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MaWiOr
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Insgesamt 3689 Bewertungen
Bewertung vom 19.11.2020
Hilzinger, Sonja

"Herzhaft in die Dornen der Zeit greifen ... "


ausgezeichnet

Bettine von Arnim (1785-1859) war eine deutsche Schriftstellerin und bedeutende Vertreterin der deutschen Romantik. Die neue Broschüre der Frankfurter Buntbücher wid-met sich ihrem Aufenthalt in Berlin, der fast ein halbes Jahrhundert dauerte.

Geboren am 4. April 1785 in der Freien Reichstadt Frankfurt am Main, heiratete sie 1811 den Schriftsteller Achim von Arnim. Das Paar lebte meist getrennt, sie in Berlin, er auf seinem Gut Wiepersdorf. Die Ehejahre bis zum Tod des Gatten und Vaters ihrer sieben Kinder werden in der Neuerscheinung näher beleuchtet. In diesen Jahren war Bettine nur eine Randerscheinung in der Berliner Gesellschaft.

Nach dem Tod ihres Mannes begann ihr drittes Leben. 1835 veröffentlichte sie mit „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ ihr erstes Buch. Durch den Erfolg wird Bettine zu einer Institution in Berlin und über die Grenzen der Stadt hinaus. Jetzt nutzte sie ihren Ein-fluss. Im Juni 1840 wurde Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen, ein „Romantiker auf dem Thron“ – Bettinen drittes und bedeutendstes Buch „Dies Buch gehört dem König“ erschien. Es war ihre Absicht, damit dem König die Wahrheit über die Verhältnisse in Preußen mitzuteilen. Ihr nächstes Vorhaben, ein Buch über die soziale Lage der Armen, muss sie unter dem Druck der preußischen Behörden aufgeben. 1842 starb ihr Bruder Clemens, zu dessen Andenken sie 1844 die Briefsammlung „Clemens Brentanos Frühlingskranz“ veröffentlichte. Im Magistratsprozess 1847 wurde sie zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt und nur auf Grund der Intervention von einflussreichen Freunden musste sie die Strafe nicht antretenden. 1854 erlitt sie einen Schlaganfall und starb nach langem Leiden 1859 in Berlin.

Die mutige Bettine bleibt im Gedächtnis der Nachgeborenen, dazu trägt auch die Neuerscheinung mit ihren zahlreichen historischen Abbildungen bei.

Bewertung vom 18.11.2020

»Ich geh mit meiner Laterne«


ausgezeichnet

Nach den „Kinderspielen“ und „Kindergedichten“ präsentiert die Insel-Bücherei nun einen Band mit den „schönsten Kinderliedern“. Die gelungene Auswahl besorgte wieder Matthias Reiner und ordnete sie jahreszeitlich an – von „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ bis zu „Ihr Kinderlein, kommet“. Neben bekannten Kinderliedern wie „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ oder „Wer will fleißige Handwerker sehn“ findet man auch Kinderlieder, die nicht so geläufig sind. Auch der Humor kommt zu kurz, z.B. mit „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“.

Knapp fünfzig Kinderlieder, die mit farbenfrohen und witzigen Illustrationen von Isabel Pin ausgeschmückt sind – teilweise auch ganzseitige Abbildungen. Am Ende gibt es noch einige Informationen zur Herkunft der Lieder.

Bewertung vom 18.11.2020

»Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand«


ausgezeichnet

Nach dem Schmuck-Inselband „Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo“ folgt nun ein weiterer attraktiver Band (im neuen Großformat) mit deutschen Balladen. Wieder ist Herausgeber Matthias Reiner eine wunderbare Auswahl gelungen. Den Auftakt machen natürlich Johann Wolfgang Goethe („Der Fischer“) und Friedrich Schiller („Die Kraniche des Ibykus“ und „Der Taucher“). Es folgen Balladen der deutschen Romantiker Clemens Brentano, Adelbert von Chamisso, Justinus Kerner, Ludwig Uhland und Friedrich Rückert.

Einer der großen Balladendichter war auch Theodor Fontane, der mit der Geisterballade „Die Brück am Tay“ vertreten ist, aus der auch der Buchtitel „Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand“ stammt. Hier erinnerte Fontane an den Einsturz der Firth-of-Tay-Brücke in Schottland am 28. Dezember 1879. Das ausgehende 19. Jahrhundert und das 20. Jahrhundert sind u.a. mit Theodor Storm, Frank Wedekind („Brigitte B.“), Erich Mühsam („Kleiner Roman“) und Bertolt Brecht („Apfelböck oder die Lilie auf dem Felde“) vertreten. Der junge Brecht verarbeitete hier die moralische Empörung einer verlogenen Gesellschaft über einen Elternmord. Auch viele der anderen Balladen haben einen gespenstischen und unheimlichen Charakter, wie „Die Sonne bringt es an den Tag“ (Adelbert von Chamisso) oder „Die Geister am Mummelsee“ (Eduard Mörike).

Der Grafikdesigner Burkhard Neie hat die Dramatik und Spannung der Balladen in ganzseitigen, ausdrucksstarken und farbenkräftigen Bildern eingefangen, die den besonderen Reiz des Insel-Bändchens aus machen. Die düsteren, mitunter geheimnisvollen Abbildungen illustrieren wunderbar die magische Atmosphäre der Verse, wobei die leicht angefärbte Buchbindung diesen Eindruck noch verstärkt.

Fazit: Ein Schmuckbändchen, das an die Schulzeit erinnert und längst vergessene Verse wieder wachruft. Ein weiterer Schatz in der Insel-Bücherei.

Bewertung vom 18.11.2020

Frauen Lyrik. Gedichte in deutscher Sprache


ausgezeichnet

Der Lyrikband versammelt rund 500 deutschsprachige Gedichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart – zum Thema von, über und unter FRAUEN. Dieses Thema ist bisher unterpräsentiert in der Literaturgeschichte. Die Gedichte sind chronologisch angeordnet und ohne Kommentar. Durch eine Kennzeichnung werden sie vier verschiedenen Perspektiven zugeordnet. Die erste Perspektive versammelt Gedichte, die bereits Teil einer Kanonbildung sind. Unter der zweiten Perspektive sind Gedichte von Autorinnen versammelt, die nicht unbedingt berühmt waren (sind). Das dritte Viertel ist Texten gewidmet, die sich mit der Realität von FRAUEN auseinandersetzten. Das letzte Viertel umfasst schließlich Gedichte, die ein weibliches Ich oder eine weibliche Perspektive zu Wort kommen lassen. Im umfangreichen Nachwort werden diese vier unterschiedlichen Perspektiven, die ein Beleg für die Vielfalt für das Phänomen Frauen-Lyrik sind, näher erläutert; auch auf das Auswahlverfahren der Gedichte wird eingegangen.

Die Auswahl (rund 650 Seiten) beginnt mit den Merseburger Zaubersprüchen. Überhaupt ist der mittelalterliche Minnesang stark vertreten. Neben bekannten Lyrikerinnen wie Karoline von Günderrode, Else Lasker-Schüler, Nelly Sachs, Ingeborg Bachmann oder Sarah Kirsch sind auch unbekanntere Namen vertreten. Auch zahlreiche männliche Kollegen sind vertreten, die sich mit dem Thema gewidmet haben – von Goethe über Rückert bis Brecht.

Dieses Buch lässt sich dennoch auf individuellen Pfaden erkunden, trotzdem gibt es Orientierungshilfen. Am Ende gibt es kompakte biografische Informationen zu allen im Band versammelten AutorInnen und verschiedene Register, die ein Auffinden erleichtern. Auch geschlechtsspezifische Fragen werden kurz angerissen.

Bewertung vom 17.11.2020
Matuschek, Oliver

Goethes Elefanten


ausgezeichnet

Was hat Goethe mit Elefanten zu tun? Ganz einfach: im Frühjahr 1784 war er auf der Suche nach Elefanten. Zuvor hatte er eine bedeutende anatomische Entdeckung gemacht, dass der Zwischenkiefer nicht nur bei den Tieren, sondern auch beim Menschen vorhanden sei. Doch damit gab er sich nicht zufrieden; er wollte mehr beweisen, auch und vor allem beim Elefanten. Doch einen Elefanten in Deutschland zu finden, war jedoch zu Goethes Zeiten nicht einfach. Der Landgraf Friedrich II. besaß bis 1780 einen Elefanten in seiner Menagerie in Kassel. Goethe lieh sich später den Schädel des Elefanten aus, um seine Studien am sogenannten Zwischenkieferknochen zu betreiben. Seine Ergebnisse veröffentlichte der Geheimrat jedoch erst 1820 im Rahmen einer Schriftenreihe, in denen er in den Jahren 1817 bis 1824 seine gesammelten naturwissenschaftlichen Aufsätze herausgab.

Der Schriftsteller und Kurator Oliver Matuschek erzählt detailreich und kurzweilig diese spannende Begebenheit der deutschen Literaturgeschichte. Er berichtet auch, wie der Naturforscher Goethe stets gegen das Vorurteil in wissenschaftlichen Kreisen kämpfen musste. Die religiöse und philosophische Dimension der Entdeckung wird ebenfalls beleuchtet. Außerdem wird der Insel-Band durch zahlreiche historische Abbildungen illustriert.

Bewertung vom 16.11.2020
Ortheil, Hanns-Josef

In meinen Gärten und Wäldern


ausgezeichnet

Nach einer komplizierten Herz-OP hat Hanns-Josef Ortheil alte Fotografien und Texte durchforstet, die er in den zurückliegenden Jahren zu Thema „Garten“ gemacht hatte, Seit Jahrzehnten hatte der Autor verschiedene Gärten besessen – zumeist in einem früheren Weinberggelände im Stuttgarter Süden. Auch die angrenzenden Wälder hat er immer wieder durchstreift.

Die Fotos sind meist beiläufig entstanden, wenn der Autor auf ein interessantes Motiv stieß. Dann zückte er sein Smartphone. An den Texten dagegen hat er gefeilt und sie oft überarbeitet. Es sind zumeist Prosatexte, die aber häufig einen lyrischen Anklang haben. Mitunter sind es Beschreibungen des aufgenommenen Fotomotivs, dann aber auch wieder allgemeine Gedanken zu Jahreszeiten, zum Garten oder zu bestimmten Blumen oder Gehölzen. Es sind kleine Porträts, die jetzt als Zyklus veröffentlicht wurden. Ortheil ist zwar kein Botaniker, dennoch beschreibt er fachkundig Details von Pflanzen, Bäumen und Waldbeständen … aber immer dichterisch und ausdrucksstark.

Fazit: Ein Gartenbuch mit literarischen Texten und gelungenen Farbfotos, das man an jeder Stelle mit Gewinn aufschlagen kann. Am liebsten möchte man mit dem Smartphone (oder Fotoapparat) in den eigenen Garten rennen … allein die einfühlsamen Gedanken und Worte werden wohl nicht gelingen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2020
Jonson, Ben

»Dem Shakespeare fehlts an Kunst!«


ausgezeichnet

Ben Jonson (1572-1637) war ein englischer Bühnenautor und Dichter. Neben William Shakespeare und Christopher Marlowe gilt er als der bedeutendste englische Dramatiker der Renaissance. Im Juli 1618 unternahm er von London aus eine über zweimonatige Fußreise nach Schottland, wo er unterwegs bei vielen Persönlichkeiten der damaligen Zeit Station machte – u.a. auch bei dem schottischen Dichter William Drummond (1585-1649).

Drummond hat die Gespräche und Äußerungen von Jonson in „Notes of Ben Jonson’s Conversations with William Drummond of Hawthornden“ festgehalten. Diese Aufzeichnungen wurde erst 1842 in der Edinburgher Advocates‘ Library entdeckt. Der Philologe und Übersetzer Werner von Koppenfels hat diese einzigartigen Notate zusammen mit den gesprächsweisen erwähnten Gedichten und einer Auswahl aus Jonsons Essays erstmals ins Deutsche übersetzt. Die von Jonson formulierten Gedanken geben nicht nur einen guten Überblick über die elisabethanische Literaturszene sondern auch zur englischen Gesellschaft im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert. Da Jonson in den deutschsprachigen Ländern immer noch eine recht unbekannte Größe ist, schafft dieses schmale Bändchen etwas Abhilfe.

Bewertung vom 05.11.2020
Dürrenmatt, Friedrich

Der Hund / Der Tunnel (1 Audio-CD)


ausgezeichnet

In Vorbereitung des 100. Geburtstages von Friedrich Dürrenmatt (5. Januar 2021) hat der Diogenes Verlag zahlreiche Neuerscheinungen herausgebracht, darunter ein Hörbuch mit der ungekürzten Lesung der beiden Erzählungen „Der Hund“ und „Der Tunnel“. Es sind historische Aufnahmen mit dem bekannten, 2016 verstorbenen Sprecher Hans Korte.

Beide Erzählungen stammen aus dem Jahre 1952. In der ersten Geschichte begegnet dem Erzähler in einer Stadt ein Prediger mit einem großen, wolfsähnlichen Hund mit schwefelgelben Augen, der mit seinem Aussehen Grauen verbreitet. Der Erzähler folgt dem Prediger schließlich bis in dessen Keller in einem reichen Wohnviertel. In „Der Tunnel“ wundert sich ein 24-Jähriger bei seiner alltäglichen Fahrt, dass der Zug ungewöhnlich lange in einem Tunnel bleibt, den er sonst nie sonderlich bemerkt hat. Mit dem Zugführer kämpft er sich zum Führerstand vor, den der Lokomotivführer durch einen Sprung verlassen hat. Der Zug rast immer schneller … in einen dunklen Abgrund.