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Baerbel82

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Insgesamt 972 Bewertungen
Bewertung vom 01.05.2014
Wittkamp, Rainer

Kalter Hund / Martin Nettelbeck Bd.2


ausgezeichnet

Liebe ist…

„Kalter Hund“ ist bereits der zweite Fall für den Berliner LKA-Ermittler Martin Nettelbeck. Dennoch handelt es sich um einen eigenständigen Roman, der auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann. Worum geht es?

Bilal Gösemann braucht Geld für die Verabschiedung seines besten Freundes. Walid Sharif, genannt Abu Halil, will seine Tochter Fatima verheiraten. Hasso Rohloff, ein alternder Playboy, hat Potenzprobleme und Kriminalrätin Jutta Koschke will endlich den Verbrecher Richard Ploog hinter Gitter bringen. Was haben all diese Personen und Handlungsstränge miteinander zu tun?

Bevor die eigentliche Geschichte beginnt, gibt es schon den ersten Toten. Als dann auch noch eine Frau unter ungeklärten Umständen vom Balkon stürzt, bekommen Martin Nettelbeck und sein Team alle Hände voll zu tun…

Ein Heer von Protagonisten, das Rainer Wittkamp sich da ausgedacht hat. Die teils skurrile Figurenzeichnung entspricht dem unterhaltsamen Geschehen. Schnell ist klar, dass das Schlitzohr Gösemann die Verbindung zwischen den Erzählsträngen ist. „Kalter Hund“ ist eine extrem tiefenscharfe und nicht selten bissige Milieu-Beobachtung.

Mein Favorit ist Nettelbeck: Klug und smart, erfolgreich im Job, aber nicht zu ehrgeizig. Zudem hat er viel Empathie und spielt Posaune. Leidvolle Erfahrungen (siehe Vorgänger „Schneckenkönig) haben ihn nicht zynisch oder sarkastisch werden lassen. Im Gegenteil: er überrascht als Teamplayer! Und er hat sogar ein Privatleben, das ihm zunehmend wichtiger zu werden scheint.

Den Spannungsaufbau finde ich gelungen. Der Erzählstil ist knochentrocken, die Sprache schnoddrig, oft politisch inkorrekt und provokant. Auf 250 Seiten kein Wort zu viel, keins zu wenig. So lässt sich die Geschichte flott lesen. Aber ich mag es ja, wenn sich jemand kurz fassen kann.

Schon das erste Kapitel (schräg!) hat meine Neugier geweckt. Dass der Autor im Finale noch mal richtig Gas gibt, rundet mein Lesevergnügen ab. Die Figur Martin Nettelbeck - einschließlich seines Teams - hat meiner Meinung nach noch reichlich Potenzial. Und so freue ich mich schon heute auf den nächsten Fall.

Fazit: Ganz großes Kino, bitte mehr davon!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2014
Berg, Hendrik

Deichmörder / Theo Krumme Bd.1


ausgezeichnet

Blanker Hans und Schwarzer Mann

Ein kleines Dorf an der nordfriesischen Küste Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Dorfbewohner sind in der Kirche und eine junge Frau denkt sehnsüchtig an ihren Mann Boye, der zur See fährt. Sie hat Angst vor Knecht Hans, der sie schon mehrfach bedrängt hat. Währenddessen zieht ein schwerer Sturm auf und der Deich bricht…

Heute: Die Erzieherin Eva Becker und ihr Mann Till sind aus Berlin nach Kleebüll in Nordfriesland gezogen, in ein altes Haus direkt am Deich. Es war wohl eher eine Flucht, denn in Berlin wurde Eva von Mario Stein gestalkt. Dieser Stein ist nach wie vor in Freiheit und von Eva besessen. Doch es geht auch um Liebe und Vertrauen, Angst und Zweifel. Denn Eva und Till können seitdem nicht mehr miteinander reden.

In Kleebüll werden Eva und Till von Hauptkommissar Holger Mannsen und seinem Kollegen Todde observiert. Auch in Berlin ist die Polizei nach wie vor im Einsatz. Kriminalhauptkommissar Theo Krumme beobachtet die alte Wohnung der Beckers, weil er Stein für einen gefährlichen Psychopathen hält.

Die Idylle am Deich ist trügerisch. Eva wird auch in Kleebüll von Albträumen - oder sind es Visionen? - geplagt. Zum einen glaubt sie wiederholt einen „schwarzen Mann“ zu sehen, zum anderen den Geist von Inken, die vor 150 Jahren in ihrem Haus wohnte. Weitere mysteriöse Dinge geschehen, bis zu einem imposanten Finale, in dem Vergangenheit und Gegenwart auf dramatische Weise zusammentreffen…

„Deichmörder“ von Hendrik Berg ist ein spannender, atmosphärisch dichter Kriminalroman. Wenn die Geschichte ausschließlich in einer großen Stadt wie Hamburg oder Berlin spielen würde, würde diese mystische Komponente nicht funktionieren. Aber in einem alten Haus am Deich, im fiktiven Dorf Kleebüll, passt sie ausgezeichnet. Zumal die Beckers nicht die Einzigen sind, die scheinbar einen Hausgeist haben.

Daneben erfreut sich der Leser an der intensiven Landschaftsbeschreibung und dem angenehm ruhigen Erzählstil des Autors. Zudem sind alle Figuren äußerst liebevoll gezeichnet. Der heimliche Hauptdarsteller dieses Romans ist jedoch die malerische Landschaft. Außerdem lernt der Leser viel über das Leben an der Küste, nicht nur über das Boßeln. Und so freue ich mich schon auf die geplante Fortsetzung.

Fazit: „Deichmörder“ ist eine gelungene Mischung aus Krimi und Mystery, vor der idyllischen Kulisse Nordfrieslands. Voller Atmosphäre und Aberglaube. Unheimlich gut!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.