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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1229 Bewertungen
Bewertung vom 18.08.2018
Levensohn, Melanie

Zwischen uns ein ganzes Leben


sehr gut

„Wir hatten nur noch Hunger, Angst und die vage Hoffnung, dass irgendwann der Frühling kommen musste.“ (S. 220) stellt Judith 1940 in Paris fest. Sie ist eine jüdische Studentin und mit Christian, dem Sohn eines Bankiers zusammen. Sein Vater kollaboriert mit den Nazis, darum wollen er und Judith zusammen fliehen. Doch das Schicksal durchkreuzt ihren Plan.

„Du musst Judith finden. Versprich es mir.“ (S. 26): 1982 erfährt Jacobina in Montreal von ihrem Vater, dass sie eine ältere Halbschwester hat, Judith. Ihr Vater war Rumäne und hat lange in Paris gelebt. Irgendwann ging er zurück, aber Judith und ihre Mutter blieben. Durch den Krieg hat er den Kontakt verloren.

„Irgendwann sitzt du krank und alt in deiner Wohnung und bereust Dein Leben.“ (S. 106) hatte ihr Vater Jacobina prophezeit. 2006 ist es so weit, sie lebt heruntergekommen in Washington D.C. Eine Hilfsorganisation schickt Béatrice mit Lebensmitteln zu ihr. Die Frauen freunden sich an und Jacobina erzählt von Judith, und dass sie nie nach ihr gesucht hat. Für Béatrice wird die Suche zu einer willkommenen Ablenkung von ihren eigenen Problemen.

Judiths und Christians Liebesgeschichte ist sehr romantisch, wäre da nicht der zweite Weltkrieg und sie keine Jüdin. Sie lernen sich beim Studium an der Sorbonne kennen. Judiths Leben wird immer schwerer, die Einschränkungen und Ängste immer größer. Christian kümmert sich liebevoll um sie, hört aufmerksam zu, liest zwischen den Zeilen und leistet praktische Hilfe, indem er ihr immer wieder Nahrungsmittel oder Kohlen zusteckt. Er macht ihr Leben bunter, lebenswerter. Doch dann beginnen die Deportationen und er geht extreme Risiken für sie ein. Ihre Geschichte ist extrem fesselnd und berührend, man muss einfach mit ihnen mitfiebern.

Auch Béatrice und Jacobinas Suche nach Judith ist sehr spannend und informativ, zeigt sie doch, dass und vor allem wie immer noch Menschen nach ihren Angehörigen suchen, hoffen, dass diese den Holocaust überlebt haben.
Aber ich bin mit Jacobina und Béatrice einfach nicht warm geworden. Über Jacobina erfährt man so gut wie nichts. Sie wirkt extrem unsympathisch und introvertiert, interessiert sich nur für gutes Essen und Fernsehen. Warum sie so geworden ist? Keine Ahnung. Sie erzählt nur Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit.
Auch Béatrice ist kein Sympathieträger. Nach außen gibt sie die Powerfrau und superschicke Französin, lässt sich aber sowohl von ihrem Chef als auch ihrem Freund immer wieder zur Schnecke machen und muss sich für deren Fehler verantworten. Sie ist viel zu nachgiebig, duckmäuserisch. Warum macht sie sich so klein? Das passt nicht zu ihrem sonstigen Auftreten. Außerdem wird sie im Klappentext als „junge Französin“ beschrieben, dabei ist sie schon 43.
Zudem ist das, was man über die beiden Frauen erfährt, ist nicht zwingend für die Suche nach Judith erforderlich. Für mich hätte ihr Erzählstrang kürzer sein oder sich mehr um die eigentliche Suche drehen können.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass die Geschichte, welche Melanie Levensohn in „Zwischen uns ein ganzes Leben“ erzählt, zum Teil auf der Biographie einer Verwandten ihres Mannes beruht, deren Spur sich in Auschwitz verliert. Das macht dieses Buch so besonders. Sie zeigt Suchwege und Hilfsorganisationen auf, an die man sich wenden kann.

Bewertung vom 16.08.2018
Gantert, Susanne

Aberglaube und Geschäfte


sehr gut

Der Teufel geht um

Seit dem letzten Fall (Der Mädchenreigen), den Konrad von Velden für Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel lösen konnte, sind zwei Jahre vergangen. Laura, eines der Mädchen, das er damals retten konnte, lebt inzwischen bei Konrads Mutter Agnes, die wiederum gerade Pastor Wegener heiratet.
Laura ist erwachsen geworden und macht Konrad Avancen, der ist allerdings anderweitig liiert.
Als innerhalb kurzer Zeit die Leichen einer jungen Frau, eines Babys und eines Jungen in Wolfenbüttel und Goslar auftauchen, wird Konrad mit den Ermittlungen dazu betraut.
Herzog Julius quälen allerdings noch andere Probleme. Ein wichtiges Kolloquium zur Einigung von lutherischen Theologen und Fürsten steht bevor und einer der Teilnehmer, Pastor Hilarius, scheint es absichtlich zu boykottieren. Also wird Wegener losgeschickt, um Hilarius zur Ordnung zu rufen.
Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass alles irgendwie zusammenhängt. Aber wer steckt dahinter und warum?

Ich weiß, meine Einleitung klingt etwas verworren und genau so las sich leider auch das Buch. Konrads „Affäre“ kreuzt mehrfach seine Ermittlungen und auch Laura will unbedingt wieder mitmischen. Er bekommt die beiden Frauen kaum gehändelt und wird dadurch abgelenkt. Außerdem hilft ihm seine weitläufige Familie und gerät dadurch selbst in Lebensgefahr.

Die ersten beiden Bände um Konrad von Velden habe ich verschlungen, aber diesmal viel es mir schwer, in die Handlung zu finden. Susanne Gantert geht seht ausführlich auf die politischen und wirtschaftlichen Hintergründe ein. Die sind zwar für die Handlung wichtig, haben meinen Lesefluss aber gestört. Vielleicht hätte man das anders lösen können. Erst nach der Hälfte kam langsam Fahrt auf. Allerdings wechselten gegen Ende die Handlungsstränge und -orte sehr oft, so dass die Spannung zum Teil wieder verloren ging.
Außerdem stand relativ früh fest, wer hinter allem steckt. Die Frage war nur, ob Konrad und seine Mitstreiter den Täter rechtzeitig entdecken und fassen können.
Auch fehlte mir ein Personenregister wie bei den Vorgängerbänden, das hätte ich dieses Mal gut gebrauchen können.

Trotzdem war der Fall an sich spannend und wieder sehr gut recherchiert, nur die „Verpackung“ stimmte für mich nicht.
Für Neueinsteiger wird auf die Vorgängerbände eingegangen, damit man die Zusammenhänge und Verwandtschaftsverhältnisse versteht. Ergänzt wird das Buch durch eine historische Karte, ein Kapitel über die historischen Hintergründe und das Glossar.

Ein bisschen schwärmen möchte ich vom Cover. Die Kombination aus der historische Ansicht von Wolfenbüttel, einem alten Gemälde und dem farbenfrohen Rand (einer historischen Buchmalerei?) ist wunderschön harmonisch und wiederholt sich auch auf den Coverinnenseiten und dem Lesezeichen. Dadurch wirkt es besonders hochwertig.

Bewertung vom 13.08.2018
Jenoff, Pam

Töchter der Lüfte


ausgezeichnet

Wem kann man noch trauen?

„Das Holz der Zirkuswagen hat Risse bekommen, die bunten Farben blättern ab. Die Tiere sind abgemagert, und die Artisten haben zu viel Rouge aufgetragen, um zu kaschieren, dass ihr Teint fahl ist.“ (S. 145) – doch der Zirkus ist Isas und Astrids Zuhause, das einzige, welches sie noch haben.

Isa ist Holländerin und wird von ihrem Vater verstoßen, als sie mit 16 von einem Deutschen schwanger wird. Ihren Sohn nimmt man ihr nach der Geburt im deutschen Lebensborn-Heim weg. Als sie kurz darauf in einem Güterzug todgeweihte jüdische Babys und Kleinkinder entdeckt, rettet sie einen kleinen Jungen, weil er ihrem Sohn ähnlich sieht. Gleichzeitig macht sie sich Vorwürfe, dass sie nicht alle Kinder mitnehmen kann. Entkräftet von der Flucht durch den eisigen Winter landet sie beim Zirkus. Dessen Direktor hat Mitleid mit ihr und gibt ihr eine Chance: wenn sie von der Trapezkünstlerin Astrid lernen und mit ihr auftreten kann, darf sie bleiben. Eigentlich dauert die Ausbildung Jahre, aber sie haben nur wenige Wochen.
Astrid ist nicht begeistert. Sie sieht in Isa nicht nur eine Konkurrentin, sondern vor allem eine Gefahr. Kann man ihr trauen? Schließlich hat fast jeder Angehörige des Zirkus ein Geheimnis. Astrid z.B. war mit einem Nazi-Offizier verheiratet, der sich wegen seiner Karriere von ihr scheiden lies. Danach ging sie zum Zirkus zurück, schließlich stammte sie ursprünglich von da.

Astrid ist eine strenge, abweisende Lehrerin und das Training hart. Isa hat Angst, das Trapez loszulassen und zu fliegen. Aber nur um sie „schaukeln“ zu sehen, kommen die Menschen nicht in die Vorstellung. Ihr einziger Lichtblick in dieser Zeit ist der gerettete Junge, den sie Theo nennt und als ihren Bruder ausgibt. Papiere für ihn hat sie keine.
Astrid traut Isa nicht, hat Angst, dass ihre Vergangenheit ans Licht kommt. Erst, als sie offen darüber reden, werden sie Freundinnen. „Wir sind, wer wir sind, und das können wir nicht ändern. Und eines Tages – wenn das alles vorbei ist – müssen wir uns selbst noch gegenüber treten können.“ (S. 209)
Doch dann verliebt sich Isa in den Franzosen Luc und setzt alles aufs Spiel ...

Astrid und Isa sind zwei starke, sehr verschiedene Frauen. Beide sind mutig, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Isa ist noch sehr jung, handelt oft impulsiv um anderen zu helfen und bringt sich damit selbst in Gefahr. Astrid ist wesentlich abgebrühter. Die Trennung ihres Mannes hat sie nie richtig verwunden, obwohl sie jetzt mit dem russischen Clown Peter liiert ist. Der kann sich den Nazis einfach nicht unterordnen und provoziert diese mit seinen Sketchen immer wieder. „Dieser verdammte Krieg. Er stellt auf den Kopf, was gut und was böse war.“ (S. 264)

Die Geschichte ist extrem erschütternd und wird abwechselnd aus der Sicht von Isa und Astrid erzählt. Der Clou ist, dass man seit dem Prolog weiß, dass eine von ihnen 50 Jahre später nach Paris zurückkehrt, aber man bis zuletzt nicht weiß wer.

Ich habe „Töchter der Lüfte“ nicht aus der Hand legen können und an nur einem Tag gelesen. Zu fesselnd ist die Geschichte, zu ergreifend die Freundschaft und das Schicksal von Isa und Astrid. Das Buch hat mich traurig zurückgelassen, aber wie Astrid sagt: „Der Zirkus ist eine Show. Und irgendwann ist sie zu Ende.“ (S. 301)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.08.2018
Krieger, Florentine

Radio Hearts


ausgezeichnet

Was ist schon romantisch ...

Seit 15 Jahren moderiert Fred die Radiosendung „Radio Hearts“, bei der die Zuhörer ihre/n Liebste/n grüßen können oder verkuppelt werden. Dabei ist Fred nicht mal besonders romantisch. Und dann werden auch noch immer die gleichen Titel gewünscht – er kann es nicht mehr hören. Bei Mariah Carey wird er inzwischen wütend und von Céline Dion bekommt er Ohrenbluten. Leider bleibt das auch seinem Programmchef Ewald nicht verborgen und Fred bekommt 6 Wochen Zwangsurlaub verordnet. „... finde deinen Sinn für Romantik wieder.“ (S. 35)
Außerdem hat seine Freundin Nora vor einigen Wochen mit ihm Schluss gemacht und der Betreiber seines Lieblingsplattenladens ist in Rente gegangen. Der Laden heißt jetzt Sunshine-Music, die Wände sind rosa und die Regale voller Romantik-Alben. Aber Lena, die neue Inhaberin, ist schon sehr süß, findet Fred. Und ihr Mops Herkules ist cool. Schnell freunden sie sich an und machen einen Deal. Lenas Vermieter hat was gegen Hunde, darum nächtigt Herkules bei Fred, dafür versucht Lena, ihm Romantik beizubringen.

Also schauen sie Liebesfilme, verbringen ein romantisches Wochenende am Meer und vieles mehr – Fred bekommt sozusagen „Romantik im Blockunterricht.“ (S. 117). Zusätzlich konsultiert er eine Psychotherapeutin welche versucht, die Ursache für seine Abneigung gegen Romantik zu finden. Fred ist mit ihren Diagnosen natürlich nie einverstanden.

Ich fand es sehr spannend, eine Liebesgeschichte aus der Sichtweise eines Mannes zu lesen. Dass diese von einer Frau geschrieben wurde, hat man nicht gemerkt. Das Buch ist extrem lustig und sehr kurzweilig. Die 300 Seiten hat man leider viel zu schnell gelesen.
Ich fand es herrlich, dass auch Fred sich immer wieder Gedanken macht, wie er wohl bei seinem Gegenüber ankommt, das sagt man sonst ja eher uns Frauen nach. Auch die tiefsinnigen Männergespräche mit seinen Kumpels haben mich überrascht.
Das letzte Wort hat Freds Mama: „Die Richtige trifft man nur einmal im Leben. Und das auch nur, wenn man besonders viel Glück hat.“ (S. 192)

Mein Fazit: Bitte verfilmen!!!

Bewertung vom 06.08.2018
Feyerabend, Charlotte von

Müritz, Mord und Mückenstich


ausgezeichnet

Back to Nature

Frieda ist Journalistin, Mutter zweier Kinder, seit 20 Jahren mit ihrem Mann Georg zusammen und zum dritten Mal schwanger, im 7. Monat. Da ist Camping eigentlich nicht der ideale Urlaub, aber sie wollte es Georg nicht abschlagen. „Back to Nature“ – na wenigstens gibt’s Feldbetten statt Luftmatratzen und der Campingplatz „Hexenwäldchen“ in der Nähe der Müritz ist wirklich schön, also von den Mücken mal abgesehen. Und dem Toten in ihrer Hängematte *kreisch*.
Der Tote wird schnell als Lokalpolitiker Anton Schreiner identifiziert und sein Tod vom Hausarzt als „Herzversagen“ diagnostiziert. Zu schnell, viel zu schnell wie Frieda findet. Auch wenn sie inzwischen nur noch für Frauenzeitschriften arbeitet, früher war sie für die großen Blätter unterwegs und bei Anton Schreiners Tod stimmt was nicht! Und warum schluchzt Manuela aus dem benachbarten Wohnwagen eigentlich immer?!

Ich habe Frieda sofort gemocht. Trotz 3. Schwangerschaft im 7. Monat walzt sie sich über den Platz, spioniert Manuela hinterher oder nutzt die Ausflüge, um heimlich wegen Antons Tod zu ermitteln. Wobei außer ihr niemand glaubt, dass es wirklich Mord war. Aber Motive gäbe es viele. Neben dem Campingplatz ist ein freies Gelände, für das sich gleich mehrere Bewerber interessieren. Der Heimatverein will wieder Seidenraupen züchten und dafür Maulbeerbäume pflanzen, der Bürgermeister will ein Ferienressort als direkte Konkurrenz zum Zeltplatz bauen und die Ranger (Naturschützer) wollen eine neue Zentrale. Und dann ist da ja auch noch Schreiners Witwe, die angeblich enterbt werden sollte – und nun ist das Testament weg.
Frieda ist echt genial. Immer am Rumfressen (das Baby hat schließlich Hunger!) oder damit beschäftigt, andere dazu zu bringen, ihr was zu Essen zu besorgen (oder zu kochen), damit sie in Ruhe weiter ermitteln kann. Für viel Erheiterung sorgt auch ihre Schwangerschafts-App, mit der sie nebenbei ihre Norwegisch-Kenntnisse aufbessern will und die ihr täglich praktische Tipps aufs Handy schickt – oder dass, was deren Erfinder eben für praktisch halten.
Ihr Mann Georg hat es nicht immer leicht. Die beiden lieben sich sehr und Frieda weiß genau, wie sie ihn für ihre Zwecke einspannen kann. Aber wenn er nachts wieder mal ganze Wälder absägt, wünscht sie ihn zur Hölle. Ein ewiger Streitpunkt sind ihre Pläne für nach der Schwangerschaft. Sie würde sich gern beruflich verändern, weg von der Frauenzeitschrift und wieder hin zum richtigen Journalismus, aber Georg hat seine Bedenken. Und dann spricht er ihr Gewicht an! Da knallt es.
Nebenbei muss sich Frieda auch noch gegen den Lokalreporter Bernd zur Wehr setzen, der sich erst an ihren Rockzipfel hängt um dann in unsterblicher Liebe zu ihr zu entbrennen.
Ihre Nachbarin Melanie ist als ehemalige DDR-Starschauspielerin wunderbar überkandidelt und eine Seele von Mensch. Sie wirft meist mit Zitaten um sich und der Campingplatz ist jetzt ihre große Bühne. Klar, dass die beiden schnell Freundinnen werden.

Ja, so ein Campingplatz ist ein Kosmos für sich. Charly von Feyerabend beschreibt ihn so, wie ich es noch aus meiner Kindheit und Jugend kenne. Wir Kinder haben uns verkrümelt (zum Nachtangeln oder spielen) und die Erwachsenen haben beim Bier oder Wein getratscht. Das Schnarchen, Streiten und alles, was sonst noch menschlich ist, hört man noch 5 Zelte weiter. Da bekomme ich glatt Lust, unser Zelt wieder mal aus dem Keller zu holen. Zumal ich auch die Gegend gut kenne, unser Stammzeltplatz war quasi um die Ecke vom Hexenwäldchen (ja, den Zeltplatz gibt’s wirklich).

„Müritz, Mord und Mückenstich“ ist sehr spannend, kriminell lustig und ungemein kurzweilig. Ich habe bis zum Schluss gerätselt, wer hinter dem Mord steckt und ob es nun überhaupt einer war. Frieda ist ne echte Marke. Was sie sich in ihrem Zustand alles angetan hat, nur um den Fall aufzuklären – Respekt. Hoffentlich darf sie bald wieder ermitteln!

Bewertung vom 06.08.2018
Peterson, Alice

Ein Song bleibt für immer


ausgezeichnet

Alice ist 26 und wunderschön, als Tom sie das erste Mal in einer Galerie sieht. Für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick, aber dann erfährt er zufällig, dass sie an Mukoviszidose leidet (einer unheilbaren Lungenkrankheit). Er besorgt sich Informationen und ist geschockt, Alice Lebenserwartung beträgt nur 30 Jahre. Ihr erstes Treffen findet dann auch in ihrem zweiten Zuhause, dem Krankenhaus statt. Gegen jede Vernunft und den Rat seines besten Freundes entscheidet sich Tom für eine Beziehung mit Alice. Sie imponiert ihm, ist eine echte Kämpfernatur und lässt sich von ihrer Krankheit nicht beherrschen: „Ich bin nicht meine Krankheit.“ (S. 23).
Alice schreibt seit ihrer Kindheit Songs und ihr größter Traum ist eine Karriere als Sängerin und Songwriterin. Aber geht das mit ihrer eingeschränkten Lungenfunktion? Kann sie einen Produzenten überzeugen, es mit ihr zu versuchen? „Ich habe mich noch nie von irgendetwas aufhalten lassen, schon gar nicht von meiner Mukoviszidose.“ (S. 16)

„Ein Song bleibt für immer“ beruht auf der wahren Geschichte von Alice Martineau. Ich habe sie bewusst nicht vor dem Lesen gegoogelt, damit ich mir das Ende nicht vorwegnehme. Der Roman erzählt von ihrem Kampf und dem ihrer Familie und Freunde. Alle haben immer zurückgesteckt, eigene Wünsche und Träume, Lebensentwürfe hintenangestellt – denn Alice Alltag bestimmte ihren Lebensrhythmus. Verständlich, dass sich Alice oft schuldig fühlte und dass gerade ihre Mutter manchmal dachte, wie ihr Leben wohl mit einer gesunden Alice verlaufen wäre.
Auch Tom versucht sich dem anzupassen, aber es verlangt ihm (zu?) viel ab. Während seine Freunde heiraten und Eltern werden, muss er um Alice’ Leben bangen, seine Träume von einer eigenen Familie und Kindern wahrscheinlich begraben.
Als sich ihr Zustand immer weiter verschlechtert, wird sie auf die Warteliste für eine Herz-Lungen-Lebertransplantation gesetzt. Die Überlebenschancen dieser OP liegen bei nur 30%. Aber wenn sie gelingt, kann Alice hinterher ein fast normales Leben führen. Das Warten auf DEN ANRUF beginnt: „Der Mensch hofft, so lange er lebt.“ (S. 417) ...

Das Buch ist extrem emotional und eine echte Gefühlsachterbahn. Genau wie Alice Gesundheit geht es ständig auf und ab. Ich konnte mich in ihre Angst und die ihrer Familie und Freunde richtig einfühlen, habe mit ihnen gelitten. Aber sie hat ihnen auch viel gegeben, Mut gemacht, das eigene Leben und Ziele zu überdenken. Alice hat eine unglaubliche Kraft und Durchhaltewillen und verfolgt ihren Traum von der Karriere als Sängerin unablässig weiter. „Meine Musik wird weiterleben, wenn ich einmal nicht mehr da bin.“ (S. 185)

Besonders berührend fand ich neben der Beziehung zu Tom die zu ihrem Bruder Jake und die Anti-Selbsthilfe-Gruppe, die Alice und zwei andere betroffene junge Frauen gegründet hatten. Sie waren immer füreinander da und haben sich gegenseitig Mut gemacht und unterstützt.

Das Cover ist sehr romantisch und hoffnungsvoll - eine eigene Welt und Schallplatte zugleich, die sich jeweils um Alice drehen. Aber für mich stand die Liebesgeschichte gar nicht im Vordergrund, sondern Alice Leben, ihr Mut, ihr Durchhaltewillen, ihre Kraft.

Bewertung vom 03.08.2018
Mommsen, Janne

Mein wunderbarer Küstenchor


ausgezeichnet

Von Klütz nach Hollywood?

„Beziehungen kommen und gehen, aber der Klützer Chor bleibt bestehen.“ (S. 52) dachten Britta und die anderen Chormitglieder immer, doch dann eröffnet ihnen ihr Chorleiter Dustin, dass er endlich eine Festanstellung bekommen hat. 900 km entfernt. Dabei wollen sie bald in Finnland an einem Chor-Wettbewerb teilnehmen. Aber ohne ihn?! Nicht zu schaffen. Sie brauchen dringend Ersatz und veranstalten ein Casting. Aber die Bewerber, die sich da vorstellen, passen einfach nicht.
Zufällig lernt Britta den Klavierlehrer und Pianisten Jasper kennen. Er ist überzeugt, dass Britta selbst die perfekte Chorleiterin wäre ...

Britta geht auf die 50 zu und arbeitet im Boltenhagener „Hotel Bernstein“. Das hat wegen der Winterpause ein halbes Jahr geschlossen und so sind die wöchentlichen Chorproben ihr Highlight. Nach Klütz hat es sie vor über 25 Jahren wegen ihrer Großtante Sybille verschlagen. Die ist inzwischen 83 und hat den Chor damals zusammen mit Britta gegründet. Genau wie die anderen fast ausschließlich weiblichen Mitglieder genießen sie gemeinsame regelmäßige Auszeit vom Alltag, das Zusammengehörigkeitsgefühl und dass sie auch über das Singen hinaus immer füreinander da sind.
Um den Chor zu retten, brauchen sie aber nicht nur einen neuen Leiter sondern auch mehr männliche Mitglieder. Also muss Britta ihre Komfortzone verlassen und versuchen, alte Freunde und ehemalige Mitglieder zurückzugewinnen. Auch ihren langjährigen Ex-Freund Olli.

Britta und Sybille sind sehr sympathische Figuren, die man gern als Freundinnen hätte. Gestandene Frauen, im Leben angekommen und mit sich selbst im Reinen. Britta kümmert sich rührend um ihre Großtante, die wegen ihres aristokratischen Auftretens „die Gräfin“ genannt wird.
Auch die anderen Mitglieder sind liebenswerte Protagonisten, Menschen wie Du und ich. Da ist die Pastorin Julika, die schwanger von einer Urlaubsliebe in Südfrankreich zurückkam. Galeristin Regina wirkt immer etwas abgehoben. Dorfpolizist Rainer, die russische Krankenschwester Ludmilla und Wendy mit ihrem Obst- und Gemüsestand sind herrlich bodenständig. Friseurin Gerda ist bei ihren Strähnchen zwar experimentierfreudig, scheut aber die große Bühne. Physiotherapeutin Jenny und Lehrerin Anika sind noch auf der Suche nach der großen Liebe und hoffen auf jüngeren Männerzuwachs. Die introvertierte Gewandmeisterin Sarah schneidert die Kostüme für den Auftritt und wächst beim Singen über sich hinaus. Und Jasper bringt frischen Wind in den Chor und Brittas Leben. Er glaubt an sie und unterstützt sie, aber was sind seine Beweggründe?

Ich habe Janne Mommsen erst vor kurzem für mich entdeckt, aber schon jetzt ist er für mich ein Garant für entspannte, heitere Lesestunden, die mich an die See entführen. Er beschreibt sehr bildlich die Landschaft und das gemütliche Leben in der Kleinstadt, wo man sich kennt, zusammenhält und wenn nötig hilft. Seine Bücher machen Sehnsucht nach Mee(h)r.

Bewertung vom 01.08.2018
Gazzola, Alessia

Warum ich trotzdem an Happy Ends glaube


sehr gut

Man ist das, was man sein will

Emma de Tessent wäre gern erfolgreiche Filmproduzentin und würde in der mit Glyzinien bewachsenen Villa wohnen, die seit Jahren zum Verkauf steht. Im realen Leben ist sie die „ewige Praktikantin“ der amerikanische Filmproduktionsfirma Fairmont in Rom und wohnt bei Mama, weil sie sich von ihrem mickrigen Gehalt nicht mal eine eigene Wohnung leisten kann. Ihre Abende verbringt sie am liebsten mit schmalzigen Liebesromanen, ungesunden Keksen und den Überlegungen, wie sie den berühmten Schriftsteller Tameyoshi Tessai doch noch dazu bewegen kann, ihrer Firma die Filmrechte an seinem Bestseller zu verkaufen.
Als ihr Praktikum wieder einmal ausläuft und nicht, wie versprochen, in einen richtigen Vertrag umgewandelt oder wenigstens verlängert wird, stürzt sie in eine Sinnkrise. Die Vorstellungsgespräche bei anderen Firmen laufen überhaupt nicht gut, am schlimmsten läuft es bei der elitären Firma Waldau – Dr. Scalzi demütigt sie regelrecht. Da kommt ihr die Arbeit in der Kinderboutique von Vittoria Airoldi wie eine Ruheoase vor, ein Stück heile Welt in ihrem Katastrophenfilm. Doch plötzlich reißen sich auch die Fairmont und Waldau wieder um sie ...

Die Geschichte hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Emma erzählt die Geschehnisse aus ihrer Perspektive und lässt den Leser dadurch an ihren geheimsten Träumen, Wünschen und Gedanken teilhaben. Ein besonderes Highlight sind die witzigen Kapitelüberschriften, die fast immer das Wort Praktikantin beinhalten und eine Vorgeschmack auf die nächsten Szenen geben.

Emma war mir gleich sympathisch und ich konnte mich gut ihre Situation einfühlen. Sie hat eigentlich alles, was man für eine erfolgreiche Karriere braucht – eine gute Ausbildung, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen – nur ihre Gutgläubigkeit wird ihr zum Verhängnis. Zudem ist sie sehr romantisch und träumt von der einzigen großen Liebe, wie ihre Eltern sie gefunden hatten. Die Ehe ihrer Schwester Arabella ist leider das ganze Gegenteil und ein abschreckendes Vorbild.

Natürlich gibt es auch in dieser Geschichte viele Geheimnisse. Was verband z.B. Emmas Mutter mit Tessais Verleger und woher rührt Tessais Weltschmerz?
Und was will Dr, Scalzi von Emma? Sie geraten immer wieder aneinander, die Fetzen fliegen und Funken sprühen. Trotzdem sucht er immer wieder ihre Nähe ...

„Warum ich trotzdem an Happy Ends glaube“ ist ein wunderbar leichter und amüsanter Roman um die harte Filmbranche und zwischenmenschliche Beziehungen. Seine Sprache lädt zum Träumen ein und lässt die Dolce Vita vor meinem inneren Auge lebendig werden. Emma ist eine zauberhafte Person, die ich gern als Freundin hätte – auch um sie ab und an aus den Wolken auf den Boden der Realität zu holen.
Einzig das Ende hat mir nicht ganz so gut gefallen. Die Ereignisse überschlugen sich und die Handlung wurde zum Teil etwas unübersichtlich.

Bewertung vom 28.07.2018
Graze, Linda

Schmälzle und die Kräuter des Todes


gut

Hat mich leider nicht ganz überzeugt

In Karlsruhe war Justin Schmälzle erfolgreicher Ermittler in der Drogen- und Mordabteilung. Wegen seiner Frau hat er sich nach Bad Wildbach versetzen lassen, hier werden maximal Blumenkübel in die Enz geworfen. Er hat keinen guten Start, wird als Schwarzer in dem Kurort zuerst nicht ernst genommen – man bietet ihm sogar Schwarzarbeit als Gärtner an.
Doch eines Tages liegt ein Toter im Fluss. Kurz darauf verschwindet eine junge Frau beim Wandern und ein besorgter Bürger meldet, dass im Kurpark neuerdings Kräuter-Drogen an Jugendliche verkauft werden. Die Ereignisse überschlagen sich ...

Leider bin ich mit Schmälzle nicht ganz warm geworden. Er ist ein fanatischer Gesundheitsfreak und treibt seine Familie und Kollegen damit in den Wahnsinn. Er trinkt nur Reismilch-Macchiato, lebt ökologisch vegan und treibt fanatisch Sport – das machte ihn mir nicht besonders sympathisch. Zudem kommt er so rüber, als wäre er der einzige wirklich arbeitende Polizist seiner neuen Dienststelle.
Sein Chef Harald Scholz ist das ganze Gegenteil. Scholz ist aufs Essen und Trinken fixiert und lässt die Arbeit gern mal übers Wochenende liegen.
Auch die Kollegen der übergeordneten Dienststellen arbeiten ähnlich (un)motiviert und verweigern schlichtweg mehrfach die geforderte Amtshilfe. Das war mir zu irreal, zu weit vom wirklichen Leben weg.

Der Fall ist sehr verworren, springt zwischen der Ermittlung wegen des Toten, der Drogen und der verschwundenen Frau zeitlich vor und zurück. Das hat mich zu Beginn etwas irritiert, wurde am Ende aber aufgeklärt. Auch der schwäbische Dialekt, der in einigen Kapiteln überhand nimmt, macht es Nicht-Schwaben wie mir schwer, der Handlung zu folgen.

Alles in allem ist es ein netter, ruhiger Regionalkrimi, der eher durch seine Protagonisten und das Setting als durch Spannung besticht.