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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1233 Bewertungen
Bewertung vom 01.05.2018
Blackwell, Juliet

Eines Tages in Paris


ausgezeichnet

Die Unbekannte aus der Seine

„Er wird mich niemals lebendig gehen lassen.“ (S. 35) steht in einem Brieffragment, den Claire beim Spielen unter der zerbrochenen Totenmaske einer wunderschönen Frau in einer Kiste aus Frankreich findet. Die Maske hatte ihr Großvater während des 2. WK aus Paris nach Hause (Louisiana) geschickt.
Jahre später liegt Claires Großmutter im Sterben. Claire arbeitet inzwischen als erfolgreiche Softwareentwicklerin, aber so richtig glücklich macht sie der Job nicht. Der letzter Wunsch ihrer Großmutter ist: Reise nach Paris und „Finde dieses Gesicht, da wartet ein Geheimnis auf Dich.“ (S. 40). Der Gedanke setzt sich in Claire fest und sie beginnt zu recherchieren. Die „Moulage de la Famille Lombardi, depuis 1871“, welche die Maske hergestellt hat, gibt es noch. Auf deren Website findet sie auch die Maske: „L’Inconnue“ – „Die Unbekannte aus der Seine“. Sie soll in den späten 1890ern ertrunken aus der Seine gefischt worden sein. Aber wer lässt eine Totenmaske von einer unbekannten Selbstmörderin anfertigen?
Claires Neugier ist geweckt, sie reist wirklich nach Paris. Die Moulage wird inzwischen von Armand und seiner Cousine Giselle betrieben. Sie haben sogar noch Unterlagen über „L’Inconnue“ und würden sie Claire gegen eine ungewöhnliche Gegenleistung zur Verfügung stellen ...

„Eines Tages in Paris“ handelt von Träumen und Sehnsüchten und wie enttäuschend deren Erfüllung sein kann.
Claire hat ihre Mutter früh bei einem Autounfall verloren und immer noch Albträume davon. Ihr Vater kümmerte sich nicht um sie, also wuchs sie bei ihrer Mammaw auf.
Auch Paris ist zu Beginn ganz anders als erwartet, die Postkartenromantik gibt es nicht. Außerdem sind die Frauen hier so modisch und elegant – sie kommt sich wie das hässliche Entlein vor. Erst nach und nach entdeckt sie dank Armand und Giselle die schönen Seiten der Stadt, ihre künstlerische Ader und söhnt sich mit ihrer Vergangenheit aus: „Lebst Du denn nicht dein eigenes Leben ...?“ (S. 259).
„Die Unbekannte“ kam Ende der 1890er auf der Flucht vor ihrem übergriffigen Vater vom Land nach Paris um Haushälterin zu werden. Stattdessen wird sie ein exklusives Künstlermodell. Endlich schöne Kleider und genug zu Essen, sogar Schokolade. Aber um welchen Preis? Die Angst wird wieder ihr täglicher Begleiter.

Das Buch ist sehr spannend, fast schon ein Krimi und die nächste Wendung nie vorhersehbar. Durch mehrere Zeitstränge und Rückblicke wird die Vergangenheit von Claire und „L’Inconnue“ enthüllt. Am Ende deckt Claire ein überraschendes Geheimnis auf, nach dem sie nie gesucht hat.

Wer meine Rezensionen regelmäßig liebt, weiß, wie sehr ich Paris liebe. Auch Juliet Blackwell ist es gelungen, das Flair dieser wandelbaren Stadt einzufangen und auf Papier zu bannen. Ich liebte die Spaziergänge mit Claire, die Streifzüge über die Märkte und die hervorragende französische Küche.
Übrigens liest Claire in Paris Romane über diese Stadt und ich bilde mir ein, in einem „Die Lichter von Paris“ von Eleanor Brown erkannt zu haben.

Abschließen möchte ich mit meinem Lieblingszitat: „Wenn doch nur die Narben des Lebens mit goldenen Linien repariert werden könnten.“ (S. 262). Was es damit auf sich hat, erfahrt Ihr im Buch ;-).

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.04.2018
Ribeiro, Gil

Lost in Fuseta / Leander Lost Bd.1 (6 Audio-CDs)


sehr gut

Mord an der Algarve
Hauptkommissar Leander Lost ist Asperger-Autist und Eidetiker. Da die deutschen Kollegen mit seiner Art nicht klar kamen, haben sie ihn im Rahmen eines Austauschprojektes nach Faro an die Algarve „weggelobt“. Dort ist er endlich in einem Team angekommen. Man schätzt gerade seine Andersartigkeit. Er ist extrem strukturiert und geht alles sehr analytisch an, dadurch wird er in einigen Situationen zu einer Art Mischwesen aus Mensch und Computer. Zum Team der Kripo in Faro gehören neben ihm auch seine Chefin Graciana Rosado und Carlos Esteves – der immer etwas zu Essen dabei hat und mich dadurch an Kjeld Jensen von der Olsenbande erinnerte.

Eines Tages erscheint die allzeit beliebte Polizistin Teresa nicht zum Dienst. Ihr Handy – welches sie normalerweise nie ablegt – liegt in ihrer Wohnung, die nur 300 m von der Dienststelle entfernt ist. Graciana Rosado befürchtet das Schlimmste. Kurz darauf wird Teresa wirklich ermordet aufgefunden. Warum musste sie sterben? Alle arbeiten auf Hochtouren. Gleichzeitig soll die Dienststelle aber auch eine angolanische Journalistin schützen, die gerade zu Besuch ist. Dass beide Fälle zusammenhängen, wird ihnen bald klar.

Ich kennen Leanders ersten Fall leider nicht, aber mir ist auch keine Stelle aufgefallen, an der mit Vorwissen fehlen könnte. Die Gegend und die Menschen werden toll beschrieben, dies hat der Autor geschickt mit der Handlung verknüpft.
Leander Lost habe ich sehr gemocht, gerade seine Marotten machen ihn menschlich. Er trägt sich mit dem Gedanken, Vater zu werden und hat sich dazu Teresas Tochter Eva ausgesucht, weil sie ebenfalls Asperger hat. Beide denken darüber ganz rational, dass sie eben kompatibler im Alltag sind als „normale“ Menschen. Nur leider liebt er Eva nicht. Ganz im Gegensatz zu Gracianas Schwester Soraya. Die löst ein warmes Gefühl bei ihm aus, aber was versteht er schon von der Liebe?!

Trotzdem man so viel über Protagonisten erfährt, hat die Krimihandlung genug Spannung und wird nicht langweilig. Fieberhaft suchen die Polizisten nach Teresas Mörder und dem Tatmotiv. Ihre wird Zeit immer knapper, weil die Journalistin bald weiterreisen wird und kommt es dann zu einem James-Bond-reifen Showdown.

Das Hörbuch ist sehr atmosphärisch, man hat das Gefühl, selbst an der Algarve zu sein und die Ermittlungen live zu verfolgen. Der Kriminalfall steht zwar nicht immer im Vordergrund, aber man verliert ihn auch nie aus den Augen.

Außerdem hat der Autor auch schon den Boden für weitere Teile der Reihe bereitet, indem er andeutet, dass Leander nach dem halben Jahr in Portugal in die nächsten Länder ausgeliehen wird. Vielleicht kann er sich ja aber auch dauerhaft nach Faro versetzen lassen und wirklich eine Familie gründen?
Auf jeden Fall werde ich mir jetzt den ersten Teil besorgen und abwarten, ob und wie es mit Leander weitergeht.

Bewertung vom 27.04.2018
Stolzenburg, Silvia

Die Launen des Teufels


sehr gut

Die Tochter des Glockengießers

Ulm 1349: Anabel ist die Tochter des skrupellosen Glockengießers Conrad und fürchtet sich genau wie ihre Stiefmutter und den drei kleinen Geschwister vor den Handgreiflichkeiten des Vaters. Der hält seine Familie extrem kurz, da er unbedingt vom Bau des Ulmer Münsters profitieren und in den Rat der Stadt aufgenommen werden will, das kostet natürlich Geld. Um seine Ziele zu erreichen, schreckt er weder vor Erpressung, Bestechung noch Mord zurück. Als Anabel dem Abt des Barfüßer-Kloster auffällt, in dessen Hospital sie arbeitet, zwingt Bertram seine Tochter in dessen Bett – schließlich ist dieser für die Vergab der Arbeiten am Münster zuständig ist. Doch Anabel ist in Bertram, den Gehilfen ihres Vaters verliebt und die Pest breitet sich unaufhörlich aus ... Kann das Paar rechtzeitig aus Ulm fliehen?

„Die Launen des Teufels“ ist der Auftakt der Ulm-Trilogie, die jetzt bei Gmeiner neu aufgelegt wurde. Silvia Stolzenburg erzählt darin relativ ungeschönt, wie das Leben damals wirklich war.
Die Kirche ist auf einem moralischen Tiefstand und das erstarkende Bürgertum versucht, sie endgültig zu entmachten. Gleichzeitig wütet die größte Pestwelle, die es in Europa je gegen hat.

Anabel gehört als Meisterstochter der oberen Gesellschaftsschicht an, steht aber unter der Munt ihres Vaters und hat sich, wie ihre Stiefmutter und Geschwister, allen seinen „Wünschen“ zu beugen. Sie sind völlig rechtlos, häusliche Gewalt ist ihr täglicher Begleiter. Selbst wenn ihr Vater sie totprügeln würde, müsste er nur eine Bußzahlung leisten („Die Frau sei dem Manne untertan ...“).
Der Gehilfe Bertram ist noch schlechter dran. Sein Vater war Steinmetz, hat allerdings die Meisterwürde verloren und musste seinen Sohn an Conrad verkaufen, um selbst überleben zu können. Damit wurde dieser zu Conrads Sklaven.
Die Angst des Hausstandes vor dem sadistischen Familienoberhaupt und seinen Grausamkeiten werden sehr lebendig beschrieben und haben mir beim Lesen mehrmals Gänsehaut beschert – genau wie die zarte und gefährliche Liebesgeschichte von Anabel und Bertram.

Ein weiteres sehr spannendes Thema des Buches ist das Ausbreiten der Pest. Die Menschen gingen zu Beginn noch recht unbedarft mit den Erkrankten um. Es gab Streitigkeiten bezgl. der Behandlungsmöglichkeiten und vorbeugenden Maßnahmen. Hygiene und Sauberkeit wurde nicht gerade großgeschrieben, Gesunde und Kranke nicht getrennt.
Die Kirchenoberen versuchen, die Pest mit dem „nicht gottgefälligen“ Leben der Menschen zu erklären, obwohl sie selber ebenfalls gegen sämtliche Gebote verstießen. In diesem Zuge sind sie bestrebt, auch die Beginen endlich in die Kirche einzugliedern (und sich damit ihre Besitztümer anzueignen), die sich bis dato selbstverwalteten. Dabei schreckten sie selbst vor Anklagen wegen Hexerei nicht zurück. Wenn das die Taten der Männer Gottes sind, braucht man sich vor dem Teufel nicht zu fürchten.“ (S.292)

Silvia Stolzenburg schreibt sehr spannend, fesselnd und mitreißend. Die Liebesgeschichte war mir ein einigen Stellen zwar ein kleines bisschen zu viel, aber ich bin trotzdem sehr neugierig, wie es im nächsten Band weitergeht.

Bewertung vom 24.04.2018
Herzog, Katharina

Zwischen dir und mir das Meer / Farben des Sommers Bd.2


ausgezeichnet

Wunderbar leichter und trotzdem tiefsinniger Sommerroman

Lena ist auf Amrum geboren und aufgewachsen. Sie arbeitet als Krankenschwester im Hospiz. Ihr Vater ist Fischer und seit dem Tod seiner Frau Mariella vor vielen Jahren fast verstummt: „In gewisser Weise hatten sie nicht nur ihre Mamma, sondern auch ihren Vater ans Meer verloren.“ (S. 70). Mariella war Italienerin und ist im Meer ertrunken, als Lenas kleine Schwester Zoe erst 3 Jahre alt war.
Eines Tages lernt Lena den Italiener Matteo am Strand kennen. Beide haben das Gefühl, sich von irgendwoher zu kennen, aber Matteo war noch nie auf Amrum und Lena noch nie in Italien. Schon am nächsten Morgen reist Matteo überstürzt ab, zurück lässt er eine Mappe mit Fotos von Mariella, die in ihrer Jugend in Italien entstanden sind. Lenas Vater will nicht über seine Frau oder die Fotos reden, aber Zoe erkennt die Gegend auf den Bildern wieder – die Amalfiküste. Lena und Zoe reisen nach Italien, um nach ihrer Mutter zu forschen und evtl. auch Matteo zu finden, der Lena nicht mehr aus dem Kopf geht.

Obwohl Katharina Herzogs neuer Sommerroman auf den ersten Blick wie eine Liebesgeschichte klingt, steht diese für mich nicht im Vordergrund. Es geht vorranging um die Suche der Schwestern nach der Vergangenheit und Herkunft ihrer Mutter und damit auch nach sich selbst. Die jungen Frauen sind sehr verschieden und gehen auch unterschiedlich mit dem Verlust um.
Lena klammert sich an Amrum und das Meer, ist aber nie wieder schwimmen gegangen. Ihren Traum Ärztin zu werden hatte sie wegen ihrer Jugendliebe Ole aufgegeben und wurde stattdessen Krankenschwester. Sie kann ihr Leben nicht genießen, solange sie nicht mit dem Tod ihrer Mutter abschließt, findet Zoe „Schmerz geht nur weg, wenn man sich ihm stellt.“ (S. 106). Diese hingegen reist um die ganze Welt und finanziert sich durch Gelegenheitsjobs. Jeder neue Ort oder Job ist ein Abenteuer, für das sie sich neu erfindet: „Man kann alles sein, was man will.“ (S. 161). Auf der Reise müssen sich die Schwestern trotzt ihrer unterschiedliche Lebensentwürfe endlich aussöhnen und zusammenraufen.

In einem zweiten Handlungsstrang geht es um Mariellas Jugend und ihr einfaches Leben in Italien. Auch sie wächst ohne Mutter auf. Ihr Vater (Babbo) arbeitet hart auf einer Zitronenplantage und stellt nebenbei den besten Limoncello der Gegend her. Ihre Freundin ist die Tochter des Plantagenbesitzers und so lernt Mariella schon früh die extremen Unterschiede zwischen arm und reich kennen.

„Zwischen dir und mir das Meer“ ist ein Buch zum Festschmökern und hat mir sehr gut gefallen. Ich konnte an keiner Stelle vorausahnen, wie die Geschichte weitergeht, so dass es bis zum Ende spannend blieb. Ich habe es genossen, mit Lena und Zoe die Amalfiküste zu erkunden, die Sonne und das Meer auf der Haut förmlich zu spüren und natürliche Babbos berühmten Limoncello zu verkosten.

Mein Lieblingszitat ist übrigens folgendes: „Das Leben ist zum Glück keine Einbahnstraße. Anders als die Bewohner in deinem Hospiz kannst Du einfach umdrehen und eine andere Abzweigung wählen.“ (S. 274)

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.04.2018
Gordon, Kat

Kenia Valley


sehr gut

The Happy Valley Set

Theo ist 15, als er mit seiner Familie 1925 nach Kenia kommt. Sein Vater ist der neue Direktor der Uganda-Eisenbahn und Theo soll ihm später auf diesen Posten folgen. Aber erst einmal gilt es, erwachsen zu werden. „Und? Alles bereit für unser neues Leben?“ (S. 19)
Theo und seine jüngere Schwester Maud lebten bis dato sehr behütet, nun lernen Freddie Hamilton und Sylvie de Croÿ kennen. Diese sind nur 10 Jahre älter, trotzdem trennen sie Welten. Schnell ist klar, dass beide ein Paar und verheiratet sind, aber eben nicht miteinander. Sie gehören zum „The Happy Valley Set“ und nehmen Theo in ihren Kreis auf, sehr zum Ärger seiner Mutter.
Für Theo bedeutet die Freundschaft Freiheit – nächtliche Kricketturniere im Club, heimliche Pferderennen und Partys, bei denen die Gastgeberin ihre Gäste nackt in der Badewanne empfängt ... Natürlich wird dabei auch über Politik geredet, aber die interessiert Theo nicht.
Maud hingegen stoßen die Ungerechtigkeiten im Land auf. Warum sollen die weißen Herren besser als die schwarzen Ureinwohner sein?! Warum wohnen ihre afrikanischen Diener in Lehmhütten und nicht mit im Haus?! Schließlich brauchen die Weißen sie zum Leben. Aber: „Man sollte nie jemanden wissen lassen, wie sehr man ihn braucht. Es verleiht ihm Macht.“ (S. 125)

Zum Studium geht Theo nach England und als er 1933 zurück nach Kenia kommt, ist die Zeit der großen Partys ist vorbei. Die Nationalsozialsten drängen an die Macht und die Weißen haben Angst um ihre Privilegien, es gab viele Missernten und immer mehr Schwarze wehren sich. Auch Freddie sympathisiert inzwischen mit den Faschisten weil „... die derzeitige Regierung die Bedürfnisse seiner im Ausland lebenden Bürger aus den Augen verloren hat.“ (S. 259). Und Theo? Der langweilt sich bei seiner Arbeit für die Eisenbahn, während Maud versucht, die herrschenden Verhältnisse wenigsten im Kleinen auf ihrer Farm zu verändern.

Theo war mir nicht immer sympathisch. Dazu ist er zu beeinflussbar und nur auf sein Vergnügen aus. Er betet Freddie und Sylvie an. Nichts was sie tun, stellt er in Frage – auch wenn ihre moralischen Grundsätze mehr als fragwürdig sind. Von seiner Mutter fühlt er sich ungeliebt, was ich durchaus nachvollziehen konnte. Sie ist scheinbar grundlos extrem streng und lieblos zu ihm und schreckt auch vor körperlicher Züchtigung nicht.
Maud ist das ganze Gegenteil. Sie interessiert sich für die Menschen in ihrer Umgebung, Hautfarbe und Beruf sind ihr dabei egal. Dass sie sich damit selbst in Gefahr bringt, sieht sie nicht.
Besonders fasziniert hat mich, dass hier auch mal reiche Frauen ihre jüngeren (und ärmeren) Ehemänner aushielten. So fortschrittlich hätte ich mir die Zeit und den Ort gar nicht vorgestellt.

Das Afrika der 20er und 30er Jahre wird so beschrieben, wie ich es mir vorgestellt hatte: Hitze, Staub, wilde Tiere, exotisches Essen, die dekadente Lebensweise der Kolonialherren und die aufkeimende Unruhe unter den Ureinwohnern. Neu für mich war allerdings, dass Hitler sogar die dortige Politik beeinflusst hat.

Bewertung vom 19.04.2018
Abrahamson, Emmy

Wie ich mich auf einer Parkbank in einen bärtigen Mann mit sehr braunen Augen verliebte


ausgezeichnet

Was das Herz begehrt

Hast Du Dich schon mal in den richtigen, völlig falschen Mann verliebt? Ich weiß, das klingt verwirrend, doch genau so ergeht es Julia. Sie verliebt sich in Ben mit den tollsten brauen Augen, die sie je gesehen hat. Und er verliebt sich in sie. Aber er ist ein Penner und lebt in einer großen Hecke im Park ...

Dies ist eines der Bücher, in das man nur mal kurz reinlesen will und schon mittendrinn ist. Emmy Abrahamson beschreibt sehr witzig ihre eigene Liebesgeschichte – ja, die Geschichte ist wahr!

Julia arbeite als Englischlehrerin am Berlitz Institut in Wien. Eigentlich ist sie Schwedin, aber vor 5 Jahren wegen ihrem Freund nach Österreich gezogen. Die Beziehung hielt nicht, aber Julia blieb. Ihr Leben ist ziemlich eingefahren (um nicht zu sagen langweilig). Sie gibt so viel Unterricht, wie sie nur kann und die Wochenenden versucht sie irgendwie totzuschlagen, da ihre Freunde alle verheiratet sind und keine Zeit haben. „Ich mag mein Leben. ... Ich brauche nicht mehr, und meine Einsamkeit macht mich weder unglücklich noch möchte ich ihretwegen bemitleidet werden.“ (S. 41)
Und nun ist da also Ben, der ihr bereits beim Kennenlernen sagt, dass sie die Frau seines Lebens ist und sie heiraten und Kinder haben werden. Es ist das tollste Date, das sie je hatte. „Unter seinem Schmutz ist Ben einer der schönsten Männer, denen ich je begegnet bin, und er besitzt ein erstaunliches Maß an Selbstsicherheit, Stolz und Humor.“ (S. 64) Aber sie schämt sich für ihn. Kann sie eine Beziehung mit einem Penner haben? Ihre Freunde sagen nein, doch sie springt über ihren Schatten und lässt ihn bei sich einziehen. Natürlich prallen da Welten aufeinander. Er trinkt ziemlich viel Alkohol (alle Penner saufen, weil man sonst bei der Kälte draußen nicht schlafen kann, erzählt er) und hatte schon viele Scheiß-Jobs – da ist er lieber Penner. Sie sind eben sehr verschieden, aber auch sehr verliebt. Ben ist immer fröhlich und sehr ehrlich, er versucht durch Schwarzarbeit für seinen Unterhalt selbst aufzukommen, aber er würde sich nie wegen ihr verbiegen oder ihre Freunde anlügen. Er schämt sich im Gegensatz zu ihr nicht für sein Dasein. Doch die Angst, was die Menschen in ihrer Umgebung über ihn denken, kann Julia nicht ablegen. Immer wieder geraten sie deswegen in Streit und immer wieder versöhnen sie sich, bis Julia beleidigend wird ...

Emmy Abrahamson schreibt sehr humorvoll und warmherzig. Ich habe Julia für ihren Mut bewundert, sich auf die Beziehung zu Ben einzulassen, über ihren Schatten zu springen und sich zu ihm zu bekennen und damit über sich hinauszuwachsen. Ich weiß nicht, wie ich in ihrer Situation gehandelt hätte. Sie zeigt uns, dass wir nicht immer nur auf den ersten Eindruck achten, sondern auch hinter die Fassade unseres Gegenübers schauen und tolerant sein sollten.

Mir hat diese berührende, wahre Geschichte sehr gut gefallen und ich kann sie Euch nur empfehlen.

Bewertung vom 15.04.2018
Fielstedde, Kerstin

Kamikatze


sehr gut

Das Buch so komplett anders, als ich erwartet habe. Gut, im Klappentext steht „James Bond kann einpacken. Die iCats decken auf.“ Aber ich wäre doch nie auf die Idee gekommen, dass das wörtlich gemeint ist!

Indy, Top-Agentin beim KGB (KatzenGeheimBund), wird auf einer Mission mitten in Berlin von Ratten entführt. Ihr Bruder Ian, eigentlich ein ängstlicher Wohnungskater, will sie unbedingt retten, traut sich aber allein nicht und bittet den IT-Spezialisten Maxim, einen Norwegerkater, um Hilfe. Auch der BND (Bund neugieriger Dobermänner) sucht Indy und schickt den Luftaufklärer Kilo Foxtrott (einen Spatzen) und den Undercoveragenten Honeyball (einen Papillon-Hund) los. Die beiden Suchtrupps begegnen sich in Berlins Unterwelt und werden bald durch den Guerilla-Regenwurm 3.1 und die Sprengstoffexperten-Ratte Xplode ergänzt. Man verbündet sich unter dem Motto: „Für Indy. Für die Freundschaft. Für das Gute.“ (S. 52)

Ihr merkt schon, das Ganze ist ziemlich abgedreht. Zum einen werden den Tieren ihre spezifischen Eigenschaften gelassen, aber auf der anderen Seite stellen sie James Bond echt in der Schatten. Zusammen geht es gegen das Böse, den König der Unterwelt – Prof. Sumo – einen fetten Maulwurf. Dieser hat seine Pfoten anscheinend in jedem Bauprojekt der Republik, das gerade schief geht. Sei es der BER oder der Stuttgarter HBHF, Sumo hängt da irgendwie drin. Wie genau, das sollte Indy beweisen, aber mehr als eine kryptische Nachricht an Ian konnte sie den iCats nicht hinterlassen.

Ich habe ja schon einige Tierkrimis gelesen, bin mir aber ehrlich gesagt nicht sicher, ob das Buch wirklich unter der Bezeichnung Krimi laufen sollte. Ok, es geht darum, Indy zu finden und Sumos Machenschaften aufzudecken, aber eigentlich ist die Handlung eine Abwechslung verrückter Jagdszenen durch Berlins Katakomben und brutaler Kämpfe gegen verschiedene Bösewichte. Dabei kommen Waffen und Techniken zum Einsatz, die jeden menschlichen Geheimagenten blass aussehen lassen.
Versteht mich nicht falsch, die Handlung ist sehr kurzweilig und oft auch witzig, mit sehr anspruchsvollen Hintergründen wie Drogenmissbrauch und Tierversuchen, aber eben kein Tierkrimi im herkömmlichen Sinne. Ich würde es als Fantasy-James-Bond-Tier-Spionage-Agenten-Abenteuerroman bezeichnen ;-).

Wer einen Katzenkrimi sucht, der eigentlich ein sehr originelles Actionspektakel ist, dem lege ich „KamiKatze“ sehr ans Herz. Das Buch wird nie langweilig und ist mal was ganz anderes.

Bewertung vom 14.04.2018
Niels, Greta

Ines und die grasgrüne Liebe


ausgezeichnet

Kandidat 1, 2 oder 3? Für wen soll sich Ines entscheiden? Den exaltierten Künstler Paul Hugo Iffland (kurz Piff), den draufgängerischen Anstreicher Lasse oder den sensiblen Tierarzt Dr. Naux? Noch vor wenigen Monaten hätte sich Ines (kurz vor ihrem 50. Geburtstag und schon ewig Single) nicht vorstellen können, dass sie gleich unter drei Männern wählen könnte ...

Angefangen hat alles mit „Hugo in the Box“. Hugo ist ihr ungeschickter Kanarienvogel, der sich immer wieder verletzt. Und so sitzt sie eines Nachts in der Tierarztpraxis von Dr. Naux, ihr gegenüber ein sehr charmanter Mann mit Wohlstandsbäuchlein, Halbglatze und Hund – eigentlich gar nicht ihr Typ. Aber eben sehr charmant. Und er bemüht sich richtig um sie, das hat schon lange kein Mann gemacht, dabei ist sie doch noch ganz ansehnlich. Soll sie sich mit ihm zum Frühstück treffen oder nicht?

Ihre Bilanz bisher: Jung schwanger, jung geheiratet und jung geschieden. Danach ein paar längere Beziehungen, nie die große Liebe. Aber sie hat eine wundervolle Tochter, den kapriziösen Hugo, eine große kleine, ständig um ihr Liebesleben besorgte, Schwester mit dem treffenden Namen Maxima und eine beste Freundin - Angelika. Ihr Geld verdient sie als freischaffende Grafikerin und in letzter Zeit träumt sie davon, sich vor ihrem 50. Geburtstag noch mal so richtig zu verlieben. „Warten ist nie gut. Lieber handeln. Sich nach etwas Neuem umschauen.“ (S. 290) rät ihre 92jährige Großtante Betty.

Ines lässt sich auf ihre „alten Tage“ also noch mal auf eine Beziehung ein. Aber Liebe ist nie leicht, egal in welchem Alter. Ihr Partner macht es ihr einfach, sich in ihn zu verlieben, doch schwer, daran festzuhalten. Ein Auf und Ab der Gefühle beginnt, an das ich mich noch gut erinnern kann – auch wenn ich nun schon seit 20 Jahren vergeben bin. Zumal Ines es lange vor Familie und Freunden geheim hält. Es kommt wie´s kommen muss – die Sache geht ihr (zu) sehr ans Herz.

Greta Niels hat mit „Ines und die grasgrüne Liebe“ eine wunderbar realistische und herrlich lustige Liebesgeschichte für Frauen jenseits des Teenageralters geschrieben. Das Leben ist nämlich auch mit 50 noch nicht vorbei und die Libido noch vorhanden ;-). Ich habe mich mehrfach gefragt, ob Greta zumindest Teile der Geschichte evtl. selbst erlebt hat – so authentisch wirken die Situationen. Die Protagonisten sind mitten aus dem Leben gegriffen und ich weiß gar nicht, wen ich da am liebsten mag – ihren lebensfremden Schwiegersohn Dustin oder doch die abgeklärte Großtante Betty?!

Ich verrate Euch übrigens ausnahmsweise mal den (fast) letzten Satz des Buches: "Bist Du sexy, ming Jung?" Wenn ihr jetzt wissen wollt, was der mit der Geschichte zu tun hat, werdet ihr sie lesen müssen ;-). Viel Vergnügen!

Bewertung vom 10.04.2018
Sosnitza, Ulrike

Hortensiensommer


gut

Zu viel Drama, zu wenig Gefühl

Johanna lebt seit ihrer Scheidung allein in dem großen Haus am Hang, darum vermietet sie die Einliegerwohnung. Eine der Mietbedingungen ist, dass der Mieter den riesigen Garten nicht betreten darf – Mathelehrer Philipp schreckt das nicht ab. Er hat sich schon beim Besichtigungstermin in Johanna verguckt, auch wenn sie immer traurig und abweisend wirkt: „Ich mag das, wenn man hinsehen muss, um den wahren Kern zu erkennen.“ (S. 81)
Obwohl Johanna ihm immer wieder klar macht, dass sie keinen über das Notwendigste hinausgehenden Kontakt mit ihm will, schafft er es irgendwann, ihren Panzer zu knacken – sie kommen sich näher. Doch als sie kurz darauf erfährt, dass Philipp geschieden ist und seine kleine Tochter von nun an regelmäßig bei ihm leben wird, kündigt sie ihm.

Ich kannte Ulrike Sonsitzas Schreibstil bereits durch ihr Buch „Novemberschokolade“ und hatte mir ein inhaltlich ähnliches Buch erhofft, aber leider konnte mich „Hortensiensommer“ nicht überzeugen.
Johanna war mir zu wehleidig und egozentrisch – ja, sie hat einen schlimmen Verlust erlitten, aber nicht nur sie. Trotzdem tut sie so, als liege alles Leid der Welt auf ihren Schultern und merkt nicht, dass z.B. auch Philipp, ihr Ex-Mann oder ihre Schwester Probleme und Sorgen haben. Die anderen machen es ihr aber auch (zu) leicht – wirklich jeder nimmt Rücksicht auf sie. Selbst Philipp, der gar nicht weiß, worum es eigentlich geht. Egal was Johanna sagt oder tut – ihr Gegenüber hält still, bietet nie Paroli und nie, wirklich nie, darf „ES“ angesprochen werden.
Auch Philipp hat mich nicht völlig überzeugt. Er ist zu schnell unsterblich verliebt und sieht zu lange über ihre sämtlichen Fehler und Unfreundlichkeiten hinweg. Einem realen Mann wären doch zumindest mal leise Zweifel gekommen oder?
Zwar waren mir Johanna und Phillip zu eindimensional und oberflächlich, dafür fand ich Johannas Schwester und deren Mann sehr gelungen und glaubhaft. Sie stecken immer zurück, damit Johannas Trauma ja nicht wieder aufgewühlt wird und versuchen sie behutsam ins Leben zurückzuholen.

Was mich ebenfalls etwas gestört hat, war der sehr langatmige und weitschweifige Einstieg ins eigentliche Thema des Buches. Johannas Trauma wird in der ersten Hälfte immer wieder angedeutet, dadurch ist die „Überraschung“ weg, als es dann raus kommt. Auch das ewige Hin- und Her, ob sie Philipp nun mag oder nicht und sich mit ihm einlässt, war mir zu viel „Drama“.

Das Ende und das tolle Setting haben mich dann wieder etwas mit dem Buch versöhnt. Den Handlungsort Sommerhausen gibt es wirklich, er scheint malerisch gelegen zu sein, und auch die beschriebenen Pflanzen und Gärten trugen viel zum Flair des Buches bei.

Mein Fazit: Der Spagat zwischen behutsamer Liebesgeschichte und dem Aufarbeiten eines Traumes ist der Autorin in meinen Augen leider nicht gelungen.