Benutzer
Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2159 Bewertungen
Bewertung vom 21.08.2021
Whitehead, Colson

Harlem Shuffle


sehr gut

Harlem in Aufruhr

An Harlem Shuffle überraschte mich, wie verhalten der Roman erzählt ist, jedenfalls verglichen mit dem hochemotionalen Underground Railroad.
Auch die Hauptfigur wirkt zurückhaltend, aber das mag plotbedingt so angelegt sein und für den Protagonisten Ray Carney spricht seine Eigenwilligkeit.
Einige Nebenfiguren, wie Carneys Cousin Freddie oder der Gangster Pepper sind sehr gelungen und glaubhaft dargestellt.

Wie Colson Whitehead die frühen sechziger Jahre in Harlem einsetzt ohne auf übliche zeitliche Verweise zu setzen, finde ich sehr respektabel. Er kann sehr gut Details beschreiben und das Zeitgefühl entsteht daraus, wie sich die Leute verhalten und wie sich unterhalten.
Harlem Shuffle ist dann auch mehr Gesellschaftsporträt als Gangsternovel, obwohl es im Milieu angesiedelt ist.

Colson Whitehead ist ein starker Autor, aber ich wünschte er hätte sich diesmal nicht ganz so selbst zurückgenommen. Es reichte aber dennoch zu einem eindrucksvollen Roman.

Bewertung vom 20.08.2021
Keller, Tae

Wie man einen Tiger fängt


sehr gut

Feinfühlig

.
Der fantasievolle Roman „Wie man einen Tiger fängt“ ist stark durch die Erzählperspektive der jungen Lily geprägt. Sie ist eine Stille, aber sie ist auch besonders sensible und empfänglich für Stimmungen und Emotionen.
Lily ist in Kalifornien geboren, hat aber koreanische Wurzeln.
Sie fährt mit ihrer älteren Schwester Sam und ihrer Mutter zur Großmutter, die offenbar krank ist. Lily spürt den Zustand der geliebten Großmutter und metaphernreich wie das Buch angelegt ist, sieht sie einen großen Tiger. Sinnbildlich für die Gefahr für ihre Großmutter. Sie setzt sich mit den Tigern auseinander und ringt um Heilung.

Obwohl mir der Roman gefallen hat, hätte ich mir gewünscht, dass Lilys Leben als Mädchen mit koreanischen Wurzeln etwas tiefer gehend gezeigt würde. Immerhin ist die Autorin Tae Keller auch zu einem Viertel Koreanerin, wie sie im Nachwort erzählt.
Immerhin ist es Lily wichtig, kein BAM (Braves Asiatisches Mädchen) mehr sein zu wollen und sie agiert mutig.

Der Roman ist kein Young Adult und kein Coming of Age, er ist gut für ältere Kinder geeignet, da auch Lily noch kein Teenager ist.

Bewertung vom 19.08.2021
Touré, Aminata

Wir können mehr sein (MP3-Download)


sehr gut

Das Buch „Wir können mehr sein – Die Macht der Vielfalt“ von Aminata Toure fand ich sehr interessant und die Version als Hörbuch sagte mir sehr zu, da die Autorin es selber liest. Ich habe schon Interviews mit Aminata Toure gesehen und da schließt sich das Hörbuch gut an.
Der Buchtitel ist Programm. Aber es gibt viel autobiografisches und die Herkunft ihrer Eltern sind wichtig. In ihrer Kindheit in den neunziger Jahren war eine deutlich rassistische Stimmung in Deutschland. Das hatte sie geprägt.
Ich finde es wichtig, dass sie darüber spricht, da es für so viele kein Thema ist und aufgearbeitet sind sie nicht, beispielsweise die Anschläge auf Flüchtlingsheime.

Aminata Touré ist Landtagsabgeordnete und eine junge, selbstbewusste und engagierte Politikerin und ich denke, dass sie etwas bewirken kann. War toll, sie durch dieses Hörbuch gut kennen zu lernen.
Das Hörbuch geht 6 Stunden und das halte ich für angemessen.

Bewertung vom 19.08.2021
Biller, Maxim

Der falsche Gruß


sehr gut

Dicht und intensiv

Der falsche Gruß von Maxim Biller ist ein kurzes, aber dichtes und intensives Buch. Sein Protagonist Erck Dessauer ist auf dem Weg Schriftsteller zu werden. Sein Fixstern ist sein Konkurrent, der erfolgrecihe Autor Hans Ulrich Barsilay. Wie viele von Maxim Billers Hauptfiguren ist auch Dessauer eine gequälte Seele, der am zeitgenössischen Zustand der Welt leidet. Maxim Biller gelingt eine Satire über den Literaturbetrieb.

Bewertung vom 18.08.2021
Nolan, Megan

Verzweiflungstaten


sehr gut

Ein besonderer Erzählton

Die Autorin erzeugt einen besonderen Erzählton, der vor allen durch die schonungslose Ichperspektive der Erzählerin entsteht.
Sie berichtet davon, wie sie Ciaran auf einer Ausstellung getroffen hatte und eine Beziehung mit ihm eingeht. Es wird eine leidenschaftliche, aber unheilvolle und ungleiche Beziehung, bei der sie Gefahr läuft, sich selbst zu verlieren.
Auch ihre persönlichen Eigenschaften erzählt sie wenig schmeichelhaft und lässt Promiskuität und Alkoholexzesse nicht aus.
Das verleiht dem Texte eine gewisse Härte.

Der Roman zeigt ein deutliches Bild einer Frau in gefühlsmäßig angeschlagener Lage und das mit bemerkenswerter Intensität.

Bewertung vom 16.08.2021
Chen, Te-Ping

Ist es nicht schön hier


sehr gut

Ist es nicht schön hier (Originaltitel Land of Big Numbers) ist ein Erzählungsband einer chinesischstämmigen, US-Amerikanischen Autorin.
Es sind 10 Stories über Menschen in China oder aus diesem Land emigrierte.
Prägend für die Geschichten ist meistens die persönliche, emotionale Erzählperspektive. Zum Beispiel in Lulu, die berührende Geschichte von Zwillingen, die erstmals im New Yorker erschien. Erzählt wird vom Bruder, aber im Mittelpunkt steht Lulu, die als Studentin Aktivistin wird. Das zieht Repressionen nach sich und Lulu landet in Haft. Erzählt werden aber mehr die Emotionen der Familie.

Eine weitere Geschichte, die mir auffällt, ist „Feldforschung, eine Ehe“, in der wird von der deutschen Ehefrau eines Chinesen erzählt, der mit 16 Jahren seine Heimat China verlassen hatte und doch vergangene Schuld nicht vergessen konnte.

Land der großen Zahlen ist die Titelgeschichte der amerikanischen Ausgabe.
Ist es nicht schön hier ist dann die Story, die den deutschen Buchtitel liefert.

Für relevant halte ich auch die letzte Geschichte „Gubeikou gibt nicht auf“, die einen grotesk-satirischen Ansatz hat. Sie erinnert mich an Romane von Jose Saramago.

Dieser Erzählungsband stellt die Menschen in den Mittelpunkt und nicht das System, das aber natürlich die Menschen stark beeinflusst.

Bewertung vom 15.08.2021
Zürcher, Tom

Liebe Rock


ausgezeichnet

Liebe Rock

versponnen

Wie schon in seinem Erfolgsroman Mobbing Dick hat der Schweizer Schriftsteller Tom Zürcher einen naiv-liebenswürdigen Protagonisten erschaffen. Dadurch entstehen rasend komische Szenen.
Timm, der als Untermieter bei Rock wohnt, in die er verliebt ist. Aber Rock hat schon einen Freund. Zu dem hat Timm eine freundschaftliche Konkurrenzbeziehung.

Timm hat das Gymnasium verlassen in der Hoffnung, Schriftsteller zu werden. Er schreibt von Hand in ein Wachstuchheft und durch seinen Vater bekommt er Kontakt zu einem sogenannten Verleger, der aber 20.000 Franken als Druckkostenzuschuß verlangt.

Timm ist der Prototyp eines Träumer, der sowohl in der Liebe und in der Literatur auf Erfolg hofft ohne adäquat etwas dafür zu tun.
Dennch spürt und teilt man die Sympathien des Autors für seine Figur und dessen Versponnenheit und Verspieltheit. Aber manchmal übertreibt Timm es und dann ist er fast infantil. Er trinkt zu viel und lässt sich zu Kurzschußhandlungen hinreißen.
Es gibt einiges an Situationskomik und absurde Szenen.
Tom Zürcher ist ein Meister der Ironie!

Bewertung vom 15.08.2021
Wolff, Michael

77 Tage (MP3-Download)


gut

Michael Wolff, der mir selbst mehr oder weniger wie ein Opportunist vorkommt, hat in kurzer Zeit schon 2 Bücher über Trump geschrieben. Dieses dritte Buch zeigt Trumps Wahlniederlage 2020 und seine Unfähigkeit diese klare Niederlage einzusehen und wie er seine Anhänger aufwiegelte.

Diese Zeit war ein Wechselspiel. Einerseits freut man sich auf ein vernünftiges Amerika mit einem fähigen Joe Biden als Präsident, andererseits der Schock, dass Trump doch noch so viele Stimmen bekam, das es lange eng aussah. Doch am Ende war das Ergebnis eindeutig.

Das Hörbuch wird von Alexander Gamnitzer gesprochen (vielleicht etwas zu getragen) und hat einen Unterhaltungswert, auch wenn das Thema überwiegend traurig ist.
Es wird aber auch viel belangloses oder überflüssiges abgehandelt.
Wenigstens wird klar, wie armselig und hoffnungslos die Klage wegen Wahlbetrug war. Auch der 6.Januar mit dem Sturm auf das Capitol wird detailliert behandelt.

Ich vermisse von Michael Wolff aber scharfsinnige politische Analysen, meist bleibt es beim Klatsch. Einfach zu sagen, Trump wäre crazy, ist ja wohl etwas schlicht. Die Ansprüche an ein politisches Sachbuch erfüllt er nicht.

Sich in die Nähe Trumps zu begeben und sei es nur durch ein Hörbuch, ist unangenehm. Am Ende fühlt man sich besudelt,

Bewertung vom 14.08.2021
Cueff, Vincent

Briefe an Lila


gut

Sammlung von Maximen

Nicht umsonst ist der Buch-Untertitel Die Suche nach dem Sinn des Leben.
Es ist ein Philosophie-Professor, der die Briefe an Lila schreibt bzw. deren erwidert. Dabei belehrt er sie über verschiedene Lebesnweisen bzw. Maximen, an der sie sich orintieren kann.
Es sind welche wie Memento mori, Carpe Diem, Sei wie Du bist usw.
Sorry, aber das ist alles nur geklaut. Vincent Cueff bedient sich aus altbekannten Weisheiten.
Begeistern kann mich das nicht. Es fehlt vor allen an Originalität.
Mich hätte mehr interessiert, was denn Lila mit all den Maximen macht.

Bewertung vom 13.08.2021
Stuart, Douglas

Shuggie Bain


sehr gut

Shuggies Geschichte

Shuggie Bain war ein überaus erfolgreiches, preisgekröntes Debüt.
Es ist ein interessantes Werk, aber nicht immer ganz einfach zu lesen.
Es werden die Achtziger und frühen Neunziger Jahre in Glasgow gezeigt, aber es wird nicht unbedingt chronologsch erzählt.

Hugh „Shuggie“ Bain ist ein guter Junge, aber seine Eltern Agnes und Shug versinken in ihren unzufriedenen Lebenszustand, dessen Alltag aus Alkohol und Gewalt besteht. Damit geht auch eine gewisse Hoffnungslosigkeit ein.
Daher habe ich die Abschnitte, die sich direkt um Shuggie drehen, mehr genossen, obwohl er es oft auch nicht einfach hat, besonders in der Schule, in der er gemobbt wird.
Schwere Zeiten ergeben sich für Shuggie, als es mit seiner selbstzerstörerisch veranlagten Mutter immer schlimmer wird. Es ist eine völlig dysfunktionale Familie und schließlich bleibt Shuggie mit seiner Mutter, die nicht vom Alkohol loskommt, allein. Das sind ziemlich tragische Szenen.

Douglas Stewart vermag zu formulieren und die Situationen eindringlich zu zeigen.