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yellowdog

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Insgesamt 2182 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2021
Hübner, Charly

Charly Hübner über Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte


ausgezeichnet

Keine Ahnung, auf was für einen Trip der Schauspieler Carly Hübner war, als er dieses Buch schrieb, aber es wirkt wie auf einen Drogenrausch, in dem man zwischen Motörhead-Klassikern und Schlagern hin und her schwankt. Dabei auch noch im steten Dialog mit dem Teufel!

Charly Hübner zeigt viele seiner Jugenderfahrung mit der Musik, die prägte:
AC/DC, Black Sabbath, Deep Purple. Das alles mündete in Motörhead.

Immer wieder werden Motörhead-Songzeilen geqoutet und ich staune, wie großartig, sogar poetisch sie sind. Sie zeigen das pure Leben. Das hat echte Größe!

Und es werden nicht unbedingt nur die bekanntesten Motorhead-Songs erwähnt sondern auch ein paar spezielle wie Emergency, Back at the Funny Farm, I Dont believe a word, Love me Forever, Till the end, Love me like a reptile usw.

Das Buch ist Fun pur und ein großer Spaß für Motörköpfe und Snaggletooth, aber es zeigt auch einen Freiheitsdrang einer ostdeutschen Jugend und das hat mich beeindruckt.

Bewertung vom 03.10.2021
Mengiste, Maaza

Der Schattenkönig


sehr gut

Maaza Mengiste beschreibt ein Thema, dass den meisten deutschen Lesern vermutlich weitgehend nicht mehr so bekannt ist. Die Rolle der Frauen im Abessinienkrieg 1935-1936 gegen die italienischen Soldaten.
Im Vordergrund stehen Frauen, die auch in die Kriegsgeschehen einwirkten.
Da ist Hirut, die als Dienstmädchen bei Kidane und dessen Frau Aster lebt.

Es ist ein anspruchsvolles Buch. Stilistisch ist der Roman ungewöhnlich, er hat einen an Klassikern orientierten hohen Erzählton und gelegentlich wird sogar ein Chor eingesetzt. Auch offenbar dokumentarisches Material findet seinen Weg in das Buch.
Es gelingt Maaza Mengiste mit ihren sprachlichen Mitteln eindrucksvolle Bilder der Geschehnisse zu vermitteln und die Leser in die Vergangenheit und die Schrecken des Krieges eintauchen zu lassen.

Bewertung vom 03.10.2021
Stamm, Peter

Das Archiv der Gefühle (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die inneren Monologe

Ein neuer Roman des Schweizer Schriftsteller Peter Stamm weckte natürlich mein Interesse. Peter Stamms ruhiger Stil, sein lakonischer Tonfall und sein Erzählgeschick lassen Das Archiv der Liebe zu einem besonderen, wenn auch ungewöhnlichen Roman werden. Eigentlich ist es wie ein Ein-Mann-Stück.
Der Archivar ist halbfreiwillig ein Einsiedler, der sich in der Stille seines einsamen Hauses dem Sammeln und Ordnen widmet und sich seinen Erinnerungen hingibt. Dabei ist die melancholische Stimmung, die vom Protagonisten ausgeht, spürbar.
Diese Erinnerungen umfassen schließlich auch sein Kindheit und Jugend und vor allen seine Liebe zur Jugendfreundin Franziska.
Mit ihr, die ein bekannte Sängerin wurde, steht er fast durchgängig im inneren Monolog, obwohl sie sich seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gesehen haben.
Es gibt einige bemerkenswert ausformulierte Sätze im Roman, die Peter Stamm gut gestaltet hat. Es wird ein Roman, den man nicht so schnell vergessen wird. Vielleicht sein bestes Buch!

Bewertung vom 02.10.2021
Powers, Richard

Erstaunen


ausgezeichnet

Erstaunen ist ein Roman von hoher Qualität, der eine besondere Vater-Sohn-Beziehung zeigt. Theo ist Astrobiologe, der seine Frau bei einem Autounfall verloren hat. Sein 9jähriger Sohn Robin zeigt Züge von Asberger.
Beide sind natürlich schwer in Trauer.
Aber Robin hat auch Angst um die Welt, insbesondere um die gefährdeten Tiere und will am Beispiel von Greta Thunberg mit einem warnenden Plakat vor dem Kapitol protestieren.
Aber es sind die Trump-Jahre und wissenschaftliche Erkenntnisse und Umweltschutz sind für die Gesellschaft und Regierung bedeutungslos.

Der Roman wird durchgängig aus der Sicht des Vaters erzählt, der sich um seinen Sohn sorgt und versucht, ihn in jeder Art zu fördern. Robin ist ein Junge, der fähig ist, genau in die Natur zu sehen und sie in all ihrer Schönheit zu erkennen.
Ihre enge Beziehung hat Richard Powers liebevoll geschildert.
Umso kritischer sieht er die amerikanische Gesellschaft, die so egoistisch und gleichgültig ist.

Richard Powers ist ein bedeutender US-Amerikanische Schriftsteller, der gesellschaftliche Zustände zeigen kann und der zu Recht Pulitzer-Preisträger ist. Erstaunen steht dieses Jahr auf der Shortlist des renommierten Booker-Prize und ich wünsche dem Buch viel Erfolg.

Bewertung vom 30.09.2021
Franzobel

Die Eroberung Amerikas


sehr gut

Die Eroberung Amerikas von Franzobel ist ein ungewöhnliches Buch, fast schon ein Ereignis.
Es verbindet historische Geschehnisse mit heutigen Ereignissen, verknüpft Ursachen und Folgen.
Es beginnt mit einem überraschenden Einfall, eine Klage, wie sie noch nicht vorgekommen ist.
Dann geht es in die Vergangenheit. Diesen spanischen Eroberer kannte ich bisher nicht. Desoto ist wirklich eine ambivalente Figur.
 
Es ist ein sehr farbenfrohes und detailreiches Buch. Beim Lesen kann man sich alles immer sehr gut vorstellen, selbst wenn das 16 Jahrhundert einem fremd erscheint und es viele Härten und Grausamkeiten gibt. Diese Passagen sind aber auch nicht immer leicht durchzuhalten.
Franzobel prägt den Roman mit seiner überbordenden Sprache, di einem beim Lesen auf die Dauer etwas viel werden kann, die aber doch zu beeindrucken vermag.
Das bietet der durchschnittliche historische Roman üblicherweise nicht.

Bewertung vom 29.09.2021
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


sehr gut

von der Familie getrennt

Ein ansprechender Roman über eine Familie aus Osteuropa. Da ist der anfangs 12jährige Manuell, seine 8 Jahre ältere Schwester Angelica und sein Vater Filip Matei.
Die Mutter Daniela hat die Familie verlassen. Sie ist zum Arbeiten und Geld verdienen nach Mailand gegangen. So will sie ihren Kindern das Studieren ermöglichen.
Im zweiten Teil des Romans wird aus ihrer Perspektive erzählt. Sie hat es als Migrantin nicht leicht und dann hat ihr Sohn auch noch einen schweren Unfall. Man leidet ls Leser sehr mit ihr mit, das schafft natürlich nur ein Buch, das einen packt.

Man gewinnt einen Blick in das Leben einer Familie der unteren Mittelschicht und der Migration. Das ist sehr gut gemacht. Aber an Marco Balzanos bedeutenden letzten Roman „Ich bleibe hier“ reicht dieses Buch nicht ganz ran. Dennoch ist es natürlich ein wichtiges Thema und unbedingt lesenswert.

Bewertung vom 29.09.2021

Bulgariens Herz


gut

Gegenwartslyrik aus Bulgarien ist den meisten deutschen Leser wahrscheinlich wenig bekannt. Daher kennt man auch keinen der Autoren dieser Anthologie.
Hängen bleiben Gedichte z.B. von Kamelia Spassova, Galina Zlateva
Ein paar Gedichte sind sogar auf deutsch geschrieben, z.B. die von Antina Zlatkova oder Darina Schneider

Einige, sogar viele der Autoren wirken auf mich wie Nachwuchslyriker. Oft sind die Gedichte bedächtig und ernst.

Bewertung vom 27.09.2021
Flor, Olga

Morituri


gut

Morituri ist ein gediegenes Buch, erzählt mit einem kühlen Ton.
Es handelt in Österreich und hat politische Anspielungen sowie satirische Untertöne.

Der Architekt Maximillan sucht privat wie beruflich einen Neuanfang.
Er lässt sich daher auf ein verstörendes Experiment ein.

Der Roman hat kurze, schnell wechselnde Kapitel. Durch Namensangaben in den Kapitelüberschriften wird man durch das sprachlich dichte Buch geleitet.
Es ist oft nicht einfach, der Handlung zu folgen. Sang und klanglos geht es dann zu Ende.
Irgendwie bleibt man ratlos, was man dann am Schluss mit dem Buch anfangen soll.

Bewertung vom 27.09.2021
Sinha, Shumona

Das russische Testament


ausgezeichnet

Shumona Sinha ist seit ihrem Roman Erschlagt die Armen eine der aufregendsten Stimmen der französischsprachigen Literatur. Das liegt zum Teil auch an ihrem Background. Sie ist in Kalkutta geboren und Kalkutta spielt auch in diesem Roman eine Rolle, genauso wie Russland.
Da ist Tania, die in Kalkutta aufgewachsen ist und da ist eine 80jährige Frau in Sankt Petersburg. In ihrem Part ist sie Icherzählerin.
Tania hat eine schwere Kindheit, da ihre Mutter sie schlägt. Trost findet sie immer nur in Büchern. Dieser literarische Bezug ist klug eingesetzt und trägt zu Tanias Entwicklung als tragende Figur bei.
Ob und wann diese beiden Figuren aufeinandertreffen sei hier noch nicht verraten.
Die Handlung klingt komplex, ergibt sich beim Lesen aber sehr gut.
Die sprachlichen Qualitäten des Romans sind außerordentlich. Die Autorin vermag es, die Emotionen der Figuren zu vermitteln.

Bewertung vom 26.09.2021
Hargrave, Kiran Millwood

Die Sternenleserin und das Geheimnis der Insel


ausgezeichnet

Das Schickal der Insel Joya

Das Buch ist schon von der Gestaltung ein Schmuckstück: schönes Cover, Karten im Klappcover und im Buch sowie Verzierungen auf jeder Seite.
Auch der Stil, der oft poetisch wird, ist bemerkenswert. Ist ist ähnlich stark und niveauvoll wie in Kiran Millwood Hargrave letztem Buch Der Winter des Bären.

Die Insel und das Meer sind starke Motive, die verwendet werden.
Die Autorin ist auch stark im Worldbuilding und erschafft die geheimnisvolle Insel mit eigener Geschichte und autokratisch geführter Staatsform.
Hier lebt die 13jährige Isabella. Sie ist die sympathische und nachdenkliche Icherzählerin.
Sie ist befreundet mit Lope, der Tochter des Gouverneurs, obwohl es zwischen ihren Familien erhebliche politische Gegnerschaft gibt. Als eine junge Frau tot aufgefunden wird eskaliert die Situation. Lope ist verschwunden und Isabella begleitet als Junge verkleidet die Expedition des Gouverneurs.

Die Sternenleserin und das Geheimnis der Insel ist eine Leseerlebnis!