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seschat
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Bewertungen

Insgesamt 943 Bewertungen
Bewertung vom 12.05.2015
Gärtner, Regina

Der Glanz von Südseemuscheln


ausgezeichnet

"Der Glanz von Südseemuscheln" ist ein wunderbar vielschichtiger Roman.Er nimmt die Lebensläufe von zwei deutschen Schwestern - Alma und Mathilde - in den Blick. Beide leben in Australien bzw. auf Samoa und werden ungewollt in die Wirren des Ersten Weltkrieges mit hineingezogen. Denn Samoa, einst deutsche Kolonie, wird von den Neuseeländern besetzt.Hinzu kommt, dass Almas Mann, Kapitän Joshua, von einer Seereise nicht mehr zurückkehrt. Wie kann sie als Witwe in Feindesland überleben?Auch Mathilde kämpft mit sich, hat sie sich doch in den neuseeländischen Kapitän Turner verliebt...


Meinung
Die Autorin Regina Gärtner hat eine spannende, geschichtlich interessante Story verfasst, die den Leser in die Zeit zwischen 1914 und 1917 zurückversetzt. Als Art Familiensaga angelegt, schafft es die Fortsetzung von "Unter dem Südseemond", den Leser auf Anhieb von den handelnden Personen zu überzeugen. Vor allem Alma und Mathilde wurden sehr authentisch konstruiert. Die beiden Frauen müssen den inneren Kampf zwischen Emotionen und staatlichen Konventionen täglich neu ausfechten. Ihnen dabei zusehen zu können, macht große Freude.

Zudem helfen die treffenden Zwischenüberschriften, das übersichtliche Glossar und das Kartenmaterial zur besseren Orientierung im 623 Seiten starken Roman. Ausgestattet mit dem genannten Equipment können Verständnisprobleme gar nicht erst aufkommen.

Die Sprache des Romans ist leicht verständlich und insgesamt sehr flüssig. Schnellleser werden sich darüber freuen.
Auch die Träumer und Vielreiser werden ihren Spaß an diesem Werk haben, weil die Szenerie der Südsee (siehe Buchcover) einfach nur traumhaft, exotisch und abenteuerlich zugleich ist.

Fazit
Eine gelungene Symbiose aus Historien- und Familienroman. Weiter so!

Bewertung vom 11.05.2015
Jacobi, Brigitte

Schwiegermutter all'arrabbiata


ausgezeichnet

COVER
Das gemalte Cover hat mich sofort angesprochen. Es versprüht ordentlich Urlaubsfeeling und macht Lust auf einen Italienurlaub.
Die Farben und Motive wurden harmonisch aufeinander abgestimmt. Ich war selbst schon in der Toskana und kann nur sagen, dass dieses auf Bella Italia getrimmte Cover der Wahrheit entspricht und kein bloßes Postkartenmotiv ist.

INHALT
Die Mittdreißigerin Henrike erlebt ihr persönliches Waterloo. Der Pachtvertrag ihrer Lübecker Manufaktur für Marzipan soll nicht verlängert werden und ihr italienischer Freund Dario wurde entführt. Also beschließt sie, so schnell wie möglich, nach Kalabrien zu reisen. Begleitet von ihrem Vater, einem emeritierten Literaturprofessor mit Putzwahn, reist sie in Darios Heimatdorf Pietralucca.

MEINUNG
Die Autorin Brigitte Jacobi hat mit "Schwiegermutter all'arrabbiata" einen richtigen Sommerroman mit einer liebenswerten Protagonistin geschrieben. Die Lübeckerin Henrike Burmeister ist eine chaotische, etwas übergewichtige Frau, was ihr ihr strenger Vater bei jeder Gelegenheit unter die Nase reibt. Sie kommt mir vor wie Don Quijote, der gegen die Windmühlen kämpft. Ihr Marzipan-Geschäft ist bankrott und der Freund mal wieder ohne sie zu seiner Mamma Lucia nach Kalabrien gereist. Schlimmer könnte es nicht kommen.
Als Leser möchte man Henrike einfach nur einmal kurz in den Arm nehmen und sie trösten. Ihre geplante Rettungsaktion ist nicht gerade leicht, weil Schwiegermutter Lucia nichts über Darios Verschwinden oder über dessen deutsche Freundin Henrike weiß. Zähneknirschend nimmt sie die vermeintliche Schwiegertochter Henrike dann doch bei sich, Oma Amelia und Tante Benedetta auf. Im Weiberhaushalt ist der belesene Vater Hoimar bald Hahn im Korb. Wenn er nicht gerade den drei Damen vorliest, dann wird er mit allen möglichen italienischen Spezialitäten gemästet. Leider ohne Erfolg, denn Hoimar ist lang und drahtig. Henrike wird von der Familie hingegen wie das dritte Rat am Wagen behandelt und kulturelle Fettnäpfchen lauern auch überall; was zu einigen heiteren Szenen führt. Insgesamt schafft es Jacobi auf vorzügliche Weise, den Leser einen Einblick in das italienische Familienleben zu gewähren. Letzteres hat ungeahnte, positive Auswirkungen auf das Verhältnis von Henrike und Vater Hoimar - beide verstehen sich nach dieser Reise besser denn je und wissen, was sie im Leben noch wollen.

Neben der herrlich-witzigen Story sind es die Lebenskultur- und Landschaftsbeschreibungen, die den Leser förmlich verzaubern und von Italien träumen lassen.

Der Sprachstil ist angemessen locker-leicht und wird durch eingestreute italienische Vokabeln passend ergänzt. Ein richtiges Buch für Schnellleser und Freunde von humorvollen Büchern im Stile von Jan Weilers "Maria, ihm schmeckt's nicht".

FAZIT
Kurzweiliger, sehr amüsanter Roman für ein bis zwei Stunden. Auf nach Bella Italia!

Bewertung vom 03.05.2015
Redenkämper, Otto

'Dat Leben is kein Trallafitti'


ausgezeichnet

INHALT
Nach 40 Jahren Maloche in einer Zeche ist Otto Redenkämper nun Rentner. In Gelsenkirchen-Buer versucht er sich mit seinem neuen Dasein zu arrangieren. Gegen Langeweile helfen regelmäßige Besuche von Jupps Stammkiosks oder das tägliche aus dem Fenster gucken - natürlich im weißen Feinripp und mit auf ein Kissen gestützten Armen. Otto Redenkämper ist ein liebenswert tollpatschiger Ruheständler mit Herz am rechten Fleck, der für seine Kumpels einsteht und allerhand Unsinn verzapft. So demoliert er u.a. die angefrorene Biotonne mit Auto oder zaubert mal eben aus Schmelzkäse einen Büffel-Mozzarella. Die Frau an seiner Seite hat es daher nicht gerade leicht, aber Wilma kennt ihren Otto mittlerweile aus dem Efeff. Sie bereitet ihm täglich sein Pfefferrührei und sieht über kleine Schrullen hinweg.

MEINUNG
Otto Redenkämpers Buch "Dat Leben is kein Trallafitti" ist ein Kompendium an aberwitzigen Alltagsgeschichten rund um den Rentner Otto. Es lebt von Ottos unnachahmlichen Ruhrpotthumor. Wer die Pottsprache liebt, ist hier genau richtig. So man trifft u. a. auf Wörter wie Killefit, Blagen, Pottgranate oder Buxe. Auch wenn man einmal das ein oder andere Wort nicht kennt, so kann man es sich doch aus dem Zusammenhang erschließen. Ich habe Ottos eigenwillige Art und vor allem seine direkte Sprache sofort ins Herz geschlossen. So sind sie halt die Ruhrpottler, herrlich geradeheraus.

Hier einige Kostproben:
"Die haut sich alles zwischen die Kiemen, was grün ist und nach Komposthaufen aussieht." (S. 16)

"Opa halt deine Dritten fest, es gibt Westwind." (S.163)

Otto Redenkämper agiert als versierter Ich-Erzähler, dessen tragikkomische Geschichten den Leser das Wasser in die Augen treiben lässt. Ich habe während der Lektüre mehr als einmal herzhaft lachen müssen. Besonders über Ottos selbstgeklebtes Augenbrauenfifi mit dem er aussah wie "Lord Opamort" oder das Kristall Mett-Missverständnis. Auch die erwähnten Wortverdreher bzw. Missverständnisse sind herrlich amüsant (z.B. "tabuloses rasen" für "Tabula rasa").

Insgesamt bietet dieses humorvolle Buch beste pointierte, kurzweilige Unterhaltung. Einmal angefangen, will man nicht mehr mit dem Lesen aufhören.

Fazit
Absolute Leseempfehlung.
Glück auf! Auf das dieses Buch viele begeisterte Leser finden wird!

Bewertung vom 29.04.2015
Prammer, Theresa

Wiener Totenlieder / Carlotta Fiore Bd.1


ausgezeichnet

Ich bin sehr dankbar, dass ich Theresa Prammers Kiminalroman "Wiener Totenlieder" lesen durfte, denn er hat mich einfach umgehauen. Ich lese für gewöhnlich nicht so viele Krimis, aber in diesem Fall habe ich mich eines Besseren belehren lassen.

Der Krimi entführt den Leser in die mondäne und zugleich neidvolle Wiener Opernwelt. Doch der schöne Schein ist trügerisch. In der Wiener Staatsoper werden täglich neue Darsteller (Sänger, Souffleusen etc.) ermordet und keiner kann sich diese Mordserie erklären. Der einzig positive Effekt ist, dass der Kartenverkauf immens nach oben schießt. In den Garderoben und Übungsräumen des altehrwürdigen Operhauses grassiert die Angst.

Eines wird klar: schnelle Hilfe muss her. Der Polizist Hannes Wagener engagiert den Gelegenheitsclown bzw. Ex-Polizisten Konrad Fürst und die Kaufhausdetektivin Carlotta Fiori, um die Verbrechen aufzuklären. Beide schleichen sich als Statisten in die Oper ein und stoßen dort Schritt für Schritt auf wichtige Hinweise.

Die Wiener Autorin Theresa Prammer kennt sich als ehemalige Schauspielerin am Wiener Burgtheater und an der Volksoper sehr gut mit der Wiener Kunstszene aus, das merkt man ab der ersten Zeile. Zudem versteht sie es in ihrer Funktion als Regisseurin, Spannung aufzubauen und den Leser bei der Stange zu halten. Ihr temporeiches, engmaschiges Werk fasziniert. Die Hauptprotagonisten - Konrad und Carlotta - überzeugen in ihren Rollen, weil sie menschliche Schwächen und Einzelschicksale abbilden. Auch die Nebendarsteller fügen sich stimmig in die Handlung ein. Letztere bereitet einfach nur großen Lesespaß und könnte gut für ein TV-Format herhalten.

Fazit
Ein überzeugender Krimi, der nach einer ebenso spannungsgeladenen Fortsetzung verlangt. Wohlverdiente 5 Sterne.

Bewertung vom 06.04.2015
Shamsie, Kamila

Die Straße der Geschichtenerzähler


ausgezeichnet

INHALT
Im Juli 1914 bricht die studierte britische Historikerin und Ägyptologin Vivian Rose Spencer nach Karien (heutige Türkei) auf, um an den Ausgrabungen des antiken Ortes Labraunda teilzunehmen. Der Türke Tahsin Bey, ein Freund ihres Vaters, hat sie eingeladen. Vivian, genannt Viv, verliebt sich in den väterlichen Freund, doch der erste Weltkrieg kommt dazwischen.
Werden sich beide wiedersehen? Während Tashin Bey in der Türkei verbleibt, reist Viv zurück nach London und kümmert sich die ersten Kriegsjahre als Krankenschwester aufopferungsvoll um verletzte britische Soldaten. Danach beschließt sie, angeregt durch Tashins Postkarte, nach Indien - genauer: Peschawar - zu reisen. Im Zug begegnet sie dem im Krieg verwundeten Paschtunen Qayyum Gul, nichtsahnend, dass sich ihre Wege auf der sog. Straße der Geschichtenerzähler bald wieder kreuzen werden...

MEINUNG
Als Archäologin kann ich mich gut in Vivian hineinversetzen und den Entdeckereifer nachvollziehen. Die Grabungen um 1900 müssen spektakulär gewesen sein, richtige Abenteuer. Sogar von Flinders Petrie, dem bekannten britischen Ägyptologen ist in einem Nebensatz die Rede - traumhaft. Als Frau musste man sich in dieser Zeit als Wissenschaftlerin in einer Männerdomäne noch bewähren. Schön, dass Vivian Tahsin als ihren Fürsprecher hatte; wenn auch nur für kurze Zeit. Sie versucht den engen Konventionen der Zeit zu entfliehen und unabhängig zu leben, was ich sehr beachtenswert finde. Insgesamt ist sie ein außergewöhnlich mutiger Charakter mit dem Herz am rechten Fleck. Letzteres bezeugt nicht nur ihre Tätigkeit als Krankenschwester in Kriegszeiten, sondern auch ihr unbändiger Wille, den wissbegierigen 12-jährigen Najeeb Gul in Peschawar zu unterrichten, obwohl er arm und Paschtune ist. Sie lehrt ihm die altgriechischen Epen des Homer im Original zu lesen und führt ihm in die Altertumswissenschaften ein.

Der zweite Hauptcharakter des Romans ist Qayyum Gul, Najeebs großer Bruder. Ihn hat der erste Weltkrieg und vor allem die Schlacht bei Ypern, bei der er auf britischer Seite kämpfte, schwer mitgenommen. Auf dem Schlachtfeld hat er nicht nur ein Auge, sondern auch seine Lebenslust verloren. Zurück in seiner Heimat Indien muss er erst wieder lernen, den Alltag zu meistern. Als dann auch noch sein Lebensretter und bester Freund Kalam durch eine Familienfehde ums Leben kommt, hadert er sehr mit sich und der Welt. Erst durch die indische Reformbewegung des Ghaffar Khan, die westliche Bildung und ein England freies Indien propagiert, bekommt sein Leben wieder Sinn. Während sich Qayyum zum Revolutionär mausert, wird sein Bruder Museumsassistent in Peschawar und nimmt an verschiedenen Grabungen teil. Beide Charaktere wachsen dem Leser durch ihre individuelle Lebensgeschichte ans Herz.

Die aus Pakistan stammende Autorin Kamila Shamsie hat mit "Die Straße der Geschichtenerzähler" einen beeindruckenden Roman geschrieben, der es schafft, Zeitgeschichte und Belletristik sehr stimmig miteinander zu verweben. Sie nimmt nicht nur die Wirren und dramatischen Folgen des ersten Weltkrieges in den Blick, sondern auch die aufstrebende archäologische Wissenschaft und das Frauenbild um 1900 in Großbritannien und Indien.
Dieses vielschichtige Werk lässt sich nicht mal eben in einem Ritt durchlesen, dafür enthält es zu viel kleinteilige Informationen und erzählerische Raffinessen.
Der Sprachstil passt perfekt zum Sujet. Er ist bildhaft und flüssig. Zudem werden antike Quellen (Herodot, Arrian etc.) und indische Geschichtenerzähler zitiert, was mich immens begeistert hat und den Leser immer mehr in die Rolle eines Zeitreisenden versetzt. Zudem bekommt man eine kleine Einführung in die indische Archäologie mit ihren Stupas und den buddhistischen Statuen im berühmten Gandhara-Stil.
Ein auktorialer Erzähler berichtet abwechselnd von Vivians und Qayyums Erfahrungen und Schicksalsschlägen zwischen den Jahren 1914 und 1930. Gegen Ende werden beide Erzählstränge gekonnt zusammengeführt.

Bewertung vom 01.04.2015
Staat, Joachim

Vor der Glotze zum Weltmeister


sehr gut

Joachim Staats "Vor der Glotze zum Weltmeister" ist eine Hommage an den deutschen Fußball - genauer: an die deutsche Nationalmannschaft. Der gebürtige Ruhrpotter beschreibt sein Leben im Spiegel der legendären Fußball-Weltmeisterschaften. Auch die eigenen fußballerischen Gehversuche werden skizziert. Auch wer kein Fußballfan ist, wird von der Fußballbegeisterung angesteckt werden, die in jeder Silbe des Autors mitschwingt.
Innerhalb von 10 Jahren hat der studierte Sportwissenschaftler und einstige WAZ-Redakteur genügend Material und Erinnerungen zusammengetragen, um sein ganz persönliches Fußball-Leben nachzuzeichnen. Angefangen mit der WM 1966, bei der er als Siebenjähriger vor dem heimischen TV-Gerät den deutschen Mannen zujubelte, bis zum vierten Triumph 2014 in Brasilien - Staat lässt nichts aus. Ein Höhepunkt seiner Leidenschaft war die Weltmeisterschaft 1990, als er in der eigenen Wohnung ein eigenes WM-Studio eröffnete und dort mit seinen Freunden wilde Wetteinsätze tätigte. Die humorvolle Sprache, die an vielen Stellen von Ruhrpott-Slang durchsetzt ist, verschafft dem ganzen Buch eine heimelige Atmosphäre - man kann gewissermaßen den Normalbürger beim Fußballgucken über die Schulter schauen; Jubeleskapaden und Verwünschungen gegen alles und jeden mit eingeschlossen. Auch die eingefügten, von Hand nachgezeichneten Torschüsse verfügen über einen dilettantisch-liebenswerten Charme, den jeder eingefleischte Fan auf Anhieb erkennt und der gut zu diesem persönlichen Buch passt.

Fazit
Fußball ist unser Leben, denn König Fußball regiert die Welt. Noch nie wurde diesen Liedzeilen solch eine literarische Bedeutung zu gemessen. Ein Buch für Fußballfans und für die, die es noch werden wollen :-)

Bewertung vom 23.03.2015
Girard, Anne

Madame Picasso / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.1


ausgezeichnet

"Er war der größte Maler des Jahrhunderts, sie war die Liebe seines Lebens."

Cover
Das sehr ästhetisch gestaltete Cover spricht den weiblichen Leser sofort an. Mit dem in Sepia getauchten Eiffelturm im Hintergrund und der in Himmelblau gekleideten Dame davor wirkt das Ganze schon fast wie ein Gemälde. Insgesamt finde ich, dass der Gestalter des Covers einfach ein dickes Lob verdient hat :-)

Inhalt
"Madame Picasso" ist die Geschichte der jungen Eva Gouel, die sich 1911 in Paris in den Ausnahmekünstler Pablo Picasso verliebt.Trotz aller Widerstände werden beide ein sich leidenschaftlich liebendes Paar. Zudem steigt Eva zur ungekrönten Muse des extrovertierten und temperamentvollen spanischen Malers auf. Doch ihre gemeinsame Zeit ist begrenzt.

Meinung
Die Autorin Anne Girard gelingt es fabelhaft, durch ihren leichten, verspielten Erzählton das damalige Pariser Lebensgefühl fabelhaft wiederzuspiegeln. Schnell findet man sich in der Handlung zurecht und begleitet die abenteuerlustige Näherin Eva auf ihrer Reise durch die Pariser Boheme und zu sich selbst. Anfangs steht ihr ihr bester Freund Louis, ein talentierten Kunstmaler, zur Seite. Er würde sie gern heiraten. Doch Eva hat nur Augen für den charismatischen und geheimnisvollen Künstler Picasso. Ein Feuerwerk der Sinne entfacht sich, das sowohl den unsteten Picasso als auch die kluge Vorstadtdame Eva verändern soll. Sie macht aus dem umtriebigen, zerstörerisch agierenden Künstler einen treuen, ausgeglichenen Mann. Eva reift hingegen an seiner Seite zu einer selbstbewussten, liebenden Frau heran.
Neben der ungemein realistisch gezeichneten Liebesgeschichte zwischen Eva und Pablo ist es vor allem die Beschreibung der damaligen Belle Époque, die den Leser restlos überzeugt.
Die französische Hauptstadt wird in all in ihren schillernden Farben gezeigt. Hierbei hat mir besonders der Einblick in die damalige vielschichtige Kunstwelt gefallen; auf diese Weise lernt man u.a. Georges Braque, Gertrude Stein oder Guillaume Apollinaire kennen. Zudem erhält man nebenbei eine Vorstellung vom Leben und Wirken des Künstlergenies Picasso. Dies führt dazu, dass man als Leser die Bilder des Malers in einem anderen Licht betrachtet. Ich könnte stundenlang der auktorialen Erzählerin bei ihren Ausführungen lauschen und die Welt umher vergessen. Bis zur letzten der 462 Seiten fiebert man mit den Protagonisten mit und ist einfach nur sprachlos. Die eingestreuten kurzen Gedichte runden dieses rundum gelungene Buch perfekt ab, das an keiner Stelle wie ein kitschiger Groschenroman wirkt.

Fazit
Eine zauberhafter Roman aus der Pariser Kunstszene um 1900, der auf einer wahren (Liebes-)Geschichte beruht. Ein wahrhaft großartiges Buch, das 5 Sterne verdient.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.