Benutzer
Benutzername: 
TochterAlice
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 1457 Bewertungen
Bewertung vom 15.11.2019
Turton, Stuart

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle


gut

Very british, very confusing
So ist es tatsächlich: obwohl dieses Buch atmosphärisch einfach alles gibt, um ein echt britisches Was-auch-immer zu sein, habe ich eine ganze Weile gebraucht, um die Handlung nachvollziehen zu können: Denn hier wiederholt sich zwar immer wieder ein bestimmter Tag und zwar der, an dem die titelgebende Evelyn Hardcastle sterben musste, doch der Erzähler steckt jedesmal in einem anderen Körper und erlebt die Handlung aus einer anderen Perspektive mit. Somit fügt sich Tag für Tag ein Puzzlestein zum anderen, bis das Rätsel gelöst ist.

Eine geradezu geniale Idee, muss man sagen - wenn sie denn ebenso genial ausgeführt worden wäre. Aber die Tage purzeln hier wild durcheinander, zudem gibt es nicht einzuordnende Figuren in dem Roman, die - zumindest bei mir - die Verwirrung noch vergrößerten.

Irgendwie platzt man hier einfach hinein in die Handlung und muss dann schauen, wie man sich zurecht findet. Mir ist das jedenfalls nicht so recht gelungen und so konnte ich den Roman nicht so genießen, wie ich wollte. Obwohl er jede Menge toller Einfälle enthält, kann ich ihn nicht weiterempfehlen, es sei denn, man kennt jemanden, der genau so etwas sucht!

Bewertung vom 07.11.2019
Prescott, Lara

Alles, was wir sind


gut

"Doktor Schiwago" kennen die meisten von uns als wunderbaren Film: für mich gehört er zu meinen absoluten Tops und immer, wenn "Laras Lied" erklingt, lasse ich mich zum Mitsummen verführen. Ganz egal, wie schief und stümperhaft das auch klingen mag: ich fühle mich dann fast so, als wäre ich selbst im Film, als Statistin in einer Massenszene oder ähnliches. Natürlich mit mutigem Blick und furchtloser Haltung!

Weit weniger bekannt ist das Schicksal des Romans, der dem Autor Boris Pasternak 1958 zum Nobelpreis verhalf - zum Preis, den er nicht annehmen durfte. Denn sein Roman existierte offiziell in der Sowjetunion gar nicht - er war nur im Ausland veröffentlicht worden. Zunächst in Italien - Pasternak hatte sein Manuskript den Agenten des Verlegers übergeben Allerdings gab es bald auch eine Fassung in russischer Sprache, also im Original. Exemplare wurden auf der Weltausstellung in Brüssel an sowjetische Teilnehmer verteilt, in der Hoffnung, sie würden sie in der Heimat verbreiten können.

Dies alles ist wahr und an sich schon spektakulär genug. Autorin Lara Prescott kleidet diese Ereignisse in eine dramatische, aus mehreren Perspektiven erzählte Handlung, die im Osten, also im Umfeld von Pasternak und im Westen, in Kreisen des amerikanischen Geheimdienstes spielt.

Das Besondere: Es sind Frauen, die im Fokus stehen. In der Sowjetunion Pasternaks langjährige Geliebte Olga Iwinskaja, die seinetwegen Jahre im Gulag verbringen musste. Im Westen sind es Agentinnen, die in die Affäre Schiwago verstrickt werden und weitere Mitarbeiterinnen des Geheimdienstes. Und auch hier gibt es eine Liebesgeschichte. Aus meiner Sicht ist sie ziemlich überzogen.

Für mich wäre es etwas Besonderes gewesen, diese Geschichte, deren wahre Elemente bereits wahnsinnig viel Spannung beinhalten, zu entzerren, sie auf ihren Kern zu reduzieren und die Kraft der Sprache und der Poesie als wirkungsvolles Instrument einzusetzen.

Hier hat das Gegenteil stattgefunden und mir ist es eindeutig zu viel: zu viel Personal, zu viel Chichi, zu viel Nebensächliches. Es nimmt dem eigentlichen Ereignis, der Handlung um den Roman, eine ganze Menge weg. Was ich sehr schade finde, auch wenn der Roman dennoch interessant zu lesen ist.

Bewertung vom 07.11.2019
Gühmann, Sylvie

Fettnäpfchenführer Ostfriesland


sehr gut

Nicht nur Tee gibt es in Ostfriesland in Hülle und Fülle - nein, man begegnet auch Schönheitswettbewerben sowie sportlichen Aktivitäten der besonderen Art, verspeist mit ein bisschen Glück (und guter Recherche im Vorfeld) köstliches Essen und darf den herben Charme der "Ureinwohner" genießen.

Ja, in der Fremde unterscheidet sich vieles vom Leben daheim: man muss nicht unbedingt Landesgrenzen überschreiten, auch in vielen Regionen Deutschlands ticken die Uhren in mancher Hinsicht anders. Und wie!

In dieser Reihe wird gerade dieser Einstieg durch Zugezogene und Touristen veranschaulicht. Hier sind es Sonja aus Schwaben und ihr Freund Max, die sich in Ostfriesland und seine Besonderheiten einfinden wollen - und müssen! Vor allem Sonja, die dort bei einer Zeitung einsteigt - ausgerechnet im Lokalteil und dementsprechend schnell an ihre Grenzen stösst - vor allem bei der Reportage über einen Schönheitswettbewerb, der ganz anders ist als erwartet.
Ihr Freund Max besucht sie dort oft und überlegt, zu ihr zu ziehen. Wie sich die beiden schlagen und ob es dazu kommt, das können sie hier auf sehr unterhaltsame Art und Weise nachlesen und dabei viele der ostfriesischen Eigenarten kennenlernen. Und natürlich einiges an Tipps an die Hand bekommen. Mir standen in diesem Band die beiden Protagonisten ein bisschen zu sehr im Vordergrund, dennoch habe ich ihn sehr gerne und mit viel Freude gelesen.

Dies ist eine gute Vorbereitung bzw. Begleitung für Ostfriesland-Reisende jeder Art oder auch für Menschen, die sich für diesen Landstrich "einfach so" interessieren! Vielleicht wird nach der Lektüre ja mehr daraus!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.11.2019
Kurkow, Andrej

Graue Bienen


ausgezeichnet

Der Herr der Bienen: Das ist Sergej, der im Donbass, genau auf der Frontlinie, in einem kleinen menschenleeren Dorf lebt - mit seinen Bienenstöcken und mit Paschka, seinem Kindheitsfeind: die beiden, die allein zurückgeblieben sind und daher gezwungen sind, zumindest einen minimalen Kontakt zu halten. Was gar nicht so schlecht klappt und sich mit der Zeit intensiviert. Sergej zumindest - aus seiner Perspektive ist der Roman geschrieben - denkt irgendwann sogar mit einer gewissen Zuneigung, die ihn selbst verwundert, an Paschka.

Ansonsten gibt es Besuche von Soldaten beider Seiten - zu Paschka kommt einer der Separatisten, bei Sergej ist es Petro, der die Ukraine verteidigt. Sergej selbst ist neutral, er fühlt sich nicht als Kriegsführender.

So verlässt er irgendwann mitsamt seiner Bienen den Dobass, um ihnen ein ruhigeres Fleckchen zu gönnen - und möglicherweise mehr und besseren Honig zu gewinnen. " Hinter ihm lag der Krieg, an dem er nicht teilnahm, dessen Einwohner er nur war. Kriegseinwohner." (S. 199)

Wobei ihn die Einsamkeit meist nicht störte "...die Menschenleere half, sich mit dem Leben besser zu verstehen." (S. 247)

Unterwegs macht er in einer Gegend halt, in der er ein ruhiges Fleckchen für seine Bienen und eine nette Frau - seine eigene hat ihn mitsamt der Tochter vor einigen Jahren verlassen - findet und sich wohlfühlt, bis er wortwörtlich mit einem Beil davongetrieben wird. Nicht von der Frau natürlich.

Weiter verschlägt es ihn auf die Krim, wo er seinen Kumpel, den Bienenzüchter Achtem besuchen und dort seine Bienenstöcke für ein Weilchen aufstellen will. Doch er trifft nur Frau und Kinder an - Schreckliches ist hier geschehen und passiert weiterhin, Sergej wird Zeuge der Benachteiligung der Krimtataren, um es mal zivilisiert auszudrücken.

Das alles schildert Andrej Kurkow mit einer Warmherzigkeit und einem Augenzwinkern, die mich ein bisschen an "Owen Meany" von John Irving erinnerte - einfach durch die Atmosphäre und Mentalität, die den Roman durchdringt. Sergej ist ein Mann, der sich trotz wiederholter Schicksalschläge dem Leben stellt und versucht, ihm die Hand zu reichen.

Wir begegnen Menschen, die im Einklang mit der Natur leben, bzw. lebten, bis diese sich quasi über ihren Kopf hinweg verändert. Gewissermaßen ist dies also auch ein Ökoroman: mir hat er deutlich gemacht, wie sehr Krieg und Natur aufeinander einwirken. Die Schilderung der Bewohner sowohl des Donbass als auch der Krim sowie des "Dazwischen" hat mich förmlich umgehauen - ich habe noch nie eine so klare Darstellung des Umstandes, dass Menschen trotz unterschiedlicher Religion und Mentalität die gleiche Arbeit machen und sehr ähnliche Ängste und Sorgen haben, gelesen.

Sergej passiert eine Grenze nach der anderen, doch für ihn ist das immer noch ein Land, die Ukraine eben, an die permanenten Kontrollen kann er sich nicht gewöhnen. Und Kurkow wäre nicht Kurkow, wenn er die Gelegenheit auslassen würde, auch die Grenzposten in ihrer Menschlichkeit darzustellen - auf die eine oder andere Art.
Mich selbst gemahnte das an einen ganz anderen Krieg, der auch in weiten Teilen auf dem ehemaligen Gebiet der Sowjetunion ausgetragen wurde und nun schon über 75 Jahre zurückliegt. Vieles ist anders, aber nicht die Not der Menschen. Und auch nicht der Stellungskrieg, jedenfalls nicht wesentlich.

Hilflosigkeit und Zuversicht in Einklang zu bringen und die Lebewesen - Menschen und Bienen gleichermaßen - und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen, das kann so nur Kurkow. Vor Jahren hatte mich sein Roman mit Pinguin, also "Picknick auf dem Eis" in Entzücken versetzt. Ich habe noch einiges von ihm gelesen, aber auch wenn ich die direkten Nachfolger sehr mochte, fand er aus meiner Sicht nicht mehr zu dem damaligen Niveau zurück. Jetzt, durch die Bienen, ist es ihm gelungen. Mal sehen, mit welchem Tier bzw. Lebewesen es ihm das nächste Mal gelingt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.10.2019
Maybach, Katja

Die Zeit der Töchter


sehr gut

Wir begegnen Maria und Vivien und ihren Töchtern Anna und Antonia, die wir in "Die Stunde der Mütter" durch den Krieg begleiteten, in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Anna und Antonia sind zu jungen Frauen herangewachsen, die ihr eigenes Leben leben und sich dem Alltag stellen. Ihre Mütter halten immer noch zusammen und stehen ein für die Schwachen: Vivien als energische Schuldirektorin und Maria durch ihr Engagement in der Flüchtlingshilfe.

Sie sind umgeben von einer ganzen Reihe weiterer Charaktere, die mehr oder weniger wichtige Rollen im Leben der vier Frauen spielen.

Ich liebe den atmosphärischen, eleganten Stil und die klugen Recherchen der Autorin Katja Maybach zu immer noch brennenden historischen Themen und konnte somit auch wieder wunderbar in vergangenen Zeiten schwelgen bzw. mich von überraschend vielen negativen Erscheinungen schrecken lassen. Ein wieder mal ausgesprochen gelungener Roman über die Nachkriegszeit, in dem mir diesmal leider ein wenig zuviel Personal vorhanden war. Nicht nur die beiden Mütter/Töchterpaare, sondern weitere Figuren, die zuerst noch einführt werden mussten, standen im Vordergrund. Das war mir insgesamt ein bisschen des Guten zuviel, auch wenn dies eine Kritik auf sehr, sehr hohem Niveau ist: Katja Maybach ist und bleibt eine meiner Lieblingsautorinnen - das hat sich durch die Lektüre dieses Romans nur verstärkt!

Insgesamt also ein keineswegs pessimistischer Roman, der die dunklen Seiten der Nachkriegszeit zutage fördert. Und zeigt, wie stark die Frauen trotzdem waren - sie waren diejenigen, die mutig einstanden für Werte, die auf eine bessere Zukunft hoffen ließen! Erschreckend allerdings ist, wie viele der damals aktuellen Themen wie Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass im Allgemeinen und die Ablehnung von Flüchtlingen im Speziellen heute wieder im Vordergrund der politischen und gesellschaftlichen Debatten stehen!

Die Autorin legt den Finger in die Wunde, ohne jemals plump zu werden, sie rüttelt auf eine besonders markante Weise auf: durch das Aufzeigen des Wiederkehrenden, der Wiederholungen. Ein sehr empfehlenswerter Roman für alle die, die mit beiden Beinen im Hier und Jetzt stehen, denen die Bedeutung der Vergangenheit jedoch bewusst ist.

Bewertung vom 30.10.2019
Peters, Veronika

Die Dame hinter dem Vorhang


sehr gut

Eine leidende Exzentrikerin: Das war Edith Sitwell, die es sowohl aus gesundheitlichen als auch rein optischen - ihre Eltern fanden sie einfach hässlich - nie einfach hatte. Dennoch konnte sie sich das ein oder andere große Stück Kuchen von der Sonnenseite des Lebens abschneiden. Denn sie war klug und originell und reüssierte als Autorin sowohl von Poesie als auch von Erzählungen und diversen Berichten, mit denen sie ihr täglich Brot verdiente.

Und zwar nicht nur für sich, sondern auch für ihren Hausstand - ihre frühere Gouvernante und spätere Gesellschafterin Helen und für Jane Banister, ihrem Hausmädchen, einer fiktiven Figur, aus deren Perspektive die Handlung geschildert wird.

Man erfährt so einiges von ihr - sie hielt nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg und tat, was ihr passte. Allerdings ließ sie sich durchaus auch von dem ein oder anderen Zeitgenossen ausnutzen. Nein, ein glücklicher Mensch war sie zeitlebens nicht; schon in ihrer Kindheit wurde sie von ihren Eltern ihren Brüdern gegenüber benachteiligt und das setzte sich auch in späteren Jahren durch.

Veronika Peters hat einen Roman über diese faszinierende Persönlichkeit verfasst, die sowohl von realen als auch fiktiven Figuren umgeben ist. Die Charaktere sind gut gezeichnet, auch Zeit und Raum sind atmosphärisch dargestellt, doch wäre ein stellenweise etwas tiefergehender Ansatz wünschenswert gewesen. Ein unterhaltsamer, ab und an zu wenig Spannung beinhaltender Roman, der dazu einlädt, sich weiter mit der Person Edith Sitwell und einigen ihrer Zeitgenossen zu beschäftigen.

Bewertung vom 29.10.2019
Smith, Myquillyn

Mein Zuhause zum Aufatmen


weniger gut

Nicht mein Thema - Obwohl es das eigentlich ist. Denn mein Zuhause ist hoffnungslos überladen mit Zeug - aber nicht mit Deko, sondern mit Gebrauchsgegenständen, von denen nicht gerade wenige wertvolle Andenken emotionaler Art für mich darstellen. Zu wieder anderen möchte ich gerne immer wieder greifen können, dazu zählen vor allem Bücher, aber auch Küchengeräte.

Ich hatte gehofft, anspruchsvolle Leitgedanken philosophischer und psychologischer Art zu Themen wie "Besitz", "befreien", "loslösen" übermittelt zu bekommen - sowie Vorschläge, inwiefern mir mein christlicher Glaube bei diesen Fragestellungen eine Hilfe oder ein Halt sein könnte.

Nichts davon habe ich hier aufgefunden, es geht eigentlich immer um dasselbe - dass man seine Wohnung beruhigen sollte und dass das am besten mit wenigen und großen Gegenständen geht. Dazu gibt es Fotos, die auf mich ausgesprochen wenig einladend wirken - sie sehen aus wie aus dem Möbelhaus und werden von Mal zu Mal - das heißt, je näher die Autorin ihrem ansgestrebten Mix aus Gemütlichkeit und Minimalismus - GeMi, wie sie ihn nennt, rückt, unpersönlicher. Bspw. werden alle kleinen, persönlichen Gegenstände von Wänden und Borden entfernt und durch große beschriftete Schilder mit Worten wie "Relax" und durch 08/15-Pflanzen ersetzt.

Nein, auch wenn es ein paar kleinere hilfreiche Hinweise für mich gab, ist das alles doch meilenweit entfernt von mir und von meinen Vorstellungen.

Ich hatte gehofft, dass ein Buch mit Einrichtungstipps und welchen zum Entrümpeln aus einem christlichen Verlag auch übergeordnete Empfehlungen, solche zu Entscheidungswegen oder zu Empfindungen gewissem Besitz gegenüber beinhalten würde - Pustekuchen. Leider zielt die Autorin haarscharf vorbei an allen Themen, Fragen, Hoffnungen und Wünschen, die mich diesbezüglich umtreiben!

Bewertung vom 28.10.2019
Konrad, Ksenia

Alles außer fern


sehr gut

Ksenia Konrad kommt aus Russland und hat selbst Deutsch als Fremdsprache gelernt. Inzwischen lebt sie selbst im deutschsprachigen Raum, unterrichtet selbst Deutschlernende - und schreibt Bücher auf Deutsch, wie man sieht.

Und zwar über genau das: über ihre Erfahrungen als Deutschtrainerin, wie sie sich bezeichnet. Dass sie ihre Aktivitäten sehr strukturiert angeht, wird schon von Beginn an klar, denn so verfährt sie auch Im Aufbau ihres Buches: entlang der deutschen Grammatik nämlich - und kommt von dort auf die weiteren Zusammenhänge in ihrem Unterricht, auf die Inhalte und Aktivitäten ihrer Kurse und vor allem: auf die Teilnehmer.

Schnell lernen wir, dass eigentlich alles an der Motivation hängt - ist der Unterricht eintönig, sind die Teilnehmer gelangweilt und vergessen die Lerninhalte alsbald wieder. Doch bei anschaulichem Lernen ist das Gegenteil der Fall - es bleibt viel mehr hängen, die Inhalte werden quasi spielerisch erarbeitet, was auf verschiedenste Weisen möglich ist - bspw. durch Einbeziehung der eigenen Lebensinhalte oder durch Anwendung des Gelernten vor Ort, also in der Natur, in Museen oder auch einfach in der Stadt. Alles, was mit dem eigenen Alltag, der eigenen Situation und vor allem den eigenen Interessen zu tun hat, bleibt hängen.

Die Trainerin kniet sich ordentlich rein in ihre Aufgabe - und ihre Schützlinge danken es ihr, indem sie es ihrerseits auch tun. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt, aber in ihrem Einsatz um die Eroberung der Sprache Deutsch sind sie vereint, ein Team sozusagen. Eines, das einander aufgrund der gleichen Bedürfnisse versteht. Wobei es nicht alle schaffen, so weit zu kommen, aber viele!

Ein spannendes Buch, während dessen Lektüre ich mich stellenweise auch ein klein bisschen gelangweilt habe, nämlich in dem Teil, in dem es um die Grammatik ging. Obwohl ich eine kleine Auffrischung durchaus gebrauchen könnte, auch als Muttersprachlerin. Aber es geht auch ohne, also bin ich faul und lasse mich nicht richtig drauf ein. Falsch von mir, ich weiß! Doch vielleicht bin ich nicht ganz die richtige Zielgruppe, sondern fortgeschrittene DaF-Lernende - und die werden das ganz sicher zu schätzen wissen!

Bewertung vom 25.10.2019
Atwood, Margaret

Die Zeuginnen


ausgezeichnet

In Margaret Atwoods Fortsetzung um den fiktiven Staat Gilead an der Grenze zu Kanada ist nicht mehr die Magd Desfred die alleinige Protagonistin.

Vielmehr kommt sie überhaupt nicht vor, nicht einmal ihr Name fällt in diesem neuen Szenario, das etliche Jahre später stattfindet. Es wird aus der Perspektive dreier Frauen berichtet, aus der einer älteren, nämlich von Tante Lydia, die in Gilead eine einflussreiche Position einnimmt und von zwei jüngeren, Agnes und Daisy, von denen die erstere ein düsteres, vorbestimmtes Leben in Gilead führt, die zweite privilegiert bei ihren Eltern in Kanada aufwuchs und erst nach deren Tod von ihrer Verbindung zu Gilead erfährt.

Beide Frauen geraten in den Fokus von Tante Lydia - ob in ihre Klauen oder unter ihren Schutz, das kann man unterschiedlich sehen.

Denn Margaret Atwood lässt ihren Leser nie in Ruhe in Bezug auf dessen Meinung zu den Protagonisten, er muss immer wachsam bleiben, denn - schwupps - kann sich durch einen winzigen Dreh in der Handlung die Wahrnehmung einer Figur komplett ändern.

Dadurch, dass hier die Perspektive wechselt, entsteht eine breitere Sicht aufs Szenario, die Betrachtung ist nicht einseitig und der Leser erhält einen breiten Blick. Und gleichzeitig profitiert er von den Gaben der großartigen Schriftstellerin, denn die Darstellung wechselt je nachdem, ob nun Agnes, Daisy oder Tante Lydia berichtet und ändert sich auch bei jedem Charakter im Erzählverlauf - denn bei Frau Atwood sind alle Figuren dynamisch, ebenso wie das Szenario.

Somit muss man sich nicht ängstigen, dass es düster bleibt - tatsächlich haben alle drei Protagonistinnen ebenso wie die weiteren Figuren ganz schön etwas durchzustehen, doch immer wieder - und besonders zum Ende hin - blinkt ein Fünkchen Hoffnung auf.

Das mir auch im Blick auf die Realität Stärke und Zuversicht gegeben hat. Denn Gilead kommt mir vor wie ein USA unter der Regierung von Michael Richard Pence, dem aktuellen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten - eine von religiösen Eiferern angeführte Regierung, wie sie nach einem erfolgreichen Impeachment-Verfahren gegen Trump zur Realität werden könnte. Dass nicht immer das Schlimmste eintreffen muss, das war eine der Botschaften, die ich aus diesem großartigen Roman mitgenommen habe!

Bewertung vom 25.10.2019
Winterberg, Linda

Die Kinder des Nordlichts


ausgezeichnet

Marie und Elin haben eine furchtbare Zeit hinter sich. Beide haben sie ihre Großmütter verloren, mit denen sie in einem kleinen norwegischen Küstenort jeweils zusammengelebt haben. Diese hatten beide ein schweres Schicksal hinter sich, sie waren von deutschen Soldaten schwanger geworden und wurden daraufhin von ihren Familien verstoßen. Zudem hatten sie und ihre beiden Töchter unter der Mißachtung ihrer Mitmenschen zu leiden.

Marie war in Deutschland aufgewachsen und kehrt, von Elin begleitet, dorthin zurück. Und zwar nach Wiesbaden, dem Ort, an dem auch ihre Großmutter lebte.
Die beiden jungen Frauen stehen vollkommen ohne berufliche Perspektive dar, doch bietet sich unversehens die Möglichkeit, ein Café mit norwegischen Backwaren zu eröffnen.


Und das kurz vor Weihnachten - da stimmt wirklich alles! Auch wenn natürlich jede Menge Unwägbarkeiten auf Marie und Elin warten.
Ein schöner Roman, in dem mich neben dem warmherzigen Schreibstil vor allem das harmonische Miteinander von Jung und Alt, aber auch die Schilderung der spannenden historischen Begebenheiten aus dem Zweiten Weltkrieg faszinierte. Davon hätte es ruhig ein paar mehr geben können, bzw. hätten die außerordentlich interessanten Umstände gerne ausführlicher geschildert werden dürfen. Denn so habe ich das Buch mit tausend Fragen zugeklappt.