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Edda246
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Hamburg

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Insgesamt 93 Bewertungen
Bewertung vom 03.11.2021
Nesbø, Jo

Eifersucht


sehr gut

Verwöhnt von den Harry Hole und anderen langseitigen Romanen Nessbos , ist dieser neue Band mit Kurzgeschichten ein anderer Wurf.
Jede Geschichte ist abgeschlossen und behandelt das Thema "Eifersucht" auf ganz individuelle Weise und sehr einfallsreich in der Art wie die Protagonisten damit umgehen und die Konsequenzen tragen. Sie überschreiten Grenzen. Hier stellt sich nicht die Frage nach rechtsstaatlichen Konsequenzen,
sondern behandelt eine jeweils individuelle Rechtssprechung. In der längsten Geschichte "Eifersucht" fließt auch das Thema Schuld ein.
Die Figuren sind nicht flach, doch oft uninteressant; durch das Betrachten und Staunen bleibt man distanziert und die Erzählzeit ist vermutlich zu kurz, um mit den Protagonisten warm zu werden, der Versuch, die jeweiligen Taten zu erklären, macht die Personen nicht wirklich sympathischer.
Es bleibt beim Betrachten,Staunen und Schmunzeln. Ich wurde nicht hineingezogen und mitgerissen oder aufgefordert, zu spekulieren.
Die Geschichten stehen für sich und blieben mir, ganz im Gegenteil zu Nessbos langseitigen Romanen, in der Distanz des Betrachtens. Die Geschichten, bei denen die erzählte Zeit kurz ist, haben mir am besten gefallen und mich gut unterhalten. Anders als bei Nessbos langseitigen Romanen, die durch einen besonders konstruierten Spannungsbogen bestechen, ist ja allgemein in Kurzgeschichten alles auf wenigen Seiten enthalten, eine Kunst für sich. Das Überraschungsmoment zeichnet Nessbos kurze Geschichten aus und gute Unterhaltung, auch Spannung. Sie hallen allerdings bei mir im Gegensatz zu den Romanen kaum nach.

Bewertung vom 20.09.2021
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


ausgezeichnet

Tom ist Fotograf. Jeden Weihnachten fotografiert er „den perfekten Moment“ bevor er zerspringt“. Doch dieses Weihnachten soll anders anfangen. Tom ist aufgrund der Witterungsverhältnisse gezwungen, seinen erkrankten Sohn Luke aus dem Nordosten Englands nach Hause zu holen. So macht er sich auf eine Autofahrt auf durch den Schnee von Nordirland nach Sunderland auf, ihn abzuholen. Doch nicht nur Luke ist in den Gedanken von Tom – er reflektiert Teile seines Lebens auf dieser Reise. Seine Frau Lorna und seine anderen Kinder, zuallererst sein Sohn Daniel. Dieser taucht dem Fotografen Tom während seiner Fahrt immer wieder schemenhaft auf. Es wird eine reale Fahrt zu Luke und eine innere Reise zu Daniel.
Tom lässt seine Geschichte und die seiner Familie vor seinem inneren Auge ablaufen, insbesondere die von Daniel. Der Roman nimmt langsam Fahrt auf und fängt nach und nach an zu fesseln. Das Buch hat keine Kapiteleinteilungen, es liest sich, im übertragenden Sinn, wie eine lange Autofahrt.
Zuerst dachte ich, der Leser ist Voyeur für eine sentimentale Geschichte von großer Schuld. Doch die Geschiche, so einfach sie erscheinen mag, erzeugt einen Sog durch die leisen Töne, die zwingen, genau hinzuhören. Ein Roman, der sich durch die Bildhaftigkeit einprägt – ganz genauso wie die Fotografien, die Tom, der Fotograf,beschreibt. So wird man auf verschiedenen Ebenen gefordert. Eine bildhafte Sprache, es gibt, viele Gleichnisse, Metaphern - Momentaufnahmen der Erinnerung an Vergangenes runden den Roman ab und geben Hinweise und Anregungen. z.B. „wir suchen uns unsere Unfälle nicht aus““
Eigentlich möchte niemand die Schuld von anderen lesen, ich war skeptisch. Doch es ist einen Konfrontation, der nicht auszuweichen ist, mit sich selbst in aller Ehrlichkeit, die berührt. Während dieser Reise passiert etwas mit Tom. Diese Momente sind zutiefst menschlich, dadurch eindringlich. Diese Reise hat lange nachgehallt, auch aufgrund der Schönheit der Ausdrucksweise des Autors. Der Leser ist niemals überfordert, es entsteht eine Leichtigkeit, da sich alles auf die eine Thematik bezieht.
„Doch ich könnte wahrscheinlich nicht annähernd einfangen, was in diesem Moment verborgen liegt“, meint Tom einmal in Hinblick auf seine Fotografien – Dieses kleine Buch schafft auf 190 Seiten zwar keine Momentaufnahme, jedoch mit unglaublicher Feinfühligkeit schafft der Autor, den Leser zu berühren und eine Tiefe hervorzuholen, die nachhallend ist und daher anschließend noch überrascht.

Bewertung vom 09.09.2021
Mandel, Emily St. John

Das Glashotel


ausgezeichnet

Das Hotel Caiette liegt in der Wildnis, nur zu erreichen durch ein Boot, doch ist es eine Sehenswürdigkeit durch dessen gläserne Fassade. Hierher kommen Hotelgäste, die geschützt hinter Glas beobachten wollen. Es vermittelt fast, so wird gesagt, das Gefühl außerhalb von Zeit und Raum zu sein. ( Auch das Cover wird verständlich durch das Beschreiben der Bilder der Malerin Olivia, deren Landschaften in eine völlig anderes, als das reale, Licht getaucht waren.)
Jäh nimmt das Schicksal der Barkeeperin Vincent einen anderen Verlauf, als auf einer der Glasscheiben eine Aufforderung zum Selbstmord eingeritzt wird. Vincent lernt den älteren und reichen Jonathan kennen, den Hotelbesitzer. Sie ergreift die Gelegenheit ihres Schicksals und in all dessen Wirrungen und Verwirrungen im Laufe von 392 Seiten ist das Ziel ihre ureigene Freiheit.
Der Roman beginnt mit der Perspektive der beiden Geschwister Vincent und Paul. Doch es sind nicht die einzigen Protagonisten, die Perspektiven wechseln, die Zeiten wechseln, dicht verwoben wird erzählt, doch immer leichtfüßig und niemals langweilig. Der Ball wird weiter geworfen. Ein zu langes Haften am Einzelnen ist nicht das Anliegen. Es hat mich nicht gewundert, zu lesen, dass Emil St. John Mandel Tanz studiert hat. Der Roman ist wie eine Choreographie, Menschen begegnen sich, teilen Schicksal, entfernen sich, nähern sich.“ und das in einer geschriebenen Leichtigkeit, die dennoch in die Tiefe geht. Es geht um Schicksalswege, die so nur in den USA so stattfinden können, dort, wo es das soziale Auffangen wie hier nicht gibt. Dafür der Witz und das Ergreifen von Möglichkeiten zum Überleben – das Abenteuer Leben. Ein Buch voller neuer Wendungen, Erkenntnissen, Täuschung und Wahrhaftigkeit und auch Rätselhaftes, wie der Spruch am Hotelfenster, der sich erst zum Schluss des Romans erklärt.
Eine durchgängige und wunderbare Lesefreude, großartig geschrieben, verwoben und sehr bereichernd. Eine absolute Empfehlung!

Bewertung vom 26.08.2021
Pflüger, Andreas

Ritchie Girl


ausgezeichnet

Ritchie Girl von Andreas Pflüger

Wie in seinen vorherigen Romanen ist die Protagonistin eine intelligente junge Frau.
Hier ist der rote Faden die Geschichte von Paula Bloom, die in den Irrungen der Nachkriegszeit im eroberten Deutschland zum Einsatz kommt. Ausgebildet als Richie Girl – in Camp Richie in Maryland, wo seit 1943 auch emigrierte Frauen rekrutiert wurden, um zurück nach Deutschland, bei der Nazi - Identifizierung zu helfen. So gelangt Paula zurück in ihr damaliges Heimatland und steht vor der Aufgabe, einen vermeintlichen Sowjetagenten, Johann Kupfer, zu enttarnen. Hierbei wird sie mit ihrer eigenen Geschichte konfrontiert und muss sich ihr stellen –

Kameradschaft, wie in Pflügers Romanen um Jenny Aaron, ist hier nicht das Hauptaugenmerk, hier spielt der Geheimdienst. Was ist wahr, wem kann man Vertrauen, welches sind die Motive des Einzelnen und kommen ans Licht - ein hochinteressanter Aspekt und sehr wandlungsfähig im Laufe der Zeitgeschichte, der Schuld auflädt – auf welcher Seite auch immer man steht. Pflüger entlarvt – durch Dialoge – humorvoll und intelligent und schafft es, den roten Faden: unbedingtes Vertrauen und Liebe bis zum Schluss zu spinnen - übrigens mit einer überraschenden Wendung und sehr spannend.
Das Wiedererkennen bedeutender Persönlichkeiten der Geschichte, die später Berühmten, wie Otto Dix, Marlene Dietrich,Charlie Chaplin, Schriftsteller wie Hemingway oder Graham Greene zum Beispiel, heben die Betroffenheit auf eine amüsante Ebene. Sie werden zu Begegnungen, Erinnerungen an Begegnungen; aus Zukunftssicht berichtet und beschrieben – und so entstanden bestens recherchierte, phantasievolle und in hohem Maße auch humorvolle Dialoge. Gerade die Dialoge und Gedanken der Protagonisten machen den Roman aus. Dialoge, die es in der Gegenwart des Geschehens so niemals geben könnte – oder doch? - das macht den unglaublichen Zauber und die Anziehung des literarischen Könnens von Andreas Pflüger aus. Kurze, mit Sinn vollgepackte Sätze, Satzfragmente, deren Inhalte lange zum Nachgrübeln und Reflektieren anregen. Der Roman ist keineswegs leichte Kost und durch die geschichtlich umfangreich recherchierten Personen und Orte, die man sich vergegenwärtigen muss, ist es teilweise auch mühsam, voranzukommen. Doch die Belohnung ist reichhaltig. Kennt man schon und ist verwöhnt von vergangenen Romanen, z.B. „Operation Rubikon“ die beste Recherche, so toppt Andreas Pflüger mit diesem großen Wurf „Ritchie Girl“ sein Können.
Ein dichter zeitgeschichtlicher Roman ganz nah am damaligen Geschehen, geschrieben mit literarischer Kunst.
„Du hast dein ganzes Leben lang diesen Roman in dir gehabt und es nicht gewusst“, kommentiert er. Andreas Pflüger, in den 1960ger Jahren aufgewachsen, konfrontiert mit einem Großvater, der Nazi war, arbeitet in diesem Roman seine und somit deutsche Vergangenheit auf ,indem er authentisch beschreibt und aufdeckt.
Die Sonderseiten des suhrkamp Verlages sind sehr aufschlussreich und komplementieren das Gelesene. Mit Fotografien des Nachkriegsdeutschlands , einem „Kaleidoskop der Zeit“ wird man bereichert mit den im Roman auftretenen Personen in echten und geschichtlichen Begebenheiten.
So ein komplexes sowie fiktives Werk mit großartigem literarischem Können ist einzigartig auf diese Weise und ist Lehrbuch und beeindruckende Literatur in einem.

Bewertung vom 20.07.2021
Nunez, Sigrid

Was fehlt dir


ausgezeichnet

Der Versuch einer Annäherung an ein Thema, das ein schwieriges ist, die Sterbensbegleitung.

Der originale Titel „What are you going through“ ist für mich treffender, als die deutsche Übersetzung. Dieses Buch beschreibt einen Zeitabschnitt, indem sich zwei ehemalige Freundinnen während eines ungewöhnlichen Lebensabschnitts, ihre damals tiefe Freundschaft erneuern.

Die todkranke Freundin der Protagonistin ist selbstbestimmt und stellt sich ihre letzten Tage mit einer Begleitung in einem schönen Haus in schöner Umgebung vor.
Ein sehr trauriges Ereignis, doch die beiden machen sich auf zum unbekannten Abenteuer. Die gemeinsame letzte Zeitspanne wird von der Ich-Erzählerin betrachtet und durch viele Essays bebildert. Intelligent und berührend, man kann sich dem Charme und feinem Humor dieser kurzen Erzählungen nicht entziehen und taucht gerne ein, Der rote Faden ist das reale Verhältnis der Erzählerin zu ihrer Freundin und ist nicht ein bedrückendes Schwergewicht des Romans, macht aber das sensible Thema Sterben und wie man damit umgeht, leichter. Die Menschlichkeit durch die eingefügten, traurigen doch auch urkomischen Essays, Anekdoten, über Ausschnitte anderer Schicksale, lassen nicht unberührt zurück. Es wird ein emotionaler Bogen gespannt zu dem tatsächlichen Roten Faden, das Sterben der Freundin und die Sterbensbegleitung. Ist es doch ein Thema, zu dem wir nichts sagen können da es uns selbst noch nicht betroffen hat.
Sigrid Nunez schreibt intelligent, sensibel, mit großem Herz für ihre Mitmenschen und gesunder Distanz. Mag man auch manche sprunghaften Gedanken nicht nachvollziehen, bleibt es doch ein nachhallender Roman, überraschend ehrlich, dadurch humorvoll und nie aufdringlich. Ein gelungener Spagat zwischen Betrachtung und Tiefe.
Schöne Literatur, die leise und doch kraftvoll nachklingt.

Bewertung vom 17.05.2021
Ani, Friedrich

Letzte Ehre


ausgezeichnet

Ein Roman über Frauen als Opfer mit einer weiblichen Protagonistin von einem männlichen Autor.

Der Verdächtige Barig im Fall der verschwundenen Finja führt in die dunkle Welt der Fantasien. Doch das ist erst der Anfang.
Es geht in diesem Roman um vier Frauen, die zu Opfern wurden – von jeder erfahren wir ihr Schicksal und ihre Konsequenz, damit umzugehen.
Fariza Nasri, die Oberkommissarin konfrontiert sich mit eigenen sowie den Abgründen der Frauen, mit denen sie zu tun hat. Vermisst, vergewaltigt, geschändet. Als es ihre beste Freundin trifft, schafft sie es gegen Widerstände, den Fall aufzunehmen; gerät selbst in das Visier von Anfeindungen.

Es gibt keinen schützenden Gott, wie den Kindern glaubhaft gemacht wurde, doch es gibt eine Gerechtigkeit. Fariza Nasri ist deren Gehilfin. Sie ist prädestiniert für die Gesprächsführung – hat sie nicht auch eine dunkle Seite, die verdrängt ist. Auch sie schaut in den Spiegel und sieht. Mit feinem psychologischem Gespür für Wahrheit und Lüge und im Bewusstsein, dass das Aussprechen, die Gnade ist und eben nicht die Beichte in der Kirche, die oft missverstanden wurde. Alles Unausgesprochene wird zur Qual. Fariza ist die „Geburtshelferin. Durch ihre Art des Einlassens in die Fälle der vermissten und geschändeten Frauen, von sehr jung bis alt, deckt sie Verborgenes auf. Und die Lebensgeschichten der Frauen sind aufwühlend.

Friedrich Ani, der Autor, gibt in seinem Roman diesen Frauen, ganz besonders Frau Nasri, die letzte Ehre. Die Fälle verknüpfen und kommen Fariza Nasri immer näher, die Oberkommissarin, die feinsinnig und gnadenlos Wahrheiten aufdeckt;
Die männlichen Täter bewegen sich in Grauzonen, die hiermit einen Namen bekommen - Grauzonen wie Gier, Wegsehen, Machtmissbrauch und Vertuschung – ausgeführte männliche Fantasien; ein verwerfliches Sittenbild,
Niemals langweilig, unglaublich berührend – große tiefsinnige und intelligente Spannung und ein kluger Aufbau, sehr feinsinnig umgesetzt und poetisch erzählt.

Ich hatte Tränen in den Augen so ergreifend. Ganz großes Erzählen – ein Meisterwerk.

Bewertung vom 03.05.2021
Pásztor, Susann

Die Geschichte von Kat und Easy


ausgezeichnet

Die intensivsten Freundschaften sind oft die, in der Schulzeit geschlossenen. So erging es auch Kat und Easy. In den frühen 1970ger Jahren 16 Jahre alt und bereit für das, was die Zeit auswarf. Aus der Sicht von Kat geschildert, bekommt man einen Eindruck von Spießigkeit und Ausbruch ins eigne Leben. Neue Musik, Drogen, Parties, Zusammenkünfte im Jugendzentrum der Kleinstadt Laustedt. Die erste Verliebtheit, die beginnende Hippiezeit. Der zweite Erzählstrang findet in der Jetztzeit statt, wo sich beide, inzwischen über 60 Jahre alt, durch einen Blog von Kat wiedergefunden haben. Kat entscheidet sich, erst zögernd, mit Easy einige Tage in deren Ferienhaus auf Kreta zu verbringen. Schauplatz ist Süd Kreta, nahe Matala, bekannt für die jährlichen Hippie Revival Festivals. Damals wie heute geschildert, spielen Musik und Dogen eine Rolle in ihren sozialen Begegnungen und so lockern sie auch ihre Begegnung auf Kreta, so dass auch die anfänglich zurückhaltende Kat sich nach und nach ihren Erinnerungen stellt. Diese stimmen nicht immer mit denen von Easy überein und so müssen sich die beiden ihren Unwahrheiten und den Ungeklärtheiten ihrer damaligen Trennung stellen; ebenso den Konsequenzen, die daraus erwuchsen.. Ergänzt wird ihre Begegnung durch die Kommunikation über Katis Blog, bei der Kati die Ratgebende und Easy die Fragestellerin ist.

Der Roman regt an: Die Rückschau in älteren Jahren und der Wunsch nach Aufklärung von Missverständnissen. Wie hätte es sein können, wenn die Welt sich durch Ehrlichkeit anders gedreht hätte – wer wäre man dann jetzt? Susann Pasztor beschreibt eine vergnügliche Aufarbeitung von Erinnerungslücken, die beide Frauen näher bringt und ihnen Spielraum zum Verzeihen anbietet. Das alles in der farbigen Kulisse einer verlorenen Zeit, die dem Leser farbenfroh und identisch nahe gebracht wird. Interessant ist auch auf welchem Wege die beiden so unterschiedlichen Frauen sich wieder annähern können. Es ist keine Frage der Moral, welche Mittel helfen, es ist die Annäherung mit dem Ziel, die damalige gemeinsame Zeit aufzuarbeiten, mit Mitteln von damals. Das gelingt Susann Pastor wunderbar leicht und sympathisch.
Ein Buch, das Spaß bringt zu lesen und leichtfüßig nachhallt.

Bewertung vom 13.04.2021
Sheff, David

Gefangen und frei


ausgezeichnet

Die von David Sheff zusammengefasste wahre Lebensgeschichte eines zum Tode Verurteilten ist kein leichter Stoff. Es ist eine sachliche und mitfühlende Dokumentation über Jarvis Jay Masters, der im Hochsicherheitstrakt von San Quentin zum Buddhisten wird.
Trotz des viermaligen Versuchs, das damalige Todesurteil zu widerrufen, scheitert es an der Gesetzgebung. Jarvis, inzwischen 50 Jahre alt, ist seit seinem 19.Lebensjahr in Haft. Er lernt durch engagierte Menschen den Buddhismus kennen, der ihn all die Jahre begleitet. Der Leser bekommt nicht nur weltliche Einblicke in das Gefängnisleben dieser Korrekturanstalt, auch werden umfassende Einsichten in den buddhistischen Werdegang Jarvis vermittelt. Die Spannung liegt in eben dieser Diskrepanz.
Wir bekommen tiefe Einblicke in das Leid des zu unrecht Verurteilten und seiner Sehnsucht, dem durch Meditation zu entfliehen. Was würde Jarvis darum geben, eine echte Türklinke zu berühren! Doch er erlangt und erkennt, dass durch seine Transformation zu tiefem Mitgefühl sich selbst und den Menschen gegenüber, er eine wahre Art der Freiheit gewonnen hat.
Eine zutiefst nachhallende Lebensgeschichte, deren Spannung in der eigenen menschlichen Betroffenheit liegt.

Bewertung vom 28.02.2021
Fleischhauer, Wolfram

Die dritte Frau


sehr gut

Die dritte Frau, jenseits von Heiliger oder Hure - der letzte Satz des neuen Romans von Wolfram Fleischhauer. Die "Purpurlinie", das Erstlingswerk des Autors, liegt 25 Jahre zurück, ein Bestseller. Es handelt von einem Gemälde von Henriette 'Entrague und Gabrielle d'Estrees, die Geliebten Heinrich IV. Durch einen Brief des Nachfahren von Henriette und dessen schonungsloser Kritik am Erstlingswerk, wird der Autor inspiriert, eine Fortsetzung zu schreiben. Er lernt die schöne Camille kennen, die mit unveröffentlichten Dokumenten sowie ihrer Erotik lockt.
Bis zur Hälfte des Buches etwas mühsam, erfährt man doch sehr viel von der politischen Stuation um Heinrich IV, seiner Leidenschaft und durch Intrigen verursachten Thronkämpfe. Heinrich IV, ein verliebter Narr.
Jetzt in der Gegenwart sieht sich auch der Protagonist in einer Lage wieder, die nicht vernunftgesteuert ist. Das was Camille moniert, ist, dass die Individualität, das Empfinden der dargestellten Frauen, kaum Beachtung bekommt. Der Roman nimmt in dem Moment Fahrt auf, als der Autor am eigenen Leib in Irrungen und Wirrungen gerät, ganz im Hier und Jetzt und hinterfragen muss, ob hinter all dem Schein noch eine dritte Frau zutage tritt.
Ich schätze Wolfram Fleischhauers Ideen, doch dieser Roman konnte mich nicht wirklich fesseln, der mühselige Beginn und dann ein fast an Kitsch heranragender zweiter Teil.
Ich werde noch einmal "die Purpurlinie" lesen.