Benutzer
Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2183 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2022
Teigen, Lene Therese

Schatten der Erinnerung. Tulla Larsen und Edvard Munch


sehr gut

Schatten der Erinnerung, dieser Titel ist gut gewählt.
Es handelt sich um eine Romanbiografie über Tulla Larsen, die um die Jahrhundertwende eine Beziehung zu dem norwegischen Maler Edvard Munch hatte. Es war eine leidenschaftliche Beziehung, die mit einem Schuss endete. Doch auch Jahrzehnte danach gehen Tullas Erinnerungen in die Zeit zurück. Eine besondere Zeit, in die der Leser Einblick erhält und der Autorin Lene Therese Teigen gelingt es, der zum Teil verrufenen Figur Tulla Würde und Menschlichkeit zu geben. Ihren Respekt äußert die Autorin dann nochmals in einem Nachwort.

Bewertung vom 17.02.2022
Randl, Lola

Angsttier


sehr gut

Lola Randls Erfolgsbuch Der große Garten war ziemlich witzig und umwerfend. Ihr neuer Roman Angsttier ist etwas anders, aber deswegen nicht schlechter. Der Humor ist zu Gunsten des geheimnisvollen zurückgenommener, wenn auch die Ironie voll da ist.
Ein Paar, Friedel und Jakob, ziehen aufs Land. Für sie erst einmal ein anderes Leben und Friedel wird endlich schwanger, wie sie es sich lange geplant haben.
Die meiste Zeit sind es Jakobs Gedanken, denen der Leser folgt. In einer Nacht wird Jakob von einem Tier in die Hand gebissen.
Er steigert sich immer mehr in einen merkwürdigen Zustand hinein. Die Situation spitzt sich zu.
Zusätzlich gibt es einige bemerkenswerte Naturbeschreibungen.
Es ist ein Roman mit viel düsterer Atmosphäre.

Bewertung vom 16.02.2022
Almond, David

Bone Music


sehr gut

Die Knochenflöte

Der vielfach preisgekrönte britischer Schriftsteller David Almond schreibt Jugendliteratur, die sehr atmosphärisch ist.
Er hat einen eigenen, manchmal eigenwilligen Stil. Seine Schreibe hat Musikalität und auch Mythisches.
Bone Music ist in Northumberland in England angelegt.
Daher sind auch Naturbeschreibungen und wie die Wälder auf die junge Protagonistin Sylvia wirkt, von Bedeutung.
Die fünfzehnjährige Sylvia ist mit ihrer Mutter in deren frühere Heimat gekommen. Erst ist sie nicht begeistert, doch mit der Zeit beginnt sie sich zu interessieren, vor allen nachdem sie Gabriel getroffen hat.
Sie ist eine nachdenkliche Figur.
Zuletzt sei noch das geheimnisvolle Cover erwähnt, dass sehr ansprechend ist.

Fazit: Bone Music ist ein Jugendroman, auf den man sich wegen den mythische Elementen einlassen muss. Wenn das passiert wird sich ein Zauber der Worte entfalten.

Bewertung vom 14.02.2022
Olmi, Véronique

Die Ungeduldigen


sehr gut

Eine Zeit der Veränderung

Dieser neue Roman von Veronique Olmi ist etwas besonderes, nicht nur wegen ihrer Sprache mit dem hohen Ton, den ich sehr schätze. Es ist vor allen die Zeit, die Olmi so gut beschreibt. Sie ist 1962 geboren und kennt die siebziger Jahre gut. Sie kann sie glaubhaft und direkt vermitteln, so dass man als Leser meint, tatsächlich in dieser Zeit angekommen zu sein. Es spiel in Frankreich und im Mittelpunkt sind drei Schwestern, die sehr direkt den wandel der zeit empfinden, das schließt auch politische Umbrüche, den Kulturwandel und die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft der Eltern ein.
Dabei sind die Schwestern Sabine, Helene und Mariette doch unterschiedlich. Jede von ihnen wird gut als Figur herausgearbeitet.
Man folgt ihnen durch einige Jahre durch Kindheit und als junge Erwachsene.

Bewertung vom 14.02.2022
Yuzuki, Asako

Butter


ausgezeichnet

Japan heute

Butter ist ein japanischer Roman, der bei Aufbau-Verlag bzw. Blumenbar in der Übersetzung von Ursula Gräfe erschien.

Die Handlung ist raffiniert gestaltet.
Eine Journalistin,die eine Mörderin im Gefängnis besucht, um sie zu interviewen. Das klingt nach Psychothriller, doch Butter ist ein Roman, der in erster Linie ein Bild des modernen Japans und seiner Gesellschaft zeigt. Es geht vor allen um die Rolle der Frau und die eigene Entwicklung.

Das Lebensgefühl von Rika Machida, der Journalistin in Tokio wird erfahrbar. In einem männerdominierten Beruf muss sie sich durchsetzen. Sie hat einen Freund, lebt aber nicht mit ihm zusammen. Wie schon in anderen zeitgenössischen, japanischen Romanen meine ich das Thema Einsamkeit deutlich zu spüren.
Von der wegen Mordverdachts im Gefängnis sitzenden Bloggerin Manako Kajii ist Rika zunächst fasziniert und sie folgt den kulinarischen Tipps dieser Frau. Das ändert ihr Leben.

Die vom Verlag angebotene Vergleiche zu Han Kang und mehr noch zu Sayaka Murata sind nicht schlecht und auch bei Butter entwickelt sich die Handlung ungewöhnlich.

Asako Yuzuki ist eine Entdeckung und ich hoffe, auf weitere Bücher von ihr.

Bewertung vom 13.02.2022
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


sehr gut

Dorf-Roman

Die dritte Hälfte eines Lebens ist ein ungewöhnlicher Roman und nicht das, was ich erwartet hatte. Ich merkte dann, dass man sich auf diesen Text einlassen muss.
Die österreichische Schriftstellerin Anna Herzig hat ein knappen Stil, nicht ohne Härten. Kein Wunder, dass das Buch relativ kurz ist.

Schon der erste Satz bringt einen auf die Spur: Es sind die kleinen Verbrechen an der Seele, die die inneren Blutungen ausmachen.

Das Leben in einem Dorf lässt keine Raum für Menschen, die anders sind.
Zu spüren bekommt dass der vaterlose Seppi, der als Negerkind verhöhnt wird. Auch von seiner Mutter wird er nicht geliebt. Doch Sepp iist ein eigenwilliger Typ, der dennoch so weit getrieben wird, dass er sich das Leben nehmen will.
Eine weitere interessante, weil geheimnisvolle Figur ist Lorenz Karl Ignatius Rathbauer, kurz El-Kah-Ih.

Es ist ein bemerkenswert gnadenloses Buch. Das ist teilweise auch ein Problem, weil man das beim lesen erst einmal verdauen muss. Die sprachlichen Möglichkeiten der Autorin haben mich beeindruckt, daher würde ich unbedingt wieder ein Buch von ihr lesen.

Bewertung vom 07.02.2022
Feimer, Isabella

Langeweile


sehr gut

Langeweile ist ein Buch aus der wunderbaren Essay-Reihe Übermorgen,die bei K+S erscheint.

Langeweile kann ein schmerzhafter Zustand sein, den viele Menschen vermutlich aus der Kindheit kennen, wenn sie nicht spielen konnten. Und in der Pandemie hat sich dieser Zustand oftmals neu ergeben.
Unter Umständen kann Langeweile aber auch zu Kreativität führen.

Isabella Feimer nähert sich diesem Thema aus verschiedenen Richtungen an, vor allen nutzt sie viele Zitate und Quellen aus Philosophie,Literatur und Kunst wie auch Film.
Zu nennen sind u.a. Heidegger, Charles Baudelaire, Walter Benjamin, Kierkegaard, aber auch moderne Künstler.
Mich haben besonders die Prosa-Aufzeichnungen der amerikanischen Autorin Mary MacLane beeindruckt.

Sie verbindet das ganze, ergänzt eigene Gedanken und nutzt verschiedene Methoden. Das gestaltet sie auch sprachlich angemessen.

Bewertung vom 06.02.2022
Blum, Hila

Wie man seine Tochter liebt


ausgezeichnet

Die israelische Schriftstellerin Hila Blum hat einen fesselnden und interessanten Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung geschrieben.
Das Buch wurde von Ruth Achlama aus dem Hebräischen übersetzt.

Es beginnt mit einer besonderen Szene: Eine Frau aus Israel, die Icherzählerin, sieht in Holland ihre erwachsene Tochter Lea. Sie haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Doch sie nähert sich ihr nicht.
Das Geheimnis über das Ereignis, das zur Trennung führte, durchzieht den ganzen Roman.

Die Mutter erinnert sich dann an das Aufwachsen von Lea und das Familienleben.
Erst allmählich erfährt man mehr von dem was passiert ist und das hält die Spannung am Leben. Es wird zwar ruhig, aber mit großer Intensität erzählt.
Ich halte den Roman aufgrund dieser Schreibweise für sehr überzeugend und die Autorin ist für mich eine Entdeckung.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.02.2022
Everett, Percival

Erschütterung


ausgezeichnet

Einnehmend erzählt

Percival Everett entwirft in seinem Roman Erschütterung das Bild eines eigentlich durchschnittliches Mannes, der an der Erkrankung seiner 12jährigen Tochter zu verzweifeln droht.
Erzählt wird durchgängig und konsequent aus seiner Perspektive, deshalb ist man als Leser dicht an der Figur dran.
Zunächst wird das Familien- und Berufsleben gezeigt. Zach Wells ist Paläontologe und arbeite und unterrichtet an der Uni. Mit seiner Ehefrau lebt er eine zufriedenstellende, aber langweilige Ehe. Aber beide lieben ihre Tochter Sarah. Als diese eine seltene Krankheit bekommt, bringt das Zach in eine Krise.
Interessant sind auch die Szene an der Uni. Dort bewundert die Studentin Rachel ihn sehr und sucht seine Nähe.

Der Roman wurde aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl übersetzt und ich denke, es handelt sich um eine sprachlich gute Leistung von Autor und Übersetzer. Besonders die Dialoge sind gewitzt, aber vor allen die inneren Gedanken Zachs vermögen zu fesseln.
Zwischen den Kapiteln gibt es kurze paläontologische Notizen, die die Handlung immer wieder erden. Später verschwinden diese Zwischenstellen aber und die Handlung verdichtet sich immer mehr.

Es gibt auch einzelne Episoden, die herausragen, z.B. eine Szene in der Wüste mit den Studenten, bei der eine Bedrohung durch eine Klapperschlange und die Paris-Reise, die die Familie gemeinsam unternimmt. Im letzten Romandrittel gibt es Passagen in New Mexico.

Es ist ein interessanter Roman und ich hoffe, bald weitere Bücher von Percival Everett lesen zu können.

Bewertung vom 03.02.2022
Nielsen, Susin

Die gigantischen Dinge des Lebens


gut

Wilbur und Charlie

Die gigantischen Dinge des Lebens von Susin Nielsen ist ein Jugendroman über eine 14jährigen Jungen Namens Wilbur, der mit seinen Müttern in Toronto lebt.
Wilbur ist sensibel, manchmal etwas chaotisch und naiv. In der Schule ist er ein sozialer Außenseiter.Sein bester Freund ist Sal, ein 85jähriger Mann.
Erst als mit Charlie eine Austauschschülerin aus Paris zu ihnen kommt, ändert sich für Wilbur viel. Er beschließt, selbstbewusster zu werden.

Was ich an Wilbur mag, ist unter anderen sein Sinn für Selbstironie und seine Einfühlsamkeit.
Die Figuren sind nicht die originellsten, aber sie steigern sich im Verlaufe des Romans und das Ende empfand ich als gelungen.

Irgendwie bleibt aber das Gefühl, solche Bücher gab es schon öfter und die kanadische Autorin Susin Nielsen setzt zu sehr auf das bewährte.
Die Qualität ihres großartigen Roman „Adresse unbekannt“ erreicht dieser nicht. Es fehlt im Vergleich an Tiefe.
Hinsichtlich der Alterseinstufung für diesen Roman tendiere ich mehr zu 12 als zu 17jährig.