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Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 27.06.2014
King, Stephen

Shining


ausgezeichnet

„Er sah es ein. Er hatte sie zu nachsichtig behandelt. Ehegatten und Väter hatten tatsächlich eine gewisse Verantwortung. Das konnten die beiden natürlich nicht verstehen. An sich war das kein Verbrechen, aber sie wollten nicht verstehen. Normalerweise war er ja alles andere als brutal. Aber Strafe musste sein. Und wenn sein Sohn und seine Frau sich absichtlich gegen ihn stellten, gegen das, was nach seiner Meinung für sie am besten war, hatte er dann nicht eine gewisse Pflicht?“

Schauplatz der Handlung: Ein Hotel in den Bergen von Colorado. Im Sommer ist es stets gut besucht, aber sobald im September die Saison vorbei ist, steht es bis zur nächsten leer. Denn die Winter sind hart dort und wenn erst mal Schnee gefallen ist, ist keine Zu- oder Abfahrt mehr möglich. Um das leere Gebäude gut über den Winter zu bringen, hat die Leitung einen Hausmeister verpflichtet, der dort mit Frau und kleinem Sohn einzieht und schon bald völlig von der Außenwelt abgeschnitten ist. Keine einfache Situation, zumal in diesem Hotel schon öfter schlimme Dinge passiert sind. So hat beispielsweise der vorherige Hausmeister zunächst seine Frau, seine beiden kleinen Töchter und anschließend sich selbst getötet. Leider benötigt der neue Hausmeister – Jack Torrance – den Job ganz dringend, sieht ihn sogar als gute Chance an, sein Leben wieder in die richtigen Bahnen zu bringen. Sein kleiner Sohn Danny ahnt jedoch, dass dies nicht klappen wird. Denn er hat das „Shining“: Er weiß, was seine Mitmenschen denken und er kann Dinge sehen, die geschehen werden. Er fällt dann in eine Art Trance, träumt von diesen Dingen. In letzter Zeit sind diese Träume Albträume – und der Hauptdarsteller darin sein Vater…

Wow, ich habe dieses Buch schon einige Male gelesen. Auch liegen Jahrzehnte zwischen dem „ersten Mal“ und heute, aber es ist immer noch klasse!

Stephen King baut ein unheimliches Szenario um diese drei isolierten Menschen herum auf, dass einen schaudern lässt. Gekonnt spielt er mit menschlichen Ängsten, wenn Jack, Wendy oder Danny Dinge sehen oder glauben zu sehen, die sie an ihrem Verstand zweifeln lassen. Was ist Wahn? Was ist Wirklichkeit? Und wie verändern sich Menschen in solchen Krisensituationen?

Jack ist im Grunde gar nicht unsympathisch. Er ist trockener Alkoholiker und kämpft stets gegen die in ihm schlummernde Aggressivität. Diese – wenn sie schon mal ausbricht – und sein früheres Trinken haben ihm bisher im Leben vieles verdorben. Wir erfahren, dass er selbst als Kind einen trinkenden und prügelnden Vater hatte – kein Wunder eigentlich, dass er selbst sich so entwickelte.

Und Danny? Ein süßer kleiner Junge, der von Ängsten zerfressen wird. Weil er genau weiß, was in Daddy so alles vor sich geht und wie oft seine Mutter an Scheidung denkt. Er leidet darunter und unter seinen Träumen, aber natürlich glaubt ihm keiner. Und auch das weckt in dem Kleinen Ängste...

„Er bemühte sich angestrengt, ruhig zu sprechen, denn wenn er ruhig blieb, würden sie ihm vielleicht glauben. Mr. Stenger war nicht ruhig geblieben. Er hatte angefangen zu weinen und konnte nicht mehr aufhören, so dass DIE MÄNNER MIT DEN WEISSEN KITTELN gekommen waren, um ihn abzuholen, denn wenn man nicht aufhören konnte zu weinen, bedeutete das, dass man NICHT ALLE TASSEN IM SCHRANK hatte, und wann würde man je zurückkommen? NIEMAND WEISS ES.“

Natürlich gibt es auch die King-typischen Horrorelemente und für mich hat Jack Torrance immer das Gesicht von Jack Nicholson. Das Buch funktioniert aber auf eine ganz andere Weise als der Film, kann ja auch viel mehr in die Tiefe gehen. Für mich immer noch eine ganz klare Leseempfehlung!

P.S. Das "Overlook"-Hotel gibt es wirklich und wer mag, kann es mal googeln und dann die Geschichte des Hotels mit der im Buch beschriebenen abgleichen.;)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.06.2014
Seidl, Thomas

JEDER (eBook, ePUB)


gut

Der Privatdetektiv John Down, seines Zeichens Ex Scotland Yard Ermittler und trockener Alkoholiker, wird von der wohlhabenden und einflussreichen Geschäftsfrau Julia Sterling beauftragt, ihre verschwundene Enkelin Susan zu suchen. Jeder (die Polizei eingeschlossen) außer ihr glaubt, dass diese einfach nur ihr Heil fernab der Familie gesucht hat. Bei seinen Ermittlungen stößt John schnell auf dunkle Geheimnisse, die die um ihren Ruf besorgte Familie zu verschweigen sucht. Scheinbar ist das kleine Dorf Steakbeaver alles andere als ein friedliches Stückchen Erde! Dazu passt, dass in den Jahren vor Susans Verschwinden sieben weitere Mädchen spurlos verschwanden…

Dies ist wieder eine von den Rezis, mit denen ich mich ein wenig schwer tue. Klar ist eins: Wenn ich nach den ersten Kapiteln meinen Eindruck hätte schildern müssen, dann wäre nichts Gutes dabei herausgekommen. Aber zum Glück ging das Buch noch weiter!

Womit ich nicht gut klarkam, war der Schreibstil. Die Sätze waren oft holprig und erweckten aufgrund der Fehlerhäufigkeit bei mir den Eindruck von „ganz schnell hingeschrieben und nicht noch mal durchgelesen“. Anders kann ich mir so manchen Satz nicht erklären. Ein weiterer Punkt waren diverse – wie ich finde – „Füllsätze“. Damit meine ich Abschnitte, die auch bei genauem Nachdenken keinerlei Sinn erkennen ließen. Der Charakter des John Down erschien mir sehr stereotyp, die Verdächtigen waren schnell ausgemacht und eine weitere Reihe von Kleinigkeiten störte mich.

Wie gesagt, zum Glück war das Buch da noch nicht zu Ende und das Lesen begann Spaß zu machen. Es gab spannende Szenen, interessante Einfälle und vor allem zum Schluss hin ein paar echte Überraschungen! Ich denke, der Autor zeigt mit seinem Debütroman, dass er gute Ideen und reichlich ausbaufähiges Potential hat.

Fazit: Etwas mühsamer Start, aber das Durchhalten lohnt sich.

Bewertung vom 21.06.2014
King, Stephen

Doctor Sleep (deutsche Ausgabe)


ausgezeichnet

„Mach die Augen zu, hatte Dick Hallorann ihm einmal gesagt. Wenn du etwas Schlimmes siehst, mach einfach die Augen zu, und sag dir, dass es nicht da ist, und wenn du sie wieder aufmachst, ist es fort.
Aber das hatte schon damals, als er fünf Jahre alt gewesen war, in ebenjenem Zimmer 217 nicht funktioniert, und jetzt funktionierte es sicherlich auch nicht. Das wusste er. Er konnte die Frau riechen. Sie verweste gerade.“

Danny Torrance ist erwachsen geworden. Der kleine Junge mit dem „Shining“ – der Hellsichtigkeit -, der im gleichnamigen Roman mit Müh und Not seinem Vater entkommen konnte, bevor der, besessen durch mehrere böse Geister (wobei einer aus einem Übermaß an Alkohol resultierte und die anderen in dem Overlook-Hotel hausten) ihn und seine Mutter umbringen konnte.

Wie man sich denken kann, verfolgen einen solche Erlebnisse auch noch als Erwachsener. Dan leidet aber aufgrund seines Shinings in besonderem Maße, ständig verfolgen ihn die alten Geister, wird er von Halluzinationen und albtraumhaften Erscheinungen geplagt. Nur wenn er betrunken ist, wird er von diesen Wahrnehmungen verschont. So wird er zum Alkoholiker, der es beinahe schafft, sein Leben komplett zu ruinieren.

Dabei kann er mit seinem Shining auch sehr gute Dinge tun. Bei seiner Arbeit im Hospiz steht er Sterbenden in den letzten Momenten ihres Lebens bei, hilft ihnen „beim Übergang“. Und als eines Tages ein kleines Mädchen mental Kontakt zu ihm aufnimmt, erkennt er, dass auch hier seine Hilfe gefordert ist. Das Shining von Abra ist noch viel stärker als seins, aber ihr Leben wird bedroht durch eine unheimliche Sekte, die wie Vampire durchs Land ziehen und sich von Kindern wie Abra ernähren…

Wahnsinn! 700 Seiten in 1,5 Tagen habe ich ewig nicht mehr geschafft. Wenn ich jemals geglaubt haben sollte, dass einem Autor, der so viele Bücher geschrieben hat wie Stephen King irgendwann nichts Neues mehr einfallen würde oder er womöglich weniger spannend erzählen würde, so wurde ich hier eines Besseren belehrt. Es war der klassische „noch ein Kapitel, noch ein Kapitel“ Effekt, der mich gepackt hatte und es mir unmöglich machte, das Buch beiseite zu legen. Abendessen? – Später vielleicht. Schlafengehen? – Später, nur noch ein Kapitel! Das eigentlich geplante ausgiebige Wannenbad? – Ach was, schnell unter die Dusche reicht auch.

Das Buch bietet Spannung, ordentlich was zum Gruseln, Anspruch (Dans Auseinandersetzung mit seinem Alkoholismus) und auch sehr schöne und gefühlvolle Momente, zum Beispiel dann, wenn er als „Doctor Sleep“ tätig ist.

Wer „Shining“ schon gelesen hat, begegnet in diesem Buch diversen bekannten Dingen. Für mich persönlich gab es zum Beispiel eine sehr schöne Überraschung zum Ende hin, die mir fast so was wie einen Kloß im Hals beschert hat. Man muss es aber nicht gelesen haben, alle wichtigen Dinge werden erklärt und in kurzen Rückblenden beschrieben. Das ist auch für die Leser von Bedeutung, die nur den Film gesehen haben. Denn dieser unterscheidet sich doch in einigen Punkten vom Buch, hat auch einen anderen Schluss.

Absoluter Favoritenstatus für mich und ein Buch, das ich - trotz SuB - sicher noch mehrere Male lesen werde.:)

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2014
Brown, Rita Mae

Rubinroter Dschungel


ausgezeichnet

„Ihr Gesicht verzerrte sich: „Du kannst kein Arzt sein. Nur Jungens können Ärzte werden. Leroy muss der Arzt sein.“
„Du hast sie ja nicht mehr alle, Leroy ist dümmer als ich. Ich muss unbedingt der Arzt sein, da ich die Gescheitere bin, und ob man ein Mädchen ist, spielt dabei keine Rolle.“
„Wart’s mal ab. Du meinst, du konntest das machen, was Jungens machen, aber du wirst eine Krankenschwester sein, und damit basta. Gehirn ist nicht wichtig, Gehirn zählt nicht. Was zählt ist, ob du ein Mädchen oder ob du ein Junge bist.““

Molly Bolt geht schon als Mädchen auf Konfrontationskurs. Sie, sehr intelligent und begabt in vielen Dingen, stellt schon früh alle gesellschaftlichen Normen auf den Prüfstand. Sie hat nicht das geringste Interesse daran, all die Dinge zu lernen, die ein Mädchen in den 50er Jahren beherrschen sollte, um mal eine gute Ehefrau und Mutter zu werden. Viel lieber ist sie den ganzen Tag draußen unterwegs, benimmt sich „wie ein Junge“. Jegliches Rollenklischee ekelt sie an. Und wieso soll sie sich von Farbigen fernhalten?

„Es ist mir gleich, was zum Teufel ich bin. Und ich halte mich nicht von Leuten fern, nur weil sie anders aussehen.“

Auch in sexueller Hinsicht zeigt sie sich überaus experimentierfreudig. So sammelt sie früh erste hetero- und homosexuelle Erfahrungen, merkt dann aber schnell, dass Frauen für sie viel reizvoller sind.

„Wenn man erst einmal weiß, wie Frauen sind, werden Männer irgendwie langweilig. Ich will sie nicht etwa schlecht machen, ich meine, als Menschen mag ich sie manchmal, aber sexuell sind sie fad. Ich nehme an, wenn eine Frau es nicht besser weiß, denkt sie eben einfach, ein Mann wär ne dolle Sache.“

Dem Rauswurf zuhause folgt irgendwann der Rauswurf an der Uni. Molly Bolt trampt nach New York. Dort, in der großen Stadt, hofft sie endlich ihren Weg gehen zu können...

Ein Buch über eine Frau, die ihren Weg geht. Die keine Zugeständnisse machen will, wie scheinbar ihre gesamte Umwelt. Nicht immer war sie mir sympathisch aber auf jeden Fall habe ich ihren Mut bewundert. Ob diese Kompromisslosigkeit immer schlau ist? Da bin ich mir nicht sicher. Aber das Buch kann dazu ermutigen, die eigenen Ansichten mal auf den Prüfstand zu stellen.

Leicht geschrieben, überaus flüssig zu lesen. Ein Buch, durch das man an einem regnerischen Sonntag durchfliegen kann und doch später noch darüber nachdenkt.

Bewertung vom 21.06.2014
Knox, Tom

Cagot


weniger gut

Der Klappentext endet mit den Worten: "Es beginnt eine atemlose Tour de Force durch mehrere Länder, an deren Ende man den Glauben an die Menschheit verliert."
Um es kurz zu sagen: Den Glauben an die Menschheit hab ich nicht verloren, wohl aber den an dieses Buch. Aber ich greife vor…

Als ich begann, dieses Buch zu lesen, dachte ich: „Wow, das wird ein richtig heftiger und spannender Thriller!“ Tatsächlich ist der Start furios und sollte auch den Lesern gefallen, die es gerne etwas blutiger haben. Leider blieb es nicht so. Stattdessen ging es für mich im Laufe der Handlung langsam aber stetig bergab…

Ich will nicht ungerecht sein. Man kann ja auch nicht ernsthaft eine Metzel-Szene nach der anderen erwarten. Mal ganz davon abgesehen, dass mir das sicher nicht gefallen würde. Zudem finde ich auch die Kapitel, in denen unsere Protagonisten dem Rätsel auf der Spur sind, wirklich interessant. Ich muss gestehen, dass ich immer mal wieder meine Lektüre unterbrach, um Verschiedenes „nachzugoogeln“. Von den Cagot hatte ich noch nie gehört! Entsprechend war ich entsetzt, als ich merkte, dass das Grundthema kein Fiktives war.

Die Handlung verlief in zwei parallelen Erzählsträngen (zum einen die Recherchen von Simon Quinn, zum anderen die Reise des David Martinez), die am Ende zusammenliefen. Bei beiden wurde es sehr spannend, denn ständig waren sie in Gefahr, mussten sich aus einer lebensbedrohlichen Situation nach der andern retten. Und genau da setzt mein erster Kritikpunkt an. Ich fühlte mich nämlich häufig wie in einem James-Bond-Film. Wobei ich diese Filme durchaus mag – nur über den mangelnden Realismusgehalt dürfte kein Zweifel bestehen. Ähnlich war es hier. Eine gefährliche Situation entstand, unsere Helden wurden bedroht, es gab (eigentlich) keinen Ausweg, sie sollten nun endgültig verloren sein… Doch dann konnten sie im letzten Moment doch noch irgendwie fliehen, wurden doch noch gerettet, oder fanden doch noch das, was viele andere zuvor vergebens gesucht hatten. Ich hab die ganze Zeit damit gerechnet, dass sie gleich noch eine Atombombe entschärfen würden – ganze 4 Sekunden vor der Detonation! Natürlich möchte man seine Helden glücklich zum Ende des Buchs bringen. Aber ein paar Zufälle weniger hätten dabei nicht geschadet.

Nun gut, ich hatte keinen Tatsachenbericht erwartet. Und bis zu diesem Punkt hätte das Buch von mir immer noch vier Sterne bekommen. Aber dann gab es für mich echte Ärgernisse, über die ich nicht hinwegsehen kann.

Man kann sich doch nicht mit den Themen Nazis, Rassen und Eugenik befassen, über mehr als 400 Seiten (zu Recht) diese Dinge verurteilen und dann den „bösen“ Charakter des Buches mit Eigenschaften ausstatten, die den gegenüber seiner Rasse geäußerten Vorurteilen entsprechen! Ich habe wirklich gedacht, ich lese nicht richtig! Was soll ich also als Leser annehmen? Dass an diesen Vorurteilen doch was dran ist? Oder dass diese Person rein zufällig genau eine solch „rassetypische“ Unart hat? Um es mal klar zu sagen: Ich spreche von Kannibalismus. Dieser ist sicher in verschiedenen Kulturkreisen vorgekommen, aber doch bitte nicht genetisch bedingt!
Nein, ich nehme an, dass der Autor nicht vernünftig nachgedacht hat. Und das nur, um einen weiteren ekligen Vorfall schildern zu können. Ich finde das sehr bedenklich!

Und als wenn das noch nicht gereicht hätte, lässt er einen seiner Protagonisten „befürchten“, dass er ebenfalls ein Cagot sein könnte. Weil er dann ebenfalls diese Veranlagung hätte! Man muss sich das mal vorstellen. Da traut sich ein Mann plötzlich nicht mehr, mit seiner Freundin zusammen zu sein, weil er befürchtet, ein Kannibalismus-Gen in sich zu haben. Also bitte!

Die Auflösung konnte mich ebenfalls nicht überzeugen, passte in das obige Schema zu vieler Zufälle. So bleibt für mich als Fazit Ärger darüber, dass aus einem vielversprechenden Buch ein Werk voller unrealistischer Handlungen und bedenklichen Inhalts wurde.

Bewertung vom 17.06.2014
Stoker, Bram

Dracula


ausgezeichnet

„Hören Sie die Kinder der Nacht? Was für eine Musik sie machen!“

Das Heulen der Wölfe löst bei dem jungen Anwalt Jonathan Harker keine Begeisterung aus. Ohnehin fühlt er sich mehr als unwohl bei diesem eigenartigen Grafen, den er im Auftrag seiner Kanzlei im fernen Transsylvanien aufsuchen musste, um dort diverse Grundstückskäufe, die der Graf in London tätigen möchte, mit ihm abzuwickeln. Tatsächlich wird sich sein Aufenthalt im Schloss Dracula zu einem einzigen Alptraum entwickeln. Einem Alptraum, der sich gemeinsam mit dem Grafen aufmacht in Richtung England…

Ich habe ihn mal wieder gelesen. Den großen Klassiker unter den Vampirromanen. Und wie schon so oft war ich begeistert.

Geschrieben gegen Ende des 19. Jahrhunderts, erstveröffentlicht 1897, fällt natürlich die aus heutiger Sicht reichlich „geschwollene“ Ausdrucksweise auf. Bei vielen anderen Büchern würde mich das stören, hier tut es das überhaupt nicht. Die aus damaliger Sicht überaus modernen Ärzte und Wissenschaftler, die Doktoren Van Helsing und Seward, wissbegierig, voller Forschungsdrang, offen für neue Behandlungsmethoden werden mit einer Fülle von Aberglauben und Übernatürlichem konfrontiert – ein reizvoller Kontrast, der für mich sehr gut durch den alten Schreibstil unterstützt wird.

Das Buch besteht fast vollständig aus Tagebucheintragungen der verschiedenen (menschlichen) Hauptfiguren. Dadurch wechselt immer wieder die Perspektive, ist man als Leser stets ganz nah dran an den Gedanken und Ängsten jeder einzelnen Person. Diese Tagebucheintragungen werden ergänzt durch Briefe und Zeitungsartikel, die der ganzen Erzählung einen dokumentarischen Hauch verleihen.

„The Westminster Gazette – 25. September – Extrablatt: Soeben erhielten wir Nachricht, dass wieder ein Kind, das letzte Nacht vermisst wurde, erst heute morgen spät unter einem Stechginsterbusch in der Nähe des Schießhügels, dem weniger besuchten Teil der Hampsteader Heide, gefunden worden ist. Es hat dieselben kleinen Wunden an der Kehle, die schon in mehreren vorhergehenden Fällen konstatiert wurden.“

Wenn Harker, Van Helsing, Seward und Co. gezwungenermaßen immer mehr Informationen über die Welt der Untoten erhalten, wenn sie besorgt „Veränderungen“ an ihren Frauen wahrnehmen und letztlich den Kampf gegen „den“ Vampir aufnehmen, dann ist das spannend für mich – auch noch beim soundsovielten Lesen.

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.06.2014
Bruske, Tanja

Leuchte


gut

Die junge Studentin Lisa jobbt als Statistin bei Stadtführungen in der historischen Altstadt von Gelnhausen. Als sie eines Abends einen Autounfall im Wald hat, macht sie sich zu Fuß auf den Heimweg. Als plötzlich Nebel aufkommt, verirrt sie sich im Wald, folgt dann aber einem Licht, das sie für Scheinwerfer hält. Bis sie plötzlich über die Leiche einer jungen Frau stolpert und auf der Flucht vor dem noch in der Nähe lauernden Mörder in einen Brunnenschacht fällt. Als sie wieder zu sich kommt, befindet sie sich im Hause eines Arztes – im Jahr 1792.

Der Klappentext versprach einen „spannenden Thriller, der geschickt Geschichte und Fiktion verknüpft und sie mit historischen Figuren würzt“. Danach und nach den ersten guten Rezis hatte ich mir sehr viel von diesem Buch versprochen. Vielleicht zu viel?

Ich will nicht ungerecht sein. Das Buch hat sehr interessante Teile. Für mich persönlich waren am interessantesten die Berichte darüber, wie Lisa als Magd den Arzt Jonas zu seinen Patienten begleitet. Wenn ich lese, wie einem kleinen Jungen im Jahr 1792 nur mit Rotweinnarkose ein Blasenstein entfernt oder einem Mann ein offener Unterschenkelbruch gerichtet wird, bin ich regelmäßig froh, in einer anderen Zeit zu leben. Patientenvisiten gab es reichlich, das war wirklich interessant zu lesen, wenngleich man solche Berichte auch schon aus anderen Büchern kennt. Ebenso wie die Berichte über Gerichtsverfahren einschließlich peinlicher Befragung und Hinrichtung. Das war der für mich zweite lesenswerte Teil des Buchs.

Wenn ich jetzt noch auf Liebesgeschichten stehen würde, hätte ich noch einen dritten Teil zu erwähnen. Wenn ich aber lese, wie attraktiv doch dieser Arzt ist mit seinen ach! so blauen Augen, dann bin ich dafür einfach nicht die richtige Zielgruppe.

Und einen Thriller konnte ich hier nicht ausmachen. Tut mir leid, aber sonderlich spannend fand ich das alles nicht. Dass der „Dorfschwachsinnige“ als Täter auserkoren wird und herhalten muss ist tragisch, aber nicht wirklich neu. Und was den wirklichen Täter angeht, hatte ich nach der Hälfte des Buchs schon ein sehr sicheres Gefühl, das sich dann leider auch bewahrheitet hat.

Und die Fiktion, bzw. die „Mystery“, wie es vorne auf dem Buch heißt, beschränkt sich auf ein Leuchten im Wald und reichlich Aberglauben mit entsprechenden Geschichten. Das ist nicht Mystery, sondern einfach die damalige Volksseele.

Einige geschichtliche Fakten sind wohl drin. Welche genau das sind, wird in einem kleinen Anhang erklärt. Auch finden sich dort zwei historische Karten der Stadt. Das ist ganz schön, zudem mag ich das Cover sehr – das Bild darauf sieht wirklich toll aus.

Wenn man jetzt also nicht mit dem Gedanken, einen Thriller zu lesen an das Buch herangeht und zudem noch Spaß hat an einer Liebesgeschichte vor historischem Hintergrund, dann ist das Buch richtig.

Bewertung vom 17.06.2014
Ehlers, Jürgen

Blutrot blüht die Heide


sehr gut

„Nein, das war nicht sauber, Wilhelm! – Und wer so etwas macht, der macht auch noch ganz andere Dinge. Wer mit dem Marquardt zusammenarbeitet, der muss aufpassen, dass er am Ende nicht schmutziger dasteht, als der Mörder, den er jagt.“

Dieses Buch hat bei mir ein herrliches Wechselbad der Gefühle ausgelöst. Ich liebe es, wenn das passiert! Wer ist gut, wer ist böse? Schauen wir mal...
Da ist zunächst mal der Mörder und Wilderer Kleinschmidt – ganz klar der Böse, oder? Und der Polizist Marquardt, der Vertreter von Recht und Ordnung ist dann der Gute?
Zeitweise.
Denn das Buch beleuchtet auch detailliert die Hintergründe der Taten, die persönlichen Lebensumstände und die Gefühle der Protagonisten. So gibt es reichlich Infos zu der Notlage, in der viele Polen damals waren. Dies, zusammen mit der überheblichen Art vieler Deutscher, lässt Verständnis für den Wilderer aufkommen. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, denn Kleinschmidt verändert sich, versteht es, seine besondere Position als „Held“ des einfachen Mannes auszunutzen. Und ab einem gewissen Zeitpunkt scheint das Wildern nur noch zweitrangig zu sein, im Gegensatz zu seiner persönlichen Rache.
Daneben Marquardt, ganz ordentlicher Beamter und ein Musterbeispiel preußischer Ordnung. Er gibt den erfahrenen Ermittler, der schon so manche Verbrecherlaufbahn beendet hat. Nur sind die Methoden, mit denen er vorgeht, nicht immer genau so ordentlich. Leicht beschleicht einen der Gedanke, dass diesem Polizisten jedes Mittel recht ist – ja, an einer Stelle wusste ich nicht mehr, wer von beiden Gegnern für mich der schlimmere Mörder ist. Aber andererseits ist auch dieser Polizist ein Mann, der nachts von Alpträumen geplagt wird. Der sich sorgt, was aus seiner Familie wird, wenn er im Einsatz sterben sollte und der letztlich vor allem von einem Gefühl angetrieben wird: Der Angst.

Egal, von welcher Seite aus man es betrachtet, immer kann man sich fragen, was man selbst getan hätte.

Der junge Berger wird im Gegensatz dazu als durchweg positiver Charakter aufgebaut. Er sieht die Taten beider Seiten kritisch, versucht, seine Pflicht zu tun und doch auch Verständnis aufzubringen. Interessiert beobachtet er zudem die kriminalistischen Ermittlungsmethoden des Polizisten Marquardt, ganz fasziniert von Dingen wie beispielsweise der Spurensuche am Tatort. In weiteren Bänden wird er, der als Soldat glücklich den Krieg überlebt hat, als Polizist tätig werden.

Der Stoff des Buches basiert auf historischen Personen und Begebenheiten. Im Epilog werden dazu genaue Angaben gemacht. Zudem gibt es Kartenausschnitte, so dass man gut nachvollziehen kann, wo die Geschichte spielt.

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Die diversen genauen Schilderungen, mit deren Hilfe dem Leser das Denken/Empfinden und der vorherrschende Aberglaube der Bevölkerung nahe gebracht werden sollten, führten gleichzeitig zu – für meinen Geschmack – einigen Längen. Mehrfach hatte ich das Gefühl, dass man besser ein wenig gekürzt hätte. Auch der Spannungsaufbau litt darunter. Das, zusammen mit einem eher trockenen Schreibstil, machte das Lesen zeitweise etwas mühsam. Nun bin ich bereit, das zu Gunsten einer Handlung, die zum Nachdenken anregt, hinzunehmen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass andere Leser dadurch verschreckt werden.

Fazit: Toller Stoff und reichlich Denkanstöße, aber mühsam zu lesen.

Ich jedenfalls werde mir demnächst „Die Nacht von Barmbeck“ zulegen und mal schauen, wie es mit Berger weitergeht.

Bewertung vom 14.06.2014
Svensson, Angelika

Kiellinie / Kommissarin Sanders Bd.1


gut

„Ich will damit nur sagen, dass kein Mensch behaupten kann, er würde einen anderen ganz und gar kennen. Jeder Mensch hat Abgründe in sich, von denen niemand etwas weiß. Das solltest du in deinem Beruf doch am besten wissen.“

Kriminalhauptkommissarin Lisa Sanders ist erschüttert. Die junge Frau, die grausam zu Tode getreten zwischen Mülltonnen gefunden wurde, ist ihr nur zu gut bekannt. Genau wie ihre Familie. Vor allem mit dem Vater verbindet sie eine lange – und zeitweise auch intime – Freundschaft. Obwohl ihre Kollegen sie für befangen halten, beginnt sie mit den Ermittlungen. Und wird dabei merken, dass sie doch vieles nicht von den Menschen wusste, die sie so gut zu kennen glaubte.
Zudem wird ihre Arbeit erschwert durch den neuen Oberstaatsanwalt, der ihr mit ausgesprochener Arroganz begegnet. Verbirgt sich hinter diesem unsympathischen Auftreten vielleicht auch ein ganz anderer Mensch?

Dies ist wieder mal ein Krimi, der mich zwiegespalten zurücklässt. Der Fall an sich ist sehr interessant, vor allem, weil er seine Auslöser in lange zurückliegenden Begebenheiten hat. Auf der Suche nach dem Täter und der Wahrheit muss Lisa bis in die Kindheit der ermordeten Frau zurückgehen. Das ist spannend, bringt auch im Verlauf der Handlung noch regelmäßig neue Aspekte hervor und lädt zu vielfältigen Spekulationen ein. Auch die Auflösung ist stimmig und hat mir gefallen.

Gefallen hat mir auch das Hintergrund-Szenario, rund um die Kieler Woche. Ich bin mal dort gewesen und habe vieles, was geschildert wird, wiedererkannt.

Nicht gefallen haben mir diverse Dinge im Ermittlungsverlauf, die ich als unrealistisch ansehe. Es sind womöglich Details, die viele andere Leser nicht stören werden, aber gerade bei einem Krimi lege ich großen Wert auf Realismus. Zudem hatte ich das Gefühl, dass hier zwei Personen nur deshalb ständig zusammen agieren, damit sich zwischen ihnen langsam (und weiterführend in weiteren Bänden) eine Beziehung entwickeln kann. Nur, dass eine solche enge Zusammenarbeit in der Realität sicher nicht stattgefunden hätte. Aber jeder Leser, der Romantik höher als Realismus bewertet, wird über diese Dinge locker hinwegsehen.

Überhaupt wird bei diesem Krimi viel Wert auf die Nebenschauplätze gelegt. Mehrere der Protagonisten haben persönliche oder familiäre Probleme, die sich sicher noch über weitere Bände hinziehen werden. Ein Punkt, der im Buch immer wieder auftaucht, ist am Ende noch gänzlich ungeklärt. Damit muss man leben, oder die Fortsetzungen abwarten.

Persönlich bin ich mir noch unschlüssig, ob ich weitere Bände lesen werde. Ich mag es im Grunde schon, wenn die Ermittler ihre Probleme haben und vor allem ihre Schwächen. Nichts ist langweiliger als ein Mensch, der immer nur regelkonform lebt. Daher wäre ich schon gespannt, wie es mit dem ein oder anderen weitergehen wird. Aber doch – jetzt, wo ich es so schreibe, denke ich, dass ich zumindest den nächsten Fall noch lesen werde. In der Hoffnung, dass es dann etwas realer zugehen wird.