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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2182 Bewertungen
Bewertung vom 25.10.2021
Fuchs, Kirsten

Mädchenmeuterei


gut

Auf große Fahrt

Man sollte sich bewusst sein, dass es einen Vorgängerroman namens Mädchenmeute gibt, der sogar den Deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen hatte. Aber es ist doch so, dass es beim neuen Roman einige Lücken geben kann, wenn man den ersten nicht gelesen hat. So ging es mir und einige Fragezeichen bleiben.

Der Roman beschreibt eine Clique von Mädchen, die aufgrund vorheriger gemeinsamer Erlebnisse eng miteinander verbunden sind. Schon das gut gestaltete Covermotiv strahlt diese Verbundenheit aus.
Aktuell sind sie aber erst einmal getrennt und sogar weit voneinander entfernt. Eine von ihnen, Bea, ist immer noch verschwunden und die Polizei sucht nach ihr.
Erzählt wird konsequent aus Sicht von Charlotte Nowak und sie ist eher zurückhaltend, überlegend und sensibel. Diese zögerliche Haltung kennzeichnet den Roman, aber nicht die Handlung, die mit der Zeit spektakulär wird und sie auf große Fahrt führt.
Für meinen Lesegeschmack hätte es durchaus etwas schneller gehen dürfen, womit ich nicht sagen will, dass der Roman tempolos sei, aber bis sich entscheidende Dinge entwickeln, das dauert. Die überlange Schiffsreise hätte man vielleicht etwas kürzen können. Manche Passagen sind kaum nachvollziehbar, vieles wirkt zu konstruiert.

Kirsten Fuchs hat einen Roman geschrieben, der Jugendliche vielleicht sehr viel bedeuten wird, aber auch erwachsene Leser ansprechen kann.
Von mir gibt es wegen oben erwähnten Einwänden 3,5 von 5 Sterne, aber das soll nicht unbedingt als schlechte Bewertung verstanden werden.

Bewertung vom 19.10.2021
Selge, Edgar

Hast du uns endlich gefunden


ausgezeichnet

Die Erinnerungen des Schauspielers Edgar Selge beginnen1958, als er 10 Jahre alt war.
Er erzählt von seiner Kindheit. Ganz zentral im Blickpunkt stehen dabei seine Eltern, vor allen sein charismatischer Vater, ein Direktor eines Jugendgefängnisses, der sich sehr um seine jugendlichen Insassen kümmert.

Edgar Selge liest den Text selber ein und dadurch wird umso mehr die Sympathie spürbar, die er für seine Familie empfand, aber auch für das nicht immer brave Kind, das er war.

Klassische Musik ist in der Familie wichtig, auch für Edgar, aber mehr noch lebt er für das Schauspiel und er schildert viele Passagen als kleine Dramen und fast immer voller Witz.
Manchmal sind aber auch ernste Themen dabei, z.B. Edgars schwierige Beziehung zum Vater. Er wurde als Kind häufig vom Vater geschlagen wurde oder immer wieder die schwierige Vergangenheitsbewältigung.
Die sechziger Jahre werden spürbar.

Als Zuhörer ist man stark von den Episoden gefangengenommen.
Es sind Erinnerungen von Ausmaßen eines Marcel Proust, aber mit Tempo und sehr unterhaltsam. Die 8,5 Stunden Spieldauer des Hörbuchs vergehen wie im Flug.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.10.2021
Franck, Julia

Welten auseinander


gut

Julia Franck konnte mich mit ihrem ausgezeichneten Roman Die Mittagsfrau sher überzeugen. Danach wurde es etwas ruhiger um sie. Umso gespannter war ich auf das neue Buch. Allerdings ist Welten auseinander in meinen Augen kein Roman. Es sind mehr Erinnerungen, also vermutlich sehr autobiografisch und teilweise sehr detailliert.
Mich konnte das Leben der Julia sehr interessieren, insbesondere wenn ihre Gefühlswelt spürbar wurde. Literarisch war es etwas flach und konnte mich nicht so richtig begeistern. Trotzdem lesenswert!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.10.2021
Mcgrath, Patrick

Constance


gut

Der Roman Constance erzählt von einer schwierigen Beziehung.
Der Engländer Sidney ist geschieden und hat einen kleinen Sohn. In New Y0rk trifft er die junge Constance, die psychisch unstabil wirkt und offenbar einen Vaterkomplex hat.
Sie heiraten, aber es kommt immer wieder zu Konflikten.

Patrick McGrath schreibt in einem dichten Stil und arbeitet die psychologischen Momente heraus. Das ist sehr ordentlich gemacht.
Obwohl mich das Buch streckenweise auch nicht so ganz erreichte, kann man ein hohes Niveau attestieren.

Bewertung vom 13.10.2021
Kuhnke, Jasmina

Schwarzes Herz


gut

Rassistisch motivierte Gewalt überleben

Schwarzes Herz von Jasmina Kuhnke ist ein krasses Buch. Da nützt auch die Triggerwarnung nicht.

Die Protagonistin ist eine junge Frau, die schon seit der Kindheit in einer Spirale von Gewalt. Der Stiefvater misshandelt sie, auch später der Partner.
Sie ist von schwarzer Hautfarbe, daher kommt noch eine Portion Rassismus hinzu.
Als Leser kann man das kaum aushalten und deswegen findet man auch nicht leicht Zugang.

Leider wurde auch die Autorin oft angefeindet und sogar massiv bedroht. Viele Kommentare, die man im Netz zu ihr und ihren Roman liest, sind abartig hasserfüllt.

Daher kann es problematisch sein, den Roman für sich zu bewerten. Mich hat der Roman literarisch nicht vollständig überzeugt. Auch weil er sprachlich so betont rüde und gnadenlos gestaltet ist.
Lange Zeit gibt es wenig Hoffnung für die Protagonistin, bis endlich lernt, sich zu wehren.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.10.2021
Erdrich, Louise

Von Büchern und Inseln


sehr gut

In diesem Buch, das 2003 im Original unter dem Titel Books and Islands in Ojibwe Country erschienen ist, erzählt Pulitzerpreisträgerin Louise Erdrich von ihren Reisen gemeinsam mit ihrem kleinen Kind zu den nordamerikanischen Inseln, Sie schildert ihre Beobachtungen der Natur der Inseln, berücksichtigt auch die Geschichte bis ins 18.Jahrhundert und zeigt
Sprache und Kultur von den Ojibwe. Sehr interessant sind dabei z.B. die Abschnitte über die Felsenmalereien. Auch die Passagen über den Forscher und Naturschützer Ernest Carl Oberholtzer sind bemerkenswert.
Eine zentrale Rolle spielen natürlich auch die Bücher.

Bewertung vom 09.10.2021
Lynch, Paul

Grace


sehr gut

Intensive Sprache

Ein faszinierender, aber nahezu unerträglicher hoher Ton kennzeichnet und prägt den Roman Grace von Paul Lynch, der uns in das 19.Jahrhundert nach Irland führen. Es ist 1845, eine harte Zeit.
Die Hungersnot führt dazu, dass die junge Grace von ihrer Mutter als Junge gekleidet fortgetrieben wird. Es wird ein Überlebenskampf.
Begleitet wird die vierzehnjährige Grace von ihrem Bruder Colly. Oder ist er als Halluzination nur in ihren Gedanken dabei, was ich fast vermute. Andererseits bestimmt Colly durch seine zupackende, direkte und unbestechliche Art die Handlung mit. Seine Stimme führt sie auf ihren schweren Weg.
Der Roman ist kein typisch historischer Roman.
Paul Lynch bringt die Kraft seiner eigenwilligen, bildgewaltigen Sprache ganz und gar ein und erzeugt damit einen lyrischen Ton und eine tiefe Intensität.

Bewertung vom 08.10.2021
Ismail, Nermin

Hoffnung


ausgezeichnet

Das Buch Hoffnung der Wiener Journalistin und Autorin Nermin Ismail erscheint als Teil der Reihe übermorgen-Essays das Verlags Kreymayr&Scheriau, die ich für einen guten Ansatz halte, niveauvolle Essays zu präsentieren.
Interessant ist der zielführende Einsatz von treffenden Zitaten.
Schon das Cover mit der Brücke überzeugt, da die Brücke die Hoffnung symbolisieren kann. Hoffnung als Begriff ist etwas abstraktes.
Die Autorin untersucht den Begriff Hoffnung daher mit verschiedenen Aspekten: Hoffnung als Privileg, Hoffnung als Chance …, aber auch enttäuschte Hoffnung.
Die Tatsache, dass Nermin Ismail das Thema ernsthaft, übergreifend und ohne Pathos angeht, macht den wohltuenden Unterschied zu den ganzen esoterisch angehauchten Autoren aus.

Bewertung vom 08.10.2021
Kutscher, Volker

Mitte / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.11


weniger gut

Mitte von Volker Kutscher ist ein Anhängsel der berühmten Gereon Rath-Reihe. Es ist kein umfangreiches Buch, dafür reich illustriert.

Überraschenderweise ist es ein Briefroman. Das habe ich in der heutigen Literatur schon lange nicht mehr gelesen. Es ist ein angemessenes Mittel um die Zeit der dreißiger Jahre auch sprachlich zu vermitteln. Die Briefe sind ein wenig altmodisch, doch der jugendliche Übermut des Protagonisten lässt sie frisch wirken.

Der 16jährige Fritze Thormann ist ein Produkt seiner Zeit, hat aber auch viel Pech. Doch er lässt sich nicht entmutigen und hat mehr Freiheitsdrang als der Gesellschaft dieser schrecklichen Zeit passt. Ganz begeistert ist er von der Olympiade 1936.

Briefe schreibt er regelmäßig an seine jüdische Freundin Hannah, die sich verstecken muss und an Charly, die wir aus den Gereon-Rath-Büchern gut kennen.

Das Buch ist nicht schlecht, aber eigentlich nur eine Beigabe zu den großen Gereon-Romanen und daher vielleicht auch nicht besonders wichtig.

Die herausragende Bebilderung des Buches stammt von der Illustratorin Kat Menschik, die auch schon bei Kutschers Moabit dabei war.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.10.2021
Hegemann, Helene

Helene Hegemann über Patti Smith, Christoph Schlingensief, Anarchie und Tradition


ausgezeichnet

Die Bücher der KIWI-Musikbibliothek sind häufig ungewöhnlich und das trifft auch auf diesen Teil (Band 13) zu, indem Helene Hegemann nicht nur über Patti Smith schreibt sondern auch viel über sich selbst. Das kann manchmal bestürzend sein, wenn z.B. der frühe Tod der Mutter und Helenes Zustand in der Zeit danach beschrieben wird.

Auch über Christoph Schlingensief schreibt Hegemann einiges. Die Begegnung zwiscihen Schlingensief und Patti Smith lag nicht gerade auf der Hand.
Ganz am Ende schreibt Helene Hegemann dann auch über ihre eigene Begegnung mit Patti Smith.

Am Ende kann man bestätigen, dass Helene Hegemann mit ihren eigentümlichen Beschreibungen dem Phänomen Patti Smith Ausdruck geben kann.