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Insgesamt 1650 Bewertungen
Bewertung vom 22.11.2019
Fox, Candice

Missing Boy


ausgezeichnet

Gänse, Krokodile und andere Gefahren

Für mich ist dies die erste Begegnung mit den beiden Privatermittlern und auch die erste Begegnung mit der Autorin. Ich hatte aber sehr viel Spaß mit der Story. Obwohl es so langsam langweilig wird, dass Ermittler weit davon entfernt sind, Durchschnittsleben zu führen und sich auch diese beiden in die Reihe der Ermittler mit massiven eigenen Problemen reihen, ist es kein billiger Abklatsch. Ted und Amanda sind schräge Figuren, aber in sich stimmig aufgebaut und erfrischend in ihrer Art.

Teds Umgang mit seiner kleinen Tochter ist bezaubernd – und ausgerechnet genau das könnte ihm gefährlich werden. Seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein, obwohl die Anklage fallen gelassen wurde. Aber wie immer im Leben – das Böse halten die Mitmenschen für wahrer und logischer, es bleibt also immer ein dicker Schatten zurück. Ähnlich ist es bei Amanda – der Tod einer Polizistin geht auf ihr Konto in den Augen der breiten Masse.

Die Ermittlungen sind spannend und logisch aufgebaut. Ich hatte nie das Gefühl, dass sinnlos in die falsche Richtung gedacht wird, konnte den Gedankengängen der Figuren problemlos folgen und fand alles absolut nachvollziehbar. Wer das Buch liest, wird vielleicht wie ich einige Stellen urkomisch finden, aber ist so nicht das Leben? Man muss oft an Stellen lachen, an denen es am wenigsten passt. So ist es hier auch hin und wieder. Ich mag’s. Das Buch baut sehr schön Spannung auf, ohne pathetisch zu werden oder in Unlogik zu verfallen. Das mag ich sehr!

Ich muss zugeben, Teds Sorge um seine Gans und die Freundschaft, die dadurch mit der neuen Tierärztin erwächst, gefällt mir besonders gut. Ich mag Liebesromane nicht wirklich, aber die aufkeimenden Gefühle hier sind passend und fast schon witzig. Irgendwie real genau deshalb. Hach, es ist schon schön gemacht!

Ohne die exzentrische Amanda würde dem Buch aber doch etwas fehlen. Sie bringt Schwung rein und gerade, weil sie so völlig anders ist als alle anderen, hab ich sie ins Herz geschlossen.

Mich hat Candice Fox mit diesem Buch sehr gut unterhalten. Uve Teschner mochte ich die meiste Zeit sehr (wenn er nur der Erzähler ist), aber wenn er Frauenstimmen spricht, wirkt das einfach unschön. Für mich klingt das fürchterlich, als würde sich Teschner über die Frauen lustig machen. Nicht gut. Doch ich sehe darüber hinweg, weil das mit der Story relativ wenig zu tun hat und die verdient nun mal die vollen fünf Sterne.

Bewertung vom 21.11.2019
Thiesler, Sabine

Der Keller


sehr gut

Eine ganz eigene Mischung aus Krimi und Groschenroman – irgendwie gut!

Hannah macht sich trotz ihrer Flugangst auf den Weg nach Florenz. Ihr Vater hat sie um Hilfe gebeten, da ihre Mutter stark depressiv ist und er einfach nicht mehr weiter weiß. Ein freundlicher Herr kümmert sich während des Fluges sehr nett um sie und ist auch am Zielflughafen ihr Retter in der Not. Doch dann verschwindet Hannah spurlos …

Ich mag Thriller, bei denen man sehr früh den Täter kennt und quasi dabei zusieht, wie ihm auf die Spur gekommen wird. Der Anfang hier ist auch super spannend und trotz extremer Klischees und haarsträubender Zufälle und Szenen fesselnd. Das Buch liest sich durchweg flüssig und schnell. Aber dann wechselt der Stil abrupt, als Daniels und Octavias Geschichten erzählt werden. Hier fühlte ich mich aus einem recht passablen Thriller herausgerissen und in einen Groschenroman hineingeworfen. Da sind Szenen teils unbeschreiblich pathetisch und dermaßen klischeehaft, dass man kaum glaubt, was man da liest. Es ist, als hätte hier ein anderer Autor übernommen!

Ganz schräg ist ja, dass ich dennoch gern weitergelesen habe. Irgendwie war das schon wieder cool, wie schablonenhaft und auch vorhersehbar so einiges lief, um dann in hanebüchene Kapitel zu rutschen. Schwer zu beschreiben – aber insgesamt hat es dennoch oder sogar erst recht deshalb Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen. Auch wenn es schon krass ist, wie die Polizei in Italien und auch in Deutschland handelte – so arg viel anders läuft das leider tatsächlich oft nicht. Immerhin ist Hannah erwachsen und nur, weil sie sich nicht mehr meldet, ist noch lange kein Verbrechen geschehen. Doch das Zusammenspiel dieser und einiger anderer Szenen ergeben eben eine Story, die definitiv „nicht normal“ ist. Ich kenne die Autorin nicht, es ist mein erstes Buch von ihr. Aber für mich sieht es so aus, als hätte sie das absichtlich gemacht. Ich kann das Buch nicht wirklich ernst nehmen, aber gerade das macht es schon wieder gut! Wie gesagt, es ist schwer zu erklären!

Der Commissario spielt nur eine Nebenrolle, die erst gegen Ende des Buches ausgebaut wird. Dabei löst er nur durch Zufall und mit ganz besonderer Hilfe den Fall. Dabei wurde auch echt dick aufgetragen, dramatischer konnte es kaum werden. Und auch hier eine ganz dicke Portion Groschenroman.

Auch wenn es ganz und gar nicht danach klingt, ich wurde echt gut unterhalten. Auf völlig unerwartete und für mich neue Art, aber vielleicht hatte ich genau deshalb so viel Spaß daran. Wer einen knallharten Thriller erwartet, wird hier vermutlich nicht glücklich. Wer aber Spaß versteht und mal ein Experiment wagen möchte, bekommt hier am Anfang viel Spannung, dann ein wenig Grusel und vor allem viel Groschenroman. Mir hat die Mischung gefallen, als ich mich einfach darauf eingelassen habe. Muss ich jetzt nicht immer haben, aber diesmal war das richtig cool. Dafür vier Sterne!

Bewertung vom 20.11.2019
Pausch, Johannes

Geister in die Flasche zaubern


ausgezeichnet

Die Dosierung macht den wichtigen Unterschied

Selbst gemachte Liköre sind ein immer wieder gern genommenes Geschenk. Mit diesem Ratgeber von Servus und Pater Johannes Pausch hat man ein besonders gutes Handwerkszeug, um die ersten Liköre aus ganz besonderen und besonders guten Zutaten herzustellen.

Die erste Hälfte des Buches gehört der Theorie. Man erfährt alles Wichtige rund um Kräuter und Liköre, Kräutergärten, Klostergärten, den Nutzen für Leib und Seele. Und hier ist dann auch der Grund zu finden, warum die Kräuterliköre nicht unbedingt super lecker schmecken – sie sind hier mehr Medizin denn Genuss. Weiter geht es mit der Herstellung, was zu beachten ist, was man benötigt und wie es geht. Nach dem Grundrezept und den sieben Grundschritten geht es dann los mit den Rezepten für die Liköre. Es gibt Blüten-, Frucht-, Wurzel, Gewürz- und Kräuterliköre für jeden Anlass und jeden Geschmack.

Die Rezepte selbst sind klar strukturiert und übersichtlich angeordnet. Eine Liste der benötigten Zutaten, danach die Anweisung, wie diese zu verarbeiten sind und als Abschluss ein besonderer Tipp. Mehr benötigt man nicht.

So hat man mit dem Büchlein die ideale Voraussetzung, lieben Mitmenschen einen gesunden Flaschengeist zu schenken. Die Rezepte sind so gestaltet, dass man das ganze Jahr über Liköre ansetzen kann. Ich finde es zauberhaft und das nicht nur für den Eigengebrauch, sondern auch als Geschenk. Von mir gibt es deshalb die vollen fünf Sterne.

Bewertung vom 14.11.2019
Saller, Tom

Ein neues Blau


sehr gut

Deutsche Geschichte, zerbrechliches Porzellan und zwei wunde Seelen

Mitte der 1980er: Die 18jährige Anja soll Gesellschafterin für Lili Kuhn werden. Anja hat nicht allzu große Lust dazu und Lilis Idee war das ebenfalls nicht. Die alte Dame ist gern für sich und spricht nicht so viel und schon gar nicht über sich selbst. So unterschiedlich die beiden sind, so gut passen sie zusammen. Die eine öffnet sich der anderen und es kommen erstaunliche Dinge zutage.

Die Sprecherinnen für Lili und Anja sind mit Eva Meckbach und Nina Lilith Völsch sehr gelungen getroffen. Beiden Stimmen lauschte ich sehr gern. Sie sind angenehm und treffen die jeweilige Situation emotional wunderbar. Was ganz banal beginnt, wird unmerklich rasend schnell hochspannend. Man möchte gar nicht mehr aufhören, denn nichts ist langweilig oder uninteressant.

Dabei ist der Wechsel zwischen den beiden Zeitebenen immer sehr passend und harmonisch. Anjas Part ist dabei sehr kurz. Es geht in der Hauptsache um Lili und die Gründe, warum sie ist, wie sie ist, was sie erlebt hat und wie die Vergangenheit noch immer auf ihr lastet. Lili ist die Tochter eines nicht praktizierenden Juden und einer Christin. Die Mutter stirbt früh, im jüdischen Glauben gilt Lili als Nicht-Jüdin, da die Religion von der Mutter „vererbt“ wird. Doch Jahre später gilt sie als Halbjüdin. Und das hat Folgen.

Lilis Liebe zu diversen Dingen, besonders zu Porzellan, ist wunderbar beschrieben. Auch die Freundschaft und innige Verbundenheit zu Takeshi rühren tief und nachhaltend an. Man lernt nebenbei viel über Porzellan, Tee und die Problematik der Kriege und dem Judentum. Dabei geht es nicht nur um Lili, aber sie steckt einfach mittendrin. Um sie kreist quasi alles. Und Anja mit ihrer ganz eigenen Problematik lernt, über ihren Tellerrand hinaus zu sehen. Das passt als Sinnbild sehr gut zu der Schale, die in der Geschichte eine besondere Rolle spielt.

Der Schreibstil ist bei Lilis Part sehr ruhig und sanft, bei Anja sehr viel wilder und zum Teil auch aggressiv. Das passt zu den Figuren und zu dem, was sie zu erzählen haben.

Ein wundervolles Buch, dennoch reicht es nicht ganz für fünf Sterne. Aber vier gebe ich aus tiefstem Herzen.

Bewertung vom 13.11.2019
Gerhardt, Tom

Mats und Murat (inkl. CD der VDSIS-Jungs)


sehr gut

Vermutlich eher was für Erwachsene …

… denn die Kids könnten doch glatt glauben, man kommt immer irgendwie auch ohne Lernen und ohne Regeln fein raus.

Die Rap-Songs von Mats und Murat wurden von den VDSIS-Jungs Dustin und Xaver eingesungen. Für mich ist das ein einziger Song und fünf Strophen, aber das ist auch nicht so wild. Wer es nicht kennt – VDSIS ist „Von der Straße ins Studio“, einem deutschen Rap-Projekt für Kinder und Jugendliche. Seit der Gründung nahmen schon mehr als 7000 Kids an den Aktivitäten wie Auftritten, Videodrehs, und Workshops teil.

Die Zeichnungen/Illustrationen von Karl-Heinz (K.H.) Schrörs sind zauberhaft. Sie sind nicht zu modern, aber auch nicht zu sehr Wilhelm Busch. So eine wunderbar gelungene Mischung aus beidem, würde ich sagen.

Tom Gerhardt hat die beiden Lausbuben Max und Moritz in unsere Zeit gebracht. So ganz glücklich bin ich mit dem Verlauf der Story nicht. Sie passt jedoch zu Tom Gerhardt und vermutlich auch zu den unbelehrbaren Kids, die es leider immer wieder gibt. Die Reime sind eher lang ausgefallen, nicht so kurz und knapp und auf den Punkt, wie bei Busch.

Mir fehlt ein bisschen das gute Ende – hier haben die Jungs am Ende einfach nichts gelernt und das finde ich schade und auch nicht wirklich „moralisch vertretbar“. So werden es leider nicht die vollen fünf, sondern „nur“ vier Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.11.2019
Lappert, Simone

Der Sprung


ausgezeichnet

Zwei folgenschwere Tage in Thalbach

Manu steht auf dem Dach. Eine Anwohnerin informiert die Polizei. Feuerwehr und Rettungskräfte jeder Art rücken an, das Viertel steht Kopf, alles ist anders und eine ganze Reihe Menschen, die mehr oder weniger direkt mit Manu zu tun haben oder hatten, werden in einen Strudel gezogen, der ihr Leben verändert …

Anfangs hatte ich ein paar kleine Probleme, mich in die Story zu finden. Die einzelnen Kapitel sind mit dem Namen derjenigen Person versehen, die darin die Hauptrolle spielt. Insgesamt werden sehr viele Namen genannt (mehr als 20 – da muss man sehr aufpassen) und man ahnt zunächst nicht, wer wie mit Manu zu tun hat und warum. Nach und nach erklären sich die Zusammenhänge. Es zeichnet sich ab, wie wir alle durch jede unserer Handlung eine Art Kettenreaktion auslösen. Mal ist sie kleiner, mal größer, aber irgendwie verbindet uns jede unserer Handlungen mit endlos vielen Personen. Aber nicht nur das – diese Personen finden auch wieder untereinander Berührungspunkte, und seien sie auch noch so klein. Es ist ein wunderbares Netz, das hier gesponnen wurde.

Durch diesen Stil mit den Kapiteln der einzelnen Figuren sieht man Manu und ihr Handeln aus unterschiedlichen Perspektiven. Es gibt keinen allwissenden Erzähler im üblichen Sinne und das ist einzigartig zu lesen. Jede Figur hat ein eigenes, nicht wirklich leichtes Schicksal. Alle haben einen prall gefüllten Lebensrucksack, der ihnen mehr oder weniger schwer zu schaffen macht. Der eine stürzt ab, der andere steigt auf, die eine sprengt alle Ketten, die nächste verliert alles – Simone Lippert hat die ganze Bandbreite des Lebens in dieses wunderbare Büchlein gepackt, ohne lächerlich zu werden oder unlogische Wendungen einzubauen.

Sehr oft ist das Buch melancholisch, traurig und dunkel, aber insgesamt geht es mitten ins Herz, lässt auch immer wieder lachen und am Ende erkennen, dass alle Hochs und Tiefs haben und man selbst nicht besser oder schlechter als andere dran ist. Jeder kann sich in der einen oder anderen Figur zumindest ein bisschen wiederfinden.

Das Ende ist quasi ein explodierendes Munitionslager. Alles ist danach anders, nichts mehr, wie bisher. Viele lose Enden bleiben übrig und dennoch ist das Buch komplett und rund. Das muss man erst mal so hinbekommen! Und immer wieder gibt es Momente, die fast schon philosophisch sind. So zum Beispiel, wenn Henry Lukas fragt, was ihn tröstet und dieser dann meint, dass nichts so bleiben wird, wie es ist und dies noch ausführt. Einfach super schön und für mich auch wirklich ein tröstender Gedanke, gerade im Hinblick auf die Geschichte der beiden. Oder wie Moosbach aufzählt, was er schon so alles verschwinden hat sehen. Da fehlen mir die Worte, um zu sagen, wie wunderschön dies geschrieben ist.

Störend empfand ich, dass viele Fragesätze ohne Fragezeichen waren und auch der Ausdruck „Anfang Jahr“ oder „Anfang Monat“ kam öfter vor – für mich klingt das nach einem Fehler. Doch diese beiden Punkte wiegen nicht sehr schwer und das Büchlein hat mich so sehr bewegt und berührt, dass ich die vollen fünf Sterne geben möchte. Es ist eines meiner Jahreshighlights, definitiv!