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Baerbel82

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Insgesamt 964 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2014
Schweres, Thomas

Die Abtaucher


ausgezeichnet

Sympathy for the Devil

Tatort Dortmund: Ein unbekannter Mann hat sich in einem Reihenhaus einquartiert und wartet auf Merid, einen Albaner. Er will ihn umbringen. Als Lockmittel hat er einen BMW-SUV vor der Tür geparkt. Wer ist dieser Mann und was ist sein Motiv? Anschließend lernen wir Kommissar Georg Schüppe kennen, genannt „der Spaten“. Gemeinsam mit seinem Kollegen Holger Krokowski, alias Kroko, wird er zu einem Tatort gerufen: Der Sohn des Reihenhausbesitzers hat die Leiche des ermordeten Albaners gefunden.

Reporter Tom Balzack von Broadcast.tv wittert die Story seines Lebens und begibt sich zusammen mit Kameramann Harry und Assistentin Lydia ebenfalls auf die Suche nach dem Täter. Auch die Konkurrenz - Andreas Schneidengel, Roberto und Charly - schläft nicht. In einem anderen Handlungsstrang geht es um den Kinderschänder Heinz, der rückfällig geworden ist. Tom besucht einen Informanten, den Zigeunerkönig Krohl. Der hat nicht nur Heinz gefilmt, sondern auch den BMW-Besitzer und somit den Mörder des Albaners.

Und dann passiert ein zweiter Mord: Frank Reinhardt, Hobbyornithologe und ein alter Bekannter von Schüppe. Handelt es sich um denselben Täter? Wo ist die Verbindung? Die Spur führt die Ermittler auch ins Ausland, unter anderem nach Österreich und Holland. Wer ist gut, wer ist böse? Nichts ist wie es scheint. Niemand ist, was er zu sein scheint. Als Schüppe mit Toms Hilfe erkennt, dass er nicht nur beruflich, sondern auch persönlich in den Fall verstrickt ist, ist es schon fast zu spät...

„Die Abtaucher“ ist ein Slow Burner, von der Krimi-Klamotte zum rasanten Thriller. Das Buch ist eine extrem tiefenscharfe und nicht selten bissige Milieu-Beobachtung. Man muss es lesen, um es zu begreifen. Ein Heer von Protagonisten, das Thomas Schweres sich da ausgedacht hat. Die teils skurrile Figurenzeichnung entspricht dem unterhaltsamen Geschehen. Mein Lieblingscharakter ist Tom: Ähnlich wie der Autor selbst, treibt er sich auf dem Boulevard herum und träumt von einer Karriere als Krimiautor.

Den Spannungsaufbau finde ich gelungen. Der Erzählstil ist knochentrocken, die Sprache schnoddrig, oft politisch inkorrekt und provokant. Auf 220 Seiten kein Wort zu viel, keins zu wenig. So lässt sich die Geschichte flott lesen. Aber ich mag es ja, wenn sich jemand kurz fassen kann. Kaum zu glauben, dass es sich bei „Die Abtaucher“ um einen Debütroman handelt. Noch dazu von einem deutschen Autor. Schon die ersten Kapitel sind so schräg, dass man diesen spannenden Kriminalroman nicht mehr aus der Hand legt.

Dass Thomas Schweres im Finale noch mal richtig Gas gibt, rundet das Lesevergnügen ab. Ein paar Punkte bleiben offen und das ist auch gut so! Denn die Figuren haben meiner Meinung nach reichlich Potenzial. Und so freue ich mich schon heute auf den nächsten Fall für Tom und „den Spaten“.

Fazit: Ganz großes Kino, bitte mehr davon!

Bewertung vom 09.06.2014
Nommensen, Thomas

Ein dunkler Sommer / Kommissar Arne Larsen Bd.1


ausgezeichnet

Schuld und Sühne

Wer ist das Opfer, wer ist der Täter? Das ist hier lange die Frage. Um es gleich vorweg zu nehmen, „Ein dunkler Sommer“ von Thomas Nommensen ist für mich DAS Krimi-Highlight dieses Jahres! Doch worum geht es?
Ort der Handlung ist das fiktive Nordermühlen in Norddeutschland: Ein kleines Mädchen wird entführt und stirbt einen qualvollen Tod. Jens Brückner wird verurteilt, weil sein Alibi geplatzt ist. Aber ist er wirklich der Täter oder auch ein unschuldiges Opfer?
Zehn Jahre später: Als Brückner aus der Haft entlassen wird, hat er alles verloren. Auf Anraten seines Therapeuten hat er sich eine Liste gemacht und besucht nun alle Personen, die im Prozess eine Rolle gespielt haben. Will er sich rächen?
Denn kurz darauf wird Oskar Sartorius, der eine kleine Werkstatt betreibt, grausam ermordet. Er war im Prozess der Hauptbelastungszeuge. Hat der Täter von damals wieder zugeschlagen? Hauptkommissar Arne Larsen und sein Team ermitteln.
Gregor Harms, Larsens Vorgänger, der Brückner seinerzeit ins Gefängnis gebracht hatte, ist inzwischen im Ruhestand. Er fühlt sich jedoch immer noch schuldig, weil er den Tod des kleinen Mädchens nicht verhindern konnte. Als abermals ein Kind verschwindet, wird auch Harms erneut aktiv.
In dem äußerst komplexen Fall sind Ermittler und Leser enorm gefordert und werden immer wieder auf falsche Fährten gelockt. Geradezu brillant führen die Spuren zu scheinbar Verdächtigen, um dann ins Leere zu laufen. Thomas Nommensen geht dabei als Erzähler wirklich geschickt vor, denn er schildert das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven.
Die Tiefen der menschlichen Psyche, die vom Autor aufgezeigt und ausgeleuchtet werden, lassen zuweilen den Atem des Lesers stocken. Neben dem ausgezeichneten Spannungsbogen ist der Plot an sich hervorragend gelungen. Und dass der Autor im Finale nochmals richtig Gas gibt, rundet das Lesevergnügen ab.
Mit Arne Larsen hat der Autor eine Figur erschaffen, die ein wenig an Tony Hill, den Profiler in den Krimis von Val McDermid erinnert. Aber Larsen ist noch jung und hat meiner Meinung nach noch reichlich Potenzial. Und so freue ich mich schon heute auf den nächsten Fall.

Fazit: Wer ist das Opfer, wer ist der Täter, was ist sein Motiv? Thomas Nommensen erzählt die hochkomplexe Geschichte in perfektem Tempo und mit stetig steigender Spannung bis zum überraschenden Ende. Definitiv mein Krimi-Highlight dieses Jahres, deshalb satte 5*!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.05.2014
Wittkamp, Rainer

Kalter Hund / Martin Nettelbeck Bd.2


ausgezeichnet

Liebe ist…

„Kalter Hund“ ist bereits der zweite Fall für den Berliner LKA-Ermittler Martin Nettelbeck. Dennoch handelt es sich um einen eigenständigen Roman, der auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann. Worum geht es?

Bilal Gösemann braucht Geld für die Verabschiedung seines besten Freundes. Walid Sharif, genannt Abu Halil, will seine Tochter Fatima verheiraten. Hasso Rohloff, ein alternder Playboy, hat Potenzprobleme und Kriminalrätin Jutta Koschke will endlich den Verbrecher Richard Ploog hinter Gitter bringen. Was haben all diese Personen und Handlungsstränge miteinander zu tun?

Bevor die eigentliche Geschichte beginnt, gibt es schon den ersten Toten. Als dann auch noch eine Frau unter ungeklärten Umständen vom Balkon stürzt, bekommen Martin Nettelbeck und sein Team alle Hände voll zu tun…

Ein Heer von Protagonisten, das Rainer Wittkamp sich da ausgedacht hat. Die teils skurrile Figurenzeichnung entspricht dem unterhaltsamen Geschehen. Schnell ist klar, dass das Schlitzohr Gösemann die Verbindung zwischen den Erzählsträngen ist. „Kalter Hund“ ist eine extrem tiefenscharfe und nicht selten bissige Milieu-Beobachtung.

Mein Favorit ist Nettelbeck: Klug und smart, erfolgreich im Job, aber nicht zu ehrgeizig. Zudem hat er viel Empathie und spielt Posaune. Leidvolle Erfahrungen (siehe Vorgänger „Schneckenkönig) haben ihn nicht zynisch oder sarkastisch werden lassen. Im Gegenteil: er überrascht als Teamplayer! Und er hat sogar ein Privatleben, das ihm zunehmend wichtiger zu werden scheint.

Den Spannungsaufbau finde ich gelungen. Der Erzählstil ist knochentrocken, die Sprache schnoddrig, oft politisch inkorrekt und provokant. Auf 250 Seiten kein Wort zu viel, keins zu wenig. So lässt sich die Geschichte flott lesen. Aber ich mag es ja, wenn sich jemand kurz fassen kann.

Schon das erste Kapitel (schräg!) hat meine Neugier geweckt. Dass der Autor im Finale noch mal richtig Gas gibt, rundet mein Lesevergnügen ab. Die Figur Martin Nettelbeck - einschließlich seines Teams - hat meiner Meinung nach noch reichlich Potenzial. Und so freue ich mich schon heute auf den nächsten Fall.

Fazit: Ganz großes Kino, bitte mehr davon!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2014
Berg, Hendrik

Deichmörder / Theo Krumme Bd.1


ausgezeichnet

Blanker Hans und Schwarzer Mann

Ein kleines Dorf an der nordfriesischen Küste Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Dorfbewohner sind in der Kirche und eine junge Frau denkt sehnsüchtig an ihren Mann Boye, der zur See fährt. Sie hat Angst vor Knecht Hans, der sie schon mehrfach bedrängt hat. Währenddessen zieht ein schwerer Sturm auf und der Deich bricht…

Heute: Die Erzieherin Eva Becker und ihr Mann Till sind aus Berlin nach Kleebüll in Nordfriesland gezogen, in ein altes Haus direkt am Deich. Es war wohl eher eine Flucht, denn in Berlin wurde Eva von Mario Stein gestalkt. Dieser Stein ist nach wie vor in Freiheit und von Eva besessen. Doch es geht auch um Liebe und Vertrauen, Angst und Zweifel. Denn Eva und Till können seitdem nicht mehr miteinander reden.

In Kleebüll werden Eva und Till von Hauptkommissar Holger Mannsen und seinem Kollegen Todde observiert. Auch in Berlin ist die Polizei nach wie vor im Einsatz. Kriminalhauptkommissar Theo Krumme beobachtet die alte Wohnung der Beckers, weil er Stein für einen gefährlichen Psychopathen hält.

Die Idylle am Deich ist trügerisch. Eva wird auch in Kleebüll von Albträumen - oder sind es Visionen? - geplagt. Zum einen glaubt sie wiederholt einen „schwarzen Mann“ zu sehen, zum anderen den Geist von Inken, die vor 150 Jahren in ihrem Haus wohnte. Weitere mysteriöse Dinge geschehen, bis zu einem imposanten Finale, in dem Vergangenheit und Gegenwart auf dramatische Weise zusammentreffen…

„Deichmörder“ von Hendrik Berg ist ein spannender, atmosphärisch dichter Kriminalroman. Wenn die Geschichte ausschließlich in einer großen Stadt wie Hamburg oder Berlin spielen würde, würde diese mystische Komponente nicht funktionieren. Aber in einem alten Haus am Deich, im fiktiven Dorf Kleebüll, passt sie ausgezeichnet. Zumal die Beckers nicht die Einzigen sind, die scheinbar einen Hausgeist haben.

Daneben erfreut sich der Leser an der intensiven Landschaftsbeschreibung und dem angenehm ruhigen Erzählstil des Autors. Zudem sind alle Figuren äußerst liebevoll gezeichnet. Der heimliche Hauptdarsteller dieses Romans ist jedoch die malerische Landschaft. Außerdem lernt der Leser viel über das Leben an der Küste, nicht nur über das Boßeln. Und so freue ich mich schon auf die geplante Fortsetzung.

Fazit: „Deichmörder“ ist eine gelungene Mischung aus Krimi und Mystery, vor der idyllischen Kulisse Nordfrieslands. Voller Atmosphäre und Aberglaube. Unheimlich gut!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.