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Hoelzchen

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Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 10.11.2024
Rohn, Lena

Das Kind mit den stummen Augen


ausgezeichnet

Um es gleich vorweg zu nehmen, dieses Buch/Hörbuch verlangt der Leserschaft/Hörerschaft so einiges ab. An sich bin ich recht hart im Nehmen, doch hier machte mich das Gehörte fassungslos, oft war ich den Tränen nah und die Geschichte hat mich tief, wirklich sehr tief berührt. Vor allen Dingen mit dem heutigen Wissen, dass es sich das hier Geschriebene so ereignet haben könnte. Aber worum geht es: Theresa führt zusammen mit ihrer Mutter Inga und ihrer Tante Martha einen Teeladen in Emden. Das Geschäft läuft immer schlechter. Theresa plant Modernisierungen, doch ihre Mutter und ihre Tante sträuben sich. Zunächst soll ein Zeitungsartikel über das Traditionsgeschäft auf den Laden aufmerksam machen und neue Kundschaft anwerben. Der junge Journalist von Bargen soll den Artikel schreiben und Theresa und er beginnen in der Vergangenheit zu graben und decken dabei unfassbare Dinge auf. Im Handlungsstrang der Vergangenheit geht es zurück in die 60er Jahre. Die Schwestern Inga, Martha und Clara werden von ihren Eltern für sechs Wochen in ein Erholungsheim in den Teutoburger Wald geschickt. Dort sollen Sie eine gute Zeit verbringen, so glauben und versprechen es die Eltern den Kindern. Inga ist acht, Martha sechs und Clara erst vier Jahre alt. Schon auf der Busfahrt ins Heim wird klar, dass die sogenannten Tanten und Krankenschwestern fies und garstig sind. Was die Drews-Schwestern und die anderen Kinder dann im Heim erleiden und erdulden müssen ist unbegreiflich. Die schwarze Pädagogik der NS-Zeit ist hier immer noch das Gebot der Stunde und auch als es zu einem Unglück kommt, wird den Kindern kein Gehör verschafft.
Die Autorin Lena Roth hat mit diesem Roman ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte aufgegriffen. Sie tut gut daran, all diesen Kindern von damals eine Stimme zu geben. Viele Jahrzehnte wurden diese Machenschaften totgeschwiegen. Mittlerweile wird aufgeklärt und die Medien berichten darüber. Leider viel zu spät, denn viele Täter und Täterinnen, ja, genauso muss man sie benennen, sind mittlerweile gestorben und können nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Aber es kann einfach nicht genug darüber berichtet werden, und auch dieser Roman trägt dazu bei, aufzuklären. Immer wieder frage ich mich, wie konnten Menschen zu so etwas fähig sein, ihnen anvertraute Kinder so zu quälen. Diese Unmenschlichkeit ist einfach nicht zu fassen.
Die Autorin trifft genau den richtigen Ton und Schärfe. Nichts wird beschönigt. Die Zeitebenen wechseln sich ab, so gelang es mir, in der Gegenwartsebene aufzuatmen, denn der Vergangenheitsstrang ist absolut keine leichte Kost und verlangte mir einiges ab.
Auch die Hörbuchsprecherin Christ Nonnast hat den Roman perfekt eingelesen und macht damit das Hörbuch zu etwas ganz Besonderem. Mein großer Dank geht aber an die Autorin, die es geschafft hat, diese schlimmen Erfahrungen von vielen Kindern, uns in Romanform näher zu bringen.
Eine Geschichte, die gelesen werden muss: 5 Sterne.

Bewertung vom 10.11.2024
Aden, Hanna

Lass uns tanzen, Fräulein Lena


sehr gut

Dies ist die Fortsetzung von „I love you, Fräulein Lea“ und kann auch ohne den ersten Teil zu kennen, gelesen werden. Die Autorin Hanna Aden versteht es, wichtige Fakten aus dem Vorgängerroman einfließen zu lassen, so dass ein Einstieg leicht gemacht wird.
Lena Buth ist mit ihrer Mutter und ihren zwei Schwestern aus den Ostgebieten geflohen. Ihr Vater, ein Pastor, ist bei seiner Gemeinde geblieben, die Brüder als Soldaten in den Krieg gezogen. Von ihnen gibt es keine Lebenszeichen. Lena und ihre jüngere Schwester hat es nach Niebüll in Nordfriesland verschlagen. Ihre Mutter und die ältere Schwester leben in einem dänischen Lager, doch Lena gelingt es, die beiden nach Niebüll zu holen und trotz Wohnungsknappheit schafft sie es, für die vier ein gemeinsames Zimmer zu finden. Als Flüchtlinge haben sie es nicht leicht und Lena muss gegen viele Gerüchte ankämpfen und sich Anerkennung erarbeiten. Zum Glück hat sie Arbeit, am Wochenende hilft sie in vielen Haushalten und in der Woche arbeitet sie im Büro der britischen Besatzer und führt Übersetzungsarbeiten aus. Dort trifft sie auch auf ihre neue Kollegin Doro. Doro kommt aus Berlin und die beiden freunden sich an. Ihr ist es zu verdanken, dass sich Lena auch Vergnügen gönnt und gemeinsam gehen sie tanzen. Eine völlig neue Welt tut sich hier für Lena auf.
Wenn man den Klappentext liest, vermutet man, einen leichten, unterhaltsamen Roman in Händen zu halten. Einerseits ist er das auch so, doch Hanna Aden scheut nicht davor zurück, auch die dunklen Seiten des damaligen Zeitgeistes anzusprechen. Die Nazi-Herrschaft scheint überwunden, doch leider ist die Ideologie noch nicht aus allen Köpfen verbannt. Immer wieder ist das Miteinander innerhalb der Familie ein Thema. Ist Blut immer dicker als Wasser? Auch Lenas Freund Rainer muss sich am Ende diese Frage stellen und auch die Leserschaft kommt ins Grübeln: wie hätte man selbst gehandelt. Der Titel mag suggerieren, dass das Tanzen im Vordergrund steht, dem ist absolut nicht so. Vermutlich sollte eine Wiedererkennung zum ersten Roman hergestellt werden und auch das Cover lässt dieser Vermutung verstärken. Aber das ist ok, mir gefällt, das auch ernstere Themen angeschnitten werden, das Ende jedoch ist zu abrupt. Hier hätten dem Roman noch einige Seiten mehr gutgetan, um den Abschluss glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Ein bisschen mehr Tiefe wäre auch schön gewesen, denn Hanna Aden hat hier viele interessante Charaktere erschaffen, die es verdient hätten, an Bedeutung zu gewinnen. Für mich wäre der Roman dann noch runder geworden.
Nichts destotrotz hatte ich eine gute Lesezeit und wer wie ich, gerne historische Unterhaltungsromane liest, wird seine Freunde an diesem Buch haben. Auf alle Fälle eine Leseempfehlung mit 4 Sternen von mir.

Bewertung vom 03.11.2024
Heldt, Dora

Die Familienangelegenheiten der Johanne Johansen


ausgezeichnet

Der Titel von Dora Heldts neuem Roman klingt vielleicht ein bisschen spröde, aber der Titel täuscht. Wer, so wie ich, ein Fan von Dora Heldts Bücher ist, wird auch diesen Roman lieben und voll auf seine Kosten kommen. Hanseatisch, praktisch, gut eben.
Die Protagonistin Johanne ist mit ihren 65 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet worden. Viele Jahrzehnte hat sie in einer Hamburger Spedition gearbeitet und sie hinterlässt dort eine große Lücke. Aber irgendwann muss Schluss ein, beschließt Johanne. Ihre Familie ist im Besitz einer Hamburger Reederei, welche im Barkassengeschäft tätig ist. Gern hätte sie dort ihr Wissen und Können eingebracht, doch Frauen waren in der Chefetage nicht erwünscht. Johanne ist keine Sympathieträgerin. Sie ist ledig, kinderlos und sie lebt mit der ehemaligen Haushälterin ihrer Großeltern, der 80jährigen Edda, in einem Haus. Familie gibt es kaum. Zu ihrem 85jährigen Onkel Friedrich und ihrer 10 Jahre jüngeren Cousine Louise pflegt sie nur sporadisch Kontakt. Die Reederei wird mittlerweile von Louises Ehemann Thilo-Alexander geführt. Doch dann überstürzen sich die Ereignisse und aus Johannes Rentendasein wird vorerst nichts. Die Reederei braucht sie und Johanne muss so über manchen Schatten springen.
Ich bin so froh, dass ich zur Hörbuchfassung dieses wundervollen Romans gegriffen habe. Der Sprecherin Vera Teltz zuzuhören, war mir ein großes Vergnügen. Sie verleiht jeder Person eine besondere Nuance und sie schafft es, die Protagonisten zum Leben zu erwecken und authentisch klingen zu lassen. Ein großer Dank an Dora Heldt, für diesen tollen Roman. Sie schafft es, dass Bilder im Kopf entstehen. Die Beschreibungen von Orten und Personen sind so anschaulich, so dass man alles ganz klar vor sich sieht und vorstellen kann. Okay, einen kleinen Vorteil habe ich, denn ich lebe in der Metropolregion Hamburg. Doch ich bin mir sicher, auch der übrigen Leserschaft ergeht es so. Immer wieder beschlich mich beim Zuhören das Gefühl, dass die Autorin über eine sehr gute Menschenkenntnis verfügen muss, denn anders ist es nicht zu erklären, dass die Charaktereigenschaften der Personen so gut abgebildet werden. Der Handlungsfluss versprüht eine solche Leichtigkeit, so dass keine Langweile aufkommt. Auch wenn das Ende vorhersehbar ist, so fühlte ich mich als Leserin bestätigt und keinesfalls enttäuscht. Nichts wirkt ausgedacht oder überzogen. Genauso kann sich das alles zugetragen haben. Johanne mit ihrer distanzierten und direkten Art und auch die anderen Frauen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Viel zu schnell waren die 13 Stunden Hörbuch vorbei. Genau solche Romane braucht es, um eine gute Lesezeit bzw. Hörzeit zu haben. Eine absolute Empfehlung mit 5 Sternen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2024
Lamberti, Frieda

Der Brieffreund aus Svealand


sehr gut

Ana und Oliver wohnen mit ihrem sechsjährigen Sohn in Berlin. Alles scheint perfekt, doch plötzlich will Oliver die Scheidung. Er versichert zwar, Ana weiterhin zu lieben, doch er könne nicht mehr mit ihr leben und würde sie schützen wollen, da zu viel in der Vergangenheit passiert sei. Ana kann sich darauf keinen Reim machen und ist verzweifelt. Der gemeinsame Freund Tjorben, aus früheren, gemeinsamen WG-Zeiten, hält weiterhin Briefontakt zu ihr. Er lebt seit vielen Jahren in Schweden und ist ein erfolgreicher Autor. Ana vermutet, dass für Olivers Verhalten die Ursache in Schweden liegen könnte. Mehrmals reist sie dorthin und deckt am Ende unglaubliches auf.
Dieses Buch ist ein typsicherer Roman der Autorin. Wer ihre Bücher kennt, weiß, dass sie einen flüssigen und modernen Schreibstil pflegt und man gute Unterhaltung erwarten kann. So auch hier. Ana ist eine sympathische Protagonistin, die nicht lockerlässt und sich auch nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Der Roman ist spannend und die Auflösung am Ende sehr überraschend. Es gibt immer wieder neue Überraschungsmomente und des kommt keine Langeweile auf. Allerdings stört mich die Darstellung vom sechsjährigen Daniel. Sein Verhalten und seine Sprache erscheinen mir nicht altersgerecht. Auch habe ich meine Probleme mit Olivers Rechtsanwalt. Ich glaube nicht, dass seine Arbeit authentisch ist und im wahren Leben eine andere Leistung zu erwarten wäre. Doch alles in allem hatte ich eine gute Lesezeit und habe den Roman zügig gelesen, weil ich wirklich neugierig auf den Ausgang der Geschichte war und ich mit einem nicht zu erwartenden Verlauf belohnt wurde.
Von mir gibt es 4 Sterne zur Leseempfehlung.

Bewertung vom 23.10.2024
Sims, Gill

Mami braucht 'nen Drink - erst recht an Weihnachten / Tagebuch einer gestressten Mutter Bd.5


ausgezeichnet

Dies ist ein Weihnachtsbuch der besonderen Art und ganz nach meinem Geschmack. Es ist weder romantisch noch gaukelt es uns die heile Welt vor. Es zeigt einfach den Alltag. Die Protagonistin Ellen, ich schätze sie auf Mitte/Ende vierzig, ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Ihre Tochter Jane studiert in Edinburgh und ihr Sohn Peter hat gerade die Schule beendet und nimmt sich momentan eine Auszeit in Thailand. Ende November teilen ihr beide Sprösslinge mit, dass sie Weihnachten nicht Zuhause verbringen werden. Auch andere Familienmitglieder sagen Ellen ab. Sie ist entsetzt und traurig, denn Ellen ist ein absoluter Weihnachtsfan und sie versucht die Feiertage immer wie im Bilderbuch zu gestalten. Nun gerät sie ins Grübeln und dabei erinnert sie sich an die Feste der vergangenen Jahre. Nicht immer lief es harmonisch ab. Oft war es sehr chaotisch und unkonventionell. Der ganz normale Wahnsinn eben, wenn Familien aufeinandertreffen. So wechseln sich die Zeitebenen in diesem Buch ab und wir huschen durch Gegenwart und Vergangenheit. Ich hatte beim Lesen großen Spaß. Natürlich ist einiges übertrieben dargestellt, aber sei es drum, es ist tolle Unterhaltung und ganz ehrlich, es stecken auch viele Wahrheiten in diesem Roman. Wenn man tief in sich hineinhorcht, kann man bestimmt den ein oder anderen persönlichen Bezug herstellen. Soweit entfernt ist die Autorin von der Realität nicht. Sie versteht wirklich ihr Handwerk. Gill Sims hat hier einen lockeren und heitern Roman verfasst. Es gibt noch weitere Bücher aus dieser Reihe, dies ist bereits der fünfte Band. Die anderen Teile kenne ich nicht. Der Kurzbeschreibungen nach, begleitet man Ellen und ihre Kinder von klein bis groß. Für mich passte dieser Weihnachtsband perfekt, sind meine Kinder doch im ähnlichen Alter von Ellens und ich hatte wirklich meinen Spaß bei vielen Deja-vu-Momenten. Auch wenn ich Ellens Alkoholkonsum etwas bedenklich finde. Weihnachten kann kommen und Dank Ellen werde ich cool und relaxt sein.

Bewertung vom 23.10.2024
Helford, Anna

Winterhoffnung / Season Sisters Bd.4 (2 MP3-CDs)


sehr gut

Dies ist nun der vierte und letzte Teil der Season Sisters. Auch dieser wurde von mir wieder als Hörbuch gehört. Vermutlich ganz bewusst, wurden für alle vier Aufnahmen unterschiedliche Sprecherinnen gewählt. Hier nun hat Simone Terbrack den Roman eingelesen. Ihre Stimme gefällt mir sehr gut, sie passt zur Geschichte und ich habe ihr gerne zugehört. Sie klingt natürlich und authentisch. Im Mittelpunkt steht in diesem Roman Winter. Sie ist die zweitälteste der vier Schwestern und pflegt seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Mittlerweile lebt sie in New York und ist eine erfolgreiche Anwältin. Bald wird sie den Sohn ihres Chefs heiraten. Unerwartet erhält sie einen Brief aus England, in welchem sie über eine Erbschaft ihrer verstorbenen Großmutter informiert wird. Kurzentschlossen reist Winter nach Großbritannien. Daraus entwickelt sich dann die Geschichte der Gegenwart. Natürlich gibt es auch in diesem Band wieder eine Handlungsebene der Vergangenheit. Diese beginnt im Jahr 1879. Lady Viola leidet an einer Lungenkrankheit und sie reist zur Genesung nach Exmoor, auf ein Anwesen Namens Whitball Hall. Begleitet wird sie von ihrer Zofe Rosie. Lady Violas Gesundheitszustand bessert sich nicht wirklich und bald bewahrheiten sich Rosies Befürchtungen und sie deckt schlimme Geschehnisse auf.
Ich mag Romane mit wechselnden Zeitebenen. Hier gefällt mir der Vergangenheitsteil viel besser. Er ist spannend geschrieben und birgt einige Überraschungsmomente. Der Gegenwartsteil hingegen ist einerseits sehr vorhersehbar, anderseits aber auch nicht sehr realistisch. Wie auch schon im dritten Buch von mir angemerkt wurde, erscheint mir die Verknüpfung doch sehr konstruiert. Doch alles in allem ist dieser Teil wieder runder, im Vergleich zum dritten Band und es ist lohnenswert ihn zu hören bzw. zu lesen. Das Ende allerdings war mir dann doch zu schnell, hier hätte ich mir noch mehr gewünscht. Nun habe ich die vier Schwestern durch vier Bücher begleitet, da hätte der Abschluss und das Aufeinandertreffen von Spring, Summer, Autumn und Winter mit den Eltern durchaus gefeiert werden können. Alles in allem aber eine unterhaltsame Reihe, die ich gerne empfehle.

Bewertung vom 20.10.2024
Hempel, Patricia

Verlassene Nester


gut

Dieser Roman schildert einen Sommer der 13jährigen Pilly. In den frühen 90er Jahren lebt Pilly zusammen mit ihrem Vater im Osten Deutschlands. Ihre Mutter ist in den Westen gezogen. Genaueres weiß Pilly nicht über sie und die Umwelt hält sich bedeckt. Viel passiert nicht in Pillys Kleinstadt und sie versucht mit Katja und Bine Freundschaft zu schließen. Schnell wird ihr klar, dass die beiden sie zu Beginn ausnutzen, doch dann entwickelt sich zwischen Katja und Pilly eine Zuneigung. Bine wird eifersüchtig. Das Blatt wendet sich, als Katja eine Beziehung zu einem älteren Mann beginnt und Bine den Kontakt zu Pilly sucht. Das Schicksal nimmt seinen Lauf und für Pilly wird nach diesem Sommer vieles anders werden.
Auch wenn ich mit Patricias Hempels Roman „Verlassene Nester“ nicht richtig warm geworden bin, so muss ich sagen, dass es ihr hervorragend gelingt, die trostlose Stimmung der Menschen und ihrer Umgebung abzubilden. Ich komme aus dem Westen und hatte keine Berührungspunkte zum Osten. Umso wichtiger sind diese Romane, denn sie helfen uns, dass Menschen einander besser verstehen können. Patricia Hempel bringt die Stimmung der Bevölkerung genau auf den Punkt. Einerseits wird dem Verlorenen nachgetrauert, anderseits ist da diese Neugierde auf die Zukunft. Und die Jugend, so wie hier Pilly, Katja und Bine, steht verloren dazwischen. Die drei genießen eine völlig andere Kindheit. Kein Vergleich zu meiner in den 1970/80er Jahren oder der Kindheit meiner Kinder in den 2000/10 er Jahren. Pillys Schrei nach Liebe hat mich berührt und fassungslos gemacht. Niemand scheint sie zu hören und zu verstehen. Sind alle nur mit sich selbst beschäftigt? Ist es ein Selbstschutz? Diese Fragen werden leider nicht geklärt und so lässt mich dieser Roman ein bisschen ratlos zurück. Sprachlich macht die Autorin alles richtig, sie passt sich an und lässt den Zeitgeist aufleben. Doch der Roman hat seine Längen und schweift hier und da ab, hier hätte ich mir mehr Struktur gewünscht.

Bewertung vom 17.10.2024
Norton, Graham

Heimweh


sehr gut

Nachdem ich bereits „Eine irische Familiengeschichte“ gehört habe, war ich auf der Suche nach weiteren Büchern von Graham Norton, die von Charly Hübner eingelesen sind. Die beiden passen einfach gut zueinander und es ist ein großer Spaß Charly Hübner zuzuhören. Auch in „Heimweh“ geht es wieder um eine irische Familie. Connor wird als junger Erwachsener in einem Verkehrsunfall verwickelt. Er trägt demnach Schuld an den Tod mehrerer junger Menschen aus seiner Kleinstadt. Um Abstand zu gewinnen und um an dem Unglück nicht zu zerbrechen, geht er fort. Seine Stationen: Dublin, London und New York. Den Kontakt zu seiner Familie bricht er ab und es sollen fast 30 Jahre ins Land gehen, bis sie sich durch eine Zufallsbegegnung wieder annähern. Viel ist passiert in diesen Jahrzehnten, doch die Erinnerungen an damals holen Connor wieder ein. Am Ende werden Wahrheiten preisgegeben und endlich ist er frei.
Graham Norton überzeugt mich auch mit diesem Roman wieder. Er bildet die Charakterzüge seiner Protagonisten sehr menschlich ab und spricht viele gesellschaftliche Themen an. Man kann sich das alles sehr gut vorstellen: das ländlich, von der Kirche geprägte Irland, die Enge und gleichzeitig Weite, Connors Verunsicherung, aber auch die Veränderungen, die mit den Jahren Einzug halten. Leider verliert sich Norton teilweise in seinen Beschreibungen und einige Passagen sind langatmig, hier hätte ich mir mehr Tempo gewünscht. Doch zum Romanende stellen sich Überraschungsmomente ein, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Wer, wie ich, ruhige und unaufgeregte Familiengeschichten mag, die auch gesellschaftliche Themen ansprechen, wird an diesem Roman große Freude haben.

Bewertung vom 17.10.2024
Bode, Sabine

"Ich will aber Agnetha sein!"


ausgezeichnet

Vor 50 Jahren gewannen ABBA den Grand Prix Eurovision de la Chanson, heute bekannt als Eurovision Song Contest. Die Autorin outet sich als großer ABBA Fan und ich bin wirklich erstaunt, über das Wissen, welches sie in ihrem Buch preisgibt. Ich bin nur wenige Jahre älter und war in meiner Kindheit auch ein großer ABBA Fan, so dass mir die vorgestellten Lieder, Schallplatten etc. sehr vertraut sind. Vieles habe ich zwischenzeitlich schon wieder vergessen und Sabine Bode hilft meiner Erinnerung auf die Sprünge. In den kurzen und sehr amüsant geschriebenen Kapiteln geht es aber nicht nur um ABBA, auch wenn die Popgruppe im Mittelpunkt steht, Sabine Bode bringt uns den Zeitgeist dieser Jahre zurück: eine unbeschwerte Kindheit ohne Social Media und Helikoptereltern. Bislang habe ich noch kein Buch von Sabine Bode gelesen und somit wusste ich nicht, auf was ich mich einlasse. Der Funke ist sofort übergesprungen. Sie schreibt humorvoll und spricht das aus, was viele nur denken. Sicherlich muss man der Generation 50+ angehören, um die vielen Kindheitsanekdoten und die Geschichten um ABBA nachvollziehen zu können. Aber wenn stört es, wir sind viele. Die geburtenstarken Jahrgänge sind präsent wie eh und je und reiten gerne auf der Nostalgiewelle. Der lockere und moderne Schreibstil bietet gute Unterhaltung auf angenehme Art und Weise. Nie überdreht, einfach ehrlich und authentisch. Tränen gelacht habe ich bei der Schilderung der Mottoparty. So viele versteckte Wahrheiten, die sich da auftun. Mehr geht wirklich nicht. Sabine Bode ist eine Menschenkennerin und ihre Beobachtungsgabe sei es gedankt, dass sie versteht die menschlichen Wesenszüge perfekt abzubilden. Eine 5 Sterne Leseempfehlung für alle, die mal wieder in Erinnerungen schwelgen möchten, den trüben Alltag ausblenden wollen und einfach nur gute Unterhaltung suchen. Dann bitte zu diesem Buch greifen. Es lohnt sich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.10.2024
Georg, Miriam

Im Nordlicht / Nordwind-Saga Bd.2 (2 MP3-CDs)


ausgezeichnet

Und weiter geht es mit der Nordwind Saga. Zum Glück ließ dieser zweite Teil nicht lange auf sich warten, so dass mir alle Personen noch sehr vertraut waren. Ich war so neugierig wie diese Geschichte ausgehen wird und ich wurde nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil, der zweite Teil übertrifft tatsächlich den ersten. Ich hätte nicht erwartet, dass dies noch geht. Im ersten Teil steht Alice im Mittelpunkt, der zweite Teil kommt vielschichtiger daher. Die Autorin lässt uns teilhaben an den Problemen der Familienmitglieder Reeven. John hadert damit, Eveline heiraten zu müssen, nach wie vor spürt er eine große Zuneigung für Alice, die mittlerweile im Hause Reeven arbeitet. Alice kämpft immer noch um die Scheidung und sucht ihre Tochter Rosa, die ihr Mann Henk ihr entzogen hat. Johns Bruder Julius ist nicht glücklich in seiner Ehe mit Margrit, die wiederrum auch nicht. Und auch Blanche, die Schwester von John und Julius kämpft mit Eheproblemen. Ab und zu kommt es auch wieder Rückblenden, in denen es um Alices Vergangenheit geht, diese müssen sein, um Alices Handeln und Situation besser verstehen zu können. Besonders gut gefällt mir auch hier wieder die Affinität zu Hamburg. Man merkt, dass die Autorin Miriam Georg, obwohl sie in Berlin lebt, ein Herz für Hamburg hat, diese Stadt gut kennt und liebt. Alles ist außerordentlich gut recherchiert und hat Hand und Fuß. Die Hörbuchsprecherin Tanja Fornaro ist wieder ein voller Erfolg und genau die richtige Stimme für diesen tollen Roman. Sie macht die Geschichte zu einem besonderen Hörgenuss, weitere Hörbücher von Miriam Georg und Tanja Fornaro wurden bereits von mir gekauft, da ich finde, dass die beiden einfach ein tolles Team sind und genau meinen Geschmack treffen. Das 13 ½ lange Hörbuch wurde von mir an einem Wochenende gehört, dass sagt eigentlich schon alles aus. Ein ganz großes Lob möchte ich fürs Romanende aussprechen. Passender hätte es nicht sein können und im Prinzip gäbe es sogar noch die Möglichkeit einer Fortsetzung, denn der Roman endet mit dem Beginn des 1. Weltkrieges.
Für die Leserschaft von historischen Romanen, spreche ich eine unbedingte Leseempfehlung aus, aber bitte vorab mit dem ersten Teil beginnen, sonst wird es schwierig.
5+ Sterne.