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Reader1965
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 97 Bewertungen
Bewertung vom 15.05.2023
Zwischen Himmel und Erde
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde


gut

Schriftstellerisches Talent

Aufgrund des wunderschönen Covers ist mir "Zwischen Himmel und Erde" von Yara Rodrigues Fowler aufgefallen.

2016 sterben Prince & George Michael und die energische Catarina aus Brasilien zieht in die Londoner WG, in der auch die verschlossene Melissa lebt, die ebenfalls brasilianische Wurzeln hat - und es entwickelt sich eine Freundschaft. In Rückblenden werden die Lebens- & Familiengeschichten dieser beiden unterschiedlichen Frauen und die politischen & geschichtlichen Geschehnisse in Brasilien & Großbritannien erzählt.

Der Schreibstil von Yara Rodrigues Fowler ist sehr eigen. Größtenteils las sich das Buch flüssig und ich kann verstehen, dass die Sunday Times schreibt "Eine hochtalentierte Schriftstellerin mit herrlich unkonventionellen Stil.", muss aber auch zugeben, dass das Unkonventionelle für mich an manchen Stellen anstrengend zu lesen war (z.B. bei den Gesprächsfetzen & Einschüben). Melissa & Catarina blieben mir fremd und es gibt in diesem Roman keinen roten Faden, was ich hier jedoch überraschender Weise nicht als negativ empfand.

Auch wenn mich das Buch nicht komplett überzeugt hat (3,5 Sterne), habe ich es gerne gelesen und warte gespannt auf das nächste Buch dieser jungen Autorin.

Bewertung vom 25.04.2023
Weite Sicht
Pilz, Thorsten

Weite Sicht


ausgezeichnet

Einfühlsam & authentisch

Dieser Roman handelt von 4 Frauen, die wir 242 Tage lang begleiten:
Charlotte, Gesine, Sabine & Bente - alle um die 70 Jahre alt. Sie alle tragen ihren vollen Lebens-Rucksack: haben geliebt, wurden verletzt & enttäuscht, haben Erfahrungen mit Krankheit & Tod gemacht und leben mit Lebenslügen & Geheimnissen. Und es geht um die Frage "Wie wollen wir leben, wenn wir alt sind?"

Thorsten Pilz schreibt in seinem Debütroman sehr einfühlsam & warmherzig über das Leben dieser Frauen und ihren Mut, sich dem Leben zu stellen und etwas Neues & Anderes zu wagen. Viele Themen kommen darin vor: Liebe, Freundschaft, Verrat, Verlust, Trauer und Verzeihen. Ich konnte mich gut in diese Frauen hineinversetzen und mitfühlen. Es ist ein melancholisches und zugleich hoffnungsvolles Buch - denn es ist nie zu spät für einen neuen Anfang.

Ein berührendes Buch, das ich gern empfehle.

Bewertung vom 24.04.2023
Die einzige Frau im Raum / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.4
Benedict, Marie

Die einzige Frau im Raum / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.4


gut

Interessante Persönlichkeit

In diesem Roman um eine starke Frau geht es um das Leben der Hedy Lamarr zwischen 1933 und 1942. Hedwig Maria Kiesler, geboren 1914 & jüdischer Abstammung, wächst in Österreich auf, spielt am Wiener Theater und heiratet jung den Waffenhersteller Mandl. 1937 flieht sie vor ihrem gewalttätigen Mann nach Hollywood und wird dort als Hedy Lamarr berühmt: als Schauspielerin & Erfinderin.

Der Schreibstil ist flüssig und das Buch lässt sich gut lesen. Es ist aufgrund der Fakten aus dem Leben der Hedy Lamarr und vor dem Hintergrund Nationalsozialismus & 2. Weltkrieg interessant zu lesen. Für mich mit 280 Seiten jedoch zu kurz, um dieser Frau gerecht zu werden. Und stellenweise hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht.

Schade auch, dass das Buch 1942 endet. Hedy Lamarr ist erst im Jahr 2000 gestorben und es lohnt sich, weiter über das Leben von Hedy Lamarr zu recherchieren.

Bewertung vom 03.04.2023
Der Bojenmann
Schlenz, Kester;Jepsen, Jan

Der Bojenmann


sehr gut

Spannung mit Hamburg-Flair

"Der Bojenmann" ist der erste Band einer neuen Krimi-Reihe, die in Hamburg spielt - und als Hamburger Deern damit gleich mein Interesse geweckt hat.

Kommissar Knudsen vom LKA 12 & sein Team haben es in ihrem ersten Fall mit dem makaberen Fund einiger plastinierter Leichen zu tun.

Dieser Krimi ist toll geschrieben: flüssig & mitreißend und mit einer Portion trockenem Humor. Typisch hanseatisch - und so ist auch das Ermittlerteam, das aus liebenswerten Charakteren zusammengesetzt und authentisch beschrieben ist. Besonders gut hat mir La Lotse gefallen, der als Lotse a.D. & Freund von Knudsen auf seine eigene Art & Weise bei den Ermittlungen mitmischt ("Quadratisch, praktisch, tot." - Seite 52).

Neben einem spannenden Fall und viel Hamburg-Flair vermitteln die Autoren Kester Schlenz & Jan Jepsen auch Einblicke in die Welt der Seefahrt (Arbeitsbedingungen & Entwicklung der Containerschifffahrt) und zu aktuellen Themen (Moldau-Hafen).

Mir hat das Lesen Spaß gemacht und ich warte gespannt auf nächsten Fall in Hamburg.

Bewertung vom 31.03.2023
Institut für gute Mütter
Chan, Jessamine

Institut für gute Mütter


sehr gut

Erschreckende Vorstellung

Die alleinerziehende & berufstätige Frida ist mit ihrem Leben & der kleinen Tochter überfordert und lässt Harriet für zwei Stunden alleine in der Wohnung. Als Harriet nicht aufhört zu schreien, alarmiert ein Nachbar die Polizei. Frida verliert das Sorgerecht und muss für ein Jahr in das "Institut für gute Mütter". Das ist die Ausgangssituation des Debütromans von Jessamine Chan.

Die Autorin beschreibt die Abläufe im Institut für gute Mütter in nüchternen Worten und entwirft ein beklemmendes & unmenschliches Szenario. Die Gedanken & Gefühle von Frida werden nachvollziehbar beschrieben; die Verzweiflung & die Hoffnung ist greifbar.

Die Mehr-Generationen-Haushalte gibt es heute erheblich weniger als im letzten Jahrhundert und das Buch behandelt ein gesellschaftlich aktuelles Thema.

Frida hat einen Fehler gemacht, aber ist sie damit als Mutter untauglich?
Wann ist frau eine gute Mutter?
Wäre frau eine bessere Mutter, wenn die eigene Mutter anders (besser) gewesen wäre?

Dieser Roman macht nachdenklich und wird mich noch etwas beschäftigen.
Und ich bin gespannt, was das Thema des nächsten Romans von Jessamine Chan sein wird.

Bewertung vom 20.03.2023
Morgen und für immer
Meta, Ermal

Morgen und für immer


ausgezeichnet

Geht unter die Haut

Dieser Roman von Ermal Meta beruht auf wahren Tatsachen und erzählt die die ereignisreiche & bewegende Lebensgeschichte des Kajan Dervishi. Es beginnt 1943 mit der Kindheit von Kajan in den albanischen Bergen, führt über die DDR nach Amerika & zurück nach Albanien, wo die Geschichte 1990 endet.

Dieser sprach- & bildgewaltige Roman erzählt von Krieg, Verrat, Familie, Freundschaft, Liebe und der Kraft der Musik. Er beschreibt, welchem Druck die Menschen in Albanien ausgesetzt waren und zu welchen Handlungen Menschen fähig sind.

Die Sprache von Ermal Meta ist wunderschön & fesselnd und gleichzeitig eindringlich & beklemmend.

"Es war ein einfacher C-Dur- Akkord, aber angesichts der Zeiten, in denen sie lebten, jener Jahre der Gewalt, klang er wie die schönste Symphonie." (Seite 25)

Mich hat die Geschichte von Kajan tief bewegt. Teilweise war sie schwer auszuhalten, aber dennoch konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen.

Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.03.2023
Der Inselmann
Gieselmann, Dirk

Der Inselmann


sehr gut

"Der Inselmann" ist der Debütroman von Dirk Gieselmann.

Anfang der Sechziger ziehen die Eltern mit ihrem 10-jährigen Sohn Hans auf eine unbewohnte Insel. Hans wird zum König der Insel - bis er aufgrund der Schulpflicht von ihr vertrieben wird, das Leben in der Schule & im Heim kennenlernt und davon träumt, auf seine Insel zurückzukehren.

Es ist die Geschichte über ein Leben außerhalb der Gesellschaft und die Sehnsucht nach Einsamkeit. Es geht um Sprachlosigkeit & Individualität. Die Atmosphäre ist bedrückend & düster. Vieles bleibt vage. Die Sprache von Dirk Gieselmann macht diese Geschichte so besonders. Ausdrucksstark, melancholisch, kraftvoll & intensiv - und kein Wort zuviel.

"Es war so kalt, dass selbst der Wind fror." (Seite 7)

Es ist ein besonderes Buch, auf das man sich einlassen muss - und dass ich gern empfehle.

Bewertung vom 07.03.2023
Grenzfall - In der Stille des Waldes / Jahn und Krammer ermitteln Bd.3
Schneider, Anna

Grenzfall - In der Stille des Waldes / Jahn und Krammer ermitteln Bd.3


sehr gut

Spannender Grenzfall
Im dritten Buch der Grenzfall-Reihe "In der Stille des Waldes" von Anna Schneider geht es gleich um zwei spannende Grenzfälle:
Alexa Jahn & Jan Rassner ermitteln in einem alten Fall um den Mord an einer jungen Frau, dessen neue Spur die beiden von Deutschland nach Österreich führt.
Bernhard Krammer & Roza Szabo haben es in Österreich mit der Familientragödie um die Familie Fichtner zu tun.

Der Schreibstil von Anna Schneider gefällt mir gut: flüssig & spannend. Mir gefällt auch, wie die Autorin Privates über die Ermittler mit einfließen lässt und damit sehr sympathische Charaktere schafft.

Ein bisschen schade ist es, dass Alexa Jahn & Bernhard Krammer dieses Mal nicht mehr gemeinsam ermitteln - und ich hoffe, dass es im vierten Fall wieder mehr Zusammenarbeit geben wird.

Ein gelungener Cliffhanger zum Schluss erhöht die Vorfreude auf den nächsten Fall, der leider erst Anfang 2024 erscheinen soll.

Bewertung vom 07.03.2023
Kollektorgang
Blum, David

Kollektorgang


ausgezeichnet

Jugend zwischen Plattenbauten
Mario wurde nur 13 Jahre alt und erzählt aus seinem Grab heraus seine Geschichte: über den Kollektorgang in den Plattenbauten, Freundschaft, Gewalt und seinen Tod.

Das Cover wirkt beklemmend & düster und passt damit genau zur Geschichte.

Die Sprache von David Blum ist bildhaft & gewaltig. Das Buch hat nur 125 Seiten, aber die haben Gewicht.

"Ihr kennt mich nicht. Es ist nicht leicht, sich einen Namen zu machen, wenn man keine 14 Jahre alt geworden ist."

Schon mit den ersten Sätzen hat mich dieses Buch in seinen Bann gezogen. Es ist keine leichte Kost, sondern eine realistische Darstellung vom Leben im Plattenbau, dem schwierigen Verhältnis zu den Eltern und vom Rassismus. Es geht um Angst & Widerstand und auch um das erste Verliebtsein.

Die Geschichte von Mario & seinem kurzen Leben hallt nach und regt zum Nachdenken an. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung - für Jugendliche und Erwachsene.