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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1078 Bewertungen
Bewertung vom 16.08.2022
Scheiflinger, Bettina

Erbgut


sehr gut

Es heißt, jeder Mensch ist die Summe seiner Erfahrungen. Doch zusätzlich verbirgt sich in jedem das Erbgut seiner Vorfahren. Das muss auch die Protagonistin dieses Buches erfahren. Ohne es tatsächlich zu wissen ist sie den Ereignissen der Vergangenheit ausgesetzt. Die Ich-Erzählerin erfährt in Gedankensplittern einiges über ihre Familie. Obwohl manchmal nicht ganz eindeutig ist, ob diese „Erinnerungen“ aus dem Erbgut stammen oder von Eltern, Großeltern oder anderen Verwandten erzählt oder angedeutet worden sind.

Das Buch beginnt mit der Geburt der Protagonistin und endet mit der Entbindung der eigenen Tochter. So ist der Bogen schön gespannt. Dazwischen liegen Jahre der Unsicherheit, des Suchens und der Erkenntnis.

Meine Meinung:

Dieses Debüt ist nichts für Zwischendurch. Es ist nötig genau zu lesen und auf die Zwischentöne zu achten.

Inzwischen ist ja wissenschaftlich bewiesen, dass Traumata - wie z.B. Kriegserlebnisse - über an die Nachkommen weitergegeben werden. Mit welchen Dämonen wohl das Neugeborene zu kämpfen haben wird?

Fazit:

Diesem Buch, das durch seine schöne Sprache besticht, gebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 14.08.2022
Bernard, Caroline

Die Wagemutige (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser biografische Roman ist Teil einer Reihe, die sich mit bekannten und weniger bekannten Frauen beschäftigen. Zu den weniger bekannten zählt die Widerstandskämpferin und Fluchthelferin Lisa Fittko (1909-2005).
Geboren ist sie als Elizabeth Ekstein noch in der Donaumonarchie als Tochter eines säkularen jüdischen Ehepaares.

Lisa lebt mit den Eltern und Bruder Hans seit 1922 in Berlin. Als ihr 1933 die durch eine kurze Ehe mit einem Deutschen erworbene Staatsbürgerschaft entzogen wird, geht sie in den Untergrund und beginnt ihren Widerstand gegen das NS-Regime. Nach mehreren Stationen über Prag, Basel und Amsterdam erreicht Lisa Paris, wo ihre Eltern und Bruder Hans bereits leben.
Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich geht die Flucht weiter in den unbesetzten Süden und letztlich landet Lisa als feindliche Ausländerin, wie zahlreiche andere deutsche Flüchtlinge, im Camp de Gurs. Genau hier setzt der Roman ein. Es werden die Zustände beschrieben und wie Lisa gemeinsam mit Paulette die Flucht aus dem Lager gelingt.

In Marseille bzw. Banyuls, einem kleinen Ort am Fuße der Pyrenäen beginnt dann ihre Karriere als Fluchthelferin. Mit Hilfe des damaligen Bürgermeisters Vincent Azéma, der falsche Papiere ausstellt. Eine nicht unbedeutende Rolle spielt auch der amerikanischen Journalisten Varian Fry, dem es gelingt, mit Lisas Hilfe an die 200 Personen die Flucht aus Frankreich zu ermöglichen.

Erst im Sommer 1941 entschließt sich Lisa Fittko gemeinsam mit ihrem Mann Frankreich zu verlassen. Sie werden die letzten sein, denen Fry ein Einreisevisum beschaffen kann - Ziel ist Kuba.

Meine Meinung:

Mit diesem biografischen Roman würdigt die Autorin nicht nur Lisa Fittko, sondern auch alle anderen Frauen, die dem NS-Regime die Stirn geboten haben. Sei es, dass sie so wie Fittko als Fluchthelferinnen tätig waren, aktiven Widerstand in der Résistance wie z.B. Nancy Wake geleistet haben oder wie die große Anzahl jener Frauen, die desertierte oder abgeschossene Soldaten, verfolgte Juden oder Kinder versteckt haben oder durch kleine Gaben ein Überleben auf der Flucht erst möglich machten.

Gut gelungen ist die Einbindung der fiktiven Liebesgeschichte mit Louis sowie die Verzweiflung die Fittko mehrmals überfällt. Der flüssige Schreibstil lässt die Seiten nur so dahin fliegen.

Interessant ist, dass Lisa Fittko den Weg des gewaltsamen Widerstands, den Freundin Paulette einschlägt, ablehnt und auf ihre Art zahlreichen Menschen das Leben rettet. Lange Zeit wird Lisa Fittko nur auf die Rettung von Walter Benjamin reduziert. Das gesamte Ausmaß ihrer Tätigkeit kommt erst spät ans Tageslicht. Dazu trägt auch dieser biografische Roman bei.

Fazit:

Wer gerne biografische Romane über starke Frauen liest, ist hier richtig. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.

Bewertung vom 14.08.2022
Roth, Charlotte

Ich bin ja heut so glücklich


ausgezeichnet

In diesem biografischen Roman nimmt sich Charlotte Roth eines fast vergessenen
Filmstars an: Renate Müller (1906-1937).

Renate Müller - nie gehört? Wer zum Teufel ist das denn? Das werden sich einige Leser fragen. Anders als Marlene Dietrich, Henny Porton oder Pola Negri ist es Renate nie gelungen, als DER Superstar im Gedächtnis zu bleiben.

Wer ist sie nun, diese Renate Müller?

Geboren als Tochter eines Journalisten wächst sie, gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Gabi, in Emmering bei München wohlbehütet und in einigem Wohlstand auf. Renates Traum, Schauspielerin zu werden, geht 1924 in Erfüllung - zuerst am Theater, dann beim Stummfilm, später dann auch beim Tonfilm. Da hilft ihr die ausgebildete Singstimme. Allerdings wird sie nicht als strahlende Heldin besetzt, sondern als braves Mädel von nebenan. Denn Renate ist ein wenig pummelig, während aktuell der androgyne Typ im Film gefragt ist. Doch Renate klettert langsam die Erfolgsleiter hinauf.

Obwohl sie in einem politischen Elternhaus aufgewachsen ist, interessiert sie sich nicht für die Politik und übersieht die Änderungen in der politischen Landschaft, in der nun die Nazis immer mehr die Zügel an sich reißen.

Einer, der sich bei den neuen Machthabern profiliert, ist Werner Lohse, Renates Freund aus den Kindertagen in Emmering. Werner ist seit seiner Kindheit davon überzeugt, dass Renate seine Frau wird. Nach zahlreichen beruflichen Misserfolgen wird er Chauffeur bei Joseph Goebbels. Nun hat Werner die Möglichkeit Renate häufig zu sehen und sie regelrecht zu verfolgen. Zwei Personen machen seinem Traum allerdings einen Strich durch die Rechnung: Zum einen Renate selbst, die ein heimliches, weil verboten, Verhältnis mit dem jüdischen Bankierssohn Georg Deutsch unterhält, der Lohse schon seit jeher verhasst ist, und zum anderen Joseph Goebbels, der Renate Adolf Hitler als Geliebte andienen will.

Nachdem Renate sich weigert, für das Regime zu arbeiten, gleitet sie eine Depression ab, die sie mit Alkohol und Drogen betäubt. Letzten Endes findet man sie schwer verletzt auf der Terrasse ihres Hauses. Wenig später stirbt sie mit nur 31 Jahren. Die Umstände ihres Sturzes aus dem ersten Stock bleiben ungeklärt. Unfall, Selbstmord oder haben die Schergen des Regimes ein wenig nachgeholfen?

Meine Meinung:

Ich habe erst unlängst eine Doku über mehrere Frauen in Hitlers Dunstkreis gesehen, die unter zweifelhaften Umständen ums Leben gekommen sind. Renate Müller ist neben Geli Raubal eine von ihnen.

Autorin Charlotte Roth betont in ihrem Nachwort, dass das vorliegende Buch nicht als Biografie, sondern als Hommage an sie zu verstehen ist.
Renate Müller teilt ihr trauriges Schicksal mit zahlreichen anderen Künstlern, die sich nicht vereinnahmen lassen wollten. Nicht wenige, die es nicht schafften das Land rechtzeitig zu verlassen, haben Selbstmord begangen oder sind dem dem Regime zum Opfer gefallen.

Charlotte Roths Schreibstil lässt die Zwischenkriegszeit und die Anfänge des deutschen Films lebendig auferstehen. Die historischen Details sind penibel recherchiert.

Der Titel des Buchs Ich bin ja heut so glücklich ist übrigens aus dem Film „Die Privatsekretärin“ (1931), der wie im Buch beschrieben von ihr selbst gesungen worden ist und zu einem überaus populären Schlager avanciert ist.

Fazit:

Eine Leseempfehlung für alle jene, die gerne in die Anfänge des deutschen Films eintauchen wollen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 14.08.2022
Wimmer, Barbara

Jagd im Wiener Netz


ausgezeichnet

Autorin und Netzjournalistin Barbara Wimmer entführt uns in das Wien von 2028. Die Stadt unterscheidet sich nicht allzu viel von heute, außer dass die Digitalisierung weiter fortgeschritten ist und viel tiefer in die Leben der Protagonisten eingreift als denen lieb ist.

Staranwalt Stefan Huss bricht beim Joggen tot zusammen. Wenig später findet man ihn mit einem Zettel auf der Brust, auf dem sein Todestag und ein großes X steht. Chefinspektor Leyrhofer, der die Tage bis zu seinem Pensionsantritt zählt, wird mit den Ermittlungen betraut. Recht bald stellt sich heraus, dass Huss jede Menge Feinde hatte, denn er kannte die dunklen Geheimnisse seiner Mandanten. Von Betrug bis zur Korruption wirft man den Lobbyisten, die zu seiner Klientel zählen, vor.

Wenig später landen eben jene Dossiers, die Huss über seine Kunden angelegt hat, auf dem Rechner der Journalistin Stefanie Laudon, die im vorherigen Fall („Tödlicher Crash“) Machenschaften rund um den damaligen Finanzminister, der mit seinem manipulierten Elektroauto einen tödlichen Unfall hatte, an die Öffentlichkeit gebracht hat.

Während Chefinspektor Leyrhofer auf klassische Polizeiarbeit setzt, stochert Stefanie gemeinsam mit ihren Freunden im Internet herum. Als sie eine vielversprechende Spur entdecken, wird Stefanie selbst zur Gejagten.

Meine Meinung:

„Wer die Daten hat, hat die Macht.“ Dieses Zitat des Wiener Filmemachers Werner Boote passt auch zu diesem Krimi.

Geschickt wird der IT-Hintergrund in den Krimi integriert. Nämlich ohne, dass die Leser vor den Fachbegriffen kapitulieren.

Autorin Barbara Wimmer weiß, worüber sie schreibt: Sie ist Journalistin und als Redakteurin ist die „Futurzone“ der Tageszeitung Kurier. Sie schreibt über KI und Datenkraken sowie die damit einhergehenden Risiken und Nebenwirkungen, gegen die weder Arzt noch Apotheker einen Gegenmittel haben.

So beschreibt sie, wie Landwirte ihre Melkanlagen nicht mehr selbst warten können, weil dies um teures Geld nur vom Anlagenbauer gemacht werden soll. Diese Vernetzung treibt den einen oder anderen Landwirt in den Ruin, da diese Anlagenbauer natürlich durch ihre Monopolstellung die Preisgestaltung völlig in der Hand haben. Gleichzeitig beleuchtet Barbara Wimmer das wachsende Segment der Selbstoptimierung durch dubiose Nahrungsergänzungsmittel.

Mir hat dieser Krimi - wie schon sein Vorgänger „Tödlicher Crash“ - sehr gut gefallen. Die Story ist fesselnd erzählt, ein bisschen Humor, viel Technik und auch die zwischenmenschliche Seite kommen nicht zu kurz.

Der Titel erinnert ein wenig an den „Dritten Mann“, bei dem ein Verbrecher durch das Wiener Kanalnetz hetzt.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung, der ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

Bewertung vom 13.08.2022
Siebold, Henrik

Inspektor Takeda und das schleichende Gift / Inspektor Takeda Bd.6


ausgezeichnet

In ihrem 6. gemeinsamen Fall müssen Inspektor Takeda und KHK Claudia Harms den Mord an Peter Haffner, einem Promianwalt, der erschossen in seiner Villa liegt aufklären. Noch ist nicht klar, ob das Motiv im beruflichen oder im privaten Umfeld des Toten zu suchen ist.

Als dann eine Spur zu einem 40 Jahre alten Cold Case führt, müssen Takeda und Harms streckenweise getrennt ermitteln. Hat die Polizei, allen voran KHK Hinnerk Mattusek, damals geschlampt und des schnellen Erfolges wegen den Falschen verhaftet?

Meine Meinung:

Auch dieser 6. Fall hat mir spannende Lesestunden beschert. Diesmal harmoniert das Ermittlerpaar nicht ganz so gut, denn die von Claudia beendete Liebesbeziehung mit Ken Takeda schwingt noch nach. Claudia muss sich nicht nur mit ihrem Seelenleben beschäftigen, sondern auch mit dem drohenden Wohnungsverlust, da ihr Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat. Und, wie man weiß, sind erschwingliche Wohnungen in Hamburg schwer zu bekommen. Das alles führt dazu, dass Claudia einen Moment unachtsam ist und wieder in - sprichwörtlich - Teufels Küche gerät.

Subtil und unaufgeregt flicht Autor Henrik Seibold Szenen aus der japanischen Lebensart ein. Im letzten Band hat Claudia eine kostbare Teeschale an die Wand geworfen. Diese ist nun durch die japanische Kunst des Kintsugi wieder zusammengefügt worden. Aus zerbrochenem Alten wird etwas Neues - ob wir da einen Hinweis erhalten, dass die beiden ihre Beziehung wieder aufnehmen? Vor allem auch deswegen, weil Ken eine große Wohnung mietet und die beiden über eine WG nachdenken.

Fazit:

Wieder ein fesselnder Krimi aus dieser Reihe, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 11.08.2022
Baumann, Manfred

Salzburgrache


ausgezeichnet

Kris Kailer, seines Zeichens Eventmanager, liegt tot am Fuß der Festung Hohensalzburg. Dass es sich hier nicht um einen Unfall handeln kann, ist den Ermittlern schnell klar. Hat der Mord mit Kailers spektakulären Konzept, die Salzburger Burgen und Schlösser in einer Art Disneyland zu bewerben zu tun? Denn die vorgeschlagene Werbekampagne ist einer Reihe renommierter Historiker ein spitzer Dorn im Auge. Kann das ein MOrdmotiv sein? Aber welcher der honorigen Herren würde den Eventmanager von der Festung stürzen? Professor und dreifach Doktor Dankwart Kupferkann, den alle nur Second Hand Copper nennen, etwa?

Als die Ermittler entdecken, dass der Tote auch für die FFB, die Freiheit-für-Bürger-Partei tätig ist, bekommt der Tod von Kris Kailer eine ganz andere Dimension. Denn diese selbsternannte Bürgerwehr, die gegen die etablierte Ordnung auftritt und umstürzlerische Umtriebe pflegt, hat schon manchem Politiker eben genau jenen Tod angedroht, den Kailer jetzt gestorben ist.

Wenig später gibt es einen zweiten Toten - in der Folterkammer von Schloss Moosham...

Meine Meinung:

Wie schon in den neun Vorgängern kommen sowohl die Landeshauptstadt Salzburg als auch das gleichnamige Bundesland mit deren schönen Seiten vor. So dürfen neben der Feste Hohensalzburg auch die Burg Hohenwerfen und Schloss Moosham Schauplatz der Ermittlungen sein.

Genial finde ich den Einfall mit dem Raben, der das Treiben der FFB und den Mord beobachtet. Dass einer dieser FFB-Radaubrüder sich zwar des Rabenlogos aus der NS-Zeit bedient, aber keine Ahnung von Hugin und Munin, den beiden Vögeln von Odin hat, hat mich trotz des ernsten Themas schmunzeln lassen.

Der arme Martin Merana fällt wieder einmal unter die Räuber. Diesmal bekommt er es auch noch mit einer Schlange zu tun.

Wie bei allen Krimis aus Manfred Baumanns Feder, ist der Täter nicht leicht zu entlarven. Auch diesmal führt uns der Autor mehrmals in die Irre.

Gemeinsam mit seinem Team sammelt Merana Zahlen, Daten und Fakten. Die eingeschweißte hält zusammen. Jede/r weiß, was won ihm/ihr erwartet wird. Mir gefällt, wie umsichtig Merana seine Team führt. Er hat ein offenes Ohr für die Sorgen seiner Mitarbeiter. Er mutet ihnen nicht mehr zu als er selbst zu geben ist. Martin Merana und sein Team lösen die Fälle mit solider Polizeiarbeit und Köpfchen. Dass Merana gute Verbindungen hat und sich auch in kulturellen Umfeld zu bewegen weiß, ist Teil des Erfolges dieser Krimi-Reihe.

Fazit:

Auch der zehnte Fall hat mir sehr gut gefallen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 11.08.2022
Pellmann, Lukas

Tod am Neusiedler See


sehr gut

Nikolaus Lauda, nach eigenen Angaben mit dem Rennfahrer weder verwandt noch verschwägert, sondern ein ursprünglich aus Wien stammender Kriminalbeamter, der jahrelang in Essen gelebt und gearbeitet hat, will in der kleinen Freistadt Rust am Neusiedlersee untertauchen. Er war in Essen einem Mafiaclan auf der Spur, der seine Ehefrau Luise ermordet hat.

Doch auch in Rust kommt er nicht zur Ruhe, denn just am Tag nach seiner Ankunft wird im nahen Steinbruch St. Margarethen, die Leiche einer Journalistin gefunden. Für den Chefinspektor Kammer ist klar: der Neue, der Fremde muss der Täter sein.

Um seine Unschuld zu beweisen, stellt Nikolaus Lauda eigene Ermittlungen an. Unterstützt wird er dabei von Bella, einer herrenlosen Hündin. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn auch die Mafia kommt ihm wieder auf die Spur und schickt ein Vollstrecker-Duo.

Als dann noch Kammer, der sich ja auf Lauda als Mörder ziemlich schnell festgelegt hat, ermordet wird, ist das Problem für Nikolaus nicht wirklich kleiner geworden.

Meine Meinung:

Lukas Pellmann hat einen etwas eigenwilligen Schreibstil, der allerdings zu diesem Krimi recht gut passt. Mit seinem trockenen Humor enthüllt der als Ich-Erzähler auftretende Nikolaus Lauda häppchenweise die gesamte Geschichte.

Wir begegnen unterschiedlen Charakteren, um nicht zu sagen „Typen“. Manche(s) wirkt überzeichnet wie die dümmlichen Mafiakiller oder die neugierigen Dorfbewohner oder die allen Fremden gegenüber misstrauischen Polizisten. Eine recht einnehmende Figur ist die Taxilenkerin, allgemein nur „Taxiprucknerin“ genannt, die Laudas Frau Luise von früher her kennt oder die Bürgermeisterin, die immer nur „Josef“ gerufen wird, weil das der unter Österreichs Bürgermeistern der häufigste Vorname ist. Und überhaupt spielt das dichte Beziehungsgeflecht von Rust und der näheren Umgebung eine gewichtige Rolle.

Allerdings finden auch ernste Themen Eingang in diesen Krimi: So kommen Umweltverschmutzung durch im Steinbruch vergrabene Fässer mit Giftmüll zur Sprache wie auch die Machenschaften einzelner Baukartelle. In einem Ort, in dem man sich kennt, werden, weiß am auch um solche offenen Geheimnisse.

Grinsen musste ich über die Namen einzelner Mitspieler. Denn auch wenn zu Beginn (wie in jedem Buch) steht, dass dieser Roman reine Erfindung wäre und die Namen der Personen rein zufällig sind, gibt es doch einige Namen, die uns Lesern bekannt vorkommen. Neben dem Nikolaus Lauda kommt auch ein Günter Netzer vor – Fußballfans werden den bei Borussia Mönchengladbach und später bei Real Madrid bzw. Grashoppers Zürich spielenden Langhaarigen sicher kennen. Witzig auch, dass Lukas Pellmann eine TV-Serie, die in der Gegend spielte, mehrfach nennt.

Der Autor kann ein wenig seine persönliche Herkunft in diesem Krimi unterbringen, ist er doch 1975 selbst in Essen geboren und lebt seit 1990 in Wien.

Bin schon gespannt, ob Nikolaus Laude hier in Österreich weiter ermitteln darf. Einige Figuren hüten so manch ein Geheimnis, das Potenzial zu einer Fortsetzung hat.

Fazit:

Ein gelungener Regionalkrimi, der Land und Leute sehr gut beschreibt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 09.08.2022
Reichl, Eva

Mühlviertler Gift


ausgezeichnet

Das Team rund um Oskar Stern hat sich noch kaum von Edwins Tod erholt, als ein, in der Politik gut bekannter Geschäftsmann auf einer Parkbank sitzend tot aufgefunden wird. Schnell ist klar, dass der Mann vergiftet worden ist.

Um Mara Grünbrecht, Edwins Verlobte aus ihrer Trauer herauszuholen, beschließt Chefinspektor Oskar Stern, sie in die Ermittlungen einzubeziehen, vor allem als klar wird, dass der Tote seine Ehefrau regelmäßig schwerst misshandelt hat. Stern zählt auf Maras Instinkt und darauf, dass die Ehefrau des Mordopfers eher mit einer Frau als mit einem Mann über ihr Martyrium spricht.

Natürlich sind die nahen Angehörigen in erster Linie verdächtig. Vor allem in diesem Fall, in dem die Mutter und die Schwester der Witwe einen Freudentanz aufführen und auch noch wie Pech und Schwefel zusammenhalten.

Doch ist die Lösung des Falls wirklich so simpel?

Meine Meinung:

Eva Reichl hat hier einen ganz tollen Krimi geschrieben. Zum einem thematisiert sie das Trauma, wenn ein Kollege im Dienst stirbt und zum anderen schreibt sie über häusliche Gewalt, die quer durch alle Gesellschaftsschichten präsent ist.

Gut gelungen ist die Gratwanderung bei der Trauerbewältigung um Edwins Tod (siehe „Mühlviertler Kreuz-4“). Der Dienst, der durch den Verlust eines Kollegen stark belastet ist, muss weitergehen. Die Kollegen sind da ziemlich gefordert und der Neue im Team hat es nicht wirklich leicht. Doch Oskar Stern ist ein guter Vorgesetzter, der auch die manchmal unwirsch reagierende Mara Grünbrecht zur Räson bringt.

Eva Reichl legt sowohl für die Leser als auch für die Ermittler zahlreiche Spuren, von denen die eine oder andere anfangs viel verspricht, um anschließend in einer Sackgasse zu münden.

Die Charaktere sind sehr gut angelegt. Sie dürfen ihre Ecken und Kanten haben, sowie Gefühle wie jeder Mensch zeigen.

Schmunzeln musste ich, als Mara den Dienstwagen havariert hat, das Team auf ein neues, schnelles Fahrzeug hofft und alle enttäuscht werden.

Fazit:

Ein sehr gut gelungener Krimi, der ernste Themen anspricht und sehr gut auflöst. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 06.08.2022
Geipel, Ines

Schöner Neuer Himmel (eBook, ePUB)


sehr gut

Ines Geipel hat sich in diesem Buch mit einem schwierigen und spröden Thema auseinandergesetzt: Der Aufarbeitung der verbrecherischen und menschenfeindlichen Aktivitäten der DDR. Sei es durch Tier- oder Menschenversuche, die zu Ruhm und Ehre des Staates beitragen sollten oder sei deswegen, um dem Westen eins auszuwischen.

Die Autorin, Jahrgang 1960, war in ihrer Jugend selbst Sportlerin und kann aus eigenem Erleben berichten.

Wir Leser begleiten Ines Geipel durch die Archive der Stasi, lesen mit Erstaunen, wie sie vom Hundersten ins Tausendste kommt, dass zahlreiche Kubikmeter Akten vernichtet worden sind und trotzdem Beweise der staatlichen Skrupellosigkeiten zu finden sind.

„Aufarbeitung ist fragil. Es geht vor und zurück. Mitunter fängt man auch wieder bei minus Null an.“

Meine Meinung:

Dieses Buch ist keine leichte Kost. Manchmal vermisse ich einen roten Faden, vermutlich deswegen, weil ich als Österreicherin zu wenig Einblick in die Machenschaften der DDR habe. Als Kind und Jugendliche habe ich mich immer nur gewundert, wenn Sportler aus der DDR Wettbewerbe bei EM, WM oder Olympischen Spielen gewonnen haben. Viele von ihnen kamen aus Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und manche sahen einander so ähnlich, dass ich vermutet habe, dass sie dort „gezüchtet“ worden sind. Nun ja, heute weiß ich es besser.

Ines Geipels Schreibstil ist dem Thema angepasst eher spröde. Die Dramatik dieses Buches fesselt.

„Die alte Ohnmacht der Opfer und die alte Macht der Täter, die sich im Hier und Jetzt ein zweites Mal gegenüberstanden.“


Fazit:

Ein wichtiges Buch, das gelesen werden sollte. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 05.08.2022
Wlekly, Miroslaw

Gareth Jones (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Gareth Jones – Chronist der Hungersnot in der Ukraine 1932/33“


Dieses Buch des polnischen Autors Mirosław Wlekły ist die Biografie eines zu Unrecht längst Vergessenen: Gareth Jones.

Wer ist er nun, dieser Gareth Jones?

Gareth Jones (1905-1935) war ein walisischer Journalist, der in den Jahren 1930, 1931 und 1933 mehrere Reisen in die Sowjetunion unternommen hat. Als Politberater des britischen Premierministers David Lloyd George war er der erste und einzige westliche Journalist, der sich zu jener Zeit in der Ukraine aufgehalten hat und über die dortige Hungersnot berichtet hat. Diese als Holodomor in der Geschichte bekannte Katastrophe ist kein Naturereignis, sondern ein von Josef Stalin bewusst herbeigeführter Tod an der ukrainischen Bevölkerung. Die Bauern wurden enteignet, des Viehs, des Saatgutes und der Ernte beraubt. Wer sich weigerte, dem Kolchos beizutreten wurde entweder gleich ermordet oder nach Sibirien verschleppt. Warum? Das Getreide wurde gegen harte Devisen exportiert, um Maschinen zur Industrialisierung der Landwirtschaft zu kaufen.

Gareth Jones hat dies alles dem Westen berichtet und wurde nicht ernst genommen. Im Gegenteil, man hat seine Recherchen hinuntergespielt und ihn mundtot gemacht. In der Sowjetunion wurde er Persona non grata.

Auf seiner letzten Reise nach Mandschuko, einem von den Japanern zwischen 1932 und 1945 errichteten Kaiserreich in der (eigentlich) chinesischen Mandschurei, wurde Garth Jones entführt und vermutlich vom sowjetischen Geheimdienst ermordet.

Meine Meinung:

Der Holodomor - Töten durch Hunger - war mir zwar bekannt, doch Gareth Jones war es nicht.
Dies Biografie vermittelt einen besonderen Eindruck dieser Jahre. Der Journalist hat Adolf Hitler und seine Gefolge kennengelernt und ist sogar mit ihm in einem Flugzeug geflogen. Dabei sollen die denkwürdigen Worte gefallen, dass wenn das Flugzeug abstürze, die Weltgeschichte eine andere sein würde. Weiter erhalten wir Einblick in die zaudernde Haltung des britischen Premierministers David Lloyd George und in den Wahnsinn Josef Stalins.

Vernichtung der Ukraine um jeden Preis? Kommt uns das bekannt vor? Dass das erste Todesopfers eines Krieges (und sei es ein Krieg gegen die eigenen Bürger) die Wahrheit ist, zeigt dieses Buch deutlich. Niemand im Westen wollte über die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine der dreißiger Jahre lesen. Journalistenkollegen und Politiker haben Gareth Jones mundtot gemacht.

Zahlreiche Ausschnitte aus Briefen und einige Fotos bringen uns die Person Gareth Jones näher. Interessant die These, dass George Orwell, nach einem Treffen mit Gareth Jones, zu seinem Buch „Animal Farm“ inspiriert worden ist.

Mirosław Wlekły, geboren 1978, Reporter, Autor von sechs Sachbüchern und Co-Autor von fünf auf Fakten beruhenden Theaterstücken lebt in Warschau.


Das Buch wurde für das Finale des Literaturpreises »Juliusz« 2020 nominiert, der für die beste polnische Biografie des Jahres vergeben wird. 2020 vom ukrainischen Verlag Choven verlegt, wurde das Buch vom PEN-Club der Ukraine als eines der besten Bücher des Jahres bewertet.


Fazit:

Diese Biografie ist die Geschichte eines Journalisten, der den Mut hatte, die Wahrheit über die Situation in der Ukraine öffentlich auszusprechen und dafür mit seinem Leben bezahlt hat. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne und eine Leseempfehlung.