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Baerbel82

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Insgesamt 969 Bewertungen
Bewertung vom 04.11.2015
Wendelken, Barbara

Die stille Braut / Nola van Heerden & Renke Nordmann Bd.2


ausgezeichnet

Wenn niemand deine Schreie hört

„Die stille Braut“ ist nach „Das Dorf der Lügen“ der zweite Fall für die sympathische Oberkommissarin Nola van Heerden. Dennoch handelt es sich um eine eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte, die ohne Vorkenntnisse lesbar ist. Ort der Handlung ist erneut das kleine fiktive Dorf Martinsfehn in Ostfriesland. Barbara Wendelken hat der Geschichte einen gruseligen Prolog vorangestellt. Worum geht es?
Zwei Gemeindearbeiter finden eine tote Frau, liebevoll in Szene gesetzt und geschmückt wie eine Braut. Bald ist klar, dass es sich um die gehörlose Leona handelt, die vor vier Jahren spurlos verschwand. Wo war Leona die ganze Zeit? Wurde sie gefangen gehalten oder ist sie freiwillig verschwunden?
Es mangelt an verwertbaren Spuren, jedoch nicht an Verdächtigen. Auch Yasmina, die im Internat das Zimmer mit Leona geteilt hat, schweigt. Immer tiefer dringt Nola in ein Gespinst aus Lügen und stößt auf ein düsteres Geheimnis. Nichts ist wie es scheint, keiner so unschuldig, wie er tut. Da hat Renke Nordmann, der damals die Ermittlungen leitete, wohl gepatzt? Und eine der Hauptverdächtigen sorgt auch nicht dafür, dass sich seine Lage entspannt…
„Die stille Braut“ besticht durch eine authentische Atmosphäre und viel Lokalkolorit. Die Spannung zieht die Geschichte aus den auszulotenden Tiefen der handelnden Figuren und deren psychosozialen Verstrickungen.
Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Ob sich Nola und Renke auch privat wieder näher kommen? Jedenfalls knistert es gewaltig. Für künftige Geschichten ist hier also reichlich Potenzial vorhanden.

Fazit: Eine fesselnde und zugleich bedrückende Lektüre. Eine Geschichte mit falschen Fährten, überraschenden Wendungen und einem intensiven Spannungsbogen bis zum unerwarteten Ende.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.10.2015
McKinty, Adrian

Gun Street Girl / Sean Duffy Bd.4


ausgezeichnet

Das irische Problem

Belfast, 1985. An einem Strand bei Derry an der wilden Nordküste Irlands versuchen Waffenschmuggler aus den USA ihre Ware an Land zu bringen. Doch die Polizei ist bereits vor Ort. Unter ihnen Detective Inspector Sean Duffy von der Carrickfergus RUC.
Als Duffy zuhause ankommt, wartet schon der nächste Einsatz auf ihn: Ein Doppelmord in Whitehead. Das wohlhabende Ehepaar Kelly wurde brutal ermordet. Ein Auftragsmord? Oder hat Sohn Michael seine Eltern auf dem Gewissen?
Kurz darauf wird auch Michael tot aufgefunden. Angeblich Selbstmord. In einem Abschiedsbrief gesteht er, seine Eltern umgebracht zu haben. Aber stimmt das auch? Oder musste Michael sterben, weil er zu viel wusste? Handelt es sich gar um eine Verschwörung?
Duffy reist nach Oxford und stößt auf ein düsteres Geheimnis - und auf eine Mauer des Schweigens. Eine Frage der Ehre.
„Gun Street Girl“, ist bereits der vierte Fall für den katholischen Bullen. Der prüfende Blick unter seinen BMW gehört noch immer zu Sean Duffys Ritual. Dennoch handelt es sich um eine eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte, die ohne Vorkenntnisse lesbar ist.
Erneut gibt Adrian McKinty bedrückende Einblicke in den Irland-Konflikt und setzt seine Duffy-Reihe kongenial fort. Die Stimmung bei Polizei und Bevölkerung wird glänzend eingefangen, der zeitgeschichtliche Hintergrund meisterhaft erzählt und gut erklärt. Schön finde ich auch, dass es wieder einen Soundtrack zum Roman gibt.
Der Titel „Gun Street Girl“, eigentlich ein Song von Tom Waits, ist äußerst treffend gewählt, bezieht er sich doch auf ein Mädchen, aus der „Gun Street“ (Kapitel 13, Seite 168), das im Roman eine wichtige Rolle spielt. Die gesamte Tragweite erschließt sich dem Leser allerdings erst ganz am Ende.
Getragen wird die Geschichte von ihrem Protagonisten. Einerseits das Herz am richtigen Fleck, andererseits nicht vor Gewalt zurückschreckend. Dabei versinkt Duffy immer wieder in einer Welt aus Sex and Drugs and Rock 'n' Roll. Nichts für zartbesaitete Gemüter, nichtsdestotrotz humorvoll geschrieben.
„Hallo, Duffy, Sie sind ja früh da.“
„Wollte den Wurm fangen, Sir.“
Und die Moral von der Geschicht‘? Genau wie im wirklichen Leben wird gemauschelt und vertuscht, werden faule Kompromisse geschlossen und die Ermittler von ganz oben zurückgepfiffen oder kaltgestellt.
„Einen Ami verhaften? Wie komme ich nur darauf? Ich war doch nichts weiter als ein begriffsstutziger Bulle, der für immer mit einem niedrigen Rang auf einem mittelmäßigen Revier in einer abgelegenen Stadt hocken würde.“

Fazit: Perfekte Mischung aus Dichtung und Wahrheit. Packend, brachial und genial!

Bewertung vom 26.10.2015
Boydak, Turhan

Das Todes-Memorandum (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Manchmal muss man etwas Schlimmes tun, um Gutes zu bewirken

„Die Janus-Protokolle“ hatte ich mit Begeisterung verschlungen. Und so war ich sehr gespannt auf „Das Todes-Memorandum“, das zweite Buch, in dem der New Yorker Journalist Jason Bradley die Hauptrolle spielt. Worum geht es?
Der neue Thriller von Turhan Boydak thematisiert den Hunger in der Welt, insbesondere in Afrika. Aber es geht auch um Globalisierung, Gier nach Geld und Profitmaximierung um jeden Preis. Der Autor kommt gleich zur Sache: Ein Mann liegt im Sterben, in einem gläsernen Kubus in einer verlassenen Halle. Nach dem Warum muss er nicht fragen. Denn er weiß es nur zu gut. Und er weiß, es wird ein qualvoller Tod. Wer ist der Mann und wie konnte er überhaupt in diese Situation gelangen?
New York, am Vortag: Conor Gleeson, Chef der Gleeson Transnational, einem großen Agrarkonzern, wird entführt. Danach gibt es ein Wiedersehen mit Jason Bradley. Er bekommt den Pulitzer-Preis verliehen. Doch dann wird sein Freund Michael Robards ebenfalls entführt und dessen Frau Kate mit einer gigantischen Lösegeldforderung konfrontiert. Gibt es eine Verbindung zum Fall Gleeson? Und wer verbirgt sich hinter dem geheimnisvollen Auftraggeber der Entführungen? Wo liegt sein Motiv?
Fieberhaft versucht Jason, zusammen mit seiner guten Freundin und Hackerin Helen Miller, den Aufenthaltsort seines Freundes ausfindig zu machen. Unerwartete Unterstützung bekommen beide von einem Unbekannten, der sich Miguel Cardoso nennt. Wer ist dieser Mann wirklich? Bei ihren Nachforschungen geraten Jason und Helen bald ins Visier der Entführer. Ein tödlicher Wettlauf gegen die Zeit beginnt…
Gekonnt springt Turhan Boydak durch Zeit und Raum. Mehrere Handlungsstränge und ein Heer von Protagonisten gilt es zu verfolgen. New York, Rom, Istanbul, Chicago und Kuba, das sind die Schauplätze dieses actionreichen und hochspannenden Thrillers.
Erneut ist dem Autor ein gut recherchiertes Buch, mit einem ganz intensiven Spannungsbogen und einem überraschenden Finale gelungen. Geheimdienstliche Aktivitäten sind im Spiel. Es handelt sich um eine fiktive Geschichte, die auf Tatsachen beruht, aber auch Verschwörungstheorien enthält. Nichts ist wie es scheint, niemand ist, wer er zu sein scheint. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Wer wird verlieren, wer wird gewinnen? Und um welchen Preis?
»Überleg doch mal. Wenn du in den Nachrichten von einem Flugzeugabsturz hörst, sind alle ein paar Tage lang schwer betroffen. Immerhin sind hundert, vielleicht auch zwei- oder dreihundert Menschen auf einen Schlag gestorben. Aber an Hunger sterben jeden Tag Zehntausende. Rechne mal nach, wie viele Flugzeuge diese Menschen füllen könnten. Unternehmen die Menschen etwas dagegen? Nein. Sie spenden vielleicht einmal im Jahr etwas. Meistens zu Weihnachten, wenn irgendein paar alternde Musiker eine Charity-CD herausbringen. Aber das war`s dann auch schon. «

Fazit: Eine hochkomplexe Geschichte erzählt in perfektem Tempo und mit stetig steigender Spannung bis zum unerwarteten Ende. Plausibel und beklemmend!

Bewertung vom 13.10.2015
Bottini, Oliver

Im weißen Kreis / Kommissarin Louise Boni Bd.6


sehr gut

Das große Ganze

„Im weißen Kreis“ ist bereits der sechste Fall für die unkonventionelle Hauptkommissarin Louise Bonì aus Freiburg. Dennoch handelt es sich um eine eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte, die ohne Vorkenntnisse lesbar ist. Worum geht es?
Oliver Bottini hat der Geschichte einen Prolog vorangestellt, in dem 2004 in Karlsruhe zwei Polizisten einem Anschlag der rechten Szene zum Opfer fallen.
Zwei Jahre später in Freiburg: Wir lernen Louise Bonì kennen. Louise ist trockene Alkoholikerin, ihr Chef Bermann ist verstorben, ihr Freund Ben meldet sich nicht mehr und Kollege Kilian arbeitet undercover in Baden-Baden.
Von ihm erfährt sie, dass ein Mann zwei Pistolen bei einem russischen Kriminellen gekauft hat. Ist ein neuer Anschlag geplant? Wo und auf wen? Ludwig Kabangu aus Ruanda, der in Freiburg weilt, um die Gebeine eines Urahnen heim zu holen, scheint das perfekte Opfer zu sein.
Die Spur führt zu dem rechtsradikalen Neonazi Ricky Janisch. Er wird offenbar vom Staatsschutz überwacht. Und nun hat sich auch Louise an ihm festgebissen. Doch kurz darauf ist Janisch tot. War Janisch ein V-Mann? Wurde er ermordet, weil er zu viel wusste?
Oliver Bottini hat die Hintergründe bestens recherchiert und analysiert. Die Verstrickung von Polizei und Verfassungsschutz, die hier geschildert wird, scheint plausibel und beklemmend. Genau wie im wirklichen Leben wird gemauschelt und vertuscht, werden faule Kompromisse geschlossen und die Ermittler „von ganz oben“ zurückgepfiffen bzw. kaltgestellt.
„Im weißen Kreis“ ist eine düstere Geschichte über ein dunkles Kapitel deutsch-afrikanischer Vergangenheit. Aber es geht auch um Rechtsradikalismus, um Strukturen, die viele Parallelen zum tatsächlich existierenden Nationalsozialistischen Untergrund haben. Was ist Fiktion, was ist Realität?
Alles in allem ein solider Ermittlerkrimi in der rechtsextremen Szene. Nur mit Louise bin ich nicht wirklich warm geworden. Mit ihr konnte ich mich nicht identifizieren, ihr Handeln oft nicht nachvollziehen. Ihre Alleingänge werden ihr fast zum Verhängnis.

Fazit: Gelungene Mischung aus Dichtung und Wahrheit zum Thema Neonazi-Strukturen. Starker Stoff. So muss Krimi.

Bewertung vom 10.10.2015
Billingham, Mark

Die Scherben der Wahrheit


ausgezeichnet

Ein tödlicher Unfall, ein unglaubliches Geheimnis und eine Frau auf der Suche nach der Wahrheit

Wir sind live dabei, als ein BMW mit einer Frau aus einem mit fünf Männern besetzten Chevy heraus beschossen wird. Die Fahrerin des BMW kommt von der Fahrbahn ab und rast in eine Bushaltestelle. Ein Mann wird getötet. Wie sich später herausstellt, ist es Paul. Ein Unglücksfall?
Schnitt!
Drei Wochen zuvor: Paul ist Polizist. Seine Frau Helen, selbst Polizistin, ist schwanger, aber das Kind ist vielleicht nicht von Paul. Paul belügt seine Frau, so wie sie ihn anscheinend betrogen hat. Statt zur Arbeit zu fahren, trifft er sich mit dem kriminellen Shepherd. Ist Paul korrupt?
Danach lernen wir den jungen Schwarzen Theo kennen. Er ist Vater und Mitglied in einer Gang. Bald ist klar, dass er einer der fünf Männer in dem Chevy war. Denn er saß auf dem Beifahrersitz und war der Schütze. Angeblich sollte bei dieser Mutprobe niemand verletzt, sondern bloß erschreckt werden.
Helen hat Zweifel an der offiziellen Version. Pauls Veränderung in den letzten Wochen, seine mysteriösen Verabredungen. Helen ist sicher, dass mehr dahinter steckt. Auf Pauls Handy findet sie eine unbekannte Telefonnummer und begibt sich auf eine gefährliche Suche.
„Die Scherben der Wahrheit“ von Mark Billingham ist ein Roman außerhalb seiner Tom Thorne-Reihe. Tom hat hier nur einen kurzen Cameo-Auftritt. Erneut ist dem Autor ein fesselnder, psychologisch raffinierter Plot gelungen. Gleich mehrere Handlungsstränge gilt es zu verfolgen.
Obwohl der Roman bereits 2009 unter einem anderen Titel erschien, wirken die Figuren auch heute noch so lebendig, als wären sie direkt den Schlagzeilen der aktuellen Tagespresse entsprungen. Helen ist eine starke Frau und sie gibt nicht auf, bis sie die Scherben der Wahrheit zusammengesetzt hat.
Selbst wenn der Leser der Polizei oft einen Schritt voraus ist, wird Spannung aufgebaut, die langsam gesteigert wird und nicht mehr nachlässt. Die Geschichte nimmt viele überraschende Wendungen, bis zum tragischen Ende. Nur schrittweise wird enthüllt, wohin das Ganze führen soll.

Fazit: Eine perfekt inszenierte, düstere Geschichte. Krimikost vom Feinsten.

Bewertung vom 08.10.2015
Etzold, Veit

Todesdeal


ausgezeichnet

Das Kongo-Komplott

Um es gleich vorwegzunehmen, „Todesdeal“ von Veit Etold ist ganz anders als die Clara Vidalis-Reihe. Kein Serienkiller-Thriller, sondern ein Politthriller, der den Kampf um wertvolle Rohstoffe, wie Coltan und seltene Erden, im afrikanischen Kongo thematisiert. Denn: „In jedem Handy steckt ein Stückchen Kongo“.
„Also, Rohstoffe, um jeden Preis? Das Böse tun, um Gutes zu bewirken?“ „Der langen Rede kurzer Sinn: Wir brauchen eine Einheit, die diese Rohstoffversorgung koordiniert.“ Und so wurde ‚Tiamat‘ geboren. Eine geheime Gruppe, benannt nach einer sumerischen Gottheit: gut und böse zugleich.
Martin Fischer, ein junger Berliner Journalist, reist für seinen ersten großen Rechercheauftrag in den Kongo. Bernd, sein Freund und Kollege, wird von Kindersoldaten getötet. Er selbst wird von General Otega, einem Warlord und Anführer der kongolesischen Stammesarmee ‚Engel des Herrn‘, nach einer wilden Verfolgungsjagd gefangen genommen. Freigekauft wird er von Sophie Mureki, einer Geschäftsfrau aus Ruanda.
Dabei gerät er zwischen die Fronten chinesischer Investoren, deutscher Waffenhändler und russischer Oligarchen. Wird er lebend aus der Nummer wieder raus kommen? Unerwartete Unterstützung bekommt er von seiner Ex-Freundin Janine, die für das Auswärtige Amt tätig ist und der Chinesin Lucia Ming, Investmentmanagerin bei einem chinesischen Staatsfonds. Alle treffen in einer Villa in Goma, Kongo, aufeinander.
Eine Message hat Veit Etzold auch. „Todesdeal“ unterhält nicht nur, sondern informiert auch über die Zustände im Kongo: „Ein Land zu reich für den Frieden“. Und es wird beschrieben unter welchen krassen Umständen, diese Rohstoffe abgebaut werden. Das macht deutlich, wie sehr wir bereit sind für den Erhalt unseres westlichen Standards Dinge in Kauf zu nehmen, die auf der anderen Seite der Erde geschehen.
„Todesdeal“ ist also nicht nur Fiktion. Veit Etzold hat die Fakten bestens recherchiert und gut erklärt. Den Genozid. Hutu gegen Tutsi. Eine actionreiche Spannung und ein Heer von Protagonisten treiben den Plot voran. Zum Glück ist vorne im Buch ein „Who is Who“ enthalten, so dass man den Überblick nicht verliert.

Fazit: Emotional, explosiv und extrem spannend. Thematisch definitiv am Puls der Zeit!

Bewertung vom 05.10.2015
Tsokos, Michael;Gößling, Andreas

Zerschunden / Fred Abel Bd.1


ausgezeichnet

Nichts ist so grausam wie die Realität

„Abgeschnitten“ von Sebastian Fitzek und Michael Tsokos hatte ich mit Begeisterung verschlungen. Und so war ich sehr gespannt auf „Zerschunden“. Worum geht es?
Der neue True-Crime-Thriller von Michael Tsokos basiert auf einem authentischen Fall und echten Ermittlungen. Der Autor geht gleich in medias res: Erzählt aus der Ich-Perspektive bringt ein Mann eine junge Radfahrerin zu Fall, fesselt und entführt sie.
Anschließend lernen wir Irina Petrowa kennen. Sie ist eine ältere, resolute Dame, die von einem dunklen Schatten verfolgt und in ihrer Wohnung überfallen wird. Aber ist der schwarze Mann auch ihr Mörder?
Danach machen wir die Bekanntschaft des Berliner Rechtsmediziners Fred Abel. Er lässt uns in tiefe menschliche Abgründe blicken, als er einen dringenden Anruf von Hauptkommissar Markwitz vom BKA erhält.
Markwitz ermittelt im Fall Irina Petrowa und bittet Abel um Unterstützung. Denn die sichergestellten Spuren reichen nicht für eine DNA-Analyse. Daher empfiehlt Abel, es mit der s.g. Haplotyp-Analyse zu versuchen. Hiermit kann man zwar keine einzelnen Personen identifizieren, jedoch die männliche Verwandtschaft eines Menschen.
In Verdacht gerät Lars Moewig, ein ehemaliger Soldat und Freund Abels. Obwohl dessen dreizehnjährige Tochter Lilly unheilbar an Leukämie erkrankt ist, wird Lars verhaftet. Weitere Morde mit demselben Modus Operandi geschehen in London, Bari und Paris. Und immer beschriftet der Täter seine Opfer mit einer mysteriösen Parole.
Abel nimmt den Fall persönlich und begibt sich auf eine gefährliche Suche quer durch Europa…
Mehrere Handlungsstränge gilt es zu verfolgen: Die Ermittlungen im Fall Irina Petrowa sowie das Schicksal der kleinen Lilly in Berlin. Rückblenden in die Vergangenheit erzählen die Lebensgeschichte des Killers in Marseille, Marokko - und Paris.
Objektiv und sachlich schildert der Autor das Psychogramm eines Mörders, der keine Perversion, keine Grausamkeit auslässt. „Zerschunden“ ist keine Gute-Nacht-Lektüre. Die Morde werden brutal und detailliert beschrieben. Auch die Seitenstränge haben es wirklich in sich. Wobei Tsokos‘ spezielles Wissen aus der Rechtsmedizin dem Buch eine besonders hohe Authentizität verleiht. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz.
Fred Abel ist mir sofort ans Herz gewachsen. Er hat Ecken und Kanten, ist sehr empathisch. Das macht ihn menschlich und sympathisch. Zudem ist er hochprofessionell im Job. Über ein Wiedersehen würde ich mich daher freuen.

Fazit: Spannender Auftakt einer Trilogie um den unkonventionellen Rechtsmediziner Fred Abel. Gelungene Mischung aus Fakten und Fiktion mit einem unerwarteten, dramatischen Finale.

Bewertung vom 29.09.2015
Ménard, Oliver

Federspiel / Christine Lenève Bd.1


ausgezeichnet

Vom Umgang der Lebenden mit den Toten

Oliver Ménrad geht gleich in medias res: Sarah Wagner, Moderatorin einer TV-Talkshow, wird von einem Unbekannten gestalkt, in ihrer Wohnung überfallen, brutal vergewaltigt und anschließend entführt.
Danach lernen wir Christine Lenève kennen, eine Journalistin mit französischen Wurzeln. Sie soll im Auftrag von Sarahs Chef herausfinden, wo Sarah steckt. Unerwartete Unterstützung bekommt Christine von ihrem alten Partner Albert Heidrich, ein Hacker.
In Sarahs Wohnung finden die beiden Antidepressiva - und Federn. Weiße Federn. Bald ist klar, dass das Motiv in der Vergangenheit zu suchen ist. Denn der gefährlichste Serienkiller der ehemaligen DDR hinterließ am Tatort ebenfalls eine Feder. Ist Ikarus zurückgekehrt?
„Federspiel“ ist ein beklemmender Psychothriller, der eine fesselnde Reise in die dunkelsten Winkel der menschlichen Seele verspricht. Eine Geschichte, die zeigt, wie Liebe, Freundschaft, aber auch Mord und Verrat das Schicksal beeinflussen - mit überraschenden und manchmal auch brutalen Folgen.
Bei Oliver Ménard lernen wir eine Figur durch deren Handlungen in all ihren Facetten kennen, verpackt in faszinierende Fallstudien. Christine ist tough und Ikarus ist nicht der erste Mörder, den sie jagt. Aber sie hat auch mit den Dämonen ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Denn alles was sie kann, hat ihr Vater ihr beigebracht. Aber ihr Vater ist tot. Er wurde ermordet.
Auch die Nebenfiguren sind gut gezeichnet. Albert, der über sich hinauswächst, Erik, ein Kommissar a.D., der damals im Fall Ikarus ermittelt hatte, Sarahs Mutter Magdalene Wagner und Kommissar Tobias Dom, der im aktuellen Fall die Untersuchungen leitet, sind mir sofort ans Herz gewachsen.
„Federspiel“ hat mich von der ersten Seite an gepackt. Kaum zu glauben, dass es sich um einen Debütroman handelt. Wechselnde Perspektiven, actionreiche Spannung, falsche Fährten und überraschende Wendungen. Das treibt die Leser voran und verhindert im vorliegenden Fall das Aufkommen jeglicher Form von Langeweile.
Dass der Autor im Finale nochmal richtig Gas gibt, steigert das Lesevergnügen. Denn einige Überraschungen gegen Ende des Thrillers hält Oliver Ménard für seine Leser noch bereit. Und so freue ich mich schon heute auf die Fortsetzung.

Fazit: Erstklassiger Psychothriller mit innovativem Finale. Unheimlich unterhaltsam!