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yellowdog

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Insgesamt 2103 Bewertungen
Bewertung vom 18.05.2021
Langroth, Ralf

Die Akte Adenauer / Philipp Gerber Bd.1


gut

Eine bedrohliche Zeit

Die Akte Adenauer handelt abgesehen vom Prolog 1945 im Wahljahr 1953. Einige Kapitel geben den Ablauf der Tage bis zur Wahl an, daran kann sich der Leser orientieren.

Der Protagonist, Krimniakhauptkommissar Philipp Gerber ist ein Held klassischer Schule, wie aus den guten alten Agentenromanen.
Auch mit den Damen weiß er umzuspringen. Er hat Fähigkeiten, ist fit und durchsetzungsfähig. Seine Herkunft ist interessant, denn obwohl deutscher Abstammung war er lange Amerikaner.
Das lässt die Frage zu, ob er sich mehr als Deutscher oder als Amerikaner fühlt.
Jetzt hat er eine wichtige Position beim Bundeskriminalamt bekommen. Gerber schafft es als Charakter, den Roman zu tragen.

Eine intererssante Figur hätte Eva Herden werden können, aber meiner Meinung nach bleibt die Figur hinter ihren Möglichkeiten.

Dem Autor Ralf Langroth gelingt es tatsächlich, die politisch angespannte Zeit der frühen Fünfziger Jahren zu porträtieren.
Adenauer selbst hat nur Kurzauftritte, aber immerhin.

Es ist ein sorgfältig geschriebener krimi, der bietet, was man erwartet. Das heißt aber gleichzeitig auch, dass er ohne Risiko und ohne größere Überraschungen bleibt.
Zu loben ist aber der Drive am Ende.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2021
Motoya, Yukiko

Die einsame Bodybuilderin


sehr gut

Skurrile Geschichten

Yukiko Motoja zeigt mit ihren ungewöhnlichen Geschichten den emotionalen Zustand von Frauen.
Dabei geht es oft um Beziehungen und Veränderungen.
Zwar sind die Stories aus Japan, aber sie haben einen universalen Ansatz.

Der Erzählungsband wird von der relativ kurzen Titelgeschichte eröffnet, die mir gleich gut gefallen hatte.
Eine längere Erzählung gibt es auch: Ehe mit einer fremden Spezies.

Die Geschichten haben oft etwas von einer Groteske, gemildert von einem leichten Humor.

Bewertung vom 17.05.2021
Leduc , Violette

Thérèse und Isabelle


sehr gut

Die autobiografisch angehauchte Erzählung bericht von der Liebe zweier 17jährigen Internatsschülerinnen, die sich auch körperlich ausdrückt.

Thérèse ist unglücklich, dass ihre Mutter wieder geheiratet hat und sie in ein Internat gegeben wird. Sie hasst es hier und die provokante Isabelle mag sie zunächst überhaupt nicht. Sie reizt sie, doch nachts nähern sie sich an.
Die Perspektive bleibt stets bei Thérèse.

Mit großer Offenheit schreibt Violette Leduc über die Leidenschaft und löst eine faszinierende Intensität aus.
Es ist eine sehr dichte Erzählung.

In den sechziger Jahren wurde der Text zunächst nicht veröffentlicht. Davon berichtet das Kapitel Die Geschichte einer Zensur von Carlo Jansiti am Ende des Buches.

Bewertung vom 14.05.2021
Allsopp, B. M.

Tropische Gefahr


sehr gut

Vinaka vakalevu für diesen Fidschi-Roman

Joe Horseman ist ein Polizist, der bisher wegen seiner Begabung als Rugby oft vom Dienst freigestellt wurde.
Nach einer Knieverletzung folgt jetzt eine Beförderung und gleich eine Ermittlung. Eine junge Frau wurde tot aufgefunden. Ertrunken oder steckt mehr dahinter.

Der Krimi spielt sich auf den Fidschi-Inseln ab und schwelgt in seiner Umgebung. Dazu kommt die optimistische , lebensbejahende Lebensart der Einwohner. Genau das was ich und bestimmt viele Leser erhoffte.

Inspector Joe Horseman gefällt mir mit seiner lockeren Art sehr gut. Das gilt auch für die ehrgeizige Sergeant Susie Singh.

Am Ende des Buches gibt es einen hilfreichen kleinen Fidschi-Sprachführer und ein Glossar, die man nicht verpassen sollte.

Die australische Schriftstellerin B.M.Allsopp hat da wirklich ein feines Buch geschaffen.

Bewertung vom 13.05.2021
Fang, Fang

Weiches Begräbnis


ausgezeichnet

Verdrängte Vergangenheit

Ein wichtiger Roman einer bedeutenden chinesischen Autorin. Erzählt wird von einer jungen Frau, die verletzt aus dem Fluß geborgen wurde. Sie hat anscheinend ein Trauma erlebt und das Gedächtnis verloren. Sie heiratet ihren Retter, Dr. Wu, bekommt ein Kind und wird früh Witwe. Erst als ihr Sohn schon erwachsen ist, kommen frühe Erinnerungen, die sie in einen katalonischen Zustand versetzen.
Ich denke, man muss dieses Schicksal exemplarisch lesen als Beispiel für eine Generation, die Vergangene s verdrängte
Es gibt Rückblicke, aber auch viele Passagen mit Quinlin, ihren Sohn. ER beginnt schließlich selbst über die Vergangenheit nachzuforschen, liest das Tagebuch seines verstorbenen Vaters und besucht die alte Heimat der Mutter.

Fang Fang schreibt ansprechend und zugängig. Sie arbeitet die Emotionen der Figuren vorsichtig heraus, ohne ihnen dabei zu Nahe zu treten. Eine Qualität.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.05.2021
Nickel, Eckhart

Von unterwegs


sehr gut

Eckhart Nickel erzählt in dieser Textsammlung von Reiseerfahrungen und stellt viele interessante Bezüge her. Bei mir, der mehr literarisch als real auf Reisen war, verfangen sich viele literarische und filmische Verweise. Bruce Chatwin, Max Frisch, Dürrenmatt, immer wieder Thomas Mann, Jack London, Grand Budapest Hotel, Der englische Patient und andere.
Nickel schafft das schon kurzen Kapiteln, zum Beispiel das einseitige Dünen. Da bleibt es nicht aus an Kobo Abes Die Frau in den Dünen zu denken.
Auch sehr schön das Kapitel über Pensionen und der Roman/Film Zimmer mit Aussicht.
Über Mode auf Reisen geht es bei Tim und Struppi. Überhaupt gehen Eckhart Nickels häufig in die Kindheit, verschiedene Erinnerungen werden geweckt und nicht selten auch beim Leser.
Zwar verfangen nicht alle Anspielungen, aber immerhin doch viele. Doch die Postkarten am Ende gingen an mir vorbei. Doch das macht nichts, denn Nickel schreibt durch seine vielen Verweise auch sehr klug über die verschiedenen Länder, die er besucht hat.

Bewertung vom 11.05.2021
Baldelli, Simona

Die Rebellion der Alfonsina Strada


ausgezeichnet

Die Rebellion der Alfonsina Strada ist ein schöne Romanbiografie, die ich gerne gelesen habe.
Alfonsina wurde 1891 in Italien geboren. Die Familie lebte in Armut, aber Alfonsina war schon als Kind von Fahrradfahren begeistert und merkte schnell ihre große Begabung. Mit 13 Jahren gewann sie ihr ersten Rennen. Der Preis war ein Schwein! Später gewann sie viele Rennen, auch gegen Männer.

Der Roman ist so konzipiert, das er zeitlich hin- und herwechselt. Und man ist nah an der Figur, leidet mit und teilt ihre Erfolge. Sie ist forsch, selbstbewusst und sehr sympathisch. So überwindet sie manche Hindernisse und schafft eine beeindruckende, langjährige Radsportkarriere.

Höhepunkt des Romans werden die langen Beschreibungen von Alfonsinas Teilname an der Giro d Italia 1924, die über 12 Etappen ging.

Es ist ein anspruchsvoller wie auch unterhaltender Roman, der aber auch Härten der Zeit nicht verschweigt.

Bewertung vom 10.05.2021
Ani, Friedrich

Letzte Ehre


sehr gut

Makellos
Friedrich Anis neues Buch trägt die Gattungsbezeichnung Roman und tatsächlich ist es mehr als nur ein Krimi, denn die psychologischen Momente sind im Vordergrund.
Der Roman besteht aus drei Teilen. Der erste umfasst 85 Seiten ist fast eine makellose Novelle.
Eine Schülerin ist verschwunden und Kommissarin Fariza Nasri befragt diverse mögliche Zeugen, unter anderen auch den unsympathischen Lebenspartner der Mutter der Verschwundenen.
Das Buch besteht zunächst hauptsächlich aus diesen Verhören, das ist stilbildend, die die psychologischen Momente ergeben sich daraus.
In Teil 2 und 3 geht die Handlung auch in andere Richtungen und Nasri wird selbst persönlich beteiligt.
Nach dem Finale gibt es am Ende noch eine überraschende Szene, über die hier natürlich nichts verraten werden soll.

Bewertung vom 08.05.2021
Groschupf, Johannes

Berlin Heat


gut

Ein origineller Berlin-Roman

Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag in einem Wettbüro.
Die nervliche Anspannung und die Hitze meint man als Leser spüren zu können.
Ein wenig sehe ich den Autor Johannes Groschupf als einen Erben von Krimiautoren wie Dick Francis, natürlich mit jüngeren Sound. Den Vergleich beziehe ich in erste Linie auf die Kenntnisse menschlicher Psyche und das schätze ich sehr.
Gleichzeitig ist er auch sehr heutig sogar leicht in der Zukunft den die Corona-Pandemie ist bezwungen.

Der Protagonist, der gleichzeitig Icherzähler ist, halte ich für ebenso interessa nt wie ambivalent. So ganz koscher ist er auch nicht. Spielsucht, Schulden und nicht ganz einwandfreie Geschäfte, aber er ist im großen und Ganzen ein vernünftiger und cooler Typ, nur halt mit Schwächen.
Aber er ist momentan doch ziemlich am Boden und hat jede Menge Probleme. Ein Sumpf, in der versinkt. Das ist teilweise so intensiv geschrieben, das man es mit Beklemmung liest.
Manche Passagen sind rüde oder sogar drastisch.
Ein Roman, der sich nicht scheut, konsequent zu sein.

Bewertung vom 05.05.2021
Marfutova, Yulia

Der Himmel vor hundert Jahren


ausgezeichnet

Es war einmal in einem Dorf

Der historische Roman „Der Himmel vor Hundert Jahren“ hat den Vorteil, dass er eine vergangene Zeit glaubhaft darstellt. Die Menschen und ihr Leben im russischen Dorf, das klein aber nicht winzig ist, wirken echt und unverstellt. Gut 100 Jahre liegt die Handlung zurück, aber die Autorin Yulia Marfutova vermag es, die Zeit so darzustellen, das man glaubt, man hätte dabei sein können.

Yulia Marfutova geht sorgsam mit ihren Figuren um. Es sind Originale, die fest in ihrem Dorf verwurzelt sind und manche sind abergläubisch, aber die Autorin macht keine Kasper oder Hanswurst aus ihnen. Ihnen verbleibt stets eine innere Würde. Ich mag das.
Das Element des Aberglaubens, z.B. an Flussgeister, beinhaltet Motive, die an den magischen Realismus erinnern.
Hinzu kommt eine entspannte, gute Handlungsführung, der man gerne folgt. Ein wirklich guter Debütroman!