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Dreamworx
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Berlin

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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2019
Moyes, Jojo

Wie ein Leuchten in tiefer Nacht


ausgezeichnet

1937 Kentucky. Die Engländerin Alice ist frisch verheiratet mit Ehemann Bennett van Cleve und folgt ihm in seine amerikanische Heimat, wo sie in der Kleinstadt Baileyville in Kentucky landen und ein Zimmer im Haus ihres Schwiegervaters beziehen, der ein einflussreicher Bergminenbesitzer ist und dies auch alle einschließlich Alice spüren lässt. Um die Leere ihrer Tage zu füllen und sich nützlich zu machen, meldet sich Alice freiwillig bei den Bibliothekarinnen der Packhorse Library, nach einem von Eleonore Roosevelt initiierten Projekt, um entlegen wohnende Bürger und Nachbarn per Pferd mit Büchern zu versorgen. Schon bald lernt Alice nicht nur die Gemeinschaft und sich anbahnenden Freundschaften mit den anderen Frauen schätzen, sondern auch die neugewonnene Freiheit, ihren sonst so trostlosen Alltag mit Leben zu füllen und ihre neue Heimat besser kennenzulernen…
Jojo Moyes hat mit „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ einen wunderbaren Roman mit historischem Hintergrund vorgelegt, der sich völlig von den sonst von ihr gewohnten Geschichten unterscheidet. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und atmosphärisch dicht, die Handlung ist tiefgründig und lässt den Pioniergeist wieder aufleben. Kaum mit der Lektüre begonnen, taucht der Leser in die raue Berglandschaft Kentuckys ab und darf sich mit mutigen Frauen auf einige Abenteuer einlassen, die ihre Aufgabe als Buchausträgerinnen sie in die entlegensten Gegenden führt und zur damaligen Zeit nicht ungefährlich war. Aus verschiedenen Blickwinkeln erfährt der Leser vom Leben der einzelnen Frauen. Die Autorin hat gut recherchiert und verwebt nicht nur den historischen Hintergrund sehr schön mit ihrer Geschichte, sondern lässt den Leser durch farbenfrohe Beschreibungen der Örtlichkeiten auch wunderbare Bilder vor dem inneren Auge entstehen. Teilweise hat es etwas vom Wilden Westen, wo allerdings die Frauen die Hauptrollen spielen. Das harte Leben auf dem Land und die damaligen Vorstellungen von Hierarchie innerhalb der Familie, die oftmals gewaltsam ausgetragen wurde, werden hier ebenso thematisiert wie Rassismus und schlechte Arbeitsbedingungen. Auch die Skepsis vor etwas Neuem und dessen Anfeindung ist hier gut herausgearbeitet worden. Aber allen voran erzählt die Autorin eine Geschichte von Frauen, die sich behaupten und eine Stärke besitzen, sich gegen alle Widrigkeiten in den Weg zu stellen. Der Spannungsbogen liegt während der gesamten Handlung auf einem überdurchschnittlichen Niveau.
Den Charakteren wurde regelrecht Leben eingehaucht, sie besitzen realistische Ecken und Kanten, wirken glaubhaft und authentisch. Der Leser fühlt sich vor allem den Protagonistinnen nahe und kann ihre Gefühle und Gedanken gut nachvollziehen. Alice hat sich mit einer überhasteten Heirat in eine Lage gebracht, der sie eigentlich davonlaufen wollte. Zu Beginn noch naiv und unbedarft, entwickelt sie sich zu einer selbstsicheren und mutigen Frau, die sich zur Wehr zu setzen weiß. Marge O’Hare ist unverheiratet, lebt aber in wilder Ehe, was damals einem Skandal gleich kam. Sie ist eine unkonventionelle und starke Frau, die eher wie ein Mann wirkt. Beth hat eine Menge Humor und ist nicht auf den Mund gefallen. Alice‘ Schwiegervater Geoffrey ist ein unerträglicher Tyrann und Kontrollfreak, der seine Position dazu nutzt, jedem seinen Willen aufzudrängen. Sein Sohn Bennett ist seine Marionette und benimmt sich Alice gegenüber schäbig und gleichgültig. Aber auch Isabelle, Sophia und Kathleen spielen eine große Rolle in dieser Geschichte und lassen sie rundum gelungen wirken.
„Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ ist ein wunderbarer und gefühlvoller Roman vor historischer Kulisse, in dem neben starken Frauen und der Liebe vor allem die Freundschaft eine große Rolle spielt. Ein absoluter Pageturner mit herrlichem Kopfkino, der eine tiefgründige Geschichte an den Leser bringt! Verdiente Leseempfehlung, einfach wunderbar!!!

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.11.2019
Scharer, Whitney

Die Zeit des Lichts


ausgezeichnet

1929. Das erfolgreiche Fotomodell Elizabeth Lee Miller ist gerade einmal 22 Jahre alt, als sie beschließt, von New York nach Paris zu gehen, um dort eine Karriere als Fotografin zu beginnen, denn das war schon immer ihr Traum. In Paris fühlt sich Lee erst einmal einsam, bis sie auf einer Party dem älteren bekannten Portraitfotografen Man Ray begegnet, der sie als Assistentin einstellt und ihr das Rüstzeug für ihren Traumberuf bietet. Doch bald schon entspinnt sich zwischen den beiden eine Liebesbeziehung, die allerdings immer wieder von Rays Eifersuchtsattacken überschattet wird. Es dauert einige Zeit, bis Lee die Reißleine zieht und sich von Ray trennt, um unabhängig und ehrgeizig ihren eigenen Weg zu verfolgen. Im Zweiten Weltkrieg arbeitet sie als Militärkorrespondentin für die US-Army, dokumentierte die Befreiung der KZs Dachau und Buchenwald und lieferte Bildmaterial von der Invasion der Alliierten sowie der Befreiung von Paris…
Whitney Scharer hat mit „Die Zeit des Lichts“ einen sehr unterhaltsamen und packenden Roman vorgelegt, in dem sie Fiktion mit Tatsachen brillant vermischt und dem Leser nicht nur die Lebensgeschichte der Künstlerin, sondern auch die Person Elizabeth Lee Miller sehr nahe bringt, während sie gleichzeitig den damaligen Zeitgeist in ihrer Handlung wieder lebendig werden lässt. Der Schreibstil ist flüssig, bildgewaltig und fesselnd, der Leser gleitet an die Seite der jungen Frau, um unsichtbar ihren Fußabdrücken zu folgen und neben ihrem beruflichen Engagement auch ihr privates Leben kennenzulernen, wobei sowohl der Kampf mit ihren inneren Dämonen als auch der als Frau beeindruckt. Scharer zeichnet das Bild einer Frau, die als Kind missbraucht und im weiteren Leben von Männern immer wieder nur für deren eigene Ziele benutzt wird, jedoch durch ihre Durchsetzungskraft und Hartnäckigkeit sowie mit eigenem Talent etwas erreicht hat in einer Welt, die von Männern regiert und in der Frauen eine eigene Karriere verweigert wird. Die Autorin hat nicht nur bildhaft die Pariser Zeiten eingefangen, sondern transportiert auch deren Atmosphäre an den Leser weiter. So lernt er das brotlose Dasein eines Künstlers ebenso kennen wie die ausufernden Partys. Wechselnde Erzählperspektiven lassen den Leser eine Rückschau sowie ein Resümee der Künstlerin erleben, zeigt aber auch ihre innere Gefühlswelt auf.
Glaubwürdig und sehr authentisch hat Scharer ihre Charaktere gestaltet, sie sprühen vor Leben und machen es dem Leser leicht, sich der Hauptprotagonistin verbunden zu fühlen. Elizabeth Lee Miller ist schon in jungen Jahren durch ihre Modelltätigkeit eine bekannte Persönlichkeit. Doch das ist ihr zu oberflächlich, sie träumt vielmehr davon, etwas Eigenes zu erschaffen. Sie besitzt nicht nur Mut, sondern vor allem Durchsetzungsvermögen und Kampfgeist, der sie immer wieder antreibt. Aber auch einen gewissen Hang zum Egoismus kann man ihr nicht absprechen. Das Trauma des Missbrauchs in der Kindheit sowie die immer wiederkehrende dominierende Rolle der Männer in ihrem Leben haben sie geprägt und sie zu einer entschiedenen Frau gemacht, die aber anhand der Dinge, die sie im Krieg erlebt und dokumentiert hat, der optimistischen Lebensfreude beraubt wurde.
„Die Zeit des Lichts“ lässt den Leser nicht nur in eine vergangene Epoche abtauchen, sondern vor allem eine interessante Persönlichkeit näher kennenlernen, die ihrer Zeit weit voraus war. Hier wurden Fiktion und Wirklichkeit so fließend vermischt, dass der Leser während der Lektüre das Gefühl hat, Elizabeth Lee Miller gegenüberzusitzen und ihren Erlebnissen zu lauschen. Absolute Leseempfehlung für ein wunderbares Buch!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2019
Laurin, Ruben

Das weiße Gold der Hanse


sehr gut

1232 Lübeck. Nach einem Piratenüberfall auf das Schiff seines Vaters überlebt der junge Bertram in letzter Sekunde. Allerdings kostet ihn der Vorfall sein Gedächtnis und seinen Namen. Nur mit Hilfe der jungen Rebecca, die ihn Moses tauft, bleibt er am Leben und gelangt gemeinsam mit ihr nach schweren Jahren nach Lübeck. Bald kann Moses dort bei einem Kaufmann in die Lehre gehen. Als junger Mann heuert er dann auf einem Hanseschiff an, um möglichst viel Abstand zwischen sich und eine junge Frau zu bringen, in die er sich unglücklich und hoffnungslos verliebt hat. Viele Jahre kreuzt Bertram auf den Meeren und ist nicht nur den unberechenbaren Gezeiten ausgesetzt. Als er in einer brenzligen Situation keinen Ausweg mehr sieht, leistet er den Schwur, dass er, sollte er überleben, sich für die Schwächsten der Gesellschaft einsetzen und ihnen Obdach geben würde. Er regt den Bau des Heiligen-Geist-Hospitals an…
Ruben Laurin hat mit „Das weiße Gold der Hanse“ einen unterhaltsamen und informativen historischen Roman vorgelegt, dessen flüssiger und bildhafter Schreibstil den Leser sofort ins deutsche Mittelalter abtauchen lässt, um dort die Hanse sowie den ungewöhnlichen und spannenden Werdegang des Handelsherren Bertram Morneweg kennenzulernen, der als einer der Stifter und Initiatoren des Heiligen-Geist-Hospitals in Lübeck gilt. Über zwei sich wechselnde Zeitebenen erfährt der Leser zum einen von Bertrams Jugendjahren ab dem Jahr 1232, andererseits erlebt man ihn im Jahr 1275, wo er sein Leben Revue passieren lässt. In der dem damaligen Zeitalter angepassten Erzählstil darf der Leser sich aufgrund der farbenfrohen Schilderungen des Autors während der Lektüre ein genaues Bild über die Lebensverhältnisse der Bevölkerung, die Handelswege sowie über die Örtlichkeiten machen. Der Autor hat akribische Recherche betrieben und lässt die tatsächliche Persönlichkeit Bertram Morneweg mitsamt dem historischen Hintergrund wieder lebendig werden, wenn auch mit einiger künstlerischer Freiheit. Auch seine Verbundenheit zum christlichen Glauben ist sehr gut herausgearbeitet sowie seine sich selbst auferlegte Verpflichtung, etwas zurückzugeben. Die Geschichte wirkt nicht nur wie eine Art Biografie, sondern vereint auch einiges an Spannung und Abenteuer in sich. Der Titel des Romans ist allerdings irreführend und unpassend.
Die Charaktere sind zeitgemäß angelegt und ausgestaltet, sie wirken realitätsgetreu und vor allem glaubwürdig, weshalb es dem Leser nicht schwer fällt, ihnen gespannt auf ihren Wegen zu folgen. Bertram ist als junger Bursche schon ein zäher Kamerad, der sich allen Widrigkeiten in den Weg stellt und nie den Mut verliert, wenn das Schicksal ihn erneut beutelt. Er ist selbstbewusst und besitzt Ausdauer sowie eine gewisse Hartnäckigkeit. Trudi ist eine sture Frau, die immer und überall ihren Kopf durchsetzen muss, was sich am Ende für sie auszahlt. Zudem ist sie eine treue Seele, die diejenigen beschützt, die sie liebt. Aber auch Rebecca, Schwester Victoria oder Matthias spielen in dieser Geschichte eine große Rolle und sorgen für so einige Überraschungsmomente.
„Das weiße Gold der Hanse“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman, der einen guten Einblick in die Hanse und ihre Verbindungen gibt sowie das Leben im Mittelalter wiederspiegelt. Spannend erzählt und kurzweilig zu lesen, was eine Leseempfehlung verdient!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2019
Carsta, Ellin

Der zerbrechliche Traum / Die Hansen-Saga Bd.4


ausgezeichnet

Nachdem Luise ihre Liebe verraten hat, kehrt Hamza zurück in seine Heimat Kamerun, um dort all das anzuwenden, was er gelernt hat. Allerdings wird es ihm nach seiner Rückkehr dort nicht leicht gemacht, zu sehr ist er durch seine lange Abwesenheit und sein Auftreten einigen ein Dorn im Auge. Als sich auf der Plantage ein Unglück ereignet und es zu Auseinandersetzungen kommt, gerät er mitten zwischen die Fronten. Währenddessen kann es Luise gar nicht schnell genug gehen, nach der Geburt der mit Hans gemeinsamen Tochter Viktoria ihre Arbeit im Hamburger Kontor wieder aufzunehmen. Dort muss sie allerdings feststellen, dass Richard in Bezug auf die Geschäfte anscheinend ein wesentlich geschickteres Händchen hat als sie, was ihr Vater wohlwollend zur Kenntnis nimmt und Luise um ihre eigene Position im Kontor fürchten lässt. In Wien grämt sich Therese nach Karls Tod und benötigt dringend einen Tapetenwechsel, der sie zurück zu ihrer Familie nach Hamburg führt. Aber auch Martha verursacht einige Unruhe…
Ellin Carsta hat mit „Der zerbrechliche Traum“ den vierten Teil ihrer historischen Familiensaga um die Hansens vorgelegt und spinnt deren Leben ab dem Jahr 1894 spannend weiter. Der Schreibstil ist flüssig-leicht, bildhaft und fesselnd, so dass der Leser sich schnell wieder unter die Familienmitglieder mischen kann, die bereits anhand der Vorgängerbände zu liebgewonnenen Freunden zählen, um deren Schicksale mitzuverfolgen. Carsta lässt den Leser gedanklich wieder auf Reisen gehen, denn die Austragungsorte ihrer Geschichte pendeln zwischen Wien, Hamburg und Kamerun und umfasst einen Zeitrahmen von wenigen Monaten. Spannend legt die Autorin hier den Fokus auf die Ereignisse in Kamerun, wo sich die Gegner kämpferisch gegenüber stehen. Aber auch die Entwicklung ihrer Charaktere schreitet weiter voran und lässt einige Schlussfolgerungen zu, wie es wohl weitergehen wird. Dabei steht Luisa eindeutig im Mittelpunkt. Der Spannungslevel ist gleichbleibend im oberen Mittelfeld angesetzt und zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Handlung.
Die Charaktere sind durchweg sehr lebendig gestaltet und unterstehen einer ständigen, glaubhaften Entwicklung, so dass der Leser sich in ihrer Mitte unter liebgewonnenen Freunden fühlt und mit ihnen hofft, bangt und leidet. Luisa hat sich zu einer verantwortungsvollen, liebenden Ehefrau und Mutter gemausert, die aber auch ihre Aufgabe im Kontor liebt. Als starke Persönlichkeit übernimmt sie vielfältige Aufgaben und versucht, alles unter einen Hut zu bringen. Therese macht eine schwierige Phase durch, die ihre Kräfte aufzehren, aber sie muss für ihren Sohn stark bleiben. Aber auch Robert und Hamza sind unverzichtbar in dieser Serie, auf Karl muss leider in Zukunft verzichtet werden.
„Der zerbrechliche Traum“ ist ein spannender und unterhaltsamer vierter Teil rund um die Hansen-Familie. Wer die Vorgängerbände noch nicht kennt, sollte unbedingt diese unbedingt in der vorgegebenen Reihenfolge lesen, denn erst, wenn man alle Zusammenhänge kennt, wird diese Geschichte zur Sucht und zum Genuss. Verdiente Leseempfehlung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2019
Lund, Carina

Die Toten von Helgoland (eBook, ePUB)


sehr gut

Der 37-jährige Jonas van Dorn war früher mal Polizist, nun baut er sich gerade eine eigene Privatdetektei auf, bei der ihn sein Freund und Vermieter Elmar „Elliott“ Kramer tatkräftig unter die Arme greift. Als Jonas von einem verzweifelten Vater engagiert wird, seine seit 4 Wochen auf Helgoland vermisste Tochter, eine 31-jährige Journalistin namens Franziska Leschinsky, aufzuspüren, reist das frischgebackene Ermittlerduo auf die Nordseeinsel, um ihren Auftrag in Angriff zu nehmen. Während die örtliche Polizei bei Franziskas Verschwinden von Selbstmord ausgeht, sind Jonas und Elliott gar nicht davon überzeugt, denn schon bald erfahren sie, dass es bereits zwei unglückliche Todesfälle gegeben hat. So drehen sie auf der Insel jeden Stein um und fördern Dinge zutage, die sie langsam aber sicher auf die Spur des Täters bringen…
Carina Lund hat mit „Die Toten von Helgoland“ einen ganz passablen Regionalkrimi vorgelegt, der den Leser mit einem flüssig-leichten Schreibstil auf eine Reise nach Helgoland einlädt, wo er sich dem charakterlich sehr unterschiedlichen Ermittlerduo an die Fersen heftet, um ihnen bei ihrer Spuren- und Tätersuche über die Schulter zu sehen. Die farbenfrohen Beschreibungen der Inselörtlichkeiten sowie deren Bewohner lassen den Leser sich schnell wohlfühlen und das Inselleben in sich aufsaugen. Die Autorin hat ihren Kriminalfall nicht nur mit einigem Humor, sondern auch mit dem nötigen Lokalkolorit gespickt, was der Geschichte eine gewisse Authentizität verleiht. Zudem lässt sie den Leser aufgrund gut angelegter Recherche historisches Hintergrundwissen zukommen, dass sie mit ihrer Handlung gut verknüpft hat. Geschickte Wendungen lassen den Leser lange im Dunkeln tappen, wohin die Reise wirklich geht und auch die Enttarnung des Täters birgt eine Überraschung. Miträtseln ist hier absolut gewollt und sorgt für den gewünschten Unterhaltungseffekt. Der Spannungslevel liegt aufgrund der gemächlichen Erzählweise im mittleren Feld und steigert sich auch nicht sehr.
Die Charaktere sind sehr realistisch ausarbeitet. Mit ihren glaubhaften Ecken und Kanten wirken sie authentisch und wie aus dem Leben gegriffen, so dass der Leser ihnen ihre eigenen Sorgen und Probleme abnimmt und sich in sie hineinversetzen kann. Jonas van Dorn wirkt wie ein Eigenbrötler eher zurückhaltend und unnahbar, was auch in seiner Vergangenheit begründet sein mag, die er noch nicht verarbeitet und unter den Folgen zu leiden hat. Dagegen ist Elliott der humorvolle Künstler, der sich auch für die Detektivarbeit interessiert und schnell einen Draht zu den Inselbewohnern bekommt. Seine offene und direkte Art lässt andere schnell auftauen, dabei stärkt er Jonas den Rücken, verpasst ihm oftmals auch einen Tritt in den Hintern, damit dieser nicht in Lethargie verfällt. Auch die weiteren Protagonisten sind passend zur Handlung gewählt und machen die Geschichte durchweg unterhaltsam.
Mit ihrem Krimidebüt „Die Toten von Helgoland“ hat die Autorin eine durchaus solide Geschichte abgeliefert, die zum Miträtseln einlädt. Verdiente Leseempfehlung für alle, die sich gern während der Lektüre als Ermittler betätigen wollen.

4 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.11.2019
Barreau, Nicolas

Die Liebesbriefe von Montmartre


ausgezeichnet

5 Jahre ist die schicksalhafte erste Begegnung zwischen Hélène und dem Schriftsteller Julien Azouley her, als sie im Mai auf dem Pariser Cimetière de Montmatre an Heinrich Heines Grab aufeinandertreffen und von da an gemeinsam durchs Leben gehen. Doch nun ist Hélène gestorben und hinterlässt nicht nur einen gebrochenen Julien und den vierjährigen Arthur, sondern auch den Wunsch, von Julien für jedes ihrer Lebensjahre einen Brief von ihm zu bekommen, 33 an der Zahl. Julien ist seit Hélènes Tod nicht mehr in der Lage, auch nur irgendeine Zeile aufs Papier zu bekommen, mit seinem Manuskript ist er schon im Verzug, wie soll er da einen Brief zustande kriegen? Doch als ihm seine Freunde und auch sein Verleger deutlich den Kopf waschen, fließen die Gedanken nur so aufs Papier, und Julien teilt seinen Alltag mit seiner toten Ehefrau, die er dann in einem Geheimfach am Grab versteckt. Als er wieder einmal einen dort ablegen möchte, sind seine Briefe verschwunden, dafür erwartet ihn selbst eine Nachricht…
Nicolas Barreau hat mit „Die Liebesbriefe von Montmatre“ wieder einmal unter Beweis gestellt, welch ein herausragender Geschichtenerzähler er ist. Mit einfühlsamen Worten und einem flüssigen, bildhaften Schreibstil nimmt er den Leser mit den ersten Sätzen gefangen und führt ihn sanft und behutsam durch die Handlung, wobei er dem Leser die gesamte Klaviatur des Gefühlsbarometers abringt. Jeder, der schon einmal den Verlust eines geliebten Menschen zu betrauern hatte, wird sich sofort mit Julien identifizieren können. Die herzergreifende Trauer, die Sorge um den kleinen Sohn, die ständige Hoffnungslosigkeit sind so gut beschrieben, dass nicht nur Julien wie ein Hund leidet, sondern auch der Leser. Erst nach und nach lässt Barreau meisterlich kleine Lichtblicke in das Leben seines Protagonisten dringen, die ganz langsam das Leben von Julien und Arthur verändern, die Schmerzen der Trauer lindern und wieder Hoffnung in deren Herzen bringt. Bittersüß lässt er Vater und Sohn durch die Stadt der Liebe wandeln, an deren Fersen sich der Leser heftet, um das französische Laissez-faire mitzuerleben und in sich aufzusaugen. Die Friedhofsbesuche sowie die Zitate aus Heines Werken lassen die Lektüre sowohl romantisch wie traurig wirken und rühren am Leserherz wie die an Hélène gerichteten Briefe. Barreau vermittelt mit seinen Geschichten auch immer eine Botschaft, diesmal geht es ihm um Hoffnung und den Blick nach vorn.
Die Charaktere sind wunderbar mit Leben gefüllt, sie wirken der Realität regelrecht entsprungen. Julien ist ein umsichtiger und fürsorglicher Ehemann und Vater. Sein Verlust nimmt ihm jede Lebensfreude, doch er bemüht sich, für seinen Sohn stark zu sein. Arthur ist zwar erst 4 Jahre alt, aber er ist nicht nur der Klebstoff zwischen Julien und dem Leben, sondern auch ein Kind, dass Geborgenheit und vor allem Sicherheit braucht. Aber er ist auch weise, denn er wünscht sich Glück für seinen Vater, damit dieser wieder lacht. Alexandre ist Juliens bester Freund, der kein Blatt vor den Mund nimmt und seinem Kumpel auch mal die Meinung geigt. Hélènes Freundin Catherine ist gleichzeitig auch die Nachbarin, die ebenso unter dem Verlust leidet und Julien oftmals mit Arthur unter die Arme greift. Aber auch Juliens Mutter, sein Verleger oder der demente Onkel Paul tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geschichte rundum gelungen ist.
Niemand kann auch nur annähernd eine Liebesgeschichte gleichzeitig so traurig und mit so viel Romantik erzählen wie Barreau. Er ist ein Wortspieler ohnegleichen, der immer wieder verzaubert und das Gefühl von Liebe in die Herzen der Leser pflanzt. „Die Liebesbriefe von Montmatre“ ist einfach unglaublich – Chapeau!

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.11.2019
Cox, Natalie

Winterwunder für die Liebe


gut

Es gibt Menschen, die können Weihnachten nicht ausstehen und genau zu dieser Kategorie gehört Charlotte genannt Charlie. Dass ihr Freund Lionel sie gerade hat sitzenlassen, trägt auch nicht zur Stimmungsaufhellung bei, zumal sich zusätzlich ihre Wohnung sprichwörtlich in Rauch aufgelöst hat. Da muss ein wenig Luftveränderung her, und die sollte sich doch bei ihrer Cousine Jezebel auf dem Land im tiefsten Devon eher finden lassen als in London, wo Jez eine Hundepension betreibt, auch wenn Charlie mit Hunden nichts am Hut hat. Kaum dort, wird Charlotte abermals verlassen, diesmal von Jez, die über die Weihnachtsfeiertage lieber mit ihrem Liebsten zusammen sein will. Kurzerhand drückt sie Charlie die Verantwortung für die Pension auf die Nase. Ob das gutgeht? Wenigstens sind die Hundeherrchen ganz interessant, aber auch der Tierarzt ist einen zweiten Blick wert. Wird Charlotte ihre Meinung über Weihnachten ändern?
Natalie Cox hat mit „Winterwunder für die Liebe“ einen Roman vorgelegt, der recht amüsant und unterhaltsam daher kommt, wenngleich er auch nicht mit Tiefgründigkeit punkten kann. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und mit einigem Witz gespickt, so dass den Leser eine kurzweilige Lektüre erwartet. Da die Handlung in der Ich-Form erzählt wird, hat der Leser die Möglichkeit, die Hauptprotagonistin Charlotte sehr gut kennenzulernen, da ihre Gedanken- und Gefühlswelt während all der Ereignisse wie ein offenes Buch vor ihm liegt, wobei es auch Abschweifungen in Charlies Vergangenheit gibt, die für den Leser aufschlussreich sind. Die Autorin muss eine Vorliebe für Hunde haben, denn wie sie Charlotte in die Betreibung der Pension hineinwirft und alle Arten von Vierbeinern mit ihr durchgehen lässt, ist einfach tierisch. Allerdings wird der Stress um die Hundeaufsicht und –pflege irgendwann auch etwas langatmig. Dafür kann die Geschichte mit einigen Wendungen und fetzigen Dialogen punkten, die immer mal wieder die Lachmuskeln animieren. Die Romantik kommt dafür in der Handlung eindeutig zu kurz, was definitiv ein Manko ist.
Die Charaktere sind recht nett ausgearbeitet und mit einigen speziellen Eigenheiten ausgestattet, die für Unterhaltung sorgen. Vor allem die Hundedarsteller wachsen einem geradezu ans Herz, sie benehmen sich meist menschlicher als die eigentlichen Protagonisten. Charlotte ist eine Chaotin erster Güteklasse. Sie besitzt eine eigene Art von Humor, aber auch ihre Abschweifungen in ihre Traumwelt sind nicht zu verachten. Jez hat leider nur einen kurzen Auftritt, aber sie wirkt sympathisch, aufgeschlossen und eigen. Tierarzt Cal ist ein eher zurückhaltender und leicht snobistisch wirkender Zeitgenosse, der aber auch eine andere Seite in sich trägt, die weitaus verträglicher und humorvoller ist. Aber auch die weiteren Hundebesitzer und allen voran die Hundeparade, angeführt von Beagle Peggy und Dogge Malcolm, schleichen sich irgendwie ins Leserherz.
„Winterwunder für die Liebe“ ist mehr eine Slapstickkomödie denn eine romantische Weihnachtsliebesgeschichte. Recht unterhaltsam und kurzweilig, doch es fehlt die Romantik und vor allem das Besondere, um im Gedächtnis zu bleiben. Für zwischendurch allemal gut zu lesen.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2019
Rygiert, Beate

George Sand und die Sprache der Liebe / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.1


ausgezeichnet

Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil wurde 1804 in Paris geboren und als Aurore Dudevand 1836 von ihrem Mann Casimir geschieden, von dem sie schon seit 1831 getrennt lebte. 1831 arbeitet sie bereits beim Le Figaro und teilte ihre Zeit so ein, dass sie immer im Wechsel drei Monate im von ihrer Großmutter geerbten Haus in Nohant und drei Monate in Paris war, um am dortigen gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, sich unters Volk zu mischen und nebenbei ihre Eindrücke und Gefühle in Form von Novellen, Romanen und Theaterstücken zu Papier zu bringen und sich bei ihrem zweiten Roman den Pseudonym-Namen George Sand zu geben, der sich alsbald als ihr neuer Rufname entpuppte. Aurore „George“ fiel nicht nur durch ihren männlichen Kleidungsstil auf, sondern auch an ihrem Verhalten nahm die Gesellschaft Anstoß, denn sie lebte entgegen den gängigen Konventionen und verarbeitete ihre eigenen Lebenserfahrungen in ihren Büchern. Lediglich in der Pariser Bohème-Szene war George ein gern gesehener Gast, denn diese nahm sie so, wie sie war und verziehen ihr auch ihre diversen amourösen Abenteuer wie die Beziehung zu Frédéric Chopin, den sie durch Franz Liszt kennenlernte. George Sands war zeitlebens eine schillernde Persönlichkeit, deren Romane sogar Musiker zu Opern inspirierte.
Beate Rygiert hat mit „George Sand und die Sprache der Liebe“ einen sehr interessanten sowie unterhaltsamen Roman vorgelegt, der sich mit dem Leben der berühmt-berüchtigten Schriftstellerin George Sand über eine Zeitraum von acht Jahren (1831-1839) befasst und dieses dem Leser nahe bringt. Der Schreibstil ist flüssig und fesselnd, die Autorin laviert den Leser geschickt zwischen die Seiten und lässt ihn ins Frankreich des 19. Jahrhunderts reisen, um die umtriebige Schriftstellerin George und einen interessante Zeitspanne ihres Lebens kennenzulernen. George war eine fleißige Frau, die sich nicht nur als Mutter von zwei Kindern aus den Fängen der Ehe befreite, sondern mit ihrer Schreiberei auch hauptsächlich für den Lebensunterhalt verantwortlich war. Gut recherchiert zeichnet Rygiert das Bild einer emanzipierten Frau, die sich ohne zu jammern oder zu klagen, den Widrigkeiten des Lebens stellte und sich nicht verbiegen ließ. Sie lebte nach ihrer Facon und kümmerte sich nicht um die allgemeine Meinung, in deren Augen sie bestenfalls ein Paradiesvogel oder schlimmstenfalls eine Latrine war, wie Charles Baudelaire nannte. Auch ihre Hilfsbereitschaft und ihr großes Herz lässt Rygiert den Leser mit Sands Beziehung zu Chopin erleben, der, an Tuberkulose erkrankt, von ihr aufopferungsvoll gepflegt wurde. Auch Sands Engagement in Bezug auf die Rechte der Frauen ist eindrucksvoll, denn sie forderte in ihren sozialkritischen Artikeln schon früh, dass Frauen in Bezug auf Beruf und Familie dem Mann gegenüber gleichberechtigt sein sollten.
Mit „George Sand und die Sprache der Liebe“ und akribischer Recherche ist Rygiert ein eindrucksvolles Portrait gelungen, dass die Künstlerin George Sands lebendig werden lässt und dem Leser eine schillernde Persönlichkeit sehr nahe bringt. Absolute Leseempfehlung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2019
Sanders, Marie

Eine neue Zeit / Die Frauen vom Nordstrand Bd.1


gut

1953 St. Peter/Nordsee. Während Annis Vater Ole im Krieg war, hat Anni gemeinsam mit Mutter Gertrud und Köchin Isa das familieneigene Hotel „Seeperle“ allein weitergeführt. Nun ist Ole versehrt zurückgekehrt und möchte die Zügel wieder in die Hand nehmen, doch Anni gehört einer neuen Generation von Frau an, die sich nicht so leicht mehr verdrängen lässt. Mit Unterstützung ihres Freundes Hans, einem ebenfalls versehrten ehemaligen Soldaten, lässt Anni das Hotel aufwendig renovieren, hat es doch während des Krieges als Lazarett und Flüchtlingsunterkunft gedient und dementsprechend Federn gelassen. Als ihre Freundin Rena einen reichen Wiener Bankdirektor heiratet und St. Peter verlässt, sind es ihre neugewonnenen Freundinnen, die Ärztin Helena und die Lehrerin Edith, die Anni über den Verlust hinweghelfen. Das aufwendig renovierte Hotel zieht allerlei illustre Gäste an, die für einige Aufregung unter den Freundinnen sorgen und einer von ihnen sogar Annis Herz stiehlt, bevor er sich davon macht…
Marie Sanders hat mit „Die Frauen vom Nordstrand-Eine neue Zeit“ einen kurzweiligen Auftakt für ihre Zeitenwende-Trilogie vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, schnell findet sich der Leser in der „Seeperle“ im malerischen St. Peter wieder, wo er eines der Hotelzimmer bezieht und sich nicht nur unter die Gäste mischt, sondern hauptsächlich Anni und ihre Familie bei ihrem täglichen Leben verfolgt und dabei auch die Schicksale der Angestellten und Freunde kennenlernt. Die Autorin hat eine für die damalige Zeit schon recht emanzipierte Hauptprotagonistin erschaffen, der sie zwei ebenfalls für die Frauenrechte kämpfende Freundinnen zur Seite stellt. Die Themenauswahl ist recht unterschiedlich und reicht von Gewalt in der Ehe über Schwangerschaftsabbruch bis hin zu Verfolgung von Kriegsverbrechern. Vor allem das Thema Abtreibung wird hier manchmal schon zu ausführlich beleuchtet, was zur damaligen Zeit noch strafbar war und Frauen zu Verzweiflungstaten brachte. Auch die übermäßige Bevormundung durch die Männer wird deutlich hervorgehoben, die sich jede Freiheit herausnahmen und Frauen als ihre Dienstboten und Haussklaven betrachteten. Die Handlung ist im stetigen Fluss, wobei das Hotel der Fixpunkt für die drei Frauen ist und wo sich die meisten Dinge sowie Dramen abspielen. Der Nordseestrand dient ihnen dazu, sich ungestört unterhalten zu können, ohne dass es unliebsame Zuhörer gibt. Die Spannung ist durchweg gemächlich und nicht übermäßig hoch.
Die Charaktere sind mit Leben versehen und wirken mit ihren individuellen Eigenschaften glaubwürdig und realitätsnah, der Leser fühlt sich manchen von ihnen stärker verbunden als anderen. Anni ist eine patente Frau, die große Ziele hat und sich von niemandem reinreden lässt. Bis zu einem gewissen Grad zieht sie das auch durch, um dann doch in alte Gesellschaftsmuster zu verfallen, weil sie sich in Schwierigkeiten gebracht hat. Helena ist eine Frau, die sich den hilflosen Frauen verschrieben hat, die ihre Unterstützung dringend nötig haben. Aber sie hat auch ein Geheimnis, das erst durch Zufall ans Licht kommt. Edith ist eine emanzipierte Frau, die in verschiedenen Frauenrechtsbewegungen kämpft. Auch sie hat einen schweren Schicksalsschlag verkraften müssen. Isa ist die gute Seele des Hauses und Hans ein wirklich enger Freund Annis, der es nur gut mit ihr meint. Aber auch Hinnerk, Ole sowie Gertrud drücken der Handlung ihren Stempel auf.
„Die Frauen vom Nordstrand-Eine neue Zeit“ ist kurzweilig und unterhaltsam zu lesen, jedoch ohne jeglichen Tiefgang. Manche Dinge werden hier bis ins Detail erörtert, was einfach zu viel ist. Etwas gestraffter und auf den Punkt wäre hier auf jeden Fall besser gewesen.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2019
Vahr, Ellen

Die Gabe


sehr gut

1830 Norwegen. Anne lebt mit ihrer Familie in ärmlichen Verhältnissen auf einem großen Gut. Die ganze Familie kommt mit harter Arbeit kaum über die Runden. Annes große Hoffnung ist, dass ihr Jugendfreund Jon bald eigenes Land pachten und bewirtschaften kann, dann steht einer Heirat nichts im Wege. Aber dann erkrankt Jons Vater, so dass die Hochzeitspläne in Rauch aufgehen. Anne ergreift die Möglichkeit, von der Heilerin Elseby alles über die Heilkunde der Pflanzen zu lernen, auch wenn dieser Beruf nicht sehr angesehen ist. Als Anne vom Land nach Oslo zieht, um dort als Hausmädchen zu arbeiten, gerät sie alsbald in Schwierigkeiten und steht völlig allein und mittellos da. Sie muss sich irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen und besinnt sich auf die von Elseby gelehrten Weisheiten, um für ihr Auskommen zu sorgen und ihren Traum zu verwirklichen, anderen Menschen zu helfen…
Ellen Vahr hat mit „Die Gabe“ einen unterhaltsamen und gefühlvollen historischen Roman vorgelegt, in dem sie sehr eindrucksvoll das Leben einer ihrer Vorfahrinnen in ihrer Handlung verarbeitet. Der Schreibstil ist packend, bildhaft und flüssig, der Leser findet sich alsbald im 19. Jahrhundert in Norwegen wieder, um das recht karge und arbeitssame Leben von Anne und ihrer Familie sowie den ständigen Hunger kennenzulernen, und welche Sorgen und Nöte sie umtreiben. Zugleich zeigt sie auf, mit welchen Vorurteilen die Heilerinnen damals zu kämpfen hatten. Sie litten unter Verfolgung und schlimmstenfalls konnten sie sogar für die Ausübung ihrer Fähigkeiten bestraft werden, denn sie waren den damaligen Ärzten ein Dorn im Auge. Die einfache Bevölkerung konnte sich oftmals keinen Arzt leisten und suchte deshalb die Hilfe einer Heilerin. Was sich auch schon zur damaligen Zeit immer wieder bestätigt hat, gilt auch heute noch, denn manche Kräuter und Pflanzen tragen bei richtiger Anwendung sehr zum Wohlbefinden oder zur Heilung bei. Die Autorin lässt mit bildhafter Sprache die norwegische Landschaft vor dem inneren Auge des Lesers entstehen, auch der Spannungsbogen ist dauerhaft über dem Durchschnitt angelegt.
Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet und mit den nötigen Ecken und Kanten versehen. Sie wirken sowohl glaubwürdig als auch authentisch, so dass der Leser sich die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse gut vorstellen und seine Sympathien gerecht verteilen kann. Anne ist eine junge Frau, deren Familie immer am Rand des Existenzminimums lebt. Sie kennt das entbehrungsreiche Leben und scheut sich nicht vor harter Arbeit. Auch als ihr Traum von einer Ehe platzt, lässt sie sich nicht unterkriegen und orientiert sich neu. Ihren Wunsch, anderen zu helfen, verfolgt sie mit einer gewissen Hartnäckigkeit. Sie ist eine Frau, die nach vorn blickt und sich auch von Schicksalsschlägen nicht unterkriegen lässt. Elseby ist eine weise Frau, die in der Kräuter- und Heilkunde sehr bewandert ist und diese mit einer großen Sorgfalt anwendet. Jon ist Annes Jugendfreund, dem nach der Krankheit seines Vaters aufgrund von gesellschaftlichen Gepflogenheiten die Hände gebunden sind.
„Die Gabe“ ist ein schöner historischer Roman, der durch das Verweben von Fiktion und Wahrheit interessant und kurzweilig zu lesen ist. Verdiente Leseempfehlung für alle, die Geschichten über die alte Heilkunst lieben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.