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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1229 Bewertungen
Bewertung vom 23.06.2018
Goldammer, Frank

Vergessene Seelen / Max Heller Bd.3


ausgezeichnet

Alte Wunden

„Das Laub raschelte sommerlich leise im Wind, was aber nicht darüber hin wegtäuschen konnte, dass tausendfach das Klingen von Hämmern auf Ziegelsteinen wie ein hartnäckiger Tinnitus über der Stadt lag.“ (S. 6)

Sommer 1948 in Dresden. Es ist unerträglich heiß. Der Krieg ist seit 3 Jahren vorbei aber die Stadt liegt noch immer weitgehend in Trümmern. Auch Karin, die Frau von Oberkommissar Max Heller, gehört zu den Trümmerfrauen, welche die alten Wunden ihrer Heimat beseitigen, damit sie neu aufgebaut werden kann.

Heller wird zu einer Baustelle gerufen, auf der ein toter Junge gefunden wurde. Ist der vielleicht vom Kran gestürzt? Aber äußere Verletzungen fehlen. Als Heller ihn sich genauer anschaut, ist er entsetzt. Der Junge hat unzählige blaue Flecken in verschiedenen Stadien, ist eindeutig über längere Zeit misshandelt worden! Doch seine Eltern und Brüder sind seltsam ungerührt, als sie von seinem Tod erfahren. Auch die Mitschüler und der Lehrer wussten angeblich von nichts. „Es gibt keine Menschlichkeit mehr.“ (S. 312).

Der Fall, die Kindesmisshandlung, reißt bei Heller alte Wunden auf. Sein Gewissen quält ihn – wegen damals. Was genau „damals“ war, erfährt man nur Stück für Stück und andeutungsweise. Verwunden hat er es nie.
Schnell wird klar, dass der Junge zu einer Bande gehörte, die in illegale Geschäfte verwickelt ist. Aber wer steckt dahinter? Verdächtig sind eigentlich alle in den Fall Involvierten. Aber niemand redet.
Außerdem muss sich Heller mit seinem Sohn Klaus auseinandersetzen. Der gehört zur politischen Polizei und will seinem Vater den Fall entziehen. Vater und Sohn entfernen sich nicht nur politisch immer mehr voneinander. Klaus ist ein sogenannter 100%iger, heißt alles gut, was die sowjetischen Besatzer machen. Schließlich haben die Deutschen ihnen im Krieg Unsägliches angetan. Dass sein „Verein“ immer mehr an die Nazis erinnert, will er nicht einsehen.

Immer mehr Menschen verschwinden nach „Drüben“. Die Gerüchte mehren sich, dass die westlichen Besatzungsmächte ihre Zonen abriegeln. Die D-Mark wird eingeführt und die Angst vorm nächsten Krieg wächst.

Und dann ist da noch die Angst um Annie, das Pflegekind, das Max und Karin aus dem Kinderheim aufgenommen haben. Sie spricht kaum und hat jede Nacht Albträume – was hat sie erleben müssen?

Frank Goldammer webt auch in „Vergessenen Seelen“ wieder eine sehr dichte Atmosphäre, aufgeladen wie das Wetter. Menschliche Abgründe tun sich auf und Wut entlädt sich wie die kräftigen Gewitter. Heller hetzt über Trümmerberge und durch Ruinen, scheint immer einen Schritt hinterherzuhinken. Weitere Beteiligte sterben, er gerät selbst in Lebensgefahr. „Noch immer tötet dieser Krieg, obwohl er längst vorbei ist.“ (S.138)
Der Fall ist mir extrem zu Herzen gegangen und hat mich bis zuletzt in Atem gehalten. Immer wieder bringt er neue Verdächtige und Tatmotive und am Ende ist klar – wohl niemand war damals ohne Schuld. Auch Max Heller nicht.

Als Dresdnerin kenne ich die Straßen und Plätze sehr genau und bin immer wieder fasziniert, wie umfassend der Autor für seine Bücher recherchiert und was er alles einfließen lässt.
Diese Woche, genau 70 Jahre nach dem Handlungszeitpunkt des Buches, erheben sich wieder rote Ziegelnebelschwaden und Hämmern über das heiße Dresden. Alte Ziegelbauten müssen für die Hafencity weichen und die Stimmung des Krimis wird sofort greifbar.

Mein Fazit: Unbedingt Lesen und dem nächsten Band im Dezember entgegenfiebern!

Bewertung vom 17.06.2018
Laurent, Jean Jacques

Elsässer Verfehlungen / Major Jules Gabin Bd.4


sehr gut

Unfall oder Mord?

„Elsässer Verfehlungen“ ist bereits der 4. Teil einer Reihe um Major Jules Gabin, den Leiter der Gendarmerie in der elsässischen Kleinstadt Rebenheim. Ich kenne die vorangegangenen Bände nicht und hatte kein Problem, die Figuren oder deren Handlungsweise zu verstehen.

Bei Klettern mit seinen beiden Freunden Claude und Joey in der „Blutgrotte“ stürzt der erfahrene Kletterer Richard ab. Die Freunde sind fassungslos, weil sie ihn aus den Augen verloren hatten. Doch schnell stellt sich heraus, dass die von Richard zur Absicherung verwendeten Karabiner minderwertig waren. War es ein Unfall oder Mord?
Verdächtige und Motive gäbe es genug. Da ist zum einen Richards Frau – die Ehe scheint wohl doch nicht so bilderbuchmäßig gewesen zu sein – und zum anderen ein obskurer Druidenorden, mit dem Richard im Clinch lag. Oder war es ein Konkurrent um den Flammkuchen-Wettbewerb? Für dessen Gewinn würden die ansässigen Wirte (fast) alles tun ...

„Elsässer Verfehlungen“ ist ein echter Kriminal-Roman. Oft hat der erzählerische Strang den Kriminalfall überschattet. Jules Privatleben nimmt ziemlich viel Raum ein. Sowohl seine Ex-Freundin als auch seine aktuelle Freundin (die gleichzeitig seine Chefin ist) haben ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Die Handlung verläuft sehr gemütlich, immer wieder werden die tolle Landschaft, das Essen und der Wein beschrieben. Auch war mir die Sprache an einigen Stellen zu gestelzt, dafür hat mich das Ende dann echt überrascht und mit dem Buch versöhnt.

Fazit: Gemütlicher Urlaubskrimi nicht nur für Elsass- und Flammkuchen-Fans.

Bewertung vom 14.06.2018
Beer, Alex

Der zweite Reiter / August Emmerich Bd.1 (5 Audio-CDs)


ausgezeichnet

Guter Bulle – böser Bulle?

... diese Einschätzung fällt seinen Vorgesetzen bei Polizeiagent August Emmerich nicht immer leicht. Zweifelsohne ist er ein guter Polizist, manchmal vielleicht etwas übermotiviert und dickköpfig, aber er geht bei den Ermittlungen auch im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen und seine Methoden sind nicht immer korrekt. Außerdem ist Emmerichs Knie nach dem ersten WK genau so kaputt wie Wien. Ohne Herointabletten hält er die Schmerzen nicht aus, aber das darf niemand wissen, sonst wird er in den Innendienst versetzt. Auch privat läuft es nicht gut. Nachdem der für tot erklärte Mann seiner Lebensgefährtin plötzlich wieder vor der Tür steht, muss Emmerich gehen. Kurzentschlossen nistet er sich bei seinem Assistent Ferdinand Winter ein.

Eigentlich sollen Emmerich und Winter die Schmugglerbande um Veit Kolja jagen, aber bei den Ermittlungen stolpern sie über die Leiche des Kriegszitterers Dietrich Jost. Ausgerechnet Jost soll sich selber erschossen haben, dabei konnte er seine Hände keine Sekunde ruhig halten! Emmerich ermittelt auf eigene Faust in Wiens Unterwelt (räumlich und sprichwörtlich) und stolpert dabei über zwei weiter „Selbstmorde“. Die Männer wurden kurz zuvor mit Dietrich Jost gesehen. Warum mussten sie sterben? Was verbindet sie? Sind sie den Schmugglern in die Quere gekommen? Oder einer der windigen Auswandereragenturen, die den Verzweifelten für ein neues Leben in Brasilien noch das letzte Hemd abnimmt und sie zu illegalen Jobs und Prostitution zwingt? Oder hängen die Morde mit dem Krieg zusammen?
Die Ermittlungen führen sie in die Kanalisation, miese Spelunken, versteckte Bordelle und die fast leere Menagerie von Schloss Schönbrunn.

Der Fall ist extrem spannend. Ich hatte keine Idee, wer hinter den Morden steckt und habe bis zuletzt mitgefiebert und um Emmerich und Winter gebangt, die sich mit ihren Nachforschungen selbst in Lebensgefahr gebracht haben.

Alex Beer hat mit Emmerich einen Protagonisten geschaffen, der es dem Zuhörer / Leser nicht immer leicht macht, ihn zu mögen. Er säuft bis zur Besinnungslosigkeit, nimmt Drogen, schüchtert seine Verdächtigen oder Gegner bei Bedarf mit brutaler Gewalt ein und bewegt sich immer hart an der Grenze zur Illegalität. Aber er ist auch sehr menschlich, wenn es um die Ausgegrenzten und Schwachen geht. Die Grenzen zwischen gut und böse sind eben fliesend.
Sein Assistent Ferdinand Winter hingegen ist ein echter Sympathieträger. Er hat einen ziemlich trockenen Humor, ist aber leider total nervös und ängstlich, oft noch kindlich naiv, wenn es um das echte Leben geht. Ich hätte ihn in einigen Situationen gern mal in den Arm genommen und beruhigt. Allerdings gab es auch ein paar Stellen, an denen er Emmerich (und mich) extrem überrascht hat. Er hat auf jeden Fall viel Potential.

Die Autorin lässt das Wien der 1920er vor dem inneren Auge des Hörers / Lesers lebendig werden. Die Stadt ist zu großen Teilen zerstört, die Bewohner frieren, sind hungrig und oft hoffnungslos.

Cornelius Obonya ist in meinen Ohren die perfekte Stimme für diese Geschichte und ich freue mich schon auf Emmerichs nächste Fälle.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.06.2018
Kline, Christina Baker

Die Farben des Himmels


sehr gut

Christinas Welt
Maine um die 1900: Welche Farbe hat der Himmel heute? Diese Frage hat sich Christina sicher nicht oft gestellt, als sie noch jünger war. Durch eine unheilbare Krankheit nehmen ihre Muskeln immer mehr ab und sie muss sie beim Gehen stets auf den unmittelbaren Bereich vor ihren Füße schauen, um nicht zu oft hinzufallen. Ihr Körper ist übersäht von frischen Wunden und alten Narben, aber sie ist eine Kämpfernatur. Mit Mitte 30 kann sie nur noch kriechen, ihre Beine haben keine Kraft mehr. Doch zur Not robbt sie auf den Ellenbogen aufs Feld. Es ist ein hartes Leben, Abwechslungen bringen nur die Abenteuergeschichten ihrer Vorfahren, die ihre Mammey (Großmutter) erzählt.
Christina wäre gern Lehrerin geworden. Sie ist sehr intelligent, aber ihre Eltern waren dagegen. In ihren 20ern ist sie 4 Jahre lang verlobt – Walton Hall kommt jeden Sommer und verspricht ihr die Ehe, heiratet am Ende aber eine gesunde Frau. Christina verbittert. Zwei jüngere Brüder fliehen in die Stadt, sobald sie alt genug sind. „Über Dich habe ich mir gar keine Gedanken gemacht.“ „Natürlich nicht. Warum auch? Warum sollte das irgendjemand tun?“ (S. 241) Nur ihr Bruder Alvaro bleibt und kümmert sich mit ihr um die Eltern und das Land.
1939 taucht der Maler Andrew Wyeth das erste Mal bei ihnen auf. Ihn faszinieren das Licht und das Haus. Bald richtet er sein Atelier auf ihrem Dachboden ein. Er bewundert, wie Christina den Alltag meistert. Sie könnte doch sicher Hilfe gebrauchen. „Ich komme schon zurecht ...“ „Das tust du wirklich, Christina, oder? Alle Achtung.“ (S. 156) – endlich mal jemand, der sie versteht und so sieht, wie sie ist.

Ich bin ehrlich, Christina war kein einfacher Charakter, haderte als sie älter wurde mit ihrem Schicksal und lies das an ihrem Bruder Al aus. Trotzdem hatte auch ich beim Lesen auch oft Mitleid mit ihr und hätte in keiner Minute ihres Lebens mit ihr tauschen wollen. Am erschreckendsten fand ich sie Zeit, als sie, um ihre Eltern zu pflegen, auf allen vieren die Treppen in den ersten Stock kriechen musste.

Die Autorin Christina Baker Kline hat eine sehr ungewöhnliche Romanbiografie über Christina Olson und den Maler Andrew Wyeth geschrieben. Das Trostlose der Landschaft und von Christinas Leben spiegeln sich in der Sprache wieder. Das Buch ist sehr schwermütig, düster und eindringlich. Es zeigt ungeschönt das Leben im ländlichen Amerika Anfang des 20. Jahrhunderts, geprägt von zwei Weltkriegen und dem Abwandern der Jugend.
Der Fortschritt kommt bei den Olsons nie an, sie haben weder Strom noch eine Wasserleitung. Da Christina nach Ansicht ihrer Eltern sowieso nie einen Mann finden wird, muss sie von früh bis spät im Haus und auf der Farm schuften - heute wäre sie ein Pflegefall. Sie wird ihr Leben lang bemitleidet, erst recht, nachdem ihre Verlobung geplatzt ist. Erst Andrew Wyeth und seine Frau Betsy sehen den Menschen in ihr, nicht den Krüppel. Wyeth setzt ihr mit dem Bild „Christinas Welt“ ein Denkmal. Er hat verstanden, was das Land und das Haus für sie bedeuten – „Mal Zufluchtsstätte, mal Gefängnis, war dieses Haus auf dem Hügel immer mein Zuhause.“ (S. 9)

Bewertung vom 11.06.2018
Darling, Annie

Sommer in Bloomsbury / Bloomsbury Bd.2


sehr gut

Was würde Elizabeth Bennet (jetzt) tun?

... ist die Frage, die sich Verity Love immer dann stellt, wenn sie wegen ihrem Scheinfreund Johnny nicht weiter weiß. Dabei hatte alles so einfach geklungen. Verity und Johnny sind ungebunden und glücklich damit, aber ihre Freunde wollen sie ständig verkuppeln. Also spielen sie für einen Sommer ein Paar und begleiten sich gegenseitig auf Geburtstage, Hochzeiten und was sonst noch so ansteht. Leider hat Verity nicht bedacht, dass sie Johnny entgegen aller Behauptungen doch irgendwann attraktiv finden könnte und Johnny unsterblich in eine verheiratete Frau verliebt ist. Das „Drama“ ist also vorprogrammiert.

„Sommer in Bloomsbury“ schließt fast nahtlos an den Vorgängerroman „Der kleine Laden der einsamen Herzen“ (jetzt neu erschienen als „Der kleine Laden in Bloomsbury) an, und genau das ist m.E. ein kleines Problem. Annie Darling bezieht sich leider auf so viele Details und Personen aus dem ersten Buch, dass man dieses fast zwingend gelesen haben muss, um alles zu verstehen. Zudem ist es von Vorteil, wenn man Jane Austen mag und „Stolz und Vorteil“ kennt –Veritys Lieblingsbuch, aus dem sie immer wieder zitiert.

Verity ist eine sehr introvertierte Persönlichkeit, die viel Ruhe und Zeit für sich braucht – sie findet andere Menschen einfach nur anstrengend. Einzig ihren schrägen Kater Strumpet erträgt sie immer. Ihre erste Beziehung ist daran zerbrochen, darum will sie (eigentlich) keine Beziehung mehr. Trotzdem findet sie immer mehr Gefallen an den Partys und Johnnys Freunden. Die meisten sind wirklich nett und freuen sich sehr, dass Johnny nach IHR (der Liebe seines Lebens) endlich eine neue Freundin gefunden hat. SIE (lange Zeit die große Unbekannte) bestimmt aber noch immer Johnnys Leben, das wird immer deutlicher.
Dabei Johnny ist ein gutaussehender erfolgreicher Architekt und könnte jede haben. Für Verity wäre er der perfekte Partner. Er versteht ihr Bedürfnis nach Ruhe und lässt ihre die Freiräume, die sie braucht ...

Wer eine kurzweilige, sommerlich leichte Komödie mit vielen amüsanten Szenen und Verwicklungen, etwas Drama und viel Liebe sucht, ist bei „Sommer in Bloomsbury“ genau richtig. Man kann es gemütlich an einem Tag im Garten oder am Strand wegschmökern.

Bewertung vom 05.06.2018
Coles, Anthony

Ein Gentleman in Arles - Mörderische Machenschaften / Peter Smith Bd.1


gut

James Bond Verschnitt mit zweifelhafter Moral
Als Gentleman bezeichnet man einen gebildeten Mann, der sich durch Charakter und Anstand auszeichnet. Peter Smith sieht sich selbst als einen solchen. Der Brite, welcher früher als Lehrer für Kunstgeschichte, Unternehmensberater und für den britischen Geheimdienst gearbeitet hat, lebt nach der Pensionierung zusammen mit seinem Windhund Arthur in Arles. Er lässt es ruhig angehen, trifft sich regelmäßig mit seinem Freund und ehemaligen Kollegen David Gentry, liebt gutes Essen und trinkt ganz gern mal einen über den Durst. Als er nach einem Besuch in der Stierkampfarena niedergeschlagen wird und unter einem Toten wieder erwacht, ist es damit vorbei. Für ihn ist nämlich sicher, dass der Tote, Robert DuGresson, ermordet wurde, nur glaubt ihm die Polizei nicht. Doch zumindest die Martine, Roberts Witwe, interessiert sich für die wahren Todesumstände und engagiert Peter.

„Ein Gentleman in Arles – Mörderische Machenschaften“ ist einer der wenigen Provence-Krimis, der mich nicht wirklich packen konnte. Das Setting ist toll und Arles sicher eine Reise wert, aber die Handlung plätscherte mir zu gemütlich vor sich hin. Peter ermittelt vor allem im Internet und die langatmigen Erklärungen über die Datensicherheit von PCs, Handys, Clouds etc. und wie man diverse Daten wiederfinden kann, tragen nicht unbedingt zur Steigerung der Spannung bei. Nur, wenn er wieder mal verfolgt oder überfallen wird, läuft er plötzlich zur Hochform auf und aus dem Opa wird plötzlich James Bond. Da wird gefoltert und rumgeballert, dass einem Hören und Sehen vergeht und natürlich steckt er die Gegner allesamt locker in die Tasche. Auch auf die Damenwelt macht Peter damit anscheinend Eindruck, denn nicht nur Roberts Witwe liegt ihm plötzlich zu Füßen. Ich habe mich beim Lesen mehrfach gefragt, ob der Autor hier nicht nur seine Fantasien auslebt. Peter Smith ist kein angenehmer Mann und benutzt zum Teil recht heikle Methoden bei seinen Ermittlungen. Ungerechtigkeiten sind ihm relativ egal, so lange sie ihn nicht persönlich betreffen. In meinen Augen ist er ein James-Bond-Verschnitt mit zweifelhafter Moral.

Für mich ist das Buch kein Krimi, sondern ein gemütliches Actionabenteuer vor einer tollen landschaftlichen Kulisse, bei dem man viel über die Geschichte, Gerichte und Weine der Region erfährt. Wahrscheinlich finden Männer an dieser Art des Buches und dem Schreibstil eher Gefallen als Frauen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2018
Sternberg, Emma

Azurblau für zwei


sehr gut

Der Sommer ihres Lebens

„Ich hatte einen Mann, den ich liebte. Einen Job, auf den ich mich jeden Morgen freute. Und Pläne für die Zukunft.“ (S. 6) – jetzt, ein Jahr später, ist Isas Mann weg, der Buchladen geschlossen, ihre Freundinnen haben Kinder und leben auf dem Land. Isa ertrinkt förmlich im Selbstmitleid. Als sie in der Sonntagszeitung eine ungewöhnliche Stellenanzeige entdeckt „Ein Sommer auf Capri. Autorin sucht persönliche Assistentin“, rechnet sie sich keine großen Chancen aus, aber sie bewirbt sich trotzdem. Und sie hat Glück - Mitzi Hauptmann, eine ehemals sehr berühmte Schriftstellerin, entscheidet sich für Isa.

Schon im Flieger fühlt sich Isa das erste Mal frei – von ihren Ängsten und Erinnerungen. Auch Capri ist noch besser als erwartet. Bereits an Anlegestelle der Fähre taucht sie in das pralle bunte Leben der Insel. Mitzis Zuhause, die Villa Azzurra ist ein Traum, der überbordende Garten eine Augenweide, der alle Sinne anspricht. Das Anwesen liegt hoch über dem Meer, mit einem steilen Trampelpfad zum Meer. Wird sie sich da je runter trauen?

Isa soll Mitzis Memoiren tippen, aber „Erinnern ist anstrengend.“ (S.81). Die beiden Frauen stellen bald fest, dass sie trotz ihres erheblichen Altersunterschiedes sehr viel gemeinsam haben. Eine schwere Kindheit, verlorene große Lieben ... Zumindest für Mitzi gäbe es noch eine kleine Chance, wenn sie sich traut. „Man muss sein Glück schon herausfordern, wenn man ihm begegnen will.“ (S. 271)

Für beide wird es der Sommer ihres Lebens. Mitzi ist eine bezaubernde alte Dame, die zum Glück keine Diva, sondern im Herzen immer noch eine Berliner Göre ist, auch wenn sie schon Jahrzehnte auf Capri lebt. Durch das Schreiben ihrer Memoiren setzt sich endlich ehrlich mit ihrer Vergangenheit auseinander.
Isa hingegen ist zutiefst unsicher und ängstlich, muss ihren Mut uns Selbstvertrauen erst (wieder)finden. Endlich wieder leben und genießen - und Nähe zulassen.

„Azurblau für zwei“ ist ein wunderbar kurzweiliger, entspannender und unterhaltsamer Sommerroman mit viel italienischem Flair, der Capri vor meinem inneren Auge lebendig werden lies. Leider hatte er nicht ganz so viel Tiefe, wie „Fünf am Meer“, aber für einen Urlaub vom Alltag ist er genau richtig.

Bewertung vom 24.05.2018
Wolf, Lena

Sommer mit Aussicht


sehr gut

Locker leichte Sommer-Sonne-Strand-Unterhaltung

Luisa ist mit ihrer Mutter Elisabeth und ihrem (Ex-) Mann Stefan unterwegs in ein kleines Dorf in der Provence, weil ihre leibliche Mutter Regina sie nach 35 Jahren endlich kennenlernen möchte. Leider weiß Elisabeth noch nicht, dass sich Luisa und Stefan getrennt haben, also spielen sie „heile Familie“. Luisa hat aber noch ein weiteres Geheimnis - ihr Chef hat ihr Zwangsurlaub verordnet, da sie in letzter Zeit zu viele Fehler gemacht hat und sie weiß nicht, ob er sie nach dem Urlaub zurücknimmt. Die Situation ist also schon angespannt genug, als kurz vor dem Ziel auch noch das Auto liegen bleibt. Durch einen glücklichen Umstand stoßen sie auf Nicolas – er muss auch nach Nid-sur-Mer und nimmt sie mit.

Luisa erhofft sich viel von dem Treffen mit Regina, doch das entwickelt sich komplett anders als erwartet und auch Stefan verfolgt seinen ganz eigenen Plan.
Luisa ist eine moderne Karrierefrau, die ihr Leben bisher fest im Griff hatte. Plötzlich steht sie nicht nur zwischen zwei Männer und zwei Müttern, sondern muss sich auch klar werden, ob sie ihren alten Job als Eventmanagerin überhaupt zurückhaben will. Das ruhige Leben im Luberon hat nämlich auch seine Vorteile.
Stefan ist der typische gestresste Geschäftsmann, der auch im Urlaub den Laptop dabei hat und wichtige Projekte bearbeitet.
Luisas Ziehmutter Elisabeth ist sehr liebevoll, fürsorglich und sehr rücksichtsvoll. Sie gibt ihr genügend Raum, Regina kennenzulernen.
Nicolas – der Urlaubsflirt – bringt ihre Gefühle und Ansichten komplett durcheinander. Für mich war zwar von Anfang an klar, wie die Geschichte ausgeht, aber der Weg dahin war ganz amüsant.
Am besten hat mir das Setting des Buches gefallen. Man möchte genau wie Luisa Urlaub inmitten der Lavendelfelder machen, die kleine Märkte besuchen, all die regionalen Köstlichkeiten probieren und die Füße ins Meer tauchen ...

„Sommer mit Aussicht“ wird als „Sommer-Beziehungskomödie mit Herz und Humor“ beworben. Obwohl die Situationen wirklich oft sehr amüsant waren, konnte es mich leider nicht komplett überzeugen. Ich hätte mir mehr Wendungen gewünscht und teilweise war die Handlung zu pathetisch.

Bewertung vom 23.05.2018
Fishman, Zoe

Die Frauen von Long Island


ausgezeichnet

Nur mal reingeschaut und sofort festgelesen

... so ging es mir mit „Die Frauen von Long Island“.
Maggie ist 38 und alleinerziehende Mutter der 2jährigen Lucy. Sie arbeitet als Putzfrau für die Schönen und Reichen von New York und verdient damit ganz gutes Geld, aber seit Maggie da ist, reicht es nicht mehr. Da erscheint es ihr wie ein Wink des Schicksals, dass ihr ihre ehemals beste Freundin Liza ein Haus auf Long Island vererbt. Der einzige Makel: Maggie muss sich um Lizas 82jährige Mutter Edith kümmern, die ebenfalls in dem Haus lebt und beginnenden Alzheimer hat. Weder Maggie noch Edith sind von diesem Arrangement begeistert, doch während Maggie versucht, das beste aus der Situation zu machen, trotzt Edith ... „Wenn das das große Los ist, dann würde ich es gern zurückgeben. Sie, Edith, sind kein Hauptgewinn.“ (S. 113)

Edith war Broadwaytänzerin, hat Stil und Klasse und führt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben. Nur ihre extrovertierte Freundin Esther holt sie manchmal aus ihrem Schneckenhaus. Und nun platzten Maggie und Lucy in ihr Leben. Lucy ist sehr laut und setzt ihren Willen immer wieder mit Wutausbrüchen durch. Maggie nimmt sich extrem zurück, trägt alte abgeschnittene Jeans und ausgeleierte T-Shirts, isst nur Lucys Rester und ist viel zu dünn. Natürlich versucht sie sofort, sich neben Lucy auch um Edith zu kümmern, aber die will keine Hilfe annehmen. Sie reagiert ziemlich zickig, was ich gut verstehen konnte. Außerdem steht Lizas Tod zwischen ihnen. Liza litt an Depressionen und hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Was hat sie sich nur dabei gedacht, die Leben der beiden Frauen zu verbinden? Erst als Ediths Freundin Esther die Idee hat, dass diese Maggie ihre Erinnerungen diktiert, so lange sie noch vorhanden sind, bessert sich die Situation zwischen ihnen. „Du bist nicht allein, Edith.“ (S. 203)

Auch Maggie verändert sich. Sie muss immer öfter an ihre eigene Kindheit und Jugend denken. An Dinge, die sie lange erfolgreich verdrängt hat. „Sag Harbor kam ihr langsam wie ein riesiger Löffel vor, der alles tief in ihrer Seele vergrabenen wieder aufrührte und hochholte.“ (S. 127)

Die gemeinsame Zeit, das miteinander statt nur nebeneinander Leben, die Trauer um Liza und die Erkenntnis, dass sie sich gegenseitig eine Stütze sind, bringt die beiden Frauen letztendlich zusammen. „Aber das Leben hat Dir nun mal diese Karten ausgeteilt, ob das nun fair ist oder nicht, und ich finde, du hast ein ganz gutes Blatt bekommen. Bring dieser Maggie ein paar Dinge bei ... Sie braucht dich genau so wie du sie.“ (S. 74)

Zoe Fishman schreibt sehr berührend und trotzdem amüsant über das Älterwerden, Erinnern und Vergessen, über das Knüpfen von Freundschaften und dass man angebotene Hilfe ruhig annehmen sollte. „Das Leben geht eben eigene Wege, Maggie, und manchmal muss man mit dem Strom schwimmen, sonst geht man unter.“ (S. 288)