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TochterAlice
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Köln

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Insgesamt 1464 Bewertungen
Bewertung vom 06.12.2019
Breinl, Juliane

Mein Mauerfall


ausgezeichnet

Jeder hat seine eigene Geschichte: Wir, die wir das alles damals bewusst miterlebt haben, wissen das. Ein Freund war bspw. kurz vorher in die Freiheit geschwommen - und konnte jetzt einfach so rüberfahren und schauen, ob es seinen Eltern wirklich gut geht. Ich war für zwei Monate in Riga und kam eines Abends in das Haus meines Onkels, wo meine Verwandten gerade alle buchstäblich vom Sofa kippten. "Guck mal, was bei Euch in Deutschland los ist." Mehr hörte ich nicht. Uns allen fehlten die Worte.

Doch wenn man das heute jungen Erwachsenen oder Kindern erzählt, können sie sich das kaum vorstellen! Deswegen ist ein solches Buch wie Juliane Breinl es geschaffen hat, superwichtig! Es ist quasi eine geschriebene Patchworkdecke zur Geschichte der DDR. Man erfährt, wie die Leute dort lebten, warum Unzufriedenheit entstand und warum wieder andere noch immer völlig überzeugt waren vom System.
Und zwar entlang der Familiengeschichte des zwölfjährigen Theo. Seine Verwandten sehen das Ereignis komplett unterschiedlich, obwohl sie es doch gemeinsam erlebten! Ein tolles Buch, das zwar ab und zu ein bisschen unübersichtlich erscheint, die damalige Situation genau damit aber umso deutlicher werden lässt! Eines, dass wichtig ist und zwar nicht nur für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, sondern für uns alle in Deutschland. Denn auch wir wundern uns immer noch, was wir alles nicht wissen. Vor allem aber erinnern wir uns: an eine ganz besondere Zeit, eine Zeit des Aufbruchs. Die in diesem Buch wunderbar festgehalten wird!

Bewertung vom 04.12.2019
WW

WW - Genial saisonal!


ausgezeichnet

Rank und schlank - wer von uns wäre das nicht gern. Aber Ach: wie schwer fällt es manchmal oder ehrlich gesagt, sogar oft, auf die ein oder andere Leckerei zu verzichten.

Seit Jahrzehnten ziehen die Weight Watchers mit ihrem pragmatischen Punkte-Programm zahlreiche Abnehmewillige auf ihre Seite, teilweise durchaus von Erfolg gekrönt.

Der bekannte Koch Andi Schweiger, dem die Problematik des Abnehmens offenbar selbst fremd ist (so schlank, wie er auf den Fotos erscheint), versucht in seinem neuen WW-Kochbuch, das Problem an der Wurzel zu packen. Denn eine der zentralen Lockungen sind sicher saisonale Leckereien, auf die man sich den Rest des Jahres freut. Hier zeigt er, wie diese kalorienarm und dabei sehr lecker zubereitet werden können. Und das auch noch (relativ) schnell und unkompliziert.

Allerdings heißt lecker und kalorienarm in vielen Fällen definitiv nicht preisgünstig. Denn es kommen viele teure Zutaten wie hochwertiges Fleisch und edle Fische, teures Gemüse wie Spargel und Edelpilze wie Morcheln vor. Zwar längst nicht in jedem Rezept, aber in genug davon. Man sollte das Buch also möglichst nicht an einen Haushalt verschenken, in dem gespart werden muss. Ich jedenfalls fände es traurig, mir viele der Rezepte nicht leisten zu können, trotz der Alternativen, die oft vorgeschlagen werden. Wenn man es sich leisten kann, ist dies aber wirklich ein tolles Kochbuch - man sollte nur darauf achten, vor Begeisterung nicht das Doppelte zu verschlingen!

Bewertung vom 24.11.2019
Nesbø, Jo

Messer / Harry Hole Bd.12


sehr gut

Hole jagt seinen alten Widersacher. Sie winken müde ab und sagen, das hätten Sie schon gehabt und zwar mehrfach? Seien Sie versichert: so nicht! Denn diesmal hat sich Rakel, die Frau, der Harry Hole die Sterne vom Himmel holen wollte, endgültig von ihm losgesagt und nicht nur das: ein altbekannter Verbrecher, nämlich Svein Finne ist wieder mal frei. Harrys größter Widersacher unter der Sonne also, ein perfider Mörder und Psychopath.

Wird Harry ihn diesmal schnappen? Oder vielleicht einen anderen? Ein wahres Defilee an Figuren aus allen vergangenen Bänden der Reihe findet hier statt - das ist mir manchmal ein bisschen zu viel des Guten wie auch die permanente Erwähnung des Musikgeschmacks von Harry - oder ist es der seines Autors Jo Nesbo? Den ich im Übrigen größtenteils teile, aber Clash und Ramones auf jeder zweiten Seite eines Thrillers muss ich dann doch nicht haben.

Ja, Sie merken schon, ich lenke ab von der Handlung. Weil ich nämlich nichts verraten will, das würde Ihnen ganz schön was von der Spannung rauben. Denn es gibt einen Punkt, der durchzieht die ganze Handlung und bringt viele Unterpunkte mit sich. Wie dem auch sei - dieser Band hat etwas von einem Schlussakkord, das kann aber auch "nur" die Befürchtung eines Fans sein, der nicht will, dass diese Reihe jemals endet.

Nicht der beste, aber auch nicht der schlechteste Harry-Hole-Band. Und solides Mittelmaß ist für einen Band einer solchen Spitzenreihe doch ganz klar etwas, was man ohne Weiteres hinnehmen kann. Oder sogar mehr als das!

Bewertung vom 19.11.2019
Grebe, Camilla

Tagebuch meines Verschwindens / Profilerin Hanne Bd.2


sehr gut

Ein Dorf, wie es auch irgendwo in Deutschland sein könnte: mitten in einem ehemaligen Bergbaurevier, in dem zudem Industrie angesiedelt war. Ich könnte mir vorstellen, dass es inzwischen dort aussieht wie an einem der vielen "Lost Places" in der ehemaligen DDR, über die inzwischen ganze Bildbände herausgegeben wurden: verwahrlost, morbide... und irgendwie auch gruselig.

Doch in diesem Dorf leben noch Menschen - auch die junge Polizistin Malin, die im Rahmen von Ermittlungen in einem "Cold Case" hierher zurückkehrt, ist in diesem Ort geboren und aufwewachsen. Ausgerechnet sie hatte damals vor vielen Jahren als Teenager selbst die Kinderleiche entdeckt. Damals wurde der Mörder nicht gefunden, nun soll die Suche wieder aufgerollt werden - nie hätte Malin gedacht, dass sie beruflich damit zu tun bekommt! Und das, obwohl sie nie ein Geheimnis aus ihrem damaligen Fund gemacht hat!

Nach einigen Tagen verschwindet ein Polizist und dessen Partnerin Hanne wird zwar aufgefunden, stellt sich aber als völlig dement heraus und kann deswegen keine Angaben machen. Ganz zufällig gerät auch der junge Jake, ein Teenager, der in der Nähe des einstigen Fund- und jetzigen Handlungsortes lebt, in die Ereignisse und etwas Großes und sehr, sehr Gruseliges kommt ins Rollen! Berichtet wird abwechselnd aus den Perspektiven von Malin, Hanne und Jake.

Ein toller, origineller und sehr eindringlicher Krimi - ich würde ihn nicht ungebedingt als Thriller bezeichnen, da die Entwicklung doch eine eher langsame ist und es am Ende eine wundervolle Auflösung im Stil eines klassischen Whodunnit gibt - genau wie ich sie liebe! Camilla Grebe schreibt spannungsvoll und eindringlich, wenn auch einiges sehr weit hergeholt ist, vor allem die bereits weit fortgeschrittene Demenz von Hanne, die nichtsdestotrotz noch mit beiden Beinen im Berufsleben steht, bzw. stand.

Mir gefällt die atmosphärische Darstellung sehr, ich kann mir das kleine Kaff Ormberg bildlich vorstellen. Und auch die Personen sind sehr anschaulich geschildert, die Charaktere hat man als Leser durchgehend vor den Augen. Trotz ein paar kleinerer Einschränkungen empfehle ich diesen Krimi von Herzen, er eignet sich gerade im Winter für ein paar gemütliche Abende im Warmen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2019
Bogdan, Isabel

Laufen


sehr gut

Den Friesennerz ablegen: Das möchte die namenlose Frau, Protagonistin und Ich-Erzählerin dieses eigenwilligen Romans. So nennt sie die Last, die seitdem an ihr haftet, zuerst seit einem, dann seit zwei Jahren. Seitdem: das ist der dunkelste Punkt überhaupt in ihrem Leben, der Selbstmord ihres Lebensgefährten nämlich. Der nicht nur für sie äußerst überraschend kam, auch wenn ihr bewusst war, dass sie mit einem schwer depressiven Mann zusammen lebte.

Man kommt wohl nicht umhin, in einer solchen Situation nach der eigenen Schuld an diesem traumatischen und komplett lebens- und werteverändernden Ereignis zu suchen und das tut auch diese Frau. Wobei sie durchaus in einer für viele beneidenswerten Situation ist: sie hat die richtigen Menschen an ihrer Seite, nämlich ihre beste Freundin Rike, die quasi instinktiv alles richtig macht und eine wirklich gute Therapeutin noch dazu. Aber sie begegnet viel mehr Menschen, die alles falsch machen, quasi den Finger in die Wunde legen, sobald diese sich auch nur das kleinste Bisschen schließt. Zu diesen Menschen gehört sie am Anfang auch selbst.

Der Leser folgt ihren Gedanken beim Laufen, einer Aktivität, zu der sie nach jahrelanger Pause zurückgefunden hat. Die zunächst sehr mühsam für sie ist, dann aber immer leichter von der Hand bzw. vom Fuß geht - allmählich natürlich und ebenso langsam, wie sich ihre Wahrnehmung wandelt - zunächst zur Würdigung positiver Dinge in ihrem Leben, dann auch zu vorsichtig-optimischer Planung. Es ist keine Trauerbewältigung, denn das ist - so sehe ich und ich glaube, auch sie es - nichts, was man bewältigen kann, aber sie lernt, damit umzugehen, es als Teil ihres Lebens zu sehen.

Manchmal fiel es mir schwer, dem Laufrythmus der Erzählerin zu folgen, was nur beweist, wie individuell ein solcher Verlust, der Umgang mit ihm und die Trauer jeweils ist. Stark und schwach zugleich, dabei ausgesprochen authentisch.

Bewertung vom 15.11.2019
Turton, Stuart

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle


gut

Very british, very confusing
So ist es tatsächlich: obwohl dieses Buch atmosphärisch einfach alles gibt, um ein echt britisches Was-auch-immer zu sein, habe ich eine ganze Weile gebraucht, um die Handlung nachvollziehen zu können: Denn hier wiederholt sich zwar immer wieder ein bestimmter Tag und zwar der, an dem die titelgebende Evelyn Hardcastle sterben musste, doch der Erzähler steckt jedesmal in einem anderen Körper und erlebt die Handlung aus einer anderen Perspektive mit. Somit fügt sich Tag für Tag ein Puzzlestein zum anderen, bis das Rätsel gelöst ist.

Eine geradezu geniale Idee, muss man sagen - wenn sie denn ebenso genial ausgeführt worden wäre. Aber die Tage purzeln hier wild durcheinander, zudem gibt es nicht einzuordnende Figuren in dem Roman, die - zumindest bei mir - die Verwirrung noch vergrößerten.

Irgendwie platzt man hier einfach hinein in die Handlung und muss dann schauen, wie man sich zurecht findet. Mir ist das jedenfalls nicht so recht gelungen und so konnte ich den Roman nicht so genießen, wie ich wollte. Obwohl er jede Menge toller Einfälle enthält, kann ich ihn nicht weiterempfehlen, es sei denn, man kennt jemanden, der genau so etwas sucht!

Bewertung vom 07.11.2019
Prescott, Lara

Alles, was wir sind


gut

"Doktor Schiwago" kennen die meisten von uns als wunderbaren Film: für mich gehört er zu meinen absoluten Tops und immer, wenn "Laras Lied" erklingt, lasse ich mich zum Mitsummen verführen. Ganz egal, wie schief und stümperhaft das auch klingen mag: ich fühle mich dann fast so, als wäre ich selbst im Film, als Statistin in einer Massenszene oder ähnliches. Natürlich mit mutigem Blick und furchtloser Haltung!

Weit weniger bekannt ist das Schicksal des Romans, der dem Autor Boris Pasternak 1958 zum Nobelpreis verhalf - zum Preis, den er nicht annehmen durfte. Denn sein Roman existierte offiziell in der Sowjetunion gar nicht - er war nur im Ausland veröffentlicht worden. Zunächst in Italien - Pasternak hatte sein Manuskript den Agenten des Verlegers übergeben Allerdings gab es bald auch eine Fassung in russischer Sprache, also im Original. Exemplare wurden auf der Weltausstellung in Brüssel an sowjetische Teilnehmer verteilt, in der Hoffnung, sie würden sie in der Heimat verbreiten können.

Dies alles ist wahr und an sich schon spektakulär genug. Autorin Lara Prescott kleidet diese Ereignisse in eine dramatische, aus mehreren Perspektiven erzählte Handlung, die im Osten, also im Umfeld von Pasternak und im Westen, in Kreisen des amerikanischen Geheimdienstes spielt.

Das Besondere: Es sind Frauen, die im Fokus stehen. In der Sowjetunion Pasternaks langjährige Geliebte Olga Iwinskaja, die seinetwegen Jahre im Gulag verbringen musste. Im Westen sind es Agentinnen, die in die Affäre Schiwago verstrickt werden und weitere Mitarbeiterinnen des Geheimdienstes. Und auch hier gibt es eine Liebesgeschichte. Aus meiner Sicht ist sie ziemlich überzogen.

Für mich wäre es etwas Besonderes gewesen, diese Geschichte, deren wahre Elemente bereits wahnsinnig viel Spannung beinhalten, zu entzerren, sie auf ihren Kern zu reduzieren und die Kraft der Sprache und der Poesie als wirkungsvolles Instrument einzusetzen.

Hier hat das Gegenteil stattgefunden und mir ist es eindeutig zu viel: zu viel Personal, zu viel Chichi, zu viel Nebensächliches. Es nimmt dem eigentlichen Ereignis, der Handlung um den Roman, eine ganze Menge weg. Was ich sehr schade finde, auch wenn der Roman dennoch interessant zu lesen ist.

Bewertung vom 07.11.2019
Gühmann, Sylvie

Fettnäpfchenführer Ostfriesland


sehr gut

Nicht nur Tee gibt es in Ostfriesland in Hülle und Fülle - nein, man begegnet auch Schönheitswettbewerben sowie sportlichen Aktivitäten der besonderen Art, verspeist mit ein bisschen Glück (und guter Recherche im Vorfeld) köstliches Essen und darf den herben Charme der "Ureinwohner" genießen.

Ja, in der Fremde unterscheidet sich vieles vom Leben daheim: man muss nicht unbedingt Landesgrenzen überschreiten, auch in vielen Regionen Deutschlands ticken die Uhren in mancher Hinsicht anders. Und wie!

In dieser Reihe wird gerade dieser Einstieg durch Zugezogene und Touristen veranschaulicht. Hier sind es Sonja aus Schwaben und ihr Freund Max, die sich in Ostfriesland und seine Besonderheiten einfinden wollen - und müssen! Vor allem Sonja, die dort bei einer Zeitung einsteigt - ausgerechnet im Lokalteil und dementsprechend schnell an ihre Grenzen stösst - vor allem bei der Reportage über einen Schönheitswettbewerb, der ganz anders ist als erwartet.
Ihr Freund Max besucht sie dort oft und überlegt, zu ihr zu ziehen. Wie sich die beiden schlagen und ob es dazu kommt, das können sie hier auf sehr unterhaltsame Art und Weise nachlesen und dabei viele der ostfriesischen Eigenarten kennenlernen. Und natürlich einiges an Tipps an die Hand bekommen. Mir standen in diesem Band die beiden Protagonisten ein bisschen zu sehr im Vordergrund, dennoch habe ich ihn sehr gerne und mit viel Freude gelesen.

Dies ist eine gute Vorbereitung bzw. Begleitung für Ostfriesland-Reisende jeder Art oder auch für Menschen, die sich für diesen Landstrich "einfach so" interessieren! Vielleicht wird nach der Lektüre ja mehr daraus!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.