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Elisabeth

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Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 31.10.2018
Bruns-Bode, Marie

Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen


ausgezeichnet

Der Name Bode dürfte kulturell Interessierten vor allem durch das Bode-Museum in Berlin bekannt sein. In diesem Buch wird das Leben des Bildungsbürgertums vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts anhand einer Auswahl von Tagebuchaufzeichnungen und Briefen von Wilhelm Bodes Tochter Marie aufgezeichnet. Der Herausgeber selbst entstammt ebenfalls dieser Familie und ist ein Enkel Marie Bruns-Bodes.
Im Zentrum dieses Buches stehen, wie schon erwähnt, Tagebücher und Briefe, die einen Einblick in den Alltag dieser Familie geben. Gerahmt werden diese von einer „Bilderreise durch Marie Bruns-Bodes Leben“ und einem umfangreichen Nachwort mit Erläuterungen, biografischen Angaben der gesamten Familie, Quellenangaben sowie einem Personen- und Institutionenregister.
Im Nachwort erfährt der interessierte Leser Wissenswertes über die Bedeutung von Tagbüchern und Briefen in vergangenen Zeiten sowie das Leben in der Kaiserzeit, der Weimarer Republik und dem Dritten Reich, sodass man über das Leben und die Familie dieser Frau hinaus noch interessante Fakten über das Bürgertum dieser Epoche erfährt.
Neben der oben erwähnten Familie tauchen auch andere bekannte Namen auf, so z.B. die Familie von Weizsäcker, zu der verwandtschaftliche Beziehungen bestanden, die Kaiserfamilie, deren jüngste Tochter von Marie Bode unterrichtet wurde, oder Sauerbruch – ein Zeichen, wie eng doch die Beziehungen in der damaligen Zeit innerhalb des Bildungsbürgertums waren. Auch kann man anhand dieses Buches nachvollziehen, wie sich die Rolle der Frau in diesen Jahren verändert hat: Am Ende des 19. Jahrhunderts war es selbst – oder gerade – in gebildeten Schichten noch unüblich, den Mädchen eine höhere Bildung zwecks Broterwerb angedeihen zu lassen. Dieses bedeutete allerdings nicht, dass diese Frauen dumm oder ungebildet waren und sich nicht zu beschäftigen wussten, wie das Beispiel Marie Bruns-Bode eindrücklich zeigt. Die Eltern Bruns-Bode machten sich bei der Erziehung ihrer Töchter schon völlig andere Gedanken.
Obwohl die Aufzeichnungen teils schon über 100 Jahre alt sind, waren sie sehr flüssig zu lesen und boten nicht zuletzt auch einen guten Einblick in die Schriftkultur jeder Jahre.
Zahlreiche Zeichnungen und Bilddokumente illustrieren das Gelesene, führen es dem Betrachter vor Augen und machen Lust, das Buch immer wieder in die Hand zu nehmen.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Buch sicher um kein Werk, das eine breite Leserschaft erreichen wird – dieses ist gewiss auch nicht intendiert. Denjenigen aber, die sich für Zeitgeschichte, Kultur und nicht zuletzt auch das Frauenleben dieser Epoche interessieren, wird es einige interessante Lesestunden bereiten. Mir jedenfalls ging es so, weshalb ich dieses Buch allen Interessierten empfehlen möchte.

Bewertung vom 31.10.2018
Prange, Peter

Zeit zu hoffen, Zeit zu leben / Eine Familie in Deutschland Bd.1


ausgezeichnet

Über die Familiengeschichte hinaus erfahren die Leser/innen viel Wissenswertes über die Geschichte des Deutschlands der Dreißigerjahre sowie seine historischen Strippenzieher (besonders interessant fand ich persönlich, dass Hitler nicht nur Vegetarier war, sondern aus „naturliebenden“ Gründen sogar Schnittblumen verabscheut hat; auch die Irrfahrt der St. Louis noch einmal mitzuerleben, hat mich sehr mitgenommen). Gekonnt lässt der Autor dabei historische und fiktive Personen miteinander interagieren, wenn z.B. Edda ein Verhältnis mit Leni Riefenstahl eingeht oder Georg stolz ist, Hitler die Hand schütteln zu dürfen. Darüber hinaus lässt er die historischen Ereignisse geschickt das Leben der Familie Ising und seines Freundeskreis beeinflussen, sodass das Lernen im Nebenbei geschieht.
Pranges Sprache ist schnörkellos und leicht zu lesen, seine oft detaillierten Beschreibungen lassen die Lesenden tief in das Geschehen eintauchen und dasselbe miterleben. Kurze, sich rasch abwechselnde Kapitel, die stets an dramatischen Stellen abgebrochen werden, lassen den Roman so spannend und atemberaubend wie einen Krimi werden.
Ich selber lese eher selten Familien- oder historische Romane. Dennoch hat mich dieses Buch von der ersten Seite an gefesselt, sodass ich es während des Lesens kaum aus der Hand legen mochte. Auch nach Abschluss dieser Lektüre gehen mir das Buch und das Schicksal dieser Familie noch immer nicht aus dem Kopf, und ich warte schon gespannt auf die Fortsetzung. Von mir gibt es eine eindeutige, uneingeschränkte Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.10.2018
Junge, Reinhard;Bogenstahl, Christiane

Seelenamt


sehr gut

Bei „Seelenamt“ von Christiane Bogenstahl und Reinhard Junge handelt es sich um den zehnten Band der PEGASUS-Krimireihe. Er ist im Oktober 2018 im Grafit-Verlag erschienen und umfasst 409 Seiten.
Lea Bennsdorf, die vor Jahren brutal entführt und vergewaltigt wurde, fühlt sich erneut verfolgt. Doch ihr damaliger Peiniger, Paul Kehlmann, sitzt nach wie vor im Knast, sodass man ihre Angst nicht so recht ernst nehmen will. Dennoch engagiert einer ihrer Freunde Kalle Mager von der Detektei PEGASUS als Bodyguard. Als dann noch ein weiterer von Pauls und Leas Bekannten bei einem Flugzeugabsturz über dem Dortmunder Phönixsee ums Leben kommt, spitzen sich die Ereignisse zu. Trotz anfänglicher Zweifel scheint Kehlmann seine Hände im Spiel zu haben und einen perfiden Racheplan zu schmieden.
Der Regionalkrimi ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend aufgebaut. Die Handlung verläuft logisch mit sich steigerndem Spannungsbogen, um dann in einem actionreichen Showdown zu enden. Perspektivwechsel und Rückbezüge auf die Vergangenheit der Protagonisten helfen auch denjenigen Leser/innen, die d en Vorgängerband nicht kennen, dem Geschehen problemlos zu folgen. Insbesondere die Schilderungen von Leas Psyche lassen Lesende immer wieder darüber grübeln, was nun Realität und was „nur“ Einbildung ist.
Die Charaktere sind durchweg detailliert und liebevoll gezeichnet. Anfangs mögen die Figuren neue Leser/innen der Reihe ein wenig verwirren, vor allem da sie alle in irgendeiner schon bekannten Beziehung zueinander stehen, doch beim Orientieren hilft ein dem Roman vorangestelltes Personenverzeichnis. Auch dieses ist, wie der gesamte Roman, von (schwarzem) Humor gespickt, wenn z.B. jemand „den Abflug“ oder „den Abgang“ macht.
Bogenstahls und Junges Sprache ist eingängig und flott zu lesen, der Ton ist an einigen Stellen fast schon schnodderig und kommt entsprechend der Ruhrpott-Atmosphäre sehr nahe. Einige Dialoge hätten meines Erachtens noch ein bisschen authentischer formuliert werden können, worauf jedoch wahrscheinlich vor allem wegen der allgemeinen Verständlichkeit verzichtet wurde.
Spannung (der Entführungs- und Rachefall), Dramatik (die Schilderung von Leas Psyche und Ängsten) und Humor stehen in diesem Krimi in einem sehr ausgewogenen Verhältnis zueinander – wie ich es mir bisher selten begegnet. Die Seiten fliegen beim Lesen entsprechend einfach so dahin.
Wie es sich für einen Regionalkrimi gehört, so erhalten Leser/innen auch in diesem Roman Einblicke in das Ruhrgebiet und vor allem in den Menschenschlag, der hier lebt: Sei es in der Person der etwas burschikosen Kommisssarin Herta Kasten, sei es in den Festivitäten, die das PEGSASUS-Team gemeinsam begeht: Man streitet, versöhnt sich, geht z.T. derbe miteinander um, bildet aber letztlich eine verschworene Gemeinschaft. Auch liebenswerte Marotten wie die Konkurrenz zwischen dem BVB und Schalke kommen nicht zu kurz.
Seine eigene (politische) Meinung kommuniziert das Autorenduo in diesem Roman, wenn z.B. zwei Kleinganoven Gauland und Höcke heißen oder die Psychotherapeutenausbildung kritisiert wird.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Krimi um ein kurzweilig zu lesendes Werk, das ein dem Ruhrpott typisches Flair versprüht und dabei immer spannend bleibt. Ein wenig mehr Ruhrpott-Slang und weniger Gesellschaftskritik hätten mir persönlich gefallen, aber da hat eben jedeR seinen/ihren eigenen Standpunkt. Ich selber werde bestimmt noch weitere PEGASUS-Fälle lesen und kann dieses Buch allen Ruhrgebiets- und Krimifans nur ans Herz legen.

Bewertung vom 25.10.2018
Kleindl, Reinhard

Stein / Anja Grabner Bd.1


sehr gut

Eigentlich wollte Anja Grabner ihren Urlaub in Sansibar verbringen. Aber kurz vor ihrer Abreise wird sie zu ihrem ehemaligen Chef, Kaspar Deutsch, gerufen, der sie auf die Spur zu einem fünf Jahre zurückliegenden Fall, nämlich die Entführung Bert Köhlers, führt. Als die ehemalige Kommissarin dann noch ihren Flug verpasst, macht sie sich auf den Weg nach Stein, dem Dorf, in dem sie Köhler damals vermutete, und ermittelt auf eigene Faust – nicht zuletzt auch um ihr eigenes Trauma zu verarbeiten. Ist sie anfangs von der Idylle des Ortes und die Zugänglichkeit seiner Bewohner überrascht, stößt sie dort nach und nach auf eine Mauer des Schweigens.
Der Roman beginnt in der Ich-Form und schildert eine Szene aus der Gefangenschaft Köhlers. Gleich darauf wird der Leser in die Gegenwart katapultiert, in der die ehemalige Wiener Mordermittlerin erneut auf den Fall gestoßen wird und sich entgegen anfänglichen Zweifeln nach Stein, einem kleinen Dorf, begibt. Solche Szenenwechsel durchziehen den gesamten Thriller, der somit auf drei Ebenen spielt: die gegenwärtigen Ermittlungen, Szenen aus Köhlers Gefangenschaft, erzählt aus der Sicht des Entführers in der Ich-Form, und den vergangenen Ermittlungen.
Das Örtchen Stein erscheint zuerst idyllisch, seine Bewohner scheinen nett, zugänglich und ein wenig skurril – eben so, wie man sich ein dörfliches Umfeld vorstellt. Doch nach und nach tut sich hinter der Fassade ein Abgrund aus angestauter Wut und Verschwiegenheit auf. Erst allmählich wird der Polizistin klar, dass die Bewohner nicht so nett und freundlich sind, wie sie zu sein vorgeben. Gerade aus dieser allmählichen Entwicklung schöpft der Thriller einen Großteil seiner Spannung. Ein zweiter Spannungsursprung sind die Einblicke in Köhlers Gefangenschaft, die sich zum Teil sogar etwas gruselig lesen.
Worum es in der fünf Jahre zurückliegenden Entführung letztendlich ging, warum ein Entführer Lösegeld gefordert hat, es aber nie zu einer Übergabe kam, und, das Interessanteste, was Köhler, der Bankier, verbrochen haben mag, dass man ihm sogar nach und nach mehrere Gliedmaßen amputierte – über all das herrscht über weite Strecken des Romans Unklarheit - sowohl auf Seiten der Lesenden als auch auf der der Ermittelnden. Ich selber habe mir beim Lesen reichlich den Kopf darüber zerbrochen. Am Ende wird das Verbrechen zur Gänze aufgelöst, doch erscheint mir die Lösung ein wenig zu weit hergeholt und vor allem zu „lasch“, um ein solches Verbrechen zu rechtfertigen.
Die Charaktere sind realitätsnah und ausführlich beschrieben. Die Ermittlerin Anja Grabner erschien mir auf den ersten Blick für ihr Alter sehr unreif, doch zeigte sie sich im weiteren Verlauf des Romans vielschichtiger, alles in allem als ein interessanter, ungewöhnlicher Ermittlertyp. Außerdem machen, wie oben schon angedeutet, viele Figuren während des Verlaufes einen Wandel durch, was das Lesen interessant macht. Vor Überraschungen ist man in Stein eben nicht gefeit.
Kleindls Sprache ist leicht zu lesen und zieht die Leser/innen dennoch in ihren Bann. Obwohl der Inhalt zum Teil recht grausame Stoffe enthält, kommt die Schilderung ohne jede Brutalität aus. Die verschiedenen Handlungsebenen sind gut voneinander zu unterscheiden, sodass die Seiten beim Lesen nur so dahinfliegen.
Das Cover erscheint auf den ersten Blick unspektakulär: Das Wort „Stein“ aus Steinen aufgebaut. Nimmt man es jedoch in die Hand, kann man durch die Steine richtig fühlen, sodass es auch ein haptisches Erlebnis ist, das Buch in der Hand zu halten.
Insgesamt handelt es sich Kleindls Stein um einen wirklich spannenden Thriller in gruseliger Atmosphäre, der es schafft, beim Lesen die Zeit vergessen zu lassen – eben ein echter Pageturner. Meiner Meinung nach ein sehr gelungener Auftakt zu einer neuen Thriller-Buchreihe.

Bewertung vom 22.10.2018
Seemann, Regine

Falkenberg / Kommissare Brandes und Kurtoglu Bd.1


sehr gut

Der Hamburg-Krimi „Falkenberg“ ist das Debut von Regine Seemann, im April 2018 bei Gmeiner erschienen und umfasst 282 Seiten.
Als Hamburger Grundschüler sich auf dem Falkenberg daranmachen, Störtebekers Schatz zu suchen, werden sie zwar nicht fündig, stoßen aber auf den Leichnam des ehemaligen Psychiaters Henning Manteuffel. Mit 147 Messerstichen und einem Hakenkreuz versehen, führt der Anblick das Ermittlerduo Stella Brandes und Banu Kurtoglu als erstes in die rechtsradikale Szene Hamburgs. Doch auch andere Spuren tun sich auf, die die Ermittler/innen weit in die deutsche Geschichte zurückführen …
Der Krimi beginnt spannend, als die Schulkinder die Leiche eines 87-jährigen, unbescholtenen Rentners finden. Erste Ermittlungen, die in die rechtsradikale Szene und das Altersheim führen, enden im Leeren. Immer wieder fragen sich Beteiligte und Leser/innen, welchen Grund es wohl für dieses unfassbare Verbrechen geben könnte, bei dessen Aufklärung alle sich nach und nach ergebenden Spuren in eine Sackgasse führen: Öffnet sich eine Tür, so verschließt sie sich immer gleich wieder.
Einzig die regelmäßig eingefügten, kursiv gedruckten Tagebucheinträge eines Mädchens aus einem Kinderheim in der Zeit des Dritten Reiches führen die Lesenden nach und nach auf eine Spur, die den Protagonisten jedoch länger verborgen bleibt. Dieses tut der Spannung allerdings keinen Abbruch. Anhand dieser Notizen, die bedrückend und realistisch zu lesen sind, erhält man einen ergreifenden Eindruck von der Unmenschlichkeit des Naziregimes.
Die Auflösung des Falls motiviert dazu, darüber nachzudenken, was eigentlich Recht und Gerechtigkeit sind und ob es Letzteres überhaupt gibt.
Die Zahl der Protagonisten ist übersichtlich, und alle sind durchweg realitätsnah gezeichnet. Besonders die beiden Hauptermittlerinnen sind mitsamt ihren privaten Problemen sehr plastisch beschrieben. Perspektivwechsel erleichtern es beim Lesen, sich in die Charaktere hineinzuversetzen. Auch tritt nach und nach zu Tage, dass nicht alle diejenigen sind, die sie zu sein.
Seemanns Sprache ist leicht und flott zu lesen, die Seiten fliegen einfach so dahin.
Dass die Autorin in Hamburg beheimatet ist, merkt man daran, wie liebevoll eher unbekannte Ecken dieser Hansestadt gezeichnet sind. Der Roman spiegelt das Lokalkolorit der Stadt sehr gut wider.
Das Cover zeigt Eicheln und einen Siegelring, der im Laufe der Erzählung eine wichtige Rolle spielt und den Leser/innen mehrfach begegnet; es passt also sehr gut zum Inhalt.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Buch um einen solide konstruierten Kriminalroman, der insbesondere Hamburg- und Lokalkrimifans bestimmt einige spannende und informative Lesestunden beschert. Zwar bin ich selber der Lösung des Falles, zumindest aber dem Motiv, recht bald nahe gewesen, dieses hat aber dem Interesse an der Lektüre keinen Abbruch getan. Somit kann ich dieses Buch bedenkenlos empfehlen.

Bewertung vom 16.10.2018
Fölck, Romy

Totenweg / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.1


gut

Bei „Totenweg“ von Romy Fölck handelt es sich um den ersten Band der Kriminalromanreihe um das Ermittlerduo Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. Er ist 2018 bei Bastei Lübbe erschienen und umfasst 380 Seiten.
1998: In einem kleinen Dorf in der Elbmarsch wird die 14-jährige Marit ermordet aufgefunden. Der Mord konnte nie aufgeklärt werden und beeinflusst fortan das Leben ihrer gleichaltrigen Freundin, Frida Paulsen, und des damaligen leitenden Ermittlers, Bjarne Haverkorn.
Etwa zwanzig Jahre später: Im Dorf ereignet sich erneut ein Verbrechen, Fridas Vater wird niedergeschlagen. Frida, die inzwischen bei der Polizei arbeitet, kehrt in ihr Heimatdorf zurück. Dort trifft sie erneut auf Haverkorn, dessen Ermittlungen sie unterstützen möchte. Dabei werden die beiden von ihrer Vergangenheit eingeholt und machen sich nicht nur an die Lösung des neuen, sondern auch an die des alten Falles. Bald stellt sich heraus, dass die junge Polizistin in ihrer Jugend einiges verschwiegen hat, was der Klärung des Falles dienlich hätte sein können.
Romy Fölck präsentiert mit ihrem Krimi eine in sich geschlossene, logisch aufgebaute Geschichte, die vor allem auf zwei Zeitebenen spielt: Neben der eigentlichen Handlung in der Gegenwart kommt es immer wieder zu Rückblenden in die Vergangenheit, wie es bei der Aufklärung eines Cold Case auch sein sollte. Die beiden Ebenen sind gut voneinander zu unterscheiden und durchziehen den gesamten Roman. Immer wieder erhält der Leser dabei auch Einblicke in Romys Jugendzeit, die allerdings für den Verlauf der Handlung nur bedingt vonnöten sind.
Die Erzählung beginnt recht unspektakulär, es werden vor allem die Charaktere und der Handlungsort beschrieben. Über weite Strecken werden die Probleme dargestellt, mit denen Frida nun, da sie den Apfelhof ihres Vaters leiten muss, zu kämpfen hat. An Spannung lässt es hier sehr missen. Erst allmählich wird der Leser zur eigentlichen Handlung geführt. Überraschungen und Wendungen gibt es kaum, stattdessen wird einigen Nebenschauplätzen großer Raum zugemessen. Erst im letzten Drittel des Romans entwickelt sich ein Spannungsbogen. Das Ende des Krimis ist wenig überraschend.
Die Zahl der Charaktere ist übersichtlich, ihre Beschreibung ansprechend. Allerdings fehlte es mir an ihrer inneren Entwicklung und Tiefe. Frida handelt, obgleich sie Polizistin ist, recht naiv, Bjarne hat sehr mit privaten Problemen zu kämpfen, die zu lösen er allerdings nicht fähig ist. Auch die Zusammenarbeit der Beiden erscheint mir wenig realistisch.
Gut gelingt es Fölck, die Atmosphäre des kleinen Dorfes in der Elbmarsch sowie ihrer Bewohner widerzuspiegeln, was den Roman für Liebhaber von Regionalkrimis gefallen dürfte und durchaus seinen Reiz hat.
Fölcks Sprache und Stil sind eingängig und leicht zu lesen, allerdings gelang es der Autorin nicht, mich in ihren Bann zu ziehen, sodass es mir beim Lesen des Romans einfach am „Flow“ fehlte.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Roman um einen zwar solide konstruierten Krimi, der auch viele regionale Aspekte beherzigt und ansprechend darstellt, mir allerdings erschien er doch sehr langatmig, was meine Leselust hemmte. Die Story ist gut, aber bei der Umsetzung fehlte es mir einfach an Spannungselementen und Überraschungen, weshalb mich dieses Werk nur bedingt überzeugen konnte.

Bewertung vom 08.10.2018
Schwerin von Krosigk, Sue;Schwerin von Krosigk, Wilfried

Der Totenversteher


sehr gut

Hartung Siegward Graf von Quermaten zu Oytinghausen, von allen nur Hasi genannt, könnte so glücklich sein, hat er doch ein Vermögen geerbt, das ihm ein sorgenloses Leben ermöglicht. Doch Pustekuchen: Statt das Geld sicher zu investieren, fällt er einem Betrüger zum Opfer. Aber es soll noch dicker kommen: Bald darauf gerät er unverschuldet in das Visier eines Auftragsmörders.
Mit Hilfe seiner verstorbenen Tante, die ihm aus dem Jenseits zur Hilfe eilt, und seiner illustren Freundesschar versucht er, aus dem Schlamassel wieder hinauszukommen und tritt dabei von einem Fettnäpfchen in das nächste …
Die Geschichte ist solide und in sich stimmig konstruiert. Anfangs werden zwei an sich getrennte Handlungsebenen erzählt, die im Laufe des Geschehens zusammenlaufen und am Ende als Einheit aufgelöst werden.
Die Zahl der Charaktere ist überschaubar, alle Personen werden detailliert charakterisiert und gewinnen ihren Liebreiz aus ihren je persönlichen Marotten. Wie es sich für „komische“ Literatur gehört, sind sie teils überzeichnet, sodass man beim Lesen immer wieder mit dem Kopf schütteln muss und sich fragt, ob das Gelesene wirklich wahr sein kann, ob es so viel Naivität gibt. Kriminalhauptkommissar Torsten Nagel präsentiert sich dabei am tiefgründigsten, da er sich am besten reflektieren kann und sich im Laufe der Geschichte weiterentwickelt.
Das Buch enthält sehr viele gesellschaftskritische Aspekte, so zum Beispiel illegale und unsoziale Investmentpraktiken, Alt-68-er und Mitglieder der Hausbesetzerszene, die ihre Ideale verraten haben, das elitäre Gehabe der Kunstszene und die fast schon religiös anmutenden Riten der Esoterik- und Bio-Anhänger. Auf humorige Weise werden diese Gesellschaftsschichten aufs Korn genommen und teils ad absurdum geführt. Geschickt greifen die Autoren dabei auch auf schwarzen und britischen Humor zurück und sorgen damit beim Leser für sehr viele Lacher.
Dass das Autorenduo seine Wahlheimat Berlin gut kennt und liebt, kann man den zahlreichen Wegbeschreibungen durch die bundesdeutsche Hauptstadt entnehmen. Dass der Handlungsort möglichst naturgetreu dargestellt wird, macht den Reiz von Regionalkrimis aus und sollte so sein.
Die Sprache der Verfasser ist flüssig, schnörkellos und leicht zu lesen. Wie es sich für einen Regionalkrimi gehört, hat sich auch der ein oder andere Berlinerische Ausdruck eingeschlichen.
Einziger Wermutstropfen beim Lesen war, dass es mir persönlich doch sehr an Spannung fehlte. Zwar gibt es einen Spannungsbogen, der allerdings durch den Humor überlagert wird, weshalb mir dieses Moment des nicht mehr Aufhörenkönnens oder Nägelkauens vor Spannung fehlte.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Regionalkrimi um ein wirklich intelligent und hintergründig verfasstes Buch, das der Gesellschaft und somit auch dem Leser auf teils groteske Weise den Spiegel vorhält und kriminalistische Elemente enthält. Für Anhänger des schwarzen Humors eine wahre Freude, diejenigen, die mehr Wert auf Spannung legen, werden möglicherweise enttäuscht sein. Mir hat das Buch letztendlich einige lustige, unterhaltsame und nachdenkliche Lesestunden beschert.