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Lara89
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Münster
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Geschichten sind das Größte

Bewertungen

Insgesamt 118 Bewertungen
Bewertung vom 27.05.2023
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde (eBook, ePUB)


gut

Schwer zu lesen
Catarina kommt 2016 aus Brasilien nach London, um ihre Dissertation abzuschließen. Sie zieht in die Wohngemeinschaft Melissas, die brasilianische Wurzeln hat. Erinnerungen führen beide zurück in die Zeit der brasilianischen Militärdiktatur.
Die Autorin hat ebenfalls brasilianische Wurzeln und wuchs in London auf. Sie gilt als ein vielversprechendes Talent und hat bereits Preise gewonnen.
Dies hätte eine schöne, spannende Geschichte sein können, wenn der Stil nicht so eigenartig wäre. Zwar schreibt die Autorin seitenweise „klassisch‟, das heißt ganze Sätze, Absätze und gefüllte Seiten. Aber vieles wird wie ein Liedtext dargestellt und soll auch so klingen. Dann wieder stehen Emotionen und Eindrücke im Mittelpunkt, die in Form einzelner Wörter daher kommen, Zeile für Zeile. Schließlich geht es um Revolution und Politik. Das alles ist nicht immer einfach zu lesen. Wer sich darauf einlassen kann, kann hier sicherlich einen poetischen, außergewöhnlichen Lesegenuss finden.
Ein schwieriges, aber schönes Buch, das Zeit braucht.

Bewertung vom 22.05.2023
Bauer, Friederike;Böhning-Gaese, Katrin

Vom Verschwinden der Arten


sehr gut

Es eilt!

Die Autorinnen sind in ihrem jeweiligen Fach versiert: Biologin Bönig-Gaese ist mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin, die seit Jahrzehnten zu ökologischen Themen arbeitet. Bauer ist Journalistin mit Spezialgebiet Politik.

Der Titel erinnert an Darwins „Entstehung der Arten‟, und das ist kein Zufall. Was auf der Erde in Millionen Jahren durch die Evolution entstanden ist, wird in unserer Zeit innerhalb weniger Jahrzehnte vernichtet. Die Autorinnen belegen diese Aussage mit zahlreichen Quellen. Sie schildern, warum das ein Problem auch für das Überleben der Menschheit ist. Und sie geben eine Zehn-Punkte-Liste mit Handlungsanweisungen, was Politik, Wirtschaft und jede Einzelperson tun können, um das noch aufzuhalten.

Das Buch ist sehr faktenlastig und deshalb nicht immer leicht zu lesen. Für eine unterhaltsame Lektüre fehlt es an bunten Fotos und Anekdoten. Doch sind die Kapitel kurz, es gibt immer wieder anschauliche Beispiele von Einzelfällen und das Ganze ist sehr übersichtlich strukturiert. Zwei Fakten fielen mir besonders auf:
Eine Studie ergab, dass zehn Prozent mehr Vogelarten in einer Region ebensoviel für die Lebenszufriedenheit der Menschen bringen wie zehn Prozent mehr Einkommen.
Eine Untersuchung des World Wildlife Fund zeigte, dass ein Sechstel aller in der Europäischen Union gehandelten Lebensmittel zur Entwaldung der Tropen beiträgt.

Eine Argumentationshilfe und ein Nachschlagewerk, all jenen ans Herz zu legen, die mit entscheiden. Auch jeder und jedem Einzelnen.

Bewertung vom 19.05.2023
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Menschen im Klimawandel
In Kalifornien sind die Temperaturen auf 37 Grad Celsius gestiegen – vormittags, an der Küste. Weiter im Inland wird es auch mal an die fünfzig Grad heiß. Am anderen Ende des Kontinents, in Florida, gießt es unablässig, und der Meeresspiegel steigt mit der Flut. Wir sind mitten in der Klimakatastrophe. Boyle schildert den Alltag einiger Personen, die hier leben. Ein Datum, wann es soweit sein könnte, nennt er nicht. Es könnte heute sein.
Boyle taucht auf eine Art in seine Figuren ein, wie das außer ihm kaum jemand kann: Man identifiziert sich sofort mit ihnen, auch wenn es Verbrecher oder Langweiler sind, oder eben Menschen, die ihren Lebensstil beizubehalten versuchen mit Swimmingpool, Klimaanlage, Flügen und großen Autos, dabei Strom und Wasser sparen und sich bemühen, weniger Fleisch zu essen. Die Menschen wirken authentisch, auch wenn ihre Handlungen noch so unlogisch sind. Sie sind komplex und vielschichtig.
Protagonist der Geschichte ist die Natur, die sich wandelnden Ökosysteme. Die Personen heiraten, bekommen Kinder, sie erleben Todesfälle, schwere Verletzungen, Trennungen. Doch ihren Alltag leben sie unverändert weiter, egal was geschieht. Irgendwann muss man eben das Boot nehmen, um die Tochter zur Schule zu bringen. Und wenn jemand bei Tisch einen Hitzschlag erleidet, ist es gut, einen Arzt im Haus zu haben. Und einen Pool.
Das ist gewürzt mit überraschenden (Wort-)Ideen. Da ist die Möwe, die bei einer Seebestattung zu verstehen versucht, was sie dort sieht. Da ist die Angestellte am Flughafen, die sich mit der Geschwindigkeit eines Gletschers bewegt. Boyles Stil ist liebevolle Hinwendung zu seinen Charakteren, und zugleich spöttische Beobachtung und gut recherchierter Hintergrund. Das macht immer wieder Spaß. Lesen!

Bewertung vom 14.05.2023
Petersen, Til

Fahr nicht fort, stirb am Ort!


sehr gut

Es stirbt sich leicht in Ingelrein

Hermann Thaddäus König führt in dritter Generation ein Bestattungsunternehmen in dem kleinen Ort Ingelrein. Als er einem alten, sehr kranken Freund auf dessen Wunsch hin beim Sterben hilft, häufen sich auf einmal die Todesfälle: Königs Ehefrau, die ihn unglücklich machte, der Gatte seines Jugendschwarms, der Bankangestellte und noch einige andere. Stets plant König nur die erforderliche Bestattung.
Der Autor ist Journalist und seit einigen Jahren erfolgreicher Autor von Kriminalromanen, unter dem Namen Klaus Maria Dechant.
Die Geschichte von Hermann Thaddäus König und den zahlreichen Toten ist abstrus. Sie ist witzig erzählt, mit einem trockenen Humor, der Spaß macht. Zwischendurch fragt man sich allerdings, ob das alles wirklich so möglich ist. Sobald eine neue Person auftaucht, die König Schwierigkeiten machen könnte, muss man denken, das sei der nächste Tote. Hier wären ein oder zwei Todesfälle weniger der Gesamtspannung dienlicher gewesen.
Der Stil ist so respektvoll wie man es von einem Bestatter erwarten darf. Es ist ja König selbst, aus dessen Sicht erzählt wird. Sein Geschäft blüht auf, und er selbst auch. Angesichts der seltsamen Zufälle bleibt ihm gar nichts anderes übrig als einen gewissen Sarkasmus zu entwickeln und eine wachsende Tatkraft. Die tut ihm gut, sein Leben wird deutlich glücklicher. Zum Schluss soll er doch noch selber morden. Tut er das? Hier kommt noch eine große Überraschung, so dass man das Buch amüsiert und zufrieden zuklappen kann.
So geht Krimi-Satire. Lesen!

Bewertung vom 07.05.2023
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


gut

Sehr fremd

Schauplatz ist eine fiktive Stadt auf einer Karibikinsel. Die Autorin ist auf Trinidad aufgewachsen. Sie hat bereits Kurzgeschichten veröffentlicht; dies ist ihr erster Roman.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der Hauptpersonen beschrieben: Darwin ist Rasta. Er bricht sein Gelübde und schneidet sich Haare und Bart ab, um in der Stadt auf einem Friedhof zu arbeiten. Einen anderen Job hat er nicht bekommen. Yejide entstammt einer alten Familie, und nun stirbt ihre Mutter. Da erlebt sie, dass sie mit Toten sprechen kann. Tod und Leben sind in dieser Kultur eng miteinander verwoben. Das kollidiert mit einer klassisch westlichen Lebensweise, in der es auf materielle Besitztümer ankommt.
Für mich war das alles etwas zu fremd. Darwin ist noch relativ begreiflich, aber mit Yejide bin ich gar nicht warm geworden. Es handelt sich um eine Art Liebesgeschichte, doch die Liebe von Darwin und Yejide ist längst unzweifelhaft vorhanden und beschlossen, als die beiden einander endlich treffen. Sie müssen gegen keine Widerstände kämpfen, alles passt plötzlich zusammen. Die beiden Geschichten – die von Darwin und die von Yejide - nehmen Fahrt auf und erleben jede einen Höhepunkt. Die Begegnung bereichert die Protagonisten, auch an Verständnis für das, was sie umgibt. Ähnlich erging es mir beim Lesen: nach der Hälfte des Buches, als die Liebenden sich treffen, wird die Geschichte rund, und dann macht es auch Spaß, sie zu Ende zu lesen.
Ein Glossar wäre hilfreich gewesen. Informationen zur beschriebenen Kultur fehlen ebenfalls. Das wunderschöne, farbenprächtige Titelbild verdient eine eigene Erwähnung. Leseempfehlung für Neugierige und für die, die die karibische Kultur wenigstens ein bisschen kennen.

Bewertung vom 19.04.2023
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


sehr gut

Hinsehen!
Zwei befreundete, wohlhabende Ehepaare wollen mit ihren Kindern eine Woche Urlaub in der Toskana machen. Die Tochter möchte eine Schulfreundin mitnehmen: Aayana, ein Flüchtlingskind, schwarz und Muslima. Zwei Kulturen prallen aufeinander. Dann passiert eine Katastrophe, die alle Beteiligten an ihre Grenzen bringt.
Der Autor hat einige Bestseller geschrieben, an bekanntesten ist wohl "Gut gegen Nordwind", das auch verfilmt wurde.
Die Menschen, die wir hier beobachen, sind oberflächlich und selbstherrlich, aber nicht böse. Im Angesicht der Katastrophe sind sie komplett hilflos und überfordert. Hinzu kommt, in Zeiten von Internet, der wertende Blick der Öffentlichkeit. Wie konnte das passieren, wie konnte es überhaupt dazu kommen?
Es ist kein fortlaufender, erzählender Text; das kennt man von diesem Autor bereits. Wir scheinen Gast in einem Theater zu sein, von der Bühne bis zur Kritik danach. Es gibt Pressemitteilungen, es gibt ein Medienecho bis hin zu Online-Kommentaren aus Volkes Mund, und zum Schluss sogar eine Gerichtsverhandlung. Das ist unbequem zu lesen, vermittelt aber treffend die Emotionalität und die Fragen, die mit dem Flüchtlingsthema verbunden sind. Alle sind überfordert. Auch wir. Was tun?
Der Autor empfiehlt, hinzusehen. Das könne ein Anfang sein. Aber nach so vielen Jahren voller Flüchtlingskrisen sollten auch aus der Literatur Ideen kommen, die weit darüber hinausgehen. Insofern bin ich etwas enttäuscht von diesem sonst sehr lesenswerten Buch.

Bewertung vom 14.04.2023
Harada, Hika

3000 Yen fürs Glück


weniger gut

Reden wir übers Sparen

"Es sagt tatsächlich etwas über einen Menschen aus, wie er sein Geld ausgibt."

Miho hat ihren ersten Job nach dem Studium und ist zuhause ausgezogen. Zum Jahreswechsel besucht sie ihre Eltern. Ihre Schwester ist verheiratet und hat ein kleines Kind, aber kein eigenes Einkommen. Die Mutter der beiden ist frisch operiert und muss feststellen, dass noch immer alle Haushaltsarbeit von ihr erwartet wird, obwohl sie noch sehr krank ist. Die Großmutter Kotoko lebt allein und macht sich Sorgen um ihr Auskommen im Alter.
All diese Frauen verbindet nicht nur die japanische Kultur und die Familie, sondern auch die Tatsache, dass sie sich um Geld und Sparen Gedanken machen.
Dies ist ein Roman über den Umgang mit Geld und über alles, was es bedeuten kann: Ein Stipendium für die Tochter, ein eigenes Haus für die noch zu bekommenden Kinder, ein Auskommen im Alter oder ein Job mit dreiundsiebzig. Selbständigkeit, Freiheit. Einige Aspekte können durchaus zum Nachdenken und Sparen anregen, zum Beispiel die Optimierung der monatlichen Fixkosten. Aber in Japan sind einige Umstände andere als hier. Nicht alles ist übertragbar.
Als Roman liest sich das nicht sehr spannend, weil der Ratgeber-Charakter doch recht stark ist. Da werden die auftretenden Fragen allzu leicht gelöst. Die Charaktere sind eher angedeutet, sie haben keine Tiefe. Ein Spannungbogen um Mihos Geschichte fesselt nicht.
Was sehr deutlich gezeigt wird, ist die japanische Kultur. Essen spielt eine große Rolle. Es gibt zahllose Gerichte, die aufwändig zuhause zubereitet werden. Der Umgang der Menschen miteinander und die traditionelle japanische Höflichkeit sind für uns eher fremd.
Schwierig beim Lesen sind die japanischen Namen und viele japanische Begriffe. Es befindet sich ein hilfreiches Glossar im Buch und eine Namensliste. Dreitausend Yen sind übrigens laut Klappentext etwa 23 Euro. Viele erheblich höhere Summen kommen vor, die schlecht einschätzen kann, wer den Yen nicht kennt.

Bewertung vom 13.04.2023
Frank, Arno

Seemann vom Siebener


sehr gut

Menschen im Freibad. Ein ruher Sommerroman vom Sein.

"Es ist so schön, ich würde jetzt gerne einen Vogel freilassen."

Ein deutsches Freibad, irgendwo in einer Kleinstadt. Hier treffen an einem heißen Sommertag die Menschen auf einander. Jemand ist mit dem Auto verunglückt und soll heute beerdigt werden. Ein anderer ist schon vor Jahren im Sprungbecken verstorben, unter dem Siebenmeterturm. Die Spuren dieser Todesfälle ziehen sich durch die Geschichten.
Einfühlsam wird das Innenleben mehrerer Personen dargestellt, mit allem was sie denken und erinnern. Jede dieser Person ist für einen langen Augenblick des Buches das Zentrum ihrer Welt und ihrer Wahrnehmung. Danach wendet sich die Geschichte wieder einer anderen zu. Hauptfigur ist ein namenloses Mädchen, das in Ich-Form berichtet und heute zum ersten Mal seit Langem wieder das Haus verlässt.
Diese Darstellung der Menschen ist sehr authentisch und intensiv. Die Geschichten wachsen, je nachdem, welche Person wieder aufgegriffen und weiter erzählt wird. Man kann sich alles sehr gut vorstellen, ist nahezu dabei, wenn im Freibad jeder die eigenen Gedanken mitbringt und die anderen Menschen beobachtet.
Der Stil ist schön, poetisch und manchmal besonders. Er zieht den Leser mitten hinein in den heißen Sommertag. Jeder, der jemals einen Nachmittag träge im Freibad vergammelt hat oder dort früher einmal jugendlich herumtobte, wird sich hier wiederfinden. Manchmal ist es dort auch etwas langweilig.
Doch alle Geschichten sind miteinander verknüpft. Spannung entsteht, weil vor lauter Wahrnehmung und Betrachtung Fragen offen bleiben. Einige der Menschen hier haben schlimme Dinge erlebt. Das kann man zunächst nur erahnen. Doch es gibt Befreiung.

Bewertung vom 05.04.2023
Barba Higuera, Donna

Die letzte Erzählerin


ausgezeichnet

Sehr spannende Science-Fiction für Jugendliche

"Du trägst mich und meine Geschichten durch die Jahrhunderte in die Zukunft, zu einem anderen Planeten. Da kann ich mich glücklich schätzen."

Ein Komet bedroht die Erde. Drei Raumschiffe voller Menschen fliehen auf einen fernen Planeten, darunter die dreizehnjährige Petra, ihr kleiner Bruder Javier und ihre Eltern. Sie werden für Jahrhunderte in tiefen Schlaf versetzt, bis das Reiseziel erreicht ist. Doch als Petra erwacht, sind ihre Eltern verschwunden und niemand erinnert sich mehr an die Erde. In der Gesellschaft, zu der die Besatzung des Raumschiffes geworden ist, zählt nur noch das "Kollektiv". Erinnerung und Individualität sind so gut wie ausgerottet. Doch Petra erinnert sich an Geschichten, die ihre Großmutter auf der Erde ihr erzählt hat. Schon bald weiß sie sich zu schützen und erzählt die Geschichten weiter.

Die Autorin hat schon einige Kinder- und Jugendbücher geschrieben und auch Preise gewonnen. Das Buch ist schön ausgestattet mit einem ausgefallenen Cover, Lesebändchen, geschmücktem Innenteil und farbigem Buchschnitt.

Die Geschichte ist sehr spannend erzählt und erlebt überraschende Wendungen, die Petra immer wieder vor neue Herausforderungen stellen.
Die Sprache ist gut lesbar, bildhaft und emotional. Es gibt berührende Szenen, wenn zum Beispiel Petra sich an ihre Großmutter erinnert, die sie sehr geliebt hat, aber auf der Erde zurücklassen musste. Auch die Erinnerung an ihre Familie ist eher traurig, denn auch die gibt es nicht mehr. Petra ist allein. Doch sie entwickelt sich von einem verschreckten, alleingelassenen Kind zu einer mitfühlenden, verantwortungsvollen Anführerin, die eine Flucht plant. Das ist fesselnd bis zur letzten Seite. Eine beeindruckende Heldin. Und auch die anderen Figuren sind glaubhaft und authentisch dargestellt.

Faszinierend ist die Idee, welche Funktion Geschichten für den Einzelnen haben. Sie bewegen uns, wir wissen mit ihrer Hilfe, wer wir sind und wo wir stehen. Und doch erzählt sie jede und jeder mit Recht ganz neu. Da darf sich auch die Handlung ändern, alles kann neu und anders werden, wenn es nur hilft, die neue Situation zu bewältigen und zu verstehen. Petra erzählt die Geschichten ihrer Großmutter, und ".. von jetzt an lebt die Geschichte durch mich und in meiner Version weiter."

Fazit: Ein spannendes Jugendbuch mit einer mutigen Heldin in einer dystopischen aber nicht hoffnungslosen Zukunft. Denn solange wir Geschichten haben, haben wir als Menschen eine Zukunft.

Bewertung vom 30.03.2023
Meta, Ermal

Morgen und für immer


ausgezeichnet

Bewegend und großartig
"Morgen und für immer" will der kleine Kajan für seinen Großvater Klavier spielen, doch das Klavier ist zerschossen und der Großvater liegt im Sterben. Der zweite Weltkrieg ist in vollem Gange. Kajans Eltern engagieren sich für den Kommunismus im Lande - Albanien. Als dessen Botschafter darf Kajan eines Tages nach Ostberlin reisen und auf einem Konzert spielen. Hier beginnt seine irre Reise, die ihn durch einen Fluchttunnel unter der Mauer hindurch bis in die USA und nach New Orleans führt, später zurück nach Albanien ins Straflager. Doch das Ende der Geschichte ist versöhnlich.
Kajan und die Personen aus dem Roman sollen tatsächlich gelebt haben. Der Autor ist albanisch-italienischer Liedermacher und Sänger und hat sie von Kajan selbst erfahren. Dies ist sein Debüt; es war in Italien ein großer Erfolg.
Die Lebensgeschichte Kajans ist warmherzig erzählt und klingt bei aller Grausamkeit auch immer wieder poetisch. Die Sprache ist angenehm und flüssig zu lesen, die Hauptperson kommt einem sehr nah. Kajan ist ein sensibler Mann, der das Pech hat, in einer finsteren Zeit und in einem totalitären Land zu leben.
Albanien war von 1945 bis 1990 ein kommmunistisches Land unter der Führung des Diktators Enver Hoxha. Ein Land, in dem Überwachung, Verhaftung und Mord an der Tagesordnung sind, in dem Denken und freie Rede brutal bestraft werden. Selbst innerhalb der Familien wird spioniert und verraten.
Das ist Kajans Heimat. Er ist keiner, der ein großes Ziel verfolgen würde. Eigentlich will er nur Klavier spielen und mit seiner Familie glücklich sein. Doch immer wieder gerät er in unerwartete Situationen. Immer wieder nimmt sein Leben eine überraschende Wendung, und er muss sich auf neue Lebensumstände einstellen, ein neues Land, eine neue Sprache. "Vielleicht ist die Liebe", so heißt es, "eine Fahrkarte an den Ort, an den du willst."
Eine bewegende und fesselnde Geschichte. Leseempfehlung!