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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1225 Bewertungen
Bewertung vom 29.08.2018
Fellowes, Jessica

Unter Verdacht / Die Schwestern von Mitford Manor Bd.1


ausgezeichnet

Ein echter Pageturner

London 1920: Die verdiente Krankenschwester Florence Nightingale Shore wird während einer Zugfahrt ermordet und niemand bekommt etwas mit.
Zum Tatort werden u.a. die Bahnpolizisten Guy Sullivan und Harry Conlon gerufen. Während Guy von der Aufnahme in die „richtige“ Polizei träumt, will Harry als Saxofonist groß rauskommen.
Im gleichen Zug ist auch die 18jährige Louisa Cannon mit ihrem Onkel Stephen unterwegs. Seit dem Tod ihres Vaters kommen Louisa und ihre Mutter kaum ihre Runden. Stephen hat sich bei ihnen eingenistet, nimmt ihnen regelmäßig ihren kargen Lohn ab und zwingt Louisa zum Stehlen. Dabei träumt sie von einem besseren Leben, zum Beispiel von der Stelle als Kindermädchen auf Mitford Manor, für die sie sich beworben hat. Sie hat Glück und bekommt sie.
Die älteste Tochter der Mitfords, Nancy, denkt sich gern (Grusel-)Geschichten aus und unterhält (erschrickt) ihre jüngeren Geschwister. Dass die Familie mit der toten Krankenschwester befreundet war, beflügelt ihre Fantasie. Sie will unbedingt herausfinden, wer Florence ermordet hat. Dabei soll ihr Louisa helfen. Wie gut, dass diese kurz zuvor Guy kennengelernt hat ...

Jessica Fellows schreibt sehr bildlich und lebendig. Man sieht die dreckigen Gegenden Londons, die düsteren Bahnhöfe aber auch das Anwesen der Mitfords oder die noblen Ferienorte an der Küste vor sich. Sie hat die Gegensätze zwischen arm und reich, den Daheimgebliebenen und Kriegsheimkehrern sehr gut herausgearbeitet. Besonders gefallen hat mir ihre Darstellung des quirligen Hauswesens bei den Mitfords. Neben den Erwachsenen und 6 Kindern aller Altersstufen gibt es auch unzählige Bedienstete, die alles am Laufen halten. Da sind Spannungen natürlich vorprogrammiert, trotzdem halten sie im Ernstfall zusammen.

Nancy ist nur 2 Jahre jünger als Louisa und will sie unbedingt als Freundin / Vertraute und nicht nur als Kindermädchen. Dabei könnten die Unterschiede zwischen ihnen kaum größer sein. „Ein bisschen kam es ihr so vor, als würden sie die Hände nacheinander ausstrecken, ohne sich ganz berühren zu können ...“ (S. 131). Nancy ist sehr vorlaut, hat einen scharfen Verstand und eine gute Beobachtungsgabe, ist mit ihren 16 Jahren aber auch zum ersten Mal verliebt und dadurch „hormongesteuert“.
Louisa hingegen hat die Angst vor ihrem Onkel fest im Griff. Außerdem will sie nichts machen, was ihre Stellung – in der sie sich endlich etwas sicherer fühlt – gefährden könnte. Doch letztendlich wird sie von ihrer eigenen Courage überrascht.
Mein heimlicher Star des Buches war Guy. Er ist sehr hartnäckig und hat echtes Durchsetzungsvermögen. Obwohl er bald von dem Fall abgezogen wird, ermittelt er auf eigene Faust weiter. Er will ihn unbedingt aufklären und danach am liebsten zum Geheimdienst – dann würde er nämlich genug verdienen, um eine Familie zu gründen.

Der Fall ist sehr komplex und verschachtelt. Er führt zurück bis in den ersten Weltkrieg und auf den Kontinent. Es tauchen immer wieder neue Verdächtige, Motive und Alibis auf. Ich war bis zuletzt gefesselt und hatte den Falschen in Verdacht.

Für mich hat „Die Schwestern von Mitford Manor – Unter Verdacht“ alles, was ein Pageturner braucht: Mord, Krieg, Verwicklungen, Freundschaft und Liebe. Ich bin schon sehr gespannt, was die anderen Mitford-Schwestern in den noch kommenden Bänden erleben werden.

Übrigens ist der Mord wirklich passiert, er wurde leider nie aufgeklärt. Und Nancy Mitford hat, genau wie im Buch, später Romane geschrieben.

Bewertung vom 29.08.2018
Egan, Jennifer

Manhattan Beach


sehr gut

Ich bin ehrlich, dieses Buch hat mich zeitweise etwas erschlagen. Ausgehende vom Klappentext und der Leseprobe hatte ich etwas ganz anders erwartet – Annas Geschichte und die Suche nach ihrem Vater.
Aber alles beginnt viel früher. Mit Eddies Leben als Laufbursche im Restaurant seines Vaters, wie er seine Frau fand, eine Familie gründete, groß herauskam und beim Börsencrash alles verlor. Auch Dexter hat sich vom Handlanger zum Boss hochgearbeitet, die Tochter eines reichen Bankiers geheiratet und dient als Mittler zwischen beiden Welten (Legalität und Illegalität) – das haben er und Eddie gemeinsam.
Annas Kampf gegen Vorgesetzte und Vorurteile darum, Tauchen zu dürfen, ist nur ein winziger Teil des Buches. Eigentlich geht es ums große Ganze. Den Krieg, das Lebensgefühl, Einzelschicksale.

Trotzdem habe ich mir Anna als Hauptperson ausgesucht, weil sie mich am meisten beeindruckt, ihr Schicksal mich gefesselt hat. Sie will mehr aus ihrem Leben machen. Nicht nur einen Mann finden der sie aushält oder heiratet, wie es sich die anderen Mädchen in der Werft wünschen. Nicht nur Sekretärin sein. Und Anderssein macht einsam. Sie ahnte, wie leicht sie in eine Ritze der verdunkelten Stadt gleiten und darin verschwinden konnte.“ (S. 228)

Vor allem in der zweiten Hälfte gab es Passagen, die mir leider zu weitschweifig und langatmig waren, seitenlange Rückblenden und Gespräche zum Beispiel. Hier hat die Autorin m.E. zu viel von dem reingepackt, was sie bei ihren Nachforschungen entdeckt hat und manchmal ist weniger dann doch mehr.

Fazit: Obwohl ich eigentlich etwas anderes erwartet hatte und mich das Buch nicht durchgehende fesseln konnte, hat mich Annas Leben tief beeindruckt. Ein komplexes, umfassend recherchiertes Werk über Manhattan in den 30er und 40er Jahren.

Bewertung vom 28.08.2018
Diechler, Gabriele

Lavendelträume


ausgezeichnet

Tolles Kopfkino

Julias Freund Frank versteht nicht, dass sie über den Unfalltod ihrer Mutter einfach nicht hinwegkommt. Als sie dann auch noch ein geheimes Schließfach ihrer Mutter entdeckt, in dem ein Päckchen mit deren Lieblingsparfüm und einem Liebesbrief liegt – der Absender ist der Parfümeur Antoine Lefort aus der Nähe vom Grass – fährt sie kurzentschlossen zu ihm nach Roquefort-les-Pins. „Fragen zu stellen ist das Einzige, was mir geblieben ist. Wenn ich das nicht tue, werde ich verrückt.“ (S. 16)
Doch auch Antoine ist inzwischen gestorben und seinen Sohn Nicolas will Julia mit der Vermutung, dass die beiden evtl. eine Affäre hatten, nicht überrumpeln. Zumal sich beide sofort sympathisch sind und aus ihrer Freundschaft mehr werden könnte ...

Julia ist eine sehr sympathische Person, der ich in ihrer Situation gern zur Seite gestanden hätte. Der Verlust ihrer Mutter trifft sie hart. Ihr Vater und sie entfremden sich immer mehr. Auch ihr Freund Frank, ein stets logisch denkender Mathematiker, kann nicht mehr zu ihr durchdringen, so sehr er sich auch bemüht. Ich bin kein besonders geduldiger Mensch, in der Liebe Gott sei Dank jedoch hartnäckig.“ (S. 229)
Nicolas ist das ganze Gegenteil von Frank, ein extrem kreativer Mensch, ebenfalls erfolgreicher Parfümeur, startet aber gerade als Maler durch. Sie verstehen sich auf den ersten Blick und seine Lebenslust steckt Julia an, bricht nach und nach ihre Schale auf. Dabei helfen auch das entspannte Leben in der Provence, das gute Essen und der beruhigende Duft des Lavendelsträußchens neben ihrem Bett. Plötzlich steht sie zwischen 2 Männer und muss sich entscheiden. Doch sie Nicolas dann endlich den Liebesbrief seines Vaters zeigt und sie zusammen Nachforschungen anstellen, entdecken sie etwas Ungeheuerliches.

Gabriele Diechlers „Lavendelträume“ ist eine wunderbare, bezauberndere Geschichte über Abschiede, Neuanfänge und die Liebe. Für all diese Dinge braucht man Mut, Zuversicht und Selbstvertrauen – die muss Julia erst wieder lernen bzw. an sich entdecken.
Die Autorin erklärt sehr interessant, wie ein neuer Duft entwickelt wird, aus was er sich zusammensetzt. Ergo, wie ein Parfüm entsteht. Sie hat ein Händchen für das besondere Flair, dass die Provence im Sommer und Paris zu Weihnachten versprühen. Ihre Beschreibungen von Land und Leute, den schier endlosen Lavendelfeldern, dem ausgezeichneten Essen und hervorragenden Wein bescheren dem Leser ein tolles Kopfkino und schüren die Sehnsucht nach der Provence.

Und wer weiß? „Manchmal werden Träume wahr.“ (S. 167)

Bewertung vom 25.08.2018
Tasty

Tasty


sehr gut

Wir überbacken das!

Kennt Ihr den Youtube Kanal von Tasty? Mir war er bis zur Entdeckung dieses Kochbuches kein Begriff, dabei ist er nach eigenen Angaben der erfolgreichste der Welt. Fast täglich werden neue Videos hochgeladen, welche zum Nachkochen / -backen animieren sollen.

Das Buch beinhaltet die Rezepte der 80 erfolgreichsten – also meist angeklickten – Videos. Diese reichen von „Party“, „Landküche“, „Süßes“, „Klassiker“, „Vegetarisch“, „Die Besten“, „Aus aller Welt“, über „Trendiges“ bis zu „Bälle & Ringe“. Es sollte also jeder etwas finden, dass ihn anspricht. Dafür wäre auch ein Foto des jeweils fertigen Gerichtes gut gewesen, leider gab es das nicht immer.

Beim Durchblättern ist mir dann schnell aufgefallen, dass mir persönlich die Gerichte meist zu ungesund sind. Es werden Unmengen Zucker, Fett oder Käse verwendet (getreu dem Motto „Wir überbacken das.“), oft in Kombination. Wahrscheinlich fehlen darum auch die Nährwertangaben, damit man nicht schon vorher abgeschreckt ist. Auch Zubereitungszeiten sucht man leider vergeblich. In der Einleitung steht nur, dass die meisten Gerichte in „unter einer Stunde“ zubereitet sind.

Bei einigen Rezepten habe ich mir die Videos angeschaut und festgestellt, dass die Zubereitung dort etwas anders ist als im Buch.
Ich hatte mir u.a. die Kartoffelspiralen ausgesucht und zufällig wurden diese kurz darauf bei Facebook vorgestellt. Im Buch steht „Die Kartoffeln in der Mikrowelle 1 – 11/2 Minuten garen.“, im Video werden sie roh aufgespießt. Außerdem hat die Käse-Würzmischung locker für die doppelte bis dreifache Menge Kartoffeln gereicht. Lecker waren sie allerdings ;-).

Das Kochbuch ist meiner Meinung nach nicht für den täglichen Gebrauch geeignet, sondern eher für Partys, bei denen man bekanntlich weniger auf die Kalorien, dafür aber auf Menge (die Gerichte sind oft auf deutlich mehr als 4 Personen ausgelegt) und Aussehen schaut.

Bewertung vom 21.08.2018
Stamm, Patricia;Stummer, Verena

Einkochbuch


sehr gut

Einkochen mal anders

Da wir gerade mitten in der Erntezeit sind, bin ich immer auf der Suche nach neuen Rezepten. Umso mehr habe ich mich über das „Einkochbuch - Neue Schätze für den Vorratsschrank“ aus dem Löwenzahn Verlag gefreut. Die Autorinnen Patricia Stamm und Verena Stummer haben moderne, zum Teil sehr ungewöhnliche Rezepte rund ums Haltbarmachen entwickelt.

Schon die Aufmachung des Buches wieder sehr gelungen. Durch den Leinenrücken und die goldene Prägeschrift wirkt es sehr edel. Die Fotos und Zeichnungen zu den Rezepten sind sehr appetitanregend, die Seiten gut strukturiert und klar. Ein zusätzliches Schmankerl sind die beiliegenden Geschenkanhänger.

Für Einkoch-Anfänger gibt es hilfreiche Tipps und Tricks. Da ich schon seit Jahren selber experimentiere, habe ich in der Rubrik nicht viel Neues entdeckt.
Sehr positiv ist, dass zum fertigen Produkt immer noch eine Anwendungsmöglichkeit oder ein weiteres Rezept geboten wird. Da steht dann zum Beispiel, ob das Chutney zu Fleisch oder Käse passt und wie man den Schokokuchen passend zur „Scharfe Himbeere“ bäckt.

Die Rezepte gliedern sich in „Konfitüren & Gelees“, „Chutney, Ketchup & Co“, „Allerlei Pikantes“, „Kräuter & Salze“ und „Allerlei Flüssiges“, so dass man für jede Gelegenheit das Passende finden sollte.

Ich habe natürlich verschiedene Rezepte probiert. Ein Highlight war u.a. der „Bratapfel im Glas“. Die Zubereitung ist super einfach und der Geschmack toll. Das wird gleich das Weihnachtsgeschenk für meine Kollegen ;-).

Sehr gut haben uns auch die "Karamellisierten Zwiebeln" geschmeckt. Dafür werden rote Zwiebeln mit Zucker und Gewürzen so lange eingekocht, bis sie wirklich die Konsistenz von Karamell haben – ein Gedicht! Auf unserer Grillparty waren die weg wie nichts.

Außerdem habe ich zum ersten Mal Ingwerbier selber gebraut. Ich hätte nie gedacht, dass das so leicht geht.

Mein einziges Manko sind die großen Mengen (zwischen 3 und 5 Liter), die immer gleich verarbeiten werden sollen. Ich verschenke zwar wirklich viele der zubereiteten Sachen, aber bis dahin muss ich sie irgendwo lagern. Und die großen Keller wie zu Omas Zeiten gibt’s ja leider kaum noch. Ich mache darum lieber kleiner Mengen und verschiedene Sachen, weil die Beschenkten ja auch unterschiedliche Vorlieben haben.

Bewertung vom 18.08.2018
Levensohn, Melanie

Zwischen uns ein ganzes Leben


sehr gut

„Wir hatten nur noch Hunger, Angst und die vage Hoffnung, dass irgendwann der Frühling kommen musste.“ (S. 220) stellt Judith 1940 in Paris fest. Sie ist eine jüdische Studentin und mit Christian, dem Sohn eines Bankiers zusammen. Sein Vater kollaboriert mit den Nazis, darum wollen er und Judith zusammen fliehen. Doch das Schicksal durchkreuzt ihren Plan.

„Du musst Judith finden. Versprich es mir.“ (S. 26): 1982 erfährt Jacobina in Montreal von ihrem Vater, dass sie eine ältere Halbschwester hat, Judith. Ihr Vater war Rumäne und hat lange in Paris gelebt. Irgendwann ging er zurück, aber Judith und ihre Mutter blieben. Durch den Krieg hat er den Kontakt verloren.

„Irgendwann sitzt du krank und alt in deiner Wohnung und bereust Dein Leben.“ (S. 106) hatte ihr Vater Jacobina prophezeit. 2006 ist es so weit, sie lebt heruntergekommen in Washington D.C. Eine Hilfsorganisation schickt Béatrice mit Lebensmitteln zu ihr. Die Frauen freunden sich an und Jacobina erzählt von Judith, und dass sie nie nach ihr gesucht hat. Für Béatrice wird die Suche zu einer willkommenen Ablenkung von ihren eigenen Problemen.

Judiths und Christians Liebesgeschichte ist sehr romantisch, wäre da nicht der zweite Weltkrieg und sie keine Jüdin. Sie lernen sich beim Studium an der Sorbonne kennen. Judiths Leben wird immer schwerer, die Einschränkungen und Ängste immer größer. Christian kümmert sich liebevoll um sie, hört aufmerksam zu, liest zwischen den Zeilen und leistet praktische Hilfe, indem er ihr immer wieder Nahrungsmittel oder Kohlen zusteckt. Er macht ihr Leben bunter, lebenswerter. Doch dann beginnen die Deportationen und er geht extreme Risiken für sie ein. Ihre Geschichte ist extrem fesselnd und berührend, man muss einfach mit ihnen mitfiebern.

Auch Béatrice und Jacobinas Suche nach Judith ist sehr spannend und informativ, zeigt sie doch, dass und vor allem wie immer noch Menschen nach ihren Angehörigen suchen, hoffen, dass diese den Holocaust überlebt haben.
Aber ich bin mit Jacobina und Béatrice einfach nicht warm geworden. Über Jacobina erfährt man so gut wie nichts. Sie wirkt extrem unsympathisch und introvertiert, interessiert sich nur für gutes Essen und Fernsehen. Warum sie so geworden ist? Keine Ahnung. Sie erzählt nur Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit.
Auch Béatrice ist kein Sympathieträger. Nach außen gibt sie die Powerfrau und superschicke Französin, lässt sich aber sowohl von ihrem Chef als auch ihrem Freund immer wieder zur Schnecke machen und muss sich für deren Fehler verantworten. Sie ist viel zu nachgiebig, duckmäuserisch. Warum macht sie sich so klein? Das passt nicht zu ihrem sonstigen Auftreten. Außerdem wird sie im Klappentext als „junge Französin“ beschrieben, dabei ist sie schon 43.
Zudem ist das, was man über die beiden Frauen erfährt, ist nicht zwingend für die Suche nach Judith erforderlich. Für mich hätte ihr Erzählstrang kürzer sein oder sich mehr um die eigentliche Suche drehen können.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass die Geschichte, welche Melanie Levensohn in „Zwischen uns ein ganzes Leben“ erzählt, zum Teil auf der Biographie einer Verwandten ihres Mannes beruht, deren Spur sich in Auschwitz verliert. Das macht dieses Buch so besonders. Sie zeigt Suchwege und Hilfsorganisationen auf, an die man sich wenden kann.

Bewertung vom 16.08.2018
Gantert, Susanne

Aberglaube und Geschäfte


sehr gut

Der Teufel geht um

Seit dem letzten Fall (Der Mädchenreigen), den Konrad von Velden für Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel lösen konnte, sind zwei Jahre vergangen. Laura, eines der Mädchen, das er damals retten konnte, lebt inzwischen bei Konrads Mutter Agnes, die wiederum gerade Pastor Wegener heiratet.
Laura ist erwachsen geworden und macht Konrad Avancen, der ist allerdings anderweitig liiert.
Als innerhalb kurzer Zeit die Leichen einer jungen Frau, eines Babys und eines Jungen in Wolfenbüttel und Goslar auftauchen, wird Konrad mit den Ermittlungen dazu betraut.
Herzog Julius quälen allerdings noch andere Probleme. Ein wichtiges Kolloquium zur Einigung von lutherischen Theologen und Fürsten steht bevor und einer der Teilnehmer, Pastor Hilarius, scheint es absichtlich zu boykottieren. Also wird Wegener losgeschickt, um Hilarius zur Ordnung zu rufen.
Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass alles irgendwie zusammenhängt. Aber wer steckt dahinter und warum?

Ich weiß, meine Einleitung klingt etwas verworren und genau so las sich leider auch das Buch. Konrads „Affäre“ kreuzt mehrfach seine Ermittlungen und auch Laura will unbedingt wieder mitmischen. Er bekommt die beiden Frauen kaum gehändelt und wird dadurch abgelenkt. Außerdem hilft ihm seine weitläufige Familie und gerät dadurch selbst in Lebensgefahr.

Die ersten beiden Bände um Konrad von Velden habe ich verschlungen, aber diesmal viel es mir schwer, in die Handlung zu finden. Susanne Gantert geht seht ausführlich auf die politischen und wirtschaftlichen Hintergründe ein. Die sind zwar für die Handlung wichtig, haben meinen Lesefluss aber gestört. Vielleicht hätte man das anders lösen können. Erst nach der Hälfte kam langsam Fahrt auf. Allerdings wechselten gegen Ende die Handlungsstränge und -orte sehr oft, so dass die Spannung zum Teil wieder verloren ging.
Außerdem stand relativ früh fest, wer hinter allem steckt. Die Frage war nur, ob Konrad und seine Mitstreiter den Täter rechtzeitig entdecken und fassen können.
Auch fehlte mir ein Personenregister wie bei den Vorgängerbänden, das hätte ich dieses Mal gut gebrauchen können.

Trotzdem war der Fall an sich spannend und wieder sehr gut recherchiert, nur die „Verpackung“ stimmte für mich nicht.
Für Neueinsteiger wird auf die Vorgängerbände eingegangen, damit man die Zusammenhänge und Verwandtschaftsverhältnisse versteht. Ergänzt wird das Buch durch eine historische Karte, ein Kapitel über die historischen Hintergründe und das Glossar.

Ein bisschen schwärmen möchte ich vom Cover. Die Kombination aus der historische Ansicht von Wolfenbüttel, einem alten Gemälde und dem farbenfrohen Rand (einer historischen Buchmalerei?) ist wunderschön harmonisch und wiederholt sich auch auf den Coverinnenseiten und dem Lesezeichen. Dadurch wirkt es besonders hochwertig.

Bewertung vom 13.08.2018
Jenoff, Pam

Töchter der Lüfte


ausgezeichnet

Wem kann man noch trauen?

„Das Holz der Zirkuswagen hat Risse bekommen, die bunten Farben blättern ab. Die Tiere sind abgemagert, und die Artisten haben zu viel Rouge aufgetragen, um zu kaschieren, dass ihr Teint fahl ist.“ (S. 145) – doch der Zirkus ist Isas und Astrids Zuhause, das einzige, welches sie noch haben.

Isa ist Holländerin und wird von ihrem Vater verstoßen, als sie mit 16 von einem Deutschen schwanger wird. Ihren Sohn nimmt man ihr nach der Geburt im deutschen Lebensborn-Heim weg. Als sie kurz darauf in einem Güterzug todgeweihte jüdische Babys und Kleinkinder entdeckt, rettet sie einen kleinen Jungen, weil er ihrem Sohn ähnlich sieht. Gleichzeitig macht sie sich Vorwürfe, dass sie nicht alle Kinder mitnehmen kann. Entkräftet von der Flucht durch den eisigen Winter landet sie beim Zirkus. Dessen Direktor hat Mitleid mit ihr und gibt ihr eine Chance: wenn sie von der Trapezkünstlerin Astrid lernen und mit ihr auftreten kann, darf sie bleiben. Eigentlich dauert die Ausbildung Jahre, aber sie haben nur wenige Wochen.
Astrid ist nicht begeistert. Sie sieht in Isa nicht nur eine Konkurrentin, sondern vor allem eine Gefahr. Kann man ihr trauen? Schließlich hat fast jeder Angehörige des Zirkus ein Geheimnis. Astrid z.B. war mit einem Nazi-Offizier verheiratet, der sich wegen seiner Karriere von ihr scheiden lies. Danach ging sie zum Zirkus zurück, schließlich stammte sie ursprünglich von da.

Astrid ist eine strenge, abweisende Lehrerin und das Training hart. Isa hat Angst, das Trapez loszulassen und zu fliegen. Aber nur um sie „schaukeln“ zu sehen, kommen die Menschen nicht in die Vorstellung. Ihr einziger Lichtblick in dieser Zeit ist der gerettete Junge, den sie Theo nennt und als ihren Bruder ausgibt. Papiere für ihn hat sie keine.
Astrid traut Isa nicht, hat Angst, dass ihre Vergangenheit ans Licht kommt. Erst, als sie offen darüber reden, werden sie Freundinnen. „Wir sind, wer wir sind, und das können wir nicht ändern. Und eines Tages – wenn das alles vorbei ist – müssen wir uns selbst noch gegenüber treten können.“ (S. 209)
Doch dann verliebt sich Isa in den Franzosen Luc und setzt alles aufs Spiel ...

Astrid und Isa sind zwei starke, sehr verschiedene Frauen. Beide sind mutig, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Isa ist noch sehr jung, handelt oft impulsiv um anderen zu helfen und bringt sich damit selbst in Gefahr. Astrid ist wesentlich abgebrühter. Die Trennung ihres Mannes hat sie nie richtig verwunden, obwohl sie jetzt mit dem russischen Clown Peter liiert ist. Der kann sich den Nazis einfach nicht unterordnen und provoziert diese mit seinen Sketchen immer wieder. „Dieser verdammte Krieg. Er stellt auf den Kopf, was gut und was böse war.“ (S. 264)

Die Geschichte ist extrem erschütternd und wird abwechselnd aus der Sicht von Isa und Astrid erzählt. Der Clou ist, dass man seit dem Prolog weiß, dass eine von ihnen 50 Jahre später nach Paris zurückkehrt, aber man bis zuletzt nicht weiß wer.

Ich habe „Töchter der Lüfte“ nicht aus der Hand legen können und an nur einem Tag gelesen. Zu fesselnd ist die Geschichte, zu ergreifend die Freundschaft und das Schicksal von Isa und Astrid. Das Buch hat mich traurig zurückgelassen, aber wie Astrid sagt: „Der Zirkus ist eine Show. Und irgendwann ist sie zu Ende.“ (S. 301)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.08.2018
Krieger, Florentine

Radio Hearts


ausgezeichnet

Was ist schon romantisch ...

Seit 15 Jahren moderiert Fred die Radiosendung „Radio Hearts“, bei der die Zuhörer ihre/n Liebste/n grüßen können oder verkuppelt werden. Dabei ist Fred nicht mal besonders romantisch. Und dann werden auch noch immer die gleichen Titel gewünscht – er kann es nicht mehr hören. Bei Mariah Carey wird er inzwischen wütend und von Céline Dion bekommt er Ohrenbluten. Leider bleibt das auch seinem Programmchef Ewald nicht verborgen und Fred bekommt 6 Wochen Zwangsurlaub verordnet. „... finde deinen Sinn für Romantik wieder.“ (S. 35)
Außerdem hat seine Freundin Nora vor einigen Wochen mit ihm Schluss gemacht und der Betreiber seines Lieblingsplattenladens ist in Rente gegangen. Der Laden heißt jetzt Sunshine-Music, die Wände sind rosa und die Regale voller Romantik-Alben. Aber Lena, die neue Inhaberin, ist schon sehr süß, findet Fred. Und ihr Mops Herkules ist cool. Schnell freunden sie sich an und machen einen Deal. Lenas Vermieter hat was gegen Hunde, darum nächtigt Herkules bei Fred, dafür versucht Lena, ihm Romantik beizubringen.

Also schauen sie Liebesfilme, verbringen ein romantisches Wochenende am Meer und vieles mehr – Fred bekommt sozusagen „Romantik im Blockunterricht.“ (S. 117). Zusätzlich konsultiert er eine Psychotherapeutin welche versucht, die Ursache für seine Abneigung gegen Romantik zu finden. Fred ist mit ihren Diagnosen natürlich nie einverstanden.

Ich fand es sehr spannend, eine Liebesgeschichte aus der Sichtweise eines Mannes zu lesen. Dass diese von einer Frau geschrieben wurde, hat man nicht gemerkt. Das Buch ist extrem lustig und sehr kurzweilig. Die 300 Seiten hat man leider viel zu schnell gelesen.
Ich fand es herrlich, dass auch Fred sich immer wieder Gedanken macht, wie er wohl bei seinem Gegenüber ankommt, das sagt man sonst ja eher uns Frauen nach. Auch die tiefsinnigen Männergespräche mit seinen Kumpels haben mich überrascht.
Das letzte Wort hat Freds Mama: „Die Richtige trifft man nur einmal im Leben. Und das auch nur, wenn man besonders viel Glück hat.“ (S. 192)

Mein Fazit: Bitte verfilmen!!!