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geschichten.von.buechern

Bewertungen

Insgesamt 124 Bewertungen
Bewertung vom 02.12.2022
Keefe, Patrick Radden

Imperium der Schmerzen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Beeindruckende Rechercheleistung

Das Cover gefällt mir sehr gut. Die Schlichtheit entspricht dem Sachbuchcharakter und trotzdem springt es ins Auge, nicht zuletzt dank der gelungenen Hervorhebung des Titels.
Zum Inhalt: Die Sacklers waren über mehrere Generationen im Verkauf und Marketing von Medikamenten tätig. OxyContin, eines dieser Medikamente, ist für die Abhängigkeit von Millionen von Menschen verantwortlich. Patrick Radden Keefe zeichnet in diesem Buch ein umfassendes Bild der Unternehmerfamilie, des persönlichen und beruflichen Werdegangs ihrer einflussreichsten Mitglieder und zeigt dabei, wie das Streben nach Geld und Macht den Weg der Sacklers prägte.
Insgesamt handelt es sich hier um ein absolut lesenswertes Sachbuch, das die Augen öffnet, erschreckt und fassungslos macht, sich dabei aber gleichzeitig durch eine aufwendige Rechercheleistung sowie eine exzellente Argumentationsstruktur und einen grundsätzlich soliden Spannungsaufbau auszeichnet. Ich habe lange kein Sachbuch mehr gelesen, dass so gelungen informiert, dabei aber auch auf emotionaler Ebene berührt.
Abzug gibt es für mich letztlich nur beim Punkt der Lesbarkeit. Es handelt sich hier um ein monumentales Werk, das teilweise spannend wie ein Thriller erscheint. Durch andere Passagen musste ich mich aufgrund der Detailfülle und des teilweise etwas umständlichen Satzbaus eher ein wenig quälen. Zudem bedarf die Lektüre eines hohen Maßes an Konzentration, weshalb ich eine Weile gebraucht habe, um dieses Buch zu beenden. Letztlich könnte man das Buch jedoch gut schrittweise lesen - also zur Seite legen und irgendwann wieder zur Hand nehmen, da der Autor mit Wiederholungen arbeitet, die einem den Wiedereinstieg vereinfachen dürften.
Patrick Radden Keefe zeichnet in diesem Buch ein detailliertes dynastisches Portrait der Sacklers, eingebettet in die neueste US-amerikanische Geschichte. Dadurch erhält man beim Lesen unter anderem tiefe Einblicke in die Gesellschaft, das Justizsystem sowie die Medizingeschichte der USA. Damit trägt die Lektüre obendrein auch noch zum Aufbau des Allgemeinwissens bei.
Wen die oben erwähnten inhaltlichen Elemente interessieren oder wer auf der Suche nach einem faszinierenden, dramatischen und fesselnden Familienportrait ist, sollte unbedingt einmal in das Buch hineinlesen.

Bewertung vom 14.11.2022
Hazelwood, Ali

Under One Roof - Liebe unter einem Dach (eBook, ePUB)


sehr gut

Glücksgefühle

Das Cover ist niedlich gestaltet und passt wunderbar zu den vorherigen Veröffentlichungen der Autorin.
Zum Inhalt: Mara erbt eine Haushälfte von ihrer verstorbenen Betreuerin. Doch leider bedeutet das, dass sie, Umweltingenieurin, mit Liam zusammenleben muss, dem Eigentümer der zweiten Haushälfte und seines Zeichens Konzernanwalt bei einem so ganz und gar nicht umweltfreundlichen Unternehmen. Kann das gutgehen?
Erneut hat Ali Hazelwood eine kurzweilige und humorvolle Story vorgelegt. Ich bin beim Lesen nur so durch die Seiten geflogen. Auch die Protagonisten waren mir direkt sympathisch und wurden liebevoll sowie detailliert ausgearbeitet. Vor allem mochte ich die knisternde Anspannung zwischen den beiden und ihre gemeinsamen Vibes im Allgemeinen. Den enemies-to-lovers-plot finde ich hier ganz großartig umgesetzt. Ich hatte beim Lesen praktisch ein vergnügtes Dauergrinsen im Gesicht.
Aufgrund der Kürze, es handelt sich hierbei um eine Kurzgeschichte, sollte man allerdings mit der Vorhersehbarkeit der Handlung leben können. Trotzdem bin ich überrascht, wie viele Handlungsbestandteile überzeugend in diese wenigen Seiten eingeflochten werden konnten, ohne dass es überladen wirkt. So kommt auch keine Langeweile auf.
Dennoch tauchen eine Menge Elemente auf, die auch in den beiden ausführlichen Romanen der Autorin bereits eine Rolle gespielt haben. Und ja, das Beuteschema ihrer weiblichen Charaktere und die Beschreibungen der Protagonisten ähneln sich definitiv, was etwas schade ist. Trotzdem habe ich die Geschichte sehr gerne gelesen und freue mich wahnsinnig auf die Erlebnisse von Sadie und Hannah, Maras besten Freundinnen. Für mich rangiert diese Kurzgeschichte sogar noch vor dem neuesten Roman der Autorin.
Wer eine romantische Wohlfühlgeschichte für einen verregneten Nachmittag oder vielleicht einen unterhaltsamen Ausweg aus einer Leseflaute sucht, sollte hier definitiv einmal reinlesen.

Bewertung vom 12.11.2022
Perry, Matthew

Friends, Lovers and the Big Terrible Thing (deutschsprachige Ausgabe)


gut

Schonungslos, bewegend und doch ganz anders als erwartet

Am Cover gibt es nichts auszusetzen. Fans des Schauspielers dürften sofort magisch angezogen werden, besonders da das Foto ihn auch noch wahnsinnig nahbar wirken lässt. So erscheint das Cover wie eine Einladung, Matthew Perry näher kennenzulernen.
Zum Inhalt: Matthew Perrys Autobiografie dreht sich um seine Suchtkämpfe. Warum ist er, wie er ist? Das versucht er rund um prägende Ereignisse und seine größten Rollen zu reflektieren.
Anfangs hat sich die Autobiografie schnell lesen lassen. Der Inhalt wurde jedoch zunehmend bedrückender und erschreckender, weshalb es sich hier wirklich nicht um leichte Kost handelt. Ehrlich, schonungslos und selbstkritisch spricht Matthew Perry über seine Krankheit und zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich brauchte deshalb immer wieder Pausen von der Lektüre. Der Autor versucht jedoch ganz im Stil seiner bekanntesten Rollen auch immer wieder Humor einzustreuen und es so etwas leichter für die Lesenden zu gestalten.
Allerdings gab es besonders im zweiten Teil immer wieder Sätze, die ich mehrfach lesen musste. Zudem hat die eigenwillige Kapiteleinteilung die Zeitabfolge immer unklarer werden lassen. Das war schlicht verwirrend, auch wenn das Ende alles einigermaßen rund zusammengefasst hat.
Die Handlung ist außerdem wahnsinnig repetitiv, was einerseits zwar bildhaft den teuflischen Suchtkreislauf verdeutlicht, mir andererseits aber verbunden mit einem Mangel an sprachlicher Varianz das Lesen erschwert hat.
Wie jede andere Autobiografie hält auch diese hier ein paar kontroverse Momente bereit, wenn es um die Beurteilung anderer Menschen geht. So etwas macht mich immer stutzig, hat hier jedoch keine Überhand gewonnen. Eine Autobiografie ist eben sehr subjektiv geprägt.
Übrigens sollte man auch keinen zu großen Anteil der Serie Friends im Buch erwarten. Hier verspricht der Klappentext vielleicht etwas zu viel und sorgt so für fehlgeleitete Erwartungen. Perry spricht zwar über seine dortigen Kolleginnen und Kollegen, beschränkt sich aber hauptsächlich auf die Rolle der Serie in seinem Leben, anstatt über allzu viele Hintergründe und Anekdoten aus dem Nähkästchen zu plaudern. Ganz im Sinn einer Autobiografie steht er und nur er im Vordergrund.
Ich hatte das Gefühl, dass Perry das Buch in erster Linie auch für sich selbst geschrieben hat. Möglicherweise und hoffentlich hilft das bei seinem Gesundungsprozess. Ob man diese Biografie unbedingt gelesen haben muss? Ich würde eher verneinen. Es sei denn man ist riesiger Fan des Schauspielers bzw. des Manns hinter der Maske und interessiert sich obendrein für Suchterkrankungen. Hart im Nehmen sollte man für die Lektüre definitiv sein.

Bewertung vom 11.11.2022
Wolf, Marwin

Brandt - Im Namen der Angst (eBook, ePUB)


sehr gut

Spannungsgeladenes Abenteuer

Das Cover gefällt mir wahnsinnig gut. Es hat mich sofort in den Bann gezogen. Es wirkt mysteriös und gerade deshalb wohl so wahnsinnig anziehend. Außerdem passt es so natürlich super zum Genre.
Berlin 1937: Eine geheimnisvolle Mordserie veranlasst den Polizeimajor Schauer, seinen Freund Laurence Brandt um Hilfe bei den Ermittlungen zu bitten. Doch bald schon verschwinden die Grenzen zwischen Freunden und Feinden und die Ermittler und ihr persönliches Umfeld geraten zunehmend selbst unter Druck. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt.
Der Schreibstil hat mir gut gefallen. Zunächst einmal sind die angenehm kurzen Kapitellängen zu loben. Das ist clever gemacht, denn so habe ich mich immer wieder bei einem ach-nur-ein-Kapitel erwischt und zack war das Buch ausgelesen. Außerdem hat der Autor es wirklich drauf, einen überzeugenden Spannungsbogen aufzubauen. Dazu trägt auch die düstere, bedrohliche und dennoch furchtbar einnehmende Atmosphäre bei.
Auch das historische Setting konnte mich überzeugen. Generell passen Spionageroman, Krimi und die historischen Elemente gepaart mit Verschwörungen und Mythologie in diesem Genremix wirklich gut zusammen und ergeben ein stimmiges Bild. Langweilig war die Lektüre dank des hohen Erzähltempos zu keiner Sekunde.
Laurence Brandt ist ein facettenreicher und interessanter Protagonist, aber obwohl er durchaus auch mal Schwäche und Zuneigung zeigt, hat mir der Zugang zu ihm etwas gefehlt. Auch die Nebencharaktere stecken voll Potenzial, jedoch konnte keins ihrer Schicksale mich so wirklich mitreißen.
Zwischendurch hatte ich befürchtet, das Buch würde - auch aufgrund seiner generellen Kürze - komplett offen enden, was glücklicherweise nicht der Fall war. Wer wie ich kein Freund extremer Cliffhanger ist, wird die Beantwortung der meisten Fragen sicher auch zu schätzen wissen. Dennoch sei hier einmal angemerkt, dass ich durchaus gewillt wäre, mehr von Laurence Brandt zu lesen.
Insgesamt wurde ich ziemlich gut unterhalten. Fans historischer Kriminalromane und Spionagethriller oder alle, die schlicht fesselnden und atmosphärischen Lesestoff für die dunkle Jahreszeit suchen, sollten definitiv einmal reinlesen.

Bewertung vom 02.11.2022
Dade, Ayla

Unendliche Macht / The Witches of Silent Creek Bd.1


weniger gut

Faszinierende Grundidee, aber unterirdische Umsetzung

Das Cover gefällt mir sehr gut. Es hat mich sofort angesprochen und in seinen Bann gezogen. Nur leider ist es für mich fast schon das Highlight des ganzen Buchs, aber der Reihe nach.
Zum Inhalt: Helena zieht nach Schottland, um sich ihrer verstorbenen Mutter näher zu fühlen. Doch dort angekommen merkt sie bald, dass seltsame Kräfte die Gegend um Silent Creek beherrschen. Wem kann sie trauen und wo ist ihr Platz in dieser Welt?
Am Anfang der Geschichte war ich vollends begeistert: flüssiger Schreibstil, interessantes Setting mit geheimnisvoller Atmosphäre und genug Spannung, um weiterlesen zu wollen. Ziemlich schnell habe ich dann allerdings den Status des Auftaktbands gespürt. Man wurde direkt in die Handlung hineingeworfen. Erklärungen bleiben kategorisch aus. So hatte die beschriebene magische Welt zwar einiges an Potenzial, war durch mangelhafte Beschreibungen für mich aber nur schwer vorstellbar.
Gleiches gilt dann übrigens auch für die Charaktere, denen ich mich einfach nicht nahe fühlen und zu denen ich null emotionale Verbindung aufbauen konnte. Dazu hat für mich auch die ungleiche Verteilung der Charakterperspektiven beigetragen. So wie sie gestaltet sind, dienen sie im besten Fall als Spannungselement. Allerdings hätte man eine oder sogar zwei oberflächliche Perspektiven auch gleich streichen können.
Jetzt sind wir also schon bei einem starken Anfang und einem krassen Fall. Es gab immer mal wieder überzeugendere Passagen, dann wieder miesere. Manchmal habe ich die Geschichte seitenlang nur noch überflogen. Ehrlich gesagt ist es ein halbes Wunder, dass ich nicht abgebrochen habe. Was soll ich sagen? Ich hatte noch Hoffnung. Die Wendungen waren jedoch wahnsinnig vorhersehbar, in den Kampfszenen sprang der Funke für mich so gar nicht über. Ebenso beim romantischen Aspekt der Geschichte, der für mich nichts als eine toxische Beziehung darstellt, mit der ich mich nun so gar nicht anfreunden konnte. Noch dazu ist die ganze Geschichte immer wieder von Widersprüchen durchzogen, was ihre Glaubwürdigkeit untergraben hat.
Zu guter Letzt seien noch Folter, Gewalt und abstoßende Ekelmomente erwähnt, die größere Teile der Story einnehmen. Wer das nicht lesen kann oder möchte, lässt besser gleich die Hände weg.
Mein Fazit: So leid es mir tut, ich werde Band 2 nach dem enttäuschenden ersten Teil wohl eher nicht lesen.
Wer ein grundsätzlich gut lesbares, atmosphärisches Urban-Fantasy-Erlebnis sucht, könnte dennoch einmal reinlesen.

Bewertung vom 21.10.2022
Miller, Madeline

Galatea (eBook, ePUB)


sehr gut

Eindrucksvoll und zeitgemäß

Das Cover ist wunderschön gestaltet und passt - ebenso wie die grandiosen und äußerst liebevoll gestalteten Illustrationen - hervorragend zum Inhalt. Die äußere Gestaltung macht es definitiv zu einem hochwertigen Schmuckstück im Bücherregal und einem Genuss für die Augen.
Madeline Miller bietet in dieser Kurzgeschichte eine Neuinterpretation des antiken Pygmalion-Mythos. Der Schreibstil ist einnehmend und sorgt für gute Lesbarkeit, wodurch sich das Büchlein in einem Rutsch durchlesen lässt. Neben Millers eigener Kreation ist auch eine Übersetzung von Ovids Originalmythos samt Vor- und Nachwort zur literarisch-wissenschaftlichen Einordnung enthalten. Besonders das Vorhandensein des ursprünglichen Mythos selbst ist ein willkommenes Detail, weil man so ganz eigene Gedanken über Millers feministische Version der Ereignisse entwerfen und selbstständig Vergleiche ziehen kann.
Galatea erscheint als starke, mutige Frauenfigur und liebende Mutter, die mit Vorbildcharakter um Selbstbestimmung innerhalb der gesellschaftlichen Schranken kämpft. Ganz im Stil der klassischen Mythologie kommt dabei auch die Tragik nicht zu kurz. Die Erzählung besticht somit durch ihre Aktualität und bietet außerdem reichlich Identifikationspotenzial für Leserinnen.
Letztlich handelt es sich um eine gelungene, mitreißende Kurzgeschichte, die zeitgemäß daherkommt und zum Nachdenken anregt, aufgrund der begrenzten Seitenzahl aber eine gewisse Tiefe einbüßt und Emotionen nicht gänzlich erforschen kann. Ein Muss und aufgrund der äußeren Gestaltung vor allem eine wunderschöne Geschenkidee für alle Fans von Madeline Millers Schreibstil, klassischer Mythologie und feministischer Literatur!

Bewertung vom 19.10.2022
Saint, Jennifer

Elektra, die hell Leuchtende (eBook, ePUB)


gut

Weniger mitreißend als erhofft

Das Cover sieht wundervoll aus. Es ist ein gelungener Eyecatcher und noch dazu ein echtes Schmuckstück für jedes Mythologie-Bücherregal.
Zum Inhalt: Elektra wartet auf die Rückkehr ihres Vaters Agamemnon aus dem trojanischen Krieg. Auch ihre Mutter Klytämnestra erwartet ihren Mann - allerdings aus ganz anderen Motiven. Kassandra, trojanische Prinzessin, Priesterin des Apollon und Kriegsbeute des Agamemnon, bietet eine dritte Perspektive. Können die drei Frauen ihre Schicksalsfäden selbst in die Hand nehmen? Und was, wenn sie dabei die Götter herausfordern?
Die Geschichte ließ sich flüssig lesen. Die wechselnden Erzählperspektiven sind natürlich anspruchsvoll und erfordern Mitdenken und etwas Konzentration.
Der Einstieg war für mich reichlich trocken und fiel mir daher schwer. Das mag daran liegen, dass die erste Hälfte des Buchs für mich wenig Neues enthielt. Es ging hauptsächlich um den wohlbekannten Mythos rund um die Belagerung und Eroberung Trojas. Zudem hat der Gedanke an eine feministische Perspektive auf den Mythos gewisse Erwartungen geschürt, die dann nicht eingehalten werden konnten. Das lag für mich vor allem daran, dass mir der emotionale Zugang zu den Charakteren besonders in der ersten Hälfte fast völlig gefehlt hat. Mit der titelgebenden Elektra bin ich bis zum Schluss einfach nicht warm geworden. Ihre Befangenheit und kindliche Sturheit ohne jeden Ansatz einer Entwicklung machten ihre Abschnitte für mich zur Qual.
Die zweite Hälfte begann dann unverhofft besser. Ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel und faszinierendere Handlungsstränge konnten mich endlich fesseln. Aber auch hier gilt: Berühren konnte mich höchstens Klytämnestras Perspektive - und das, obwohl auch sie mir theoretisch reichlich unsympathisch war. Ganz nett war Kassandras Perspektive - definitiv war es toll zu sehen, dass sie eine Stimme verliehen bekam.
Größter Pluspunkt war für mich die düstere, unheilvolle Atmosphäre, die die Essenz der griechischen Mythologie so grandios einzufangen vermochte. Logischerweise wirkt die Handlung dadurch aber auch reichlich bedrückend. Zu zartbesaitet sollte man definitiv auch nicht sein, aber das ist ja nichts Neues bei antiker Mythologie.
Insgesamt wurde ich solide unterhalten und blieb mit enttäuschten Erwartungen zurück. Trotzdem würde ich die Geschichte Fans griechischer Mythologie mit potenziell weniger Vorwissen zum trojanischen Krieg und allen mit Interesse an einer feministischen Erzählweise des bekannten Mythos und modernen Neuerzählungen empfehlen.

Bewertung vom 18.10.2022
Hoffritz, Jutta

Totentanz – 1923 und seine Folgen (ungekürzt) (MP3-Download)


gut

Eingeschränkt empfehlenswert

Das Cover ist ganz hübsch und passend zum Inhalt gestaltet. Auch die Titelinformationen kommen gut zur Geltung.
Zum Inhalt: Anhand exemplarisch gewählter Biografien, unter anderem denen von Hugo Stinnes und Käthe Kollwitz, verfolgt die Autorin verschiedene politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklungen des Jahres 1923.
Der Sprecher macht insgesamt einen soliden Job. Mir war die Originalgeschwindigkeit allerdings fast schon etwas zu schnell, was das Mitkommen erschwert hat. Zusätzlich verstärkt wurde dieses Gefühl noch durch die schnell wechselnden Perspektiven, auf die ich später noch einmal zu sprechen kommen werde. Jedenfalls ließ sich das Hörbuch so immer nur in kleinen Dosen mit ausreichend Pausen genießen, um auch Zeit zu haben, das Gehörte zu verarbeiten und darüber nachzudenken. Der viele Input sorgt insgesamt für anspruchsvolle Unterhaltung, bei der man sich ordentlich konzentrieren muss, um den Faden bei den langen Kapiteln, die sich an den zwölf Monaten des Jahres orientieren, nicht zu verlieren.
Die vier im Klappentext angesprochenen Personen bleiben nicht die Einzigen im Fokus der Erzählung. Für mich wurde durch die ständige Erweiterung des Ensembles immer wieder der Eindruck vermittelt, dass man hier etwas zu viel wollte. Oft bekommt man zwar interessante Details mitgeteilt oder Rückblicke sowie Ausblicke ins Ausland geboten, aber es bleibt durch die Materialfülle eben doch häufig nur bei bruchstückhaften, oberflächlichen Momentaufnahmen. Auch dadurch werden Personen, die sich bereits viel mit der Zeit auseinandergesetzt haben, möglicherweise wenig Neues entdecken können.
Zudem konnte ich nicht aus jeder Perspektive gleich viel mitnehmen. Teilweise wirkten manche Einschübe eher wie unnötiges Füllmaterial. Des Weiteren liegt hier eindeutig auch eher ein Fokus auf der Vermittlung von Gefühlswelten, die Emotionen bei den Hörenden hervorrufen sollen, anstatt schlicht und möglichst objektiv Sachwissen anzubieten. Das führt zu guter Hörbarkeit für Laien, weil das Buch teilweise den Eindruck eines historischen Romans vermittelt. Für mich hatte es aber leider die gegenteilige Wirkung.
Wer weniger Vorwissen hat sowie ein hohes Interesse an Geschichte und vor allem wirtschaftlichen Entwicklungen hegt oder schlicht das Allgemeinwissen aufbessern möchte, könnte dennoch einmal reinhören.

Bewertung vom 11.10.2022
Fry, Stephen

Troja - Von Göttern und Menschen, Liebe und Hass (MP3-Download)


ausgezeichnet

Packendes Hörerlebnis

Am Cover gibt es nichts auszusetzen. Es besticht durch seine Schlichtheit sowie seine liebevollen Details und passt super zum Inhalt.
Der Mythos um Troja, einer Geschichte voll Leidenschaft und Leid, Tod und Liebe, Helden, Tapferkeit und Übermut, dürfte vielen ein Begriff sein. Spätestens wenn wohl bekannte Namen wie Paris, Helena und Achilles fallen. Stephen Fry legt hier eine zeitgemäße Neuerzählung vor, die den Kampf der Götter und Menschen erneut lebendig werden lässt.
Der Sprecher macht einen begnadeten Job. Er haucht den Handelnden Leben ein. So macht das Zuhören richtig Spaß und die gelungene Kombination aus dem Sprecher und Frys Erzählstil hat mich erfolgreich fesseln können. Ich wollte einfach immer weiterhören.
Wer andere Werke Frys bereits kennt, wird um seinen einmaligen Humor wissen. Bildgewaltig erweckt der Autor den Mythos um Troja zum Leben, bringt durch seine humorvolle Ader immer wieder etwas Leichtigkeit in den zuweilen sehr grausamen und düsteren Stoff und sorgt so für ein spannendes Blockbuster-Kopfkino.
Man kann den immensen Rechercheaufwand hinter der Neuerzählung nachvollziehen, da Fry mit gut platzierten Kommentaren auch immer wieder gekonnt zum Mitdenken und Bilden einer eigenen Meinung anregt. Nicht zuletzt deshalb ist das Hörbuch allerdings nichts für zwischendurch. Die Flut an Namen und handelnden Personen - Vorwissen zur griechischen Mythologie und antiker Geschichte ist hier eindeutig von Nutzen - kann anfangs durchaus beängstigend wirken. Dank einfacher schriftstellerischer Kniffe wie Wiederholungen gelingt es dennoch, das Wichtige zu behalten und mitzukommen. Wissbegierde ist folglich jedoch sehr von Nutzen.
Sicher wurde der Mythos rund um Troja schon häufig aufgegriffen und erzählt. Warum sollte man ihn also noch einmal hören wollen? Mich hat am meisten überzeugt, wie gut vorstellbar die Handlung wirkte - ganz so, als wäre man mittendrin. Außerdem lädt Fry uns immer wieder zum Hinterfragen der überlieferten Geschehnisse ein und schafft freie Interpretationsräume. Darüber hinaus bietet sein gewählter Handlungsstrang eine Unmenge an Hintergrundinformationen zur griechischen Götter- und Sagenwelt sowie den Protagonisten auf trojanischer und griechischer Seite. Wir verfolgen die Hintergründe der Belagerung Trojas ebenso wie die Kriegshandlungen selbst und bekommen somit eine beeindruckende, in sich stimmige Gesamtkomposition geboten.
Insgesamt wurde ich großartig unterhalten. Fans griechischer Mythologie, lernwillige Geschichtsinteressierte und alle, die auf der Suche nach einem anspruchsvollen Hörbuch sind, sollten hier unbedingt einmal reinhören!

Bewertung vom 28.09.2022
Blake, Olivie

The Atlas Six / Atlas Serie Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Blieb hinter den Erwartungen zurück

Das Cover ist wunderschön gestaltet, ein echter Eyecatcher eben. Es passt noch dazu perfekt zum Thema Geheimgesellschaften. Wenn wir schon bei äußerer Gestaltung sind, verdienen auch die grandiosen Illustrationen der Charaktere eine lobenswerte Erwähnung.
Zum Inhalt: In jedem Jahrzehnt werden sechs Kandidaten mit herausragender magischer Begabung ausgewählt, um in die Alexandrinische Gesellschaft eingeführt zu werden. Doch nur fünf von ihnen werden letztlich aufgenommen. Wer wird die Initiation erleben?
Der Anfang war wahnsinnig stark. Danach hat mir der Schreibstil aber weniger zugesagt. Jeder Kandidat hat eine eigene Erzählperspektive erhalten, was das Lesen kurzweiliger gestaltet. Allerdings sind diese nicht in der Ich-Perspektive verfasst, sodass immer eine gewisse Distanz zu den Protagonisten erhalten blieb. Außerdem gleicht dieses Buch einem einzigen Gedankenexperiment rund um ein moralisches Dilemma. Es geht weit mehr um philosophische Diskussionen als um tatsächliche Handlung und Action. Auch wenn das eigentlich nicht mein Fall ist, hat die Geschichte mich doch in ihren Bann ziehen können, was mir das Lesen der eigentlich über weite Teile trockenen und theoretischen Passagen ungemein erleichtert hat. Echte Spannung kam nur in Wellen und hat sich stets mit zäheren Strecken abgelöst, dadurch wirkte das Buch wie ein Anfängerwerk.
Die Verarbeitung einiger haltloser Stereotypen, die wohl witzig sein sollten, heutzutage aber einfach nur noch ungebildet und lieblos wirken, hat bei mir Kopfschütteln hervorgerufen. Ansonsten haben mir der Humor und die scharfe Zunge im Erzählstil aber ganz gut gefallen. Auch die alles begleitende unheilvolle Atmosphäre konnte mich überzeugen.
Zu den Charakteren: Die Protagonisten wurden kontrovers und moralisch grau angelegt. So viel hat mir gefallen. Da ich mich, wie bereits beim Schreibstil erwähnt, jedoch nicht besonders gut in jemanden hineinversetzen konnte, war mir auch niemand richtig sympathisch. Erstaunlicherweise hat die Autorin es trotzdem geschafft, dass ich mit den Charakteren mitgefiebert habe, weil jede Person eine ganz eigene Anziehungskraft ausstrahlt.
Das vielfach angepriesene wissenschaftliche Magiesystem ist eher pseudowissenschaftlich unterwegs, verkauft sich aber selbst als hochprozentig. Das Magiesystem bleibt zudem vor allem wahnsinnig wage. Wir erfahren nicht viel über dessen Funktionsweise, was möglicherweise seiner Vielfältigkeit geschuldet ist. Wer außerdem Romantik und enemies-to-lovers-Momente erwartet, könnte ebenfalls enttäuscht werden, denn Liebesgeschichten spielten doch eher eine dezente und untergeordnete Rolle.
Für mich hatte The Atlas Six einen soliden Unterhaltungswert. Mehr aber auch nicht. Es gab kaum überraschende Wendungen, die ich vor allem im Ausblick auf den Folgeband erwartet hatte. Meiner Meinung nach wird das Buch seinem internationalen Hype nur bedingt gerecht, deswegen bin ich momentan auch nicht sicher, ob ich die Reihe überhaupt weiterlesen werde.
Wer eine Kombination aus Urban Fantasy und Dark Academia mit Sogwirkung sucht und sich für philosophische Diskussionen begeistern kann, sollte hier einmal reinlesen.