtagsabgeordnete und eine junge, selbstbewusste und engagierte Politikerin und ich denke, dass sie etwas bewirken kann. War toll, sie durch dieses Hörbuch gut kennen zu lernen.
Das Hörbuch geht 6 Stunden und das halte ich für angemessen.

Bewertung vom 19.08.2021
Biller, Maxim

Der falsche Gruß


sehr gut

Dicht und intensiv

Der falsche Gruß von Maxim Biller ist ein kurzes, aber dichtes und intensives Buch. Sein Protagonist Erck Dessauer ist auf dem Weg Schriftsteller zu werden. Sein Fixstern ist sein Konkurrent, der erfolgrecihe Autor Hans Ulrich Barsilay. Wie viele von Maxim Billers Hauptfiguren ist auch Dessauer eine gequälte Seele, der am zeitgenössischen Zustand der Welt leidet. Maxim Biller gelingt eine Satire über den Literaturbetrieb.

Bewertung vom 18.08.2021
Nolan, Megan

Verzweiflungstaten


sehr gut

Ein besonderer Erzählton

Die Autorin erzeugt einen besonderen Erzählton, der vor allen durch die schonungslose Ichperspektive der Erzählerin entsteht.
Sie berichtet davon, wie sie Ciaran auf einer Ausstellung getroffen hatte und eine Beziehung mit ihm eingeht. Es wird eine leidenschaftliche, aber unheilvolle und ungleiche Beziehung, bei der sie Gefahr läuft, sich selbst zu verlieren.
Auch ihre persönlichen Eigenschaften erzählt sie wenig schmeichelhaft und lässt Promiskuität und Alkoholexzesse nicht aus.
Das verleiht dem Texte eine gewisse Härte.

Der Roman zeigt ein deutliches Bild einer Frau in gefühlsmäßig angeschlagener Lage und das mit bemerkenswerter Intensität.

Bewertung vom 16.08.2021
Chen, Te-Ping

Ist es nicht schön hier


sehr gut

Ist es nicht schön hier (Originaltitel Land of Big Numbers) ist ein Erzählungsband einer chinesischstämmigen, US-Amerikanischen Autorin.
Es sind 10 Stories über Menschen in China oder aus diesem Land emigrierte.
Prägend für die Geschichten ist meistens die persönliche, emotionale Erzählperspektive. Zum Beispiel in Lulu, die berührende Geschichte von Zwillingen, die erstmals im New Yorker erschien. Erzählt wird vom Bruder, aber im Mittelpunkt steht Lulu, die als Studentin Aktivistin wird. Das zieht Repressionen nach sich und Lulu landet in Haft. Erzählt werden aber mehr die Emotionen der Familie.

Eine weitere Geschichte, die mir auffällt, ist „Feldforschung, eine Ehe“, in der wird von der deutschen Ehefrau eines Chinesen erzählt, der mit 16 Jahren seine Heimat China verlassen hatte und doch vergangene Schuld nicht vergessen konnte.

Land der großen Zahlen ist die Titelgeschichte der amerikanischen Ausgabe.
Ist es nicht schön hier ist dann die Story, die den deutschen Buchtitel liefert.

Für relevant halte ich auch die letzte Geschichte „Gubeikou gibt nicht auf“, die einen grotesk-satirischen Ansatz hat. Sie erinnert mich an Romane von Jose Saramago.

Dieser Erzählungsband stellt die Menschen in den Mittelpunkt und nicht das System, das aber natürlich die Menschen stark beeinflusst.

Bewertung vom 15.08.2021
Zürcher, Tom

Liebe Rock


ausgezeichnet

Liebe Rock

versponnen

Wie schon in seinem Erfolgsroman Mobbing Dick hat der Schweizer Schriftsteller Tom Zürcher einen naiv-liebenswürdigen Protagonisten erschaffen. Dadurch entstehen rasend komische Szenen.
Timm, der als Untermieter bei Rock wohnt, in die er verliebt ist. Aber Rock hat schon einen Freund. Zu dem hat Timm eine freundschaftliche Konkurrenzbeziehung.

Timm hat das Gymnasium verlassen in der Hoffnung, Schriftsteller zu werden. Er schreibt von Hand in ein Wachstuchheft und durch seinen Vater bekommt er Kontakt zu einem sogenannten Verleger, der aber 20.000 Franken als Druckkostenzuschuß verlangt.

Timm ist der Prototyp eines Träumer, der sowohl in der Liebe und in der Literatur auf Erfolg hofft ohne adäquat etwas dafür zu tun.
Dennch spürt und teilt man die Sympathien des Autors für seine Figur und dessen Versponnenheit und Verspieltheit. Aber manchmal übertreibt Timm es und dann ist er fast infantil. Er trinkt zu viel und lässt sich zu Kurzschußhandlungen hinreißen.
Es gibt einiges an Situationskomik und absurde Szenen.
Tom Zürcher ist ein Meister der Ironie!