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geschichten.von.buechern

Bewertungen

Insgesamt 113 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2024
Reise in ein fernes Land (eBook, ePUB)
Christie, Agatha

Reise in ein fernes Land (eBook, ePUB)


gut

Anders als die Kriminalromane

Gleich vorab: Ich habe beruflich schon viele Reiseberichte gelesen und wusste daher genau, worauf ich mich womöglich einlasse. Und nun ja, dieser hier hat es nicht unter die besten geschafft.
Agatha Christie hat ihren Ehemann Max Mallowan in den 1930er Jahren mehrfach zu dessen archäologischen Ausgrabungen in Syrien und den Irak begleitet. Aus ihren Tagebuchnotizen und Aufzeichnungen bastelte sie später diesen Reisebericht zusammen.
Wer ihre Krimis kennt und auf ein ähnlich exquisites Leseerlebnis hofft, wird wohl zwangsweise enttäuscht werden. Der Reisebericht ist zwar gut lesbar und sogar bebildert, die Gliederung und der Erzählstil lassen aber zu wünschen übrig. Abrupte Themenwechsel und Wiederholungen stören das Gesamtbild.
Ich hatte mir zudem mehr Einblicke in die Ausgrabungen selbst gewünscht, da die jedoch das Metier ihres Ehemannes und nicht ihr eigenes waren, findet sich zwar interessantes, aber vergleichsweise wenig dazu. Stattdessen wird uns eher eine Charakterstudie der Mitreißenden, etwas Kultur sowie ein Bericht über Herausforderungen auf außereuropäischen Reisen geboten. All das vollzieht sich – nicht untypisch für diese Literaturgattung – unter westlichen Vorurteilen und Überlegenheitsgedanken, was, ebenso wie die Sprache der Zeit, durchaus in einem Vor- oder Nachwort problematisiert hätte werden sollen.
Wer Agatha Christie jedoch auf einer persönlichen Ebene kennenlernen und etwas über die Beziehung zu ihrem zweiten Ehemann erfahren möchte, wird hier fündig werden. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, mich der berühmten Krimiautorin einmal so nah zu fühlen. Wenn Christie mit Leichtigkeit und Selbstironie über Probleme beim Kleiderkauf, ihre Vorliebe für Schuhe oder Hemmungen bei sozialen Interaktionen schreibt, wirkt sie unglaublich sympathisch.
Allerdings bleiben ein paar offene Fragen: Wenn Christie die bereisten Gebiete so sehr liebte, wie sie durchweg behauptet, warum hat sie sich dann (trotz vor Ort geltender Geschlechterrollen) nie die Mühe gemacht, die Sprache zu lernen? Vor allem, da ihr Ehemann diese hervorragend beherrschte und die Kommunikation auch bei der Haushaltsführung vor Ort immer wieder zu Problemen führte.
Insgesamt kann ich die Lektüre des Reiseberichts nur bedingt empfehlen. Wer Christies Krimis kennt, sollte seine Erwartungen – vor allem sprachlich – reduzieren.

Bewertung vom 09.09.2024
Verbrannte Gnade - Ein Schwester Holiday-Krimi (MP3-Download)
Douaihy, Margot

Verbrannte Gnade - Ein Schwester Holiday-Krimi (MP3-Download)


gut

Das Spiel mit dem Feuer

Das knallige Cover hat mich gepaart mit dem Versprechen auf eine eigensinnige queere Punkrock-Nonne als Ermittlerin beim Brandanschlag auf die Klosterschule sofort angesprochen. Und die Erwartungen leider auch entsprechend hochgelegt.
Eventuell wäre es lohnender gewesen, diese Geschichte in Buchform zu konsumieren, statt sie zu hören. Die wirren, zerstückelten Rückblenden und der den Gedankengängen der Protagonistin folgende sprunghafte Schreibstil sind beim Hören mitunter hinderlich und anstrengend. Ebenso hat mir die Ausarbeitung des Settings in New Orleans zwar sehr gefallen, allerdings hätte ich in diesem Zusammenhang gerne das eine oder andere Wort nachgeschlagen, was bedingt durch das Format schlecht möglich war. Grundsätzlich ist das Hörbuch aber gut eingesprochen und vor allem passt die ausgewählte Sprecherin hervorragend zur Geschichte.
Wir treffen hier auf einen Mix aus Krimi, Familiendrama und Gesellschaftskritik, der alles andere als lebensbejahend ist. Dabei möchte das Buch zudem sehr viele brisante Themen abarbeiten, zu viele in meinen Augen. Die Aussagen hätten subtiler verpackt und den Lesenden mehr zugetraut werden können. Auch etwas weniger Ekelmomente und Wiederholungen hätten der Story nicht geschadet.
Was den Krimiteil angeht, war mir die Auflösung ziemlich schnell klar und obwohl sich die Lage zuspitzte, fehlte es mir an Spannung. Besonders enttäuscht hat mich dann aber das Ende, das viel zu konstruiert wirkte und in dem Charaktere binnen Sekunden eine recht unglaubwürdige Gradwendung hinlegten.
Die Erlebnisse der – wie fast alle Charaktere traumatisch überladenden – Schwester Holiday bilden den Mittelpunkt der Handlung. Sicher dient diese Erzählweise auch dem Kennenlernen der moralisch fragwürdigen Protagonistin. Ich habe nichts gegen eine impulsive und explosive Antiheldin (oder einen krimi noir im Allgemeinen), im Gegenteil. Allerdings habe ich an einem gewissen Punkt leider jedweden Respekt vor der Nonne verloren. Schwester Holidays persönliches Glaubensverständnis fand ich hingegen sehr interessant. Religion bildet logischerweise einen wichtigen Teil ihres Lebens.
Die kriminalistische Untersuchung der Nonne ist jedoch allenfalls als stümperhaft zu beschreiben. Die anderen Ermittlerfiguren wirken unglaublich blass, fast schon dümmlich und sind damit auch kein Material zum Gernhaben.
Für mich war das Hörvergnügen insgesamt eher durchwachsen. Ich hatte mir eindeutig mehr versprochen und verspüre gerade nicht das Verlangen, mehr von Schwester Holiday zu lesen. Wer eher ruhige, düstere Krimis liebt und auch mit unsympathischen Protagonisten mitzufiebern vermag, sollte trotzdem ruhig einmal reinlesen.

Bewertung vom 31.08.2024
Agency for Scandal (MP3-Download)
Wood, Laura

Agency for Scandal (MP3-Download)


ausgezeichnet

Ein Jahreshighlight

Das Cover gefällt mir sehr, weil es gut zu Handlung und Protagonistin passt, dabei aber auch den Titel gekonnt in Szene setzt.
Zum Inhalt: Izzy Stanhope hütet so manches Geheimnis, das ihre Familie ruinieren könnte. Unter anderem ist sie Mitglied einer rein weiblichen Detektivagentur. Als sie in einen Juwelendiebstahl verwickelt wird, gerät bald auch ihr Herz in die Bredouille.
Dieses Hörbuch hat mich wortwörtlich vom Hocker gerissen. Es hat mir als Stimmungsaufheller durch ein paar stressige Wochen geholfen.
Der Genre-Mix aus Krimielementen und historischer Liebesgeschichte ist hier vollends gelungen. Ist die Handlung stellenweise vorhersehbar? Ja, aber das hat meiner Begeisterung keinen Abbruch getan. Hin und wieder war mir eine Auflösung zu rosarot, aber hey, immerhin handelt es sich hier in erster Linie um ein Jugendbuch.
Die Zeit beim Hören ist regelrecht verflogen. Ich musste mich quasi zwingen, dass toll eingesprochene Hörbuch zu stoppen und in den Alltag zurückzukehren. Schlagfertige Dialoge, Humor, Spannung und ein herrlich vielfältiger Freundeskreis laden zum Dauergrinsen und Mitfiebern ein.
Izzy war mir von Beginn an sympathisch. Sie ist selbstlos, ohne sich dabei selbst aus den Augen zu verlieren, zeigt aber auch lebensechte Schwächen trotz all ihrer Stärke. Die Natürlichkeit, mit der casual queerness, wenn auch nur unter den – immerhin prominenten – Nebencharakteren, und starke Frauenfiguren in diese Geschichte mit historischem Setting eingeflochten wurden, gefällt mir unfassbar gut. Vor allem aber liebe ich die feministischen Einschläge: Die Damen brauchen keinen Mann, der sie rettet. Im Gegenteil: Sie retten lieber selbst einen.
Allerdings habe ich den liebenswerten Duke absolut ins Herz geschlossen. Er ist ein love interest zum Anschmachten. Die aufkeimenden Gefühle zwischen Izzy und ihm haben mein Herz erwärmt. Hier wird bewiesen, dass man knisternde Anziehung auch ohne explizite Szenen darstellen kann, was ganz nach meinem Geschmack war.
Ich gehe mit 5-Sterne-Bewertungen nicht gerade großzügig um, aber hier ist eine angebracht. Diese Geschichte ist definitiv nicht nur für die Zielgruppe aus jüngeren LeserInnen geeignet. Ich für meinen Teil freue mich jedenfalls schon sehr aufs Erscheinen der Fortsetzung.
Für Fans von zeitgemäßen historischen Krimis und Liebesgeschichten!

Bewertung vom 25.08.2024
sie zu lieben
Paraquin, Sibylle

sie zu lieben


sehr gut

Sapphic Romance mit Tiefgang

Das Cover ist ein echter Augenschmaus und greift die inhaltlichen Elemente gestalterisch auf. Kurzum: Ein Cover, das wirklich zur Geschichte passt.
Zum Inhalt: Als Lilly und Tara aufeinandertreffen, sprühen die Funken. Doch Lilly kostet ihr lesbisches Singleleben aus, Tara möchte eine Beziehung. Zudem passen die aufkeimenden Gefühle gar nicht ins Chaos ihrer Leben, oder können sie sich vielleicht gegenseitig stützen?
Die Geschichte lässt sich leicht lesen. Durch die wechselnden Erzählperspektiven kommt Abwechslung in die eher ruhige Handlung, die einen Fokus auf die Gefühlswelt der Protagonistinnen legt. Lilly war für mich direkt greifbar, bei Tara hat es etwas gedauert, bis ich sie als Individuum wahrnehmen konnte. Besonders die ersten zwei Drittel haben mir richtig gut gefallen, danach wurde es mir eine Prise zu dramatisch.
Die Handlung ist mir durch ihre Nähe zum echten Leben – vom kritischen Blick auf Lillys akademischen Arbeitsbereich über Familienprobleme und die Suche nach Beruf beziehungsweise Berufung – mehrfach so nah gegangen, dass ich Tränen wegblinzeln musste. Wir treffen hier außerdem mal nicht auf eine direkt perfekte Beziehung, sondern glaubwürdige Zweifel, Herausforderungen und wachsende Gefühle. Die Spiceszenen sind dabei wohldosiert und fügen sich nahtlos ins Geschehen ein.
Ich mochte beide Protagonistinnen, wobei mir besonders Lilly von Beginn an sympathisch erschien. Lillys Beschützerinstinkt und Taras Begeisterungsfähigkeit haben mir mehrfach ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Taras Leidenschaft fürs Fotografieren macht direkt Lust, selbst mit einer Kamera loszuziehen. Ich habe mit ihnen gelitten und ihre Entwicklungen gespannt verfolgt.
Jede gute Liebesgeschichte braucht stützende Nebenfiguren und auch diese treffen wir hier. Manchmal waren sie mir fast etwas zu präsent im Leben der Protagonistinnen. Gefühlt werden die wenigen Seiten von sehr vielen einzelnen Schicksalen eingenommen. Ich würde allerdings jederzeit eines davon in eigener Geschichte verpackt lesen wollen.
Insgesamt hat mich diese queere own-voices-Story gut unterhalten. Selten habe ich eine Liebesgeschichte gelesen, die ich als derart glaubwürdig empfunden habe. Wenn ihr auf der Suche nach einer gefühlvollen sapphic Lovestory mit unperfekten und dadurch lebensechten Protagonistinnen seid, dann solltet ihr hier einmal reinlesen.

Bewertung vom 24.07.2024
Ära der Dunkelheit
McMullen, Luna

Ära der Dunkelheit


sehr gut

Gelungene Fortsetzung

Nach wie vor möchte ich zuerst einmal etwas Cover-Liebe zum Ausdruck bringen. Das Äußere passt einfach sehr gut zur Geschichte dahinter.
Zweiter Band, deshalb verzichte ich an dieser Stelle auf den Klappentext, um niemanden zu spoilern.
Ich falle gleich mal mit der Tür ins Haus: Für mich war Band 2 etwas schwächer als der Vorgängerband. Der Schreibstil hat mir nach wie vor gefallen, allerdings hat die Handlung mich etwas weniger mitgerissen. Warum? Nun beim Auftaktband durchlitt ich fast schon dauerhafte Qualen aus Angst vor der nächsten Seite, weil ich nicht wusste, wie viel mehr den Charakteren zugemutet wird. Jetzt konnte ich das ziemlich gut einschätzen. Also hat einfach der Thrill etwas nachgelassen. Dafür habe ich das Ende definitiv nicht so kommen sehen.
Zudem wird das LeserInnenherz zwar im Verlauf der Handlung ein paar Mal gebrochen, aber schließlich wieder zusammengesetzt. Wer Romance-Subplots mag, wird hier bedient. Ich bin einfach eher Team Spannung, obwohl ich zugeben muss, dass die romantischen Szenen auch mein Herz erwärmen konnten.
Apropos Spannung: Ihr seid Fans von Schlachtenstrategien und Kampfszenen? Dann ist hier eure klare Leseempfehlung! Egal, wie sehr ich momentan meine Lesezeit einteilen muss, sobald es hier richtig brenzlig wurde, klebte ich förmlich an den Seiten und vergaß alles um mich herum.
Die Charakterentwicklung auf die ich nach Band 1 gehofft habe, hat mich nicht enttäuscht. Juna ist nicht plötzlich unbesiegbar, nein, ihre Entwicklung ist viel subtiler, aber dadurch glaubhafter. Sie ist für mich schon eine Fantasyheldin, dabei jedoch gleichzeitig immer noch menschlich, was mir sehr gefällt.
Wenn wir schon bei Charaktertiefe und Irrungen sind: Diese Reihe hat für mich einen der bestgeschriebenen Bösewichte aller Zeiten. Außerdem bin ich sehr dankbar für all die badass Frauenfiguren, egal ob Königin, Leibwächterin oder beste Freundin!
Insgesamt erneut eine Dark Fantasy Empfehlung! In mir haben diese fesselnden Bände meine Vorliebe für die düstere Seite der Literatur wieder zum Leben erweckt und ich bin sehr gespannt auf weitere Werke der Autorin.

Bewertung vom 10.07.2024
Café con Lychee
Lee, Emery

Café con Lychee


sehr gut

Mehr als eine süße queere coming-of-age-story

Das Cover hat mich auf den ersten Blick zwar überzeugen können, nach dem Lesen wirkt es jedoch fast eine Spur zu leicht und farbenfroh für den Inhalt. Allerdings sorgt es immerhin bei seinem Anblick direkt für gute Laune.
Zum Inhalt: Theo Mori und Gabriel Moreno sind alles andere als gut aufeinander zu sprechen. Ihre Eltern führen rivalisierende Cafés, in der Schule stehen sie unterschiedlich gut da und Gabi rennt Theo beim Fußballtraining regelmäßig über den Haufen. Doch als die Familienunternehmen vor dem Aus stehen, müssen sie für deren Rettung zusammenarbeiten. Können sie ihren Groll überwinden?
Diese Geschichte war von Beginn an sehr gut lesbar und hat mir immer ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Naja, zumindest, wenn sie mich nicht gerade zu Tränen gerührt hat. Die wechselnden Erzählperspektiven haben für Abwechslung, vor allem aber auch für Verständnis gegenüber den Protagonisten gesorgt, was ich Gabi gegenüber sonst vielleicht nur schwer hätte aufbringen können. Mit Theo habe ich mich dagegen von Beginn an verbunden gefühlt.
Was mir mit Abstand am besten gefallen hat, ist die Entwicklung der Protagonisten. Der mürrische, impulsive Theo muss einsehen, dass die eigene Wahrnehmung ihn trügen kann, wohingegen der tollpatschige, sozial unbeholfene Gabi lernen muss, dass stillschweigendes Beobachten ihn im Leben kaum weiterbringt.
Letztlich dreht die Geschichte sich weniger um die im Klappentext angesprochenen Cafés, sondern eher um Familiendramen, den Weg zu einem selbstbestimmten Leben und zueinander. Vor allem Theo steht anfangs weit auf der enemies-Seite, weshalb die Annäherung der beiden nur langsam voranschreitet und dadurch sehr glaubhaft wirkt. Macht euch daneben auf Themen wie kulturelle Aneignung und Homophobie gefasst. Aufgelockert wird das Ganze von Musical-ähnlichen Einlagen, allerdings spielt die Romantik hier eher eine untergeordnete Rolle.
Insgesamt wurde ich richtig gut von dieser bewegenden, aber auch Mut machenden Geschichte unterhalten. Wer eine emotionale coming-of-age-Geschichte mit einer Prise gay romance und einigen Foodie-Momenten sucht, sollte hier einmal reinlesen.

Bewertung vom 30.06.2024
Mord auf der Kreuzfahrt (eBook, ePUB)
Blake, Nicholas

Mord auf der Kreuzfahrt (eBook, ePUB)


sehr gut

Reisebericht trifft Mordermittlung

Das Cover hat mich direkt angesprochen, weil es klassische Krimi-Vibes sowie ein gewisses Sommerfeeling versprüht und damit das Setting gelungen aufgreift.
Zum Inhalt: Clare Massinger, eine erfolgreiche Bildhauerin, steckt in einer Schaffenskrise. Um sie aufzumuntern, bucht ihr Partner, der Privatdetektiv Nigel Strangeways, eine Ägäis-Kreuzfahrt. Doch kaum auf dem Schiff angekommen, geraten die Urlaubspläne durch Spannungen unter den Passagieren ins Wanken...
Ich wollte schon länger mal einen der unter Pseudonym veröffentlichten Krimis von Cecil Day-Lewis lesen. Dieser 1959 erschienene Band gehört streng genommen zu einer Reihe, deren Bände sich allerdings unabhängig voneinander lesen lassen.
Die erste Hälfte ähnelt eher einem interessanten Reisebericht mit zwischenmenschlicher Dramatik und selbst mit Einsetzen der Verbrechen bleibt der Erzählstil getragen. Damit ist der Krimi vielleicht eher für Fans klassischer Krimis und cosy crime geeignet. Man folgt den langsam voranschreitenden Ermittlungen sehr genau, wodurch es sich anfühlt, als wäre man mitten im mitunter frustrierend langsam voranschreitenden Geschehen.
Auch wenn das locked room Setting – wobei der Raum hier vom Kreuzfahrtschiff verkörpert wird – grundsätzlich eine vielversprechende Idee ist, hat mir etwas Spannung und damit eine gewisse Sogwirkung gefehlt. Die große Wendung war nicht ganz unvorhersehbar, dennoch habe ich gerne bei den großen und kleinen Geheimnissen der Urlaubsgäste mitgerätselt. An mindestens einer Stelle hätte ich mir jedoch Aufklärung bzw. Problematisierung der Sprache der Zeit durch eine Fußnote gewünscht.
Die größte Stärke dieses Kriminalromans liegt definitiv in der kritisch beobachteten Darstellung menschlichen Verhaltens. Sympathieträger befinden sich unter den Passagieren wohl eher nicht, dafür durchaus faszinierende Persönlichkeiten, darunter unser neugieriger, belesener Detektiv und seine kluge Partnerin. Wir begegnen hier keinen hochintelligenten Masterminds, sondern nahbaren Menschen, die aufgrund logischer Schlussfolgerungen und Beobachtungsgabe zur Aufklärung des Falls gelangen.
Insgesamt wurde ich gut unterhalten und werde irgendwann sicher noch weitere Krimis des Autors lesen. Wer ruhige klassische Krimis liebt und vielleicht auf der Suche nach einem Buch für den Sommerurlaub ist, sollte hier einmal reinlesen.

Bewertung vom 24.06.2024
Stolz und Vorurteil
Austen, Jane;Kühn, Claudia

Stolz und Vorurteil


sehr gut

Klassiker für eine neue Generation

Das Cover ist wunderschön, schlicht ein echter Blickfang und bietet dabei einen ersten Blick auf den Zeichenstil.
Zum Inhalt: Elizabeth Bennet wächst als eine von fünf Töchtern einer überschwänglichen Mutter auf, deren Lebensaufgabe in der Verheiratung besagter Mädchen besteht. Als vermögende neue Nachbarn in die Gegend ziehen, beginnt der Heiratsmarkt sich zu drehen.
Ich bin ein großer Fan des Originaltextes und war deshalb etwas skeptisch dieser Neuinterpretation gegenüber. Manch ein moderner Touch war mir ein wenig zu viel, der Zeichenstil selbst konnte mich allerdings direkt abholen. Die Emotionen wurden perfekt eingefangen, was eine wunderbare Ergänzung zum knapp ausfallenden Text darstellt. Ich habe mich teilweise minutenlang in ihrem Detailreichtum verloren – mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Diese graphic novel ist schnell weggelesen und vor allem gut verständlich. Teilweise wirken die Texte schon etwas stark vereinfacht, woran eingefleischte Fans etwas Anstoß nehmen könnten. So wirken manche Perspektivwechsel etwas abrupt, das Erzähltempo generell recht gerafft, doch das Format begrenzt schließlich auch den möglichen Textumfang.
Insgesamt habe ich es ziemlich genossen, mal wieder in die Welt von Stolz und Vorurteil, meinem liebsten Klassiker, einzutauchen. Für Liebhaber:innen dieses Romans ist die graphic novel sicher ein wundervolles Geschenk und ein Blickfang in jedem Bücherregal. Trotzdem ist sie auch für all jene geeignet, die schon immer mal in die Geschichte eintauchen wollten, sich bisher aber nie an das sprachlich-sperrigere Original herangetraut haben.

Bewertung vom 19.06.2024
Ära der Dunkelheit
Luna, McMullen

Ära der Dunkelheit


ausgezeichnet

Brutal gute Unterhaltung

Das großartig gestaltete Cover passt durch die dunkle Farbgebung hervorragend zum Genre und den nordischen Elementen der Geschichte.
Zum Inhalt: Junas Welt gerät aus den Fugen, als ihre Heimatstadt überfallen wird. Gemeinsam mit anderen jungen Frauen wird sie von grausamen Schattenmagiern in den Norden verschleppt, nichts ahnend welch besondere Fähigkeiten in ihr schlummern...
Wenn ihr darüber nachdenkt dieses Buch zu lesen, schaut euch vorher bitte unbedingt die Triggerwarnungen an. Hier ist drin, was draufsteht: Dark Fantasy!
Die vielen Perspektivwechsel sorgen für kurzweilige Unterhaltung. Daneben greift das unwirtliche nordische High Fantasy-Setting die grausamen Inhaltselemente gelungen auf. Dieses Buch macht regelrecht süchtig. Ich habe den rasanten Start am Stück verschlungen, dann eine dringend benötigte Atempause im Spannungsaufbau genossen, bevor ich für das letzte Drittel Teile meiner Nachtruhe geopfert habe, nur, um vor einem recht gemeinen Cliffhanger zu stehen. Was soll ich sagen? Die Geschichte hat mich in ihren Bann gezogen. Teilweise wäre ich gerne in sie hineingeschlüpft, um jemanden zu schütteln oder gleich mitzukämpfen.
Auch wenn ich gerade die jüngeren Charaktere durchaus sympathisch fand, blieb immer eine gewisse Distanz. Diese ist bei allem, was ihnen widerfährt, allerdings auch durchaus nützlich. Ich habe dennoch mit den Figuren gelitten, gehasst und gehofft.
Die düstere und durchweg bedrohliche Atmosphäre hat dafür gesorgt, dass ich niemandem wirklich getraut habe. Aufwühlend und pulsbeschleunigend ist das Leseerlebnis daher allemal, weshalb die aufkeimenden Freundschaften und der Funken Liebe Balsam für die Seele waren.
Obwohl ich einige Wendungen bereits erahnt habe, saß ich beim Lesen trotzdem wie auf glühenden Kohlen, weshalb ich es kaum erwarten kann, mit dem Folgeband zu starten. Ich bin vor allem auf Junas und Aidens Charakterentwicklungen gespannt.
Halten wir also fest: ein gelungener Auftaktband, der Lust auf mehr macht. Fans von finsteren Actionfilmen und Game of Thrones Intrigen werden hier sicher auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 16.06.2024
Imogen, Obviously (eBook, ePUB)
Albertalli, Becky

Imogen, Obviously (eBook, ePUB)


sehr gut

Vom steinigen Weg zu sich selbst

Das Cover ist niedlich und grundsätzlich passend, wirkt jedoch fast schon etwas zu süß und jugendlich, obwohl die dahinter verborgene, tiefgründige Geschichte nicht nur für junge Lesende geeignet ist.
Zum Inhalt: Imogen, stolze Ally, besucht ihre beste Freundin Lily am College. Doch ihre Bekanntschaft mit Lilis queerer Uni-Clique beginnt mit einer Lüge und ungeahnten Gefühlen für eine von Lilis Freundinnen. Ist Imogen am Ende vielleicht mehr als eine Unterstützerin?
Zu Beginn des Buchs habe ich mich von all den Namen des großen Freundeskreises etwas erschlagen gefühlt, was sich aber schnell gelegt hat. Dazu hat auch die ruhige Handlung beigetragen, die von vielen inneren Monologen geprägt ist. Wer ist Imogen in Bezug auf ihre sexuelle Identität? Und wie geht man überhaupt damit um, wenn die bisherigen Überzeugungen plötzlich infrage gestellt werden? Imogens Gedankenkarussell wirkt so glaubwürdig, lebensecht und ist absolut herzzerreißend, macht aber gleichzeitig auch Mut. Das mitunter schwermütige Gedankenchaos wird regelmäßig von unterhaltsamen Chatverläufen aufgelockert. Allerdings steht von Anfang an fest, in welche Richtung sich alles entwickelt, weshalb mir manchmal leicht die Motivation zum Weiterlesen gefehlt hat.
Imogen ist eine durchweg sympathische Protagonistin. Der besondere Erzählstil erlaubt es, sich ihr sehr nah zu fühlen, mit ihr durch Freundschafts-Anforderungen, Selbstzweifel sowie Momente puren Glücks zu straucheln. Mit Tessas Charakter erhält die Geschichte nicht nur eine weitere liebenswürdige Protagonistin, sondern zudem eine gelungene ADHS-Repräsentation. Auch der herrlich diverse Freundeskreis wirkt so ungezwungen und einladend, dass man sich geradezu einen Platz in diesem Umfeld wünscht.
Doch die Geschichte bietet nicht nur die rosaroten Seiten auf der Suche nach der eigenen Identität. Sie wirft beispielsweise auch einen kritischen Blick auf die (In)Akzeptanz innerhalb queerer Communities und familiäre Reaktionen auf coming-outs.
Insgesamt ist dieses Buch so viel mehr als eine queere coming-of-age story mit einer wundervollen Darstellung des Verliebtseins und damit ist diese feinfühlige Geschichte nicht nur für junge Erwachsene geeignet.