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gaby2707

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Insgesamt 2015 Bewertungen
Bewertung vom 24.09.2021
Whitehead, Colson

Die Nickel Boys


ausgezeichnet

Grausam und verstörend

Durch einen Zufall bin ich auf dieses Buch von Colson Whitehead gestoßen: Die Nickel Boys. Ein Buch, das vor extremer, rassistischer Gewalt, Willkür und Demütigungen nur so strotzt.
Doch worum geht es:
Der sechzehn, farbige Elwood Curtis ist intelligent, fleißig und sehr ehrgeizig. Er hat Pläne für seine Zukunft und als er eine Collegezusage bekommt, was in den 1960er Jahren in Florida absolut keine Selbstverständlichkeit ist, geht ein Traum für ihn in Erfüllung. Durch Verkettung unglücklicher Umstände allerdings soll es dazu nicht kommen. Stattdessen kommt er in die Besserungsanstalt „Nickel Academy“ und erfährt dort, wie tief der Rassismus immer noch in den Köpfen der „Lehrer“ verwurzelt ist. Wie brutal sie ihre „Macht“ hier gegenüber Kindern ausleben. Wie unfassbar grausam sie sein können.
Erst 60 Jahre später werden die Gräueltaten und die Gräber vieler toter Jungen aufgedeckt.

Mir ist der junge Elwood sofort sehr sympathisch. Umso mehr habe ich mit ihm gelitten, gebangt und gehofft, dass er dem Wahnsinn, der Gewalt, dem Missbrauch und der Willkür der Anstalt irgendwann entkommen kann. Elwood versucht verzweifelt seine Würde zu behalten und den Glauben an das Gute im Menschen nicht zu verlieren.
Colson Whitehead langweilt mich nicht mit geschichtlichem Hintergrund, sondern arbeitet das Thema Gewalt und Rassismus in diesen Anstalten, derer es wohl mehrere gab, nüchtern aber sehr eindringlich auf. Er berichtet schonungslos und offen vom tief verwurzelten Rassismus in der amerikanischen Geschichte. Es tut mir beim Lesen fast selbst weh, wenn ich erfahree, was diese Kinder, unterteilt in schwarz und weiß, dort haben erdulden müssen.
Neben Elwood hat mich auch die Nebenfiguren von Turner angesprochen. Eigentlich das genaue Gegenteil von Elwood. Trotzdem sind die Beiden Freunde geworden und halten in dieser Hölle zusammen.
Beim Lesen kommt auch immer wieder heraus, dass nicht nur die Schwarzen unter der Willkür der Aufseher zu leiden hatten. Den hellhäutigen Jungs ging es auch nicht viel besser.

Mich hat dieses Buch stark beeindruckt, betroffen gemacht und an manchen Stellen auch schockiert. Aber gerade das Thema Rassismus ist auch heute noch sowohl in USA als auch, zwar nicht ganz so krass, bei uns vorhanden. Ein Roman, der unsere Aufmerksamkeit mal wieder wachrütteln kann.

Bewertung vom 24.09.2021
Drüppel, Katharina;Heinlein, Heike

Schöner Sterben in Franken


ausgezeichnet

Mord beim Schlossgartenfest

Kriminalhauptkommissar Clemens Sartorius hat noch nicht mal beim Schlossgartenfest in Erlangen, das er mit seiner Freundin Delphine genießen will, seine wohlverdiente Ruhe. Eine weibliche Leiche sitzt im Hugenottenbrunnen zwischen den Sandsteinfiguren. Und wer hat diesen Fremdkörper entdeckt? Natürlich Buchhändlerin Felicitas Reichelsdörfer, die hier im Gewand der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth unterwegs ist. Mit ihr hat er im vergangenen Herbst bei einem anderen Fall schon Bekanntschaft gemacht. Neugierig wie sie ist, hat „Karotte“, wie ihr Freund und Geschäftspartner Hieronymus „Boschi“ Bosch sie wegen ihrer roten Haare nennt, Fotos von der Toten gemacht. Und sie kennt sie. Mit ihrer Schwester ist Felicitas zur Schule gegangen. Natürlich kann die Buchhändlerin ihre Spürnase nicht aus der Sache heraus halten und merkt nicht, wie sie sich selbst in allerhöchste Gefahr begibt.

Nach „Frankenstich“ ist dies der 2. Fall für KHK Clemens Sartorius und Buchhändlerin Felicitas „Karotte“ Reichelsdörfer aus der Feder von Katharina Drüppel und Heike Heinlein. Auch diesmal bin ich sehr gerne lesetechnisch nach Erlangen gereist um bei der Auflösung nicht nur dieses einen Mordes dabei zu sein. Denn es gibt auch das Rätsel um eine zweite, diesmal männliche Leiche zu lösen. Aber das schaffen der Kommissar und die Buchhändlerin in stetem Zusammenspiel sehr gut.

Ich finde die Personen, die ich hier kennenlerne, auch diesmal sehr gut ausgearbeitet. Mit ihren kleinen Eigenheiten sind sie fast unverwechselbar. Auch, dass ich wieder mehr aus dem Privatleben von Clemens und Felicitas erfahre, gefällt mir sehr gut. Da haben die Autorinnen die für mich perfekte Mischung zwischen Krimi und Privatem gefunden. Durch ihren bildhaften Schreib- und Erzählstil pflanzen sie mir immer neue Bilder in den Kopf, die sich zu einer spannenden Geschichte verdichten. Dazu die humorvollen, manchmal ernsten und schlagfertigen Dialoge zwischen Karotte und Boschi, Clemens und seiner Delphine oder Felicitas und Clemens – einfach köstlich und sehr aufschlussreich. Besonders der etwas cholerische Hieronymus „Boschi“ Bosch läuft hier wieder zu seiner Höchstform auf.
Der lokale Anstrich zu Erlangen kommt durch die Beschreibung der verschiedenen Örtlichkeiten sehr gut heraus. Die Stadt scheint einen Ausflug wert zu sein.

Ein interessanter Fall, der zu zwei Fällen wird. Der Spannung bringt, der sich langsam verdichtet und sich schlüssig aufklärt. Mit einem Ende bzw. einem Täter, das/den ich so nicht erwartet habe. Sehr gut gemacht und mir eine Leseempfehlung wert.

Bewertung vom 23.09.2021
Pfeiffer, Boris

Die Flucht beginnt / Survivors Bd.1


ausgezeichnet

Ein wichtiges Thema kindgerecht ausgearbeitet

Als Zacky, der kleine Leopard-Drückerfisch, an diesem Morgen erwacht, ist es draußen dunkler als sonst. Richtig unheimlich. Als Riffbewohner liebt er das Licht, jetzt ist es dunkel und seltsam warm. Übersonnenwarm, wie seine beste Freundin, das Steinfischmädchen Scir es nennt. Es ist eine ganz komische Atmosphäre am und im Riff. Die Meeresbewohner in seiner Umgebung werden immer unruhiger, erschöpfter und aggressiver – und sie haben Hunger. Als die Riffe beginnen abzusterben, machen sich Zacky, Scir, Heuler und DonDon in einem Schwarm anderer Fische gemeinsam auf die Flucht und die Suche nach neuem Lebensraum.
Wie sich die Riffbewohner dann retten können, das erfährt man in diesem Buch von Boris Pfeiffer aus dem Schneiderbuchverlag: SURVIVORS – Die Flucht beginnt.

Es geht um den Klimawandel, um Umweltschutz und die Erderwärmung, die hier die Tiere im Meer vor Probleme stellen. Themen, die aktueller denn je sind und mit denen man sich nicht genug beschäftigen kann.
In diesem Buch werden die Leser*innen ab 9 Jahren sehr eindringlich und in kindgerechter Sprache an diese Themen heran geführt. An den Fischen wird sehr gut dargestellt, was passiert, wenn der Mensch zu viel in die Natur eingreift, sich die Erderwärmung immer weiter fortsetzt, die Meere immer mehr verschmutzen und die Tiere keine Nahrung mehr finden. Und wie die Tiere hier zeigen, kann man gemeinsam etwas dagegen tun. In Zeiten der Not ist Zusammenhalt und Zusammenarbeit gefragt. Hier schließen sich die Fische zu einem Schwarm zusammen um zu überleben.
Die eingestreuten Schwarz-Weiß-Illustrationen von Theresa Tobschall ergänzen die Geschichte einfach wunderbar.

Die Geschichte um den kleinen Zacky und seine Freunde ist spannend und informativ erzählt und regt zum Nachdenken an. Ein toller Auftakt zu einer neuen Reihe, der auch mir als Erwachsene sehr gut gefallen hat.

Bewertung vom 21.09.2021
Villard, Sophie

Madame Exupéry und die Sterne des Himmels


ausgezeichnet

Eine sehr emotionale, bewegende Lebensgeschichte

Zur Rede zu unserer Hochzeit vor nun schon über 36 Jahren hat der damalige Pfarrer Ausschnitte aus der Geschichte „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry hergenommen. Seitdem hat der kleine Prinz seinen Platz in meinem Herzen und in meinem Bücherregal. So war mir sofort klar, dass ich das Buch, in dem es um Antoines Ehefrau und Muse Consuelo geht, der wir die Geschichte des Kleinen Prinzen zu verdanken haben, unbedingt lesen muss.

Vor über 10 Jahren hat die junge Consuelo ihre Heimat Südamerika verlassen um in Spanien und später in Paris zu leben. Hier lernt sie ihren ersten Mann Enrique Gómez Carrillo kennen; sie heiraten und sie mausert sich zu einer anerkannten Malerin, die mit Dalí, Picasso und Miró befreundet ist. Dann stirbt ihr Mann und mit Ende zwanzig kehrt sie zurück nach Buenos Aires. Hier lernt sie durch einen Freund auf einem Empfang den Schriftsteller / Flieger Antoine de Saint-Exupéry kennen. Nach einem wunderschönen Brief, den er ihr schreibt, geht sie auf Anraten eines Pfarrers die Verlobung mit Saint-Ex bzw. Tonio, wie ihn seine Freunde nennen, ein. Am 22. April 1931 heiraten sie und ein Leben voller Up- und Downs beginnt für die Frau, die diesen Mann liebt, wie keinen anderen.


Ich finde es so toll, hier die Geschichte der beiden Leben von Consuelo und Antoine und ihre Liebe mit all ihren Höhen und Tiefen miterleben zu können. Ich lerne beide immer besser kennen. Er war ihr kleiner Prinz, sie war seine geliebte Rose, seine einzigartige Muse.
Consuelo, die ich hier als eine starke und sehr temperamentvolle junge Frau kennenlerne, habe ich schnell ins Herz geschlossen. Sie tut neben ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit alles, damit sich ihr Mann, egal wo sie gerade leben, wohlfühlt; unterstützt ihn, wo sie kann; steht immer an seiner Seite und ist auf der Suche nach dem richtigen Haus, wo sie ihn dann doch nicht halten kann.

Antoine hat einen sehr eigenwilligen, exzentrischen und egoistischen Charakter, der geprägt ist von Rast- und Ruhelosigkeit, von Untreue und Seitensprüngen. Immer wieder nimmt er auch Flugaufträge an. Bis zu seinem letzten Flug im Aufklärungsgeschwader 2/33 von Korsika aus über das Mittelmeer am 31. Juli 1944.
Sophie Villard hat einen sehr angenehmen lebhaften und vor allem bildhafte Schreib- und Erzählstil, der mich gleich in die Geschichte hinein gezogen hat und der, wie ich finde, sehr gut zu Consuelo passt. Basierend auf deren Memoiren schildert die Autorin die Jahre zwischen 1930 und 1944, also bis zum Absturz ihres Mannes Antoine. Vor allem lässt mich die Autorin bei der Entstehung von „Der kleine Prinz“ dabei sein.
Durch kleine Kapitelüberschriften mit Ort und Datum weiß ich immer genau, wo ich mich wann befinde. Auch die immer wieder eingestreuten kleinen Passagen aus dem kleinen Prinz passen sich wunderbar in die Geschichte ein.
Das Nachwort, die Fakten und Fiktion zu diesem Roman, der Verbleib der handelnden Personen und die Literaturliste runden dieses fantastische Buch gekonnt ab.
Ein wunderbares Buch, das mich dank zweier außergewöhnlicher Protagonisten hat durch die Seiten fliegen lassen. Schade, dass diese Reise nun zu Ende ist.

Bewertung vom 19.09.2021
Tramitz, Christiane

Das Dorf und der Tod


ausgezeichnet

„Wo begann das Schicksal, wo die Schuld“

Vor vielen, vielen Jahren hat Simon Weber seinem Freund versprochen, dass sie gemeinsam dessen 90. Geburtstag feiern werden. Sein Freund ist tot, aber Simon oder Simmerl, wie ihn die Dorfbewohner damals nannten, ist zurück gekommen, zündet am Grab seines Freundes eine Kerze an und blickt zurück.
Bis zum Sommer 1921 lässt Simon Weber seine Gedanken zurück schweifen. Damals, an einem Sommersonntag, begann die Liebe zwischen einer jungen Frau und einem jungen Mann, die vor allem von ihren Eltern aus nicht geduldet wurde oder nicht sein durfte. Das Buzerl, das daraus hervor geht, wächst lieblos bei ihren Eltern auf. Sie selbst wird an einen ihr verhassten Mann „verkauft“. Ihr Geliebter verlässt den Ort Richtung Amerika, nicht ahnend, dass er ein weiteres Kind mit einer anderen Frau aus dem Dorf gezeugt hat.
Zwei Generationen später, 1995, geschieht in diesem kleinen Dorf ein furchtbares Verbrechen, bei dem drei Menschen getötet werden. Der Mörder begeht Suizid.

Die Autorin dieses fantastischen Romans, Christiane Tramitz, ist selbst in diesem Ort aufgewachsen, macht sich auf die Suche und stößt bei ihren Recherchen auf furchtbare Ereignisse, die über hundert Jahre zurückliegen und über die die Menschen im Dorf bis heute schweigen. In dieser wahren Geschichte hat die Bestsellerautorin einen True-Crime-Roman geschrieben, der den alten Fall neu aufrollt und von allen Seiten beleuchtet.

Mich hat die Geschichte von Vroni Zinsmayer und Lorenz „Hiasl“ Binder, die bei ihrem Liebesspiel in einem alten verfallenen Stadl vom alten Alois Trachsler, dem spinnerten „König“, beobachtet werden, ab der ersten Seite gepackt. Sie führt mich in ein kleines Bauerndorf in den bayerischen Alpen, wo die Zeit still zu stehen scheint. Bis zu dem Zeitpunkt, als Vroni erkennt, dass sie schwanger ist und es vor ihren Eltern nicht mehr verbergen kann. Als sie dann den um einiges älteren Benedikt Feistl heiraten muss und ihr kleiner Sohn bei ihren Eltern aufwächst, nimmt das Drama seinen Lauf.
Immer wieder eingeflochten lese ich die in kursiv geschriebenen Gedanken eines jungen Mannes, der mit seinem Schicksal hadert. Wer das ist, werdet ihr beim Lesen schnell herausfinden.
Ich finde die Menschen in ihrem kargen Leben in dem kleinen Bergdorf sehr gut vorstellbar gezeichnet. Alle haben ihre kleinen Eigenheiten, die sie so einzigartig und doch beliebig machen. Besonders haben mir hier der „alte“ Alois Traxler und Fräulein Frieda, die Briefträgerin mit ihren 5 Katzen gefallen. Sie sind für mich in diesem Dorf etwas Besonderes.

Ich habe diesen abgründigen, erschütternden und packenden Roman sehr gerne mit immer wieder wechselnden Gefühlen gelesen. Er zeigt, was aus Kindern werden kann, wenn sie ohne Liebe und Zuneigung aufwachsen müssen. Wenn ich mir überlege, dass dies eine wahre Geschichte ist, bekomme ich immer wieder Gänsehaut.

Eine fesselnde Geschichte, die ich nicht nur jedem Krimileser sehr ans Herz legen möchte.

Bewertung vom 18.09.2021
Hannah, Kristin

Die vier Winde


ausgezeichnet

Eine Frau, die erst spät zu ihrer Stärke findet

Elsinore „Elsa“ Wolcott ist 24 Jahre alt und eine sehr stille, fast unsichtbare junge Frau. Sie hat, wie ihr immer wieder eingetrichtert wird, von allem zu viel. Sie ist mit ihren stattlichen 180 cm zu groß, zu dünn und zu blass. Durch ihr rheumatisches Fieber, das sie als junges Mädchen hatte, haben sie ihre Eltern „abgestellt“. Sie wächst ohne Liebe und Zuneigung auf, traut sich selbst nichts zu, sieht sich selbst als sitzengebliebene Jungfer. Bis am Abend vor ihrem 25. Geburtstag. Da zieht sie ein selbstgeschneidertes rotes Kleid an, geht in die Stadt und lernt den 18-jährigen Raffaello Martinelli, Sohn italienischer Einwanderer, kennen und lieben. Als sie von ihm schwanger wird, schieben sie ihre Eltern in die neue Familie ab und sagen sich von ihr los.

Es ist fast unvorstellbar, was die junge Frau, die mit dem goldenen Löffel im Mund im Norden von Texas geboren wurde, hier auf der Farm ihrer Schwiegereltern alles erdulden muss. Sie kann weder kochen noch putzen, kennt sich im Garten und in der Scheune nicht aus. Aber sie lernt schnell. Und vor allem gehört sie mit der Zeit dazu. So, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Irgendwo dazuzugehören. Dann bringt sie die kleine Loreda zur Welt und 5 Jahre später ihren Sohn Anthony.

Es beginnt die Zeit der Trockenheit, des Börsencrashs, der Dürre und des Hungers. Raffaello verlässt die Familie und später geht auch Elsa mit den Kindern nach Kalifornien.


Mir ist es immer wieder unverständlich, wie Eltern mit ihren Kindern so lieblos und unnahbar umgehen können, bloß weil sie einen kleinen Makel haben bzw. den eigenen Vorstellungen nicht gerecht werden. Da muss man sich wundern, wie viel Liebe und Zuneigung Elsa selbst ihren Kindern zu geben imstande ist.
Ihre Wandlung vom behüteten Mädchen zu einer zupackenden Frau, die sich schon auf der Farm ihrer Schwiegereltern vollzieht und die sich in ihrem neuen Zuhause fortsetzt, hat mir sehr gut gefallen. Was sie und ihre Kinder durchmachen müssen, die ganze Arbeit, die Rückschläge, die Existenzangst und ihre Not hat die Autorin sehr gut in einer Geschichte verarbeitet, die, wie ich finde, sehr eng an die damaligen Verhältnisse angelehnt sind.
Nach „Liebe und Verderben“ ist dies das zweite Buch von Kristin Hannah, das ich gelesen habe. Ab jetzt werde ich die Autorin mit ihrem sehr sensiblen, feinfühligen und doch so eindrucksvollen Schreibstil im Auge behalten.

Sie beschreibt sowohl die Familie von Elsa, als auch die Schwiegereltern, Raf, auch ihre Freundin Jean und die anderen Menschen, die ich hier kennenlerne auf eine sehr leichte, aber eindringliche und sehr gut vorstellbare Art. Vor allem während der harten Zeiten, der Sandstürme, des Hungers, der Entbehrungen und der Verluste kann ich mir die Menschen sehr gut vorstellen. Und wie wahrscheinlich jede Mutter hat auch Elsa so ihre Probleme mit ihrer Tochter Loreda, die hier nachvollziehbar beschrieben sind.

Ein fantastisches Buch über Familie und Mut, den man sich immer bewahren sollte. Eines meiner diesjährigen Lesehighlights mit einigen Gänsehautmomenten und feuchten Augen.

Bewertung vom 16.09.2021
Corse, Angelique

Fesseln der Leidenschaft Erotische Geschichten


ausgezeichnet

9 Geschichten voller Leidenschaft und Gefühl

Hier geht es um Frauen, die ihre Leidenschaft und ihr Verlangen ausleben wollen.
Ich lerne den Maler Adrian kennen, der den ganzen Tag nur an eine Frau denken muss. Sandra. Und nun liegt sie vor ihm – und schläft. Nina, die in einem Club ihre devote Seite erlebt. Tamara, die in ihrem Urlaub in der Dominikanischen Republik Soraya und Franco kennenlernt. Aber auch mit Nadine, Celine, Melly, Dunja, Linda und Jasmin geht es hoch erotisch, voller und schnell zur Sache. Lust und Leidenschaft regieren jede einzelne Geschichte.

In 9 erotischen Geschichten geht es an den verschiedenen Schauplätzen sehr heiß zu. Mir gefällt der sinnliche und vor allem sehr bildhaften Erzählstil von Angelique Corse sehr gut. Ich kann mir die Anwesenden sehr gut vorstellen und sie sind mir durchgehend sympathisch. Die verschiedenen Szenen sind gut vorstellbar, ohne übertrieben zu sein. Mein Kopfkino ist ab der ersten Seite im Einsatz, ich fühle mich mittendrin und die Autorin hat mich auch diesmal wieder sehr gut unterhalten.

Zum Schluss bekomme ich, quasi als Guddi, noch einen Gutschein-Code für eine exklusive Zusatzgeschichte als E-Book.

Prickelnde und gefühlvolle Unterhaltung voller Emotionen, die ich gerne weiter empfehle.

Bewertung vom 15.09.2021
Slupetzky, Stefan

Nichts als Gutes


sehr gut

Trauerreden mal ganz anders

Als ich das schlichte und doch sehr aussagekräftige Cover gesehen habe, wollte ich die darin abgedruckten Grabreden sofort lesen. Als ich dann gelesen habe, dass der Autor hier keine „echten“ sondern fiktive letzte Grüße an die Verstorbenen hat richten lassen, war ich noch neugieriger.

Stefan Slupetzky hat eine sehr poetische, manchmal sarkastische Art, das Leben in einer Grabrede vorzustellen. Mir gefällt, wie er es mit einem Buch vergleicht: den vorderen Deckel versehen mit Namen des Kindes, der Eltern und evtl. des Krankenhauses der Geburt. Dann folgt das Leben in seinem ganzen Ausmaß und der rückseitige Deckel bildet wie beim „normalen“ Buch die Zusammenfassung, in diesem Fall die Grabrede. Wir alle gehen irgendwann diesen letzten Weg. Schön, wenn auch schwierig, wenn sich dann Menschen für diese letzte Lebenszusammenstellung finden.

Die verschiedenen Reden gehen ans Herz, lassen tief blicken, sind humorvoll, unterhaltsam, skurril oder auch fantasievoll. Auf alle Fälle regen sie zum Nachdenken an. Über das Leben und über den Tod. Nicht so viel anfangen kann ich mit den Einleitungen vor jeder Rede.

„Die große Null“ so titelt der Verstorbene selbst seine letzten Wort an die Trauergemeinde, die er einen guten Freund überbringen lässt. Das ist etwas, was ich mir auch für mich gut vorstellen kann.

Sehr gut gefallen mir die letzten Wort aus aller Welt. Hier besonders die aus dem japanischen übersetzten wenigen Worte für Takeda Tokawa. Schlimm und hoffentlich nicht ernst gemeint dagegen die Worte von N. N. Da musste ich schon schlucken.

Ein wundervolles kleines Buch, das zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregt. Ich werde es bestimmt noch öfter in die Hand nehmen.

Bewertung vom 13.09.2021
Hendriks, Annemieke

Zweites Grab, halber Preis


sehr gut

Unterhaltsame Geschichten von Friedhof

Die Autorin Annemieke Hendriks trauert um ihren verstorbenen Ehemann Antoine, der nun auf einem kleinen Berliner Friedhof, ihrer „Insel“, begraben liegt. Hier begegnet sie im Laufe eines Jahres von Frühling bis Winter den verschiedensten Menschen, erfährt berührende, spannende und skurrile Geschichten und erlebt die tollsten Sachen. Sie erzählt von dem unterschiedlichen Umgang mit dem Tod zwischen den Niederlanden und Deutschland. Sie ist erstaunt über die verschiedenen Rituale des Begrabens und der verschiedenen Gepflogenheiten auf dem Friedhof. Vieles von dem, was sie hier beschreibt, kannte ich bisher auch noch nicht.

Ich finde es toll, wie sie mit dem Tod ihres Lebensgefährten Antoine umgeht. Wie sie ihn jeden Tag besucht, mit ihm spricht und ihn weiterhin an ihrem Leben teilhaben lässt. Wie sie sich über z.B. eine auf einer Grünfläche im Friedhofsgelände nackt sonnenbadende Frau amüsiert; wie sie neue Freundschaften schließt und wie sie auf dem Grab Gemüse anpflanzt. Wie sie sich dafür einsetzt, dass der Friedhof abends wieder geschlossen wird, um so Grabräubern, Alkoholikern, Drogendealern und Fixern ihre Anlaufstelle zu nehmen und den Toten ihre Ruhe zu garantieren.

Eine nette, kurzweilige Lektüre über das Leben, das Sterben und den Tod. Mir hat sie einige Denkanstöße gegeben und unterhaltsame Stunden geschenkt.

Bewertung vom 12.09.2021
Wlasak, Helmut

In allen Punkten


ausgezeichnet

Aus dem wahren Leben

Vor seiner Arbeit als Strafrichter in zahlreichen Drogen-, Wirtschafts-, Mord- und Totschlag- und Dschihadistenprozessen war der in Graz als Suchtgiftrichter bekannte Autor Helmut Wlasak Gendarmeriebeamter unterwegs. Aus seiner jahrelangen Erfahrung hat er in diesem Buch 30 Geschichten aus seinem Richteralltag aufgeschrieben, die ich als sehr lesenswert empfinde.

So erfahre ich, wie Hans anhand der Aufzeichnung von Autokennzeichen in den Knast kommt; wie Edith und Erika, denen ihre Geldknapphei und ihre plötzliche Liebe zu Gartenzwergen zum Verhängnis wird; wie Anna ihre nicht frisierten Haare zum Verhängnis werden; wie Günther seine Flucht nach 18 Jahren beendet und wie Louis, der einmal etwas erleben will, dann meint, er habe einenn Mord begangen. Ich lerne Dr. med. SA, der fast nackt ein Magenleiden diagostiziert, kennen; erfahre, warum Jan von „seiner“ Marinella und seinen Freunden Silviu und Lorand zutiefst enttäuscht ist und warum Gerald schon zum vierten Mal vor Gericht steht und auch Franz das Gefängnis schon gut von innen kennt. Ich bin bei einem aberwitziges Gespräch zwischen Ivan und seinem Richter dabei und kann den Richter immer wieder den Kopf schütteln sehen, wenn es um 50 verkaufte Würschtl mit 1500 Senfgurken und 30kg Senf geht. Bei dem Fall von Dietmat und Gerhard habe ich schlucken müssen. All diese Menschen geraten in die Fänge der Justiz. Alle haben die verschiedensten Gründe. Die einen sind einfach etwas dumm oder naiv, die anderen wollen einfach ihre Begierde stillen oder etwas Gutes tun, ohne an die Folgen zu denken. Wieder andere lassen sich ausnutzen oder geraten einfach an die falschen Menschen, die ihnen nicht gut tun. Alle hatten sie sich ihr Leben bestimmt anders vorgestellt.

Ich finde die hier angesprochenen Fälle alle sehr unterhaltsam. Ich habe manchmal geschmunzet, hier und da den Kopf geschüttelt und ich war auch mal baff. Warum? Das kann jeder in dieser Kurzgeschichtensammlung selbst heraus finden.

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