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Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 21.12.2014
Wersba, Barbara

Ein Weihnachtsgeschenk für Walter


ausgezeichnet

„Walter war eine hochbetagte Ratte. Er lebte bei der Schriftstellerin Amanda Pomeroy. Miss Pomeroy wusste nicht, dass Walter bei ihr wohnte, denn er ließ sich nur nachts blicken, Walter jedoch gefiel Miss Pomeroys Haus am besten von allen Häusern, in denen er sich je aufgehalten hatte. Das lag daran, dass sie Schriftstellerin war und Hunderte von Büchern besaß.
Aus Gründen, die er nicht zu erklären wusste, war Walter mit einer besonderen Fähigkeit auf die Welt gekommen – er konnte lesen. Ihm war noch keine andere Ratte begegnet, die über diese Fähigkeit verfügte, er aber konnte seit dem Tag, an dem er seine Augen aufgeschlagen hatte, gedruckte Worte entziffern. In jungen Jahren hatte er in der Nähe der städtischen Müllhalde gelebt und dort ein vollständiges Taschenwörterbuch sowie zwei Bücher eines gewissen Sir Walter Scott gelesen. Wie die meisten Ratten besaß er keinen eigenen Namen, doch an jenem Tag beschloss er, sich selbst Walter zu taufen. Scott war offenbar ein bedeutender Mann, denn seine Bücher waren zwar zerfleddert, aber in Leder gebunden. Walter fraß den größten Teil des Leders, ließ jedoch die Buchseiten unversehrt.
Danach las er, was immer ihm unter die Augen kam – Comic-Heftchen, Liebesromane und ein Buch mit Abhandlungen eines Mannes namens Leonard Woolf. Walter hatte einen Gruselroman von Stephen King gelesen und drei Gedichte von Edna St. Vincent Millay, den letzten Akt eines Theaterstücks von Tennessee Williams und eine Biografie über Eleanor Roosevelt, die Gattin eines früheren amerikanischen Präsidenten. Die Beliebigkeit dieser Auswahl war nicht seine Schuld. Er las, was er sich vom Müll beschaffen konnte oder vom Flohmarkt der Bücherei, der im Frühling draußen veranstaltet wurde.“

Bücher sind Walters Leben. Wie glücklich ist er also, dass ihn der Zufall in das Haus einer Schriftstellerin geführt hat, in der eine riesige Bibliothek darauf wartet, von ihm – heimlich, nachts – gelesen zu werden. Dabei ist er überaus vorsichtig und darauf bedacht, nicht gesehen zu werden. Schließlich ist er schon eine sehr alte Ratte und hat in seinem Leben reichlich Erfahrungen gesammelt. Was ihn traurig machte, war, dass die Menschen Ratten so verabscheuten…
"Walter hatte niemals verstanden, weshalb sein Anblick und der seiner Artgenossen den Menschen derartige Abscheu einflößte. Es waren doch dieselben Leute, die Hamster und Meerschweinchen als Haustiere hielten. Dieselben Kinder, die weiße Mäuse liebten. Es waren ebendiese Leute, die Eichhörnchen im Park fütterten und kleine Hündchen an der Leine spazieren führten. Wäre es nach Walter gegangen, so hätte man alle Tiere gleichermaßen wichtig nehmen sollen.“
Als Walter bei einem seiner nächtlichen Lesestreifzüge herausfindet, dass Miss Pomeroy eine Kinderbuchreihe geschrieben hat, deren Helden ausgerechnet Mäuse sind, ist er wie vom Donner gerührt. Doch dies wäre keine schöne Weihnachtsgeschichte, wenn es nicht für Walter ein gutes Ende geben würde…

Eine herrliche Geschichte ist das! Das Buch wohnt schon einige Jahre bei mir und ich hole es in jeder Weihnachtszeit hervor und lese es. Warmherzig und humorvoll ist es genau richtig für einen gemütlichen Abend und für Leser (fast) jeden Alters geeignet. Jüngeren Lesern wird einfach die Geschichte dieser ausgesprochen liebenswerten Ratte gefallen, wer schon Gelegenheit hatte, einige „Lesenserfahrung“ zu sammeln, wird sich über die vielen eingestreuten Hinweise auf Bücher und Schriftsteller freuen. Dazu gibt es wunderschöne schwarzweiß-Zeichnungen – wer danach immer noch eine Abneigung gegen Ratten hat, dem ist absolut nicht zu helfen. Auch die Sprache ist für jeden geeignet, vollbringt den Kunstgriff, Kindern verständlich zu sein und gleichzeitig erwachsenen Lesern zu gefallen.

Fazit: Wer also jetzt noch eine nette und stimmungsvolle Weihnachtsgeschichte sucht, dem möchte ich dieses Buch ans Herz legen. Es hat nur 60 Seiten, belastet also keinen SuB und ist einfach schön.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.12.2014

Heute: dichter Schneefall. Großdruck


sehr gut

Eine Rezension zu einem Buch mit Geschichten zu schreiben, ist immer schwierig. Aufgefallen war es mir (das muss ich an dieser Stelle gestehen) wegen des netten Schneemanns auf dem Cover. Es ist einfach süß: Ein fröhlicher Schneemann, der es sich lesend gemütlich gemacht hat – samt Heißgetränk und Ofen. Als ich mir dann noch die Liste der Autoren ansah, die jeweils eine Geschichte beigesteuert haben, war das Buch gekauft. Daher führe ich sie hier auch einmal auf: Es sind
Dora Heldt, Alex Capus, Martin Suter, Annette Petersen, T. Coraghessan Boyle, Elke Heidenreich, Kim Smage, Jan Weiler, Ulrike Rylance, Ulrich Knellwolf, Ewald Arenz, Siegfried Lenz, Harry Luck und Ian McEwan.
Ein Blick auf diese Namen reicht um zu erkennen, dass hier ganz unterschiedliche Geschichten auf den Leser warten. Es findet sich beinahe alles zwischen leicht und anspruchsvoll, lustig und ernst. Es gibt eigentlich nur eine Gemeinsamkeit: Es sind Wintergeschichten. Winter – nicht Weihnacht. Zwei Geschichten drehen sich trotzdem um das Weihnachtsfest, was einfach dadurch begründet ist, dass Weihnachten nun mal im Winter liegt. Bei insgesamt 14 Geschichten sollte das für Weihnachtsmuffel aber noch erträglich sein.

Ich will hier nicht anfangen, auf die einzelnen Geschichten einzugehen. Ich habe für mich einfach mal Punkte für jede von ihnen vergeben. Ich komme auf
1 Geschichte mit 2 Punkten
4 Geschichten mit 3 Punkten
8 Geschichten mit 4 Punkten
1 Geschichte mit 5 Punkten
Ergibt, wenn ich richtig rechne, einen Schnitt von 3,64 Punkten. Wenn ich jetzt noch das Cover in die Waagschale werfe, kann ich ruhigen Gewissens auf 4 aufrunden ;-)

Die Länge der Geschichten schwankt zwischen 3 Seiten bei der kürzesten und 44 Seiten bei der längsten. Ist also nett für zwischendurch und für die Handtasche an Tagen, an denen die aktuelle Lektüre wegen Umfang oder Anspruch nicht für die kurze Wartezeitüberbrückung an der Haltestelle oder während einer nur kurzen Zugfahrt geeignet ist.

Und hier noch ein kleines Zitat, das den Freunden von Dora Heldt eine naheliegende Frage beantworten sollte:
»So, Kinder«, begannen Heinz und Walter wie jedes Jahr zu diesem Zeitpunkt ihren Spruch. »Und damit ihr den Tannenbaum nicht zu früh seht, ab auf eure Zimmer.«

Fazit: Nette und abwechslungsreiche Sammlung von Geschichten mit viel Schnee :)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.12.2014
Bennett, Alan

Handauflegen


gut

Reich, berühmt und schön – diese Attribute treffen auf die meisten Besucher eines Gedenkgottesdienstes in London zu. Es ist alles vertreten, was Rang und Namen hat: Minister, Fernsehmoderatoren, Schauspieler, Popsänger, Stararchitekten und Bestsellerautoren. Dazu gesellen sich noch Sicherheitsbeauftragte und die dem Großaufkommen von Berühmtheiten entsprechenden Journalisten. Der rote Teppich ist eigentlich alles, was fehlt…

Der Tote (Clive), zu dessen Ehren sie sich alle versammelt haben, war zwar nicht prominent, wohl aber scheinbar sehr gutaussehend. Ferner war er Masseur, der seinen Kundinnen und Kunden mit seinen heilenden Händen bei Verspannungen aller Art zur Seite stand. Und bei den meisten ging die Massage dann noch einen ganzen Schritt weiter… Bei nicht wenigen der Trauernden zeigt sich nun Verwirrung ob der großen Anzahl der Menschen, die offenbar aus dem gleichen Grund der Feierlichkeit beiwohnen. Schließlich hatte man angenommen, die eigene Beziehung zu Clive wäre etwas Besonderes gewesen. Zudem treibt noch eine weitere Sorge die Trauergemeinde um: Niemand weiß so genau, woran Clive eigentlich gestorben ist. Was kann also die Ursache für den Tod des 34jährigen gewesen sein und was mag diese Ursache für einen selbst bedeuten?

Ängstlich sind die Gottesdienstbesucher bemüht, sich diese Sorge nicht anmerken zu lassen. Und erst recht nicht, dass man überhaupt Grund zu dieser Sorge hat. Schließlich ist man um sein Ansehen bemüht und tritt entsprechend auf: Kusshändchen hier, Bussi da. Dazu kommt noch die Unsicherheit, wie man sich an einem solch ungewohnten Ort – nämlich einer Kirche – zu verhalten hat. („Sie können ruhig rauchen. Ich bin mir ganz sicher, dass am Eingang ein Aschenbecher stand. – Das war Weihwasser.“) Vor diesem „Publikum“ versucht der Pfarrer, eine angemessene Trauerfeier abzuhalten. Wobei er auch nicht emotional unbeteiligt ist, denn auch er kannte Clive…

Die Art, wie Alan Bennett hier das Schaulaufen und die Doppelmoral der Beteiligten darstellt, fand ich insgesamt sehr amüsant. Trotzdem haben sich einige Stellen für mich beim Lesen etwas gezogen. Und das bei einer Seitenzahl von gerade mal 91 Seiten. Daher gibt es von mir hier nur 3 Punkte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.12.2014
Stevenson, D. E.

Stich ins Wespennest


ausgezeichnet

Miss Buncle ist eine unauffällige und bescheidene Frau Anfang 40. Sie lebt im England der 30er Jahre in einem kleinen Dorf namens Silverstream. Einem Dorf von der Art, wo jeder jeden kennt und der Bäckersjunge ganz genau weiß, um wie viel Uhr er jedem Bewohner sein Frühstücksbrötchen zu bringen hat.

Miss Buncle ist unverheiratet und hat bislang von einer kleinen Dividende gelebt. Aber die wirtschaftlichen Zeiten werden schwieriger und bei ihrer Überlegung, wie sie etwas Geld verdienen könnte, kommt sie auf die Idee, ein Buch zu schreiben. Da sie aber leider über keinerlei Fantasie verfügt, dafür aber über eine hervorragende Beobachtungsgabe, schreibt sie über die Dinge, die sie täglich sieht. Und so erscheint also ein Werk über das Leben und die Bewohner eines Dorfs namens „Copperfield“, geschrieben unter dem Pseudonym „John Smith“.

Das Buch wird überraschend ein riesiger Erfolg und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die ersten Bewohner von Silverstream es lesen. Und da die Schilderungen wirklich sehr präzise sind, sich auch sofort wiedererkennen. Nicht alle kommen dabei gut weg und so manches vermeintlich gut gehütete Geheimnis wird gelüftet.

„Sie kommen auch darin vor. Sie haben es wohl nicht gelesen, nehme ich an, sonst säßen Sie hier nicht wie ein Ölgötze. Sie tragen eine Perücke, und Sie haben ein Gebiss. Sie tun Pektin in Ihr Pflaumenmus, damit es steif wird, und Ihr Sohn brennt mit einer verheirateten Frau durch.“

Ganz schnell wird allen Dorfbewohnern klar, dass der mysteriöse John Smith einer der ihren sein muss. Aber wer? Während ein Teil der Leute wütet und den Schuldigen sucht, nutzen andere die unerwarteten Erkenntnisse über sich selbst, um ihrem Leben eine neue Richtung zu geben.

Und während all dessen arbeitet Miss Buncle bereits an ihrem nächsten Werk…

Für mich ein köstliches Buch. Ich habe mich herrlich amüsiert. Ich mag aber auch diese Charakterstudien kleiner verschrobener Dorfgemeinschaften.

Im Anhang findet sich übrigens ein Personenregister. Darin sind alle Bewohner von Silverstream aufgeführt, jeweils mit ihrem „richtigen“ Namen und dem Namen der entsprechenden Romanfigur. Und im Klappentext gibt es einen Verweis auf „Miss Pettigrews großer Tag“. („Unsere Empfehlung für alle, denen „Stich ins Wespennest“ gefallen hat“) Da ich Miss Pettigrew liebe, funktioniert diese Empfehlung für mich auch andersherum.

Bewertung vom 13.12.2014
Miles, Elizabeth

Im Herzen die Rache / The Fury Series Bd.1


sehr gut

Jeder macht Fehler. Doch manchmal reicht es nicht, seine Taten nur zu bereuen…
Emily ist glücklich. Zach, in den sie seit Monaten verliebt ist, zeigt endlich Zuneigung zu ihr. Doch Em weiß: Wenn sie etwas mit ihm anfängt, gibt es kein Zurück mehr. Denn Zach ist bereits mit Gabby zusammen – Ems bester Freundin.
Chase hat nicht nur Probleme zu Hause, auch seine Freunde lassen ihn links liegen. Aber es ist etwas anderes, was ihm den Schlaf raubt. Chase hat etwas unfassbar Grausames getan. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es ans Licht kommt. (Klappentext)

Schauplatz der Handlung: Eine Kleinstadt in Maine. Es ist Winter und für die Jugendlichen von Ascension geht alles seinen üblichen Gang. Man beschäftigt sich mit Mode und Football, hat mehr oder weniger Probleme mit den Eltern und klatscht und tratscht über andere. Scheinbar ein ganz normaler Ort. Scheinbar.

Denn hinter dieser Fassade brodelt es. Beste Freundinnen werden verraten, Freunde ausgenutzt. Aus Klatsch und Tratsch wird ganz schnell Mobbing und wer in Modefragen nicht mithalten kann, erfährt soziale Ausgrenzung. Als eines Abends ein Mädchen von einer Brücke springt, ist das vordergründige Entsetzen groß – doch tatsächlich ändert kaum jemand seine Ansichten und sein Verhalten. Braucht es in Ascension drastischere Mittel, um zu den Jugendlichen durchzudringen?

Die Mission der „Furien“ ist es, Rache zu nehmen an solchen, die schwere Schuld auf sich geladen haben. In Gestalt von drei hübschen jungen Mädchen dringen sie - von Unbeteiligten fast unbemerkt - in das Leben ihrer Opfer ein und machen es zur Hölle.

Für mich eine tolle Story! Sehr spannend und da es - einem Jugendbuch angemessen – leicht geschrieben ist, kann man es gut in einem Rutsch durchlesen. Was mich besonders faszinierte, war die Kombination aus ganz aktueller Problematik (Mobbing, Mobbing im Internet) mit einer Geistergeschichte. Und die hat es in sich: Richtig schön schauerlich!

Ich habe sehr mit den Hauptpersonen mitgefühlt und –gelitten. Schön wird klargemacht, dass niemand einfach „nur gut“ oder „nur schlecht“ ist…

Was würde man tun, wenn sich der Partner der besten Freundin plötzlich als „die große Liebe“ herausstellt? Würde man es wirklich schaffen, treu zu bleiben, der Versuchung nicht zu erliegen?

Was würde man tun, wenn ein anderer Ziel von Ausgrenzung und Mobbing wird? Würde man den Mut haben, sich dagegen zu stellen, nicht mit der Masse mitzulaufen und dadurch riskieren, selber zum Opfer zu werden?

Und wenn man selbst zum Opfer geworden ist – was würde man tun? Kann man sich sicher sein, nicht selbst Rachegedanken zu bekommen?

Und wie fühlt man sich dann? Wie lebt man damit?

Vom Opfer zum Täter ist es häufig nur ein kleiner Schritt – und in Ascension gilt das eben auch umgekehrt.

Dieses Buch kam als Gewinn zu mir und das war ein großes Glück! Denn da es eigentlich ein Jugendbuch ist, hätte ich es mir ansonsten vermutlich nicht gekauft – und das wäre wirklich schade gewesen. Da es sich um den ersten Band einer Trilogie handelt, sind noch viele Punkte offen. Ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergehen wird!

Ein Wort noch zu der gebundenen Ausgabe: Der Umschlag ist wunderschön! An einigen Stellen ist er strukturiert und ich habe mich dabei ertappt, dass ich immer wieder mit der Hand darüber gestrichen habe.

Bewertung vom 12.12.2014
Morell, Leon

Der sixtinische Himmel


ausgezeichnet

Wie bin ich an dieses Buch geraten? Eher zufällig, denn historische Romane gehörten bislang eigentlich nicht zu meinen Favoriten. Aber als ich dieses Buch entdeckte, reizte mich die Geschichte sofort.
Es ist die Geschichte von Aurelio, einem jungen Mann, der davon träumt, ein Bildhauer zu werden wie Michelangelo. Er geht nach Rom und es gelingt ihm, von Michelangelo als Schüler aufgenommen zu werden. Dieser hat zur Zeit ein Problem: Der Papst hat ihn beauftragt, das Deckenfresko für die Sixtinische Kapelle zu erstellen und dazu hat er überhaupt keine Lust. Es ist für ihn anfangs nichts als Zeitverschwendung und er will diesen Auftrag möglichst hinter sich bringen, um wieder Zeit für seine "richtige" Kunst zu haben. Aber nachdem er die Aufgabe übernommen hat, ist er trotzdem mit seinem ganzen Herzen dabei. Und er arbeitet bis zur totalen Erschöpfung, denn nachts hat er noch eine weitere Aufgabe: Heimlich erschafft er eine Statue der Frau, die kein Mensch sehen darf: Der Kurtisane des Papstes.
Dieses Buch bietet die unterschiedlichsten Dinge: Man lernt einiges über den Künstler Michelangelos und über die Kunst, ein Fresko zu erstellen (ich hätte nie gedacht, dass mich das faszinieren könnte - aber das hat es!) Dazu geht es um Liebe - heimliche und unerfüllte. Und nicht zuletzt ist das Buch ein Thriller und man zittert mit den Helden, die sich der Kunst oder der Liebe wegen mit dem mächtigen Papst anlegen. Und wenn Michelangelo abschätzig über den Maler Raffael lästert, ist das herrlich menschlich.
Besonders schön ist auch der auffaltbare Buchumschlag. Auf der Innenseite findet sich eine farbige Abbildung des Deckenfreskos. Und im Buch gibt es eine Übersicht, aus der man genau erkennen kann, was das Fresko zeigt. Ich habe während des Lesens immer wieder auf die Bilder geschaut!

Bewertung vom 12.12.2014
Waters, Sarah

Der Besucher


sehr gut

Schon als Junge hat Dr. Faraday das alte Herrenhaus Hundreds Hall, in dem seine Mutter als Kindermädchen arbeitete, und die dort lebenden Herrschaften bewundert. Als er nun, als praktizierender Landarzt, dorthin zu einem medizinischen Notfall gerufen wird, ist er aufgeregt und stolz zugleich. Kindheitserinnerungen werden wach und zudem hegt er die Hoffnung, dass er es nun endlich schaffen wird, auch Patienten aus höheren Gesellschaftskreisen zu bekommen.

Bei der Familie Ayres, die auf Hundreds Hall lebt, zeigt sich allerdings, dass das Leben auch dieser höheren Gesellschaft im Nachkriegsengland nicht mehr unbedingt einfach ist. Die Familie ist verarmt, die Instandhaltung des Herrenhauses verschlingt große Summen von Geld. Zudem ist der alte Colonel gestorben und seine Witwe bemüht sich jetzt zusammen mit ihren beiden Kindern, das Haus vor dem Verfall und sich selbst vor dem Verlust des gesellschaftlichen Ansehens zu bewahren. Erschwert wird die Situation noch dadurch, dass der Sohn im Krieg verletzt wurde und dabei scheinbar auch ein Trauma erlitten hat. Und die Tochter lässt aufgrund ihres vernachlässigten äußeren Erscheinungsbildes keine großen Hoffnungen zu, dass ein wohlhabender Mann von angemessenem Stand durch eine Hochzeit der Situation Entspannung bringen könnte.

Dr. Faraday wird tatsächlich der Hausarzt der Ayres und erhält nach und nach umfangreiche Einblicke in die persönlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Lebensumstände der Familie. Und nicht nur der Familie…

Auf Hundreds Hall geschehen eigenartige Dinge. Unerklärliche Dinge. Es gibt nächtliche Geräusche, sich bewegende Gegenstände und seltsame Flecken an der Wand. „Da is was Böses in diesem Haus.“, sagt schon früh eine 14jährige Hausangestellte. Ist sie nur ein hysterisches junges Mädchen oder steckt vielleicht doch etwas Wahres in dieser Aussage?

Die Vorfälle häufen sich, nehmen in ihrem Ausmaß ständig zu. Es gibt erste Unglücksfälle, die ersten Opfer. Die Protagonisten bemühen sich um Erklärungen und verlieren dabei, einer nach dem anderen, den Verstand. Haben wir es hier mit Geistererscheinungen oder mit Wahnvorstellungen zu tun? Selbst der Wissenschaftler Dr. Faraday ist sich am Ende nicht mehr sicher…

Sehr gut gefallen hat mir die gruselige Atmosphäre des Buchs. Ich habe mich als Leser an mancher Stelle gefragt, ob diese spezielle Tat jetzt das Werk eines Poltergeistes gewesen ist oder aber von einem der mittlerweile arg psychisch beeinträchtigten Familienmitglieder begangen wurde. Und selbst zum Schluss konnte ich mir da nicht sicher sein. Daher ist dieses Buch für mich ein richtig schöner Schauerroman.

Es ist aber auch ein Gesellschaftsroman und befasst sich in großem Umfang mit den Lebensumständen im Nachkriegsengland. Wer sich für so etwas interessiert, wird gut bedient. Nur sollte man keinen Horror erwarten: Auch wenn an der ein oder anderen Stelle etwas Blut fließt, ist dieses Buch kein Schocker. Für mich hat es funktioniert und ich vergebe nur Abzüge für die meiner Meinung nach zu langatmige Schilderung der Liebesgeschichte zwischen Dr. Faraday und der Tochter des Hauses.

Bewertung vom 12.12.2014
Olczak, Martin

Die Akademiemorde


sehr gut

Sonja Bergwall, ein angesehenes Mitglied der Schwedischen Akademie, die alljährlich den Nobelpreis für Literatur vergibt, wird ihr Buch nicht mehr beenden können. Sie stirbt, ermordet von einem geheimnisvollen Täter mit einem altertümlichen Schwarzpulverrevolver. Bei Claudia Rodriguez von der Zentralen Mordkommission schrillen sofort sämtliche Alarmglocken, wurde doch kurz zuvor der Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie mit der gleichen (und vermutlich auch derselben) Waffe getötet. Hat der Täter es etwa auf die Mitglieder der Akademie abgesehen? Schon bald gibt es ein weiteres Opfer und der Verdacht wird zur traurigen Gewissheit. Ein verzweifelter Kampf um das Leben der restlichen Mitglieder beginnt, bei der der Täter immer wieder eine erstaunliche Kreativität demonstriert. Erschwerend kommt hinzu, dass Claudia aus eigenen Reihen ständig Steine in den Weg gelegt werden. Sie ermittelt schließlich auf eigene Faust - unterstützt durch einen alten Freund, den Buchantiquar Leo Dorfman...

Auf diesen Krimi war ich neugierig geworden durch seinen engen Bezug zur Welt der Bücher. Und ist es nicht auch spannend, wenn eine Mordserie scheinbar mit dem Literaturnobelpreis zusammenhängt? Auch darüber hinaus werden Bücher oft erwähnt - einem Leser aus Leidenschaft geht dabei das Herz auf.
Auch schön: Vor jedem Kapitel findet sich ein Eintrag, der einen Literaturnobelpreisträger benennt, mit dem entsprechenden Jahr und der Begründung der Akademie. Sehr interessant zu lesen!

Die Handlung verläuft in mehreren Erzählsträngen: Mal begleiten wir Claudia und Leo bei ihren Ermittlungen, mal die Polizei und zwischendurch auch den Täter. Spannend geschrieben bleibt man gerne dran (bei mir wurde es auch recht spät in der Nacht ;-) Der Täter ist wirklich sehr einfallsreich – lasst euch überraschen!

Ein bisschen was hab ich aber zu kritisieren. Erstens: Ich kann kein Latein. Hin und wieder tauchen aber lateinische Sätze oder Überschriften auf, was sehr gut aussieht und auch passend ist. Ich hätte mich aber über eine Übersetzung in der Fußnote oder im Anhang gefreut, denn ich saß längere Zeit mit dem Buch in einem Wartezimmer ohne Internetempfang und hatte daher nicht die Möglichkeit, sofort zu klären, was da so steht. Hat mich ein bisschen geärgert.
Darüber hinaus werden für meinen Geschmack ein paar Klischees zu viel bemüht. Claudia zum Beispiel ist der Prototyp einer durchsetzungsfähigen und selbstbewussten Polizistin. Sie ist jung, taff und hat den Großteil ihrer Jugend in Boxstudios verbracht. Darüber hinaus ist sie chilenischer Abstammung. Ihr Gegenspieler bei der Polizei zeichnet sich durch Frauenfeindlichkeit aus, vermutet Sprachprobleme und traut ihr rein gar nichts zu. Und der Leitungsebene ist bei dem ganzen Fall nur das äußere Ansehen gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit wichtig.
Der Antiquar Leo ist auch genauso, wie man sich einen Antiquar vorstellt. Ein Eigenbrötler, immer am Rand des Existenzminimums, lebt für und zwischen seinen Büchern, weiß alles, was man über Bücher wissen kann und in seinem erstaunlichen Antiquariat findet sich beinahe für jedes Problem das passende Nachschlagewerk. Sehr sympathisch, aber klischeebelastet.
Und als letzten Kritikpunkt habe ich die eine oder andere - in meinen Augen - unlogische bzw. total unrealistische Stelle ausgemacht. Da ich aber ansonsten wirklich sehr glücklich mit dem Buch war, ziehe ich insgesamt nur einen Punkt ab.

Fazit: Kreativer Serienmörder erschüttert die Literaturszene – spannend!

Bewertung vom 10.12.2014
Weiler, Jan

Mein Leben als Mensch


sehr gut

Ich habe schon einige Bücher von Jan Weiler gelesen. Angefangen bei "Maria, ihm schmeckt's nicht", in dem man Schwiegervater Antonio erstmals kennenlernt.

In diesem Buch ist er auch wieder dabei. Außerdem Sara, die Ehefrau, die Kinder Carla und Nick und das Au-pair-Mädchen Natalya. Es gibt eine Menge Familiengeschichten, aber nicht nur. Da wären zum Beispiel nette Abhandlungen zum Thema "Kevinismus" oder über das Kochen nach Blutgruppen. Schön fand ich aber auch das Kapitel über die Shiva des Fernmeldewesens oder das Geständnis des Autors, dass er ein Rasenmäher-Nostalgiker ist. Für alle Eltern sind natürlich auch wieder herrliche Geschichten über das Leben mit Kindern dabei. Stichworte hier zum Beispiel: Übernachtungsgäste, Wunderkinder, Hausaufgaben und das Leben mit einem Pubertier!

Und natürlich Antonio! Ich liebe jeden seiner Auftritte. In diesem Buch begleiten wir ihn beispielsweise beim Kauf eines Flachbildfernsehers, beim Autofahren mit Navi und bei einem Besuch im Kosmetikstudio ("Bini brutto?") :)

Ich mag den Schreibstil von Jan Weiler. Wie er sich mit ganz alltäglichen Dingen befasst, finde ich immer wieder unterhaltsam. Auch dies ein Buch, das man schön nebenbei lesen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.12.2014
Spörrle, Mark

Kommt Oma auf den Kompost, wenn sie tot ist?


sehr gut

Wer kleine Kinder hat, oder sich erinnert, wie es mit kleinen Kindern so war, der findet sich in diesem Buch wieder. Mark Spörrle schreibt witzige kleine Geschichten über den täglichen Wahnsinn mit einem Kind im Vorschulalter. Es sind alle Kriegsschauplätze vorhanden: Der Kindergarten, der Supermarkt, der Kinderarzt. Wir begleiten die kleine Familie bei einer Bahnfahrt, einer Flugreise und ins Schwimmbad. Wir suchen mit nach dem Lieblingskuscheltier und bemühen uns um gesunde Ernährung. Und das Lied von "Meike Säckdschen" brachte meine Tochter damals auch aus dem Kindergarten mit :)

Ich mag Mark Spörrles Schreibstil sehr! Alltägliches, satirisch und humorvoll geschrieben. Für mich ein nettes Buch, das man prima nebenbei oder zwischendurch lesen kann.