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Baerbel82

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Insgesamt 969 Bewertungen
Bewertung vom 15.03.2016
Sveen, Gard

Der letzte Pilger / Kommissar Tommy Bergmann Bd.1


ausgezeichnet

Niemand ist frei von Schuld

„Der letzte Pilger“ startet mit einem gruseligen Prolog: Der einstige Widerstandskämpfer Carl Oscar Krogh wurde bestialisch in seinem Haus in Oslo ermordet. Ein später Racheakt?
Danach führt uns der Roman in die Vergangenheit, nach Lillehammer in den Mai des Jahres 1945, zu Kaj Holt, der für die englische Militärpolizei tätig ist und Peter Waldhorst, einen deutschen Gestapo-Offizier, verhören will. Zwei Tage später ist Holt tot. Angeblich war es Selbstmord. Auch der schwedische Kriminalinspektor Gösta Persson, der den Fall untersucht, stirbt.
Zurück in der Gegenwart, lernen wir den Osloer Kommissar Tommy Bergmann kennen. Er wird zu einem alten Knochenfund in die Nordmarka gerufen. Wo ist die Verbindung? Was war damals wirklich passiert? Und was hat die schöne Spionin Agnes Gerner mit alldem zu tun?
Eine komplexe Handlung, ein Heer von Protagonisten und Rückblenden in die Vergangenheit gilt es zu verfolgen. Schauplätze sind Norwegen, Schweden, England und Deutschland.
Gard Sveen erzählt die Geschichte der NS-Zeit in Norwegen rückwärts. Selbst wenn der Leser der Polizei immer einen Schritt voraus ist, wird Spannung aufgebaut, die langsam gesteigert wird und nicht mehr nachlässt. Die Geschichte nimmt viele überraschende Wendungen, bis zum unerwarteten Ende. Nur schrittweise wird enthüllt, wohin das Ganze führen soll.
Eine Geschichte, die zeigt, wie Liebe, Freundschaft, aber auch Hass und Verrat das menschliche Schicksal beeinflussen - mit überraschenden, dramatischen und manchmal auch brutalen Folgen.
Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Nichts ist wie es scheint, niemand ist, wer er zu sein scheint. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Tommy Bergmann hat zwar mit den Dämonen seiner Vergangenheit zu kämpfen, aber er ist klug und erkennt schließlich als Einziger die Lösung.

Fazit: Eine zeitgeschichtliche Erkundung verpackt in einem spannenden Politkrimi. Ein starkes Debüt!

Bewertung vom 08.03.2016
Strobel, Arno

Die Flut (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Hilflos ausgeliefert

Um es gleich vorwegzunehmen, der neue Psychothriller „Die Flut“ ist echt der Hammer, ein echter Strobel eben. Worum geht es?
Julia hat sich auf eine Auszeit mit Michael auf Amrum gefreut, auch wenn die Insel im November eher unwirtlich ist und Michael seinem Kollegen Andreas versprochen hat, ihm beim Ausbau des Dachbodens des Ferienhauses zu helfen. Doch die Idylle trügt! Denn auf Amrum geht ein Serienkiller um. Er entführt Paare und vergräbt nachts bei Ebbe die Frau bis zum Hals im Sand. Den Mann bindet er in der Nähe fest, so dass er dabei zusehen muss, wenn seine Frau bei Flut qualvoll ertrinkt. Dadurch erhofft sich der Täter eine Antwort auf die Frage: Was ist Liebe?
Es mangelt an verwertbaren Spuren, jedoch nicht an Verdächtigen. Hauptkommissar Harmsen von der Kripo in Flensburg ermittelt. Aber darauf hat der Mörder nur gewartet. Ein perfides Spiel beginnt...
Arno Strobel erzählt die Geschichte aus mehreren Perspektiven, darunter der eines Polizisten sowie der einer Urlauberin. Durch die verschiedenen Sichtweisen werden für die Leser zwar manche Informationslücken geschlossen, aber selbst die gelegentlichen Kommentare des Täters tragen nicht wirklich zur Aufhellung der komplexen Situation bei und lassen noch bis zur letzten Seite mehrere Verdächtige als Täter infrage kommen.
„Die Flut“ besticht durch einen außergewöhnliche Geschichte. Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Das Tempo ist sehr hoch, einige geschickte Cliffhanger und dazu mehrere Verdächtige, die sich selbst immer verdächtiger machen. Aussagen widersprechen sich, nur nach und nach werden wichtige Informationen preisgegeben und so steigt mit jeder Zeugenbefragung die Verwirrung. Zudem ist der Plot ebenso brutal wie abwechslungsreich.
Ein packender Psychothriller mit vielen falschen Fährten, überraschenden Wendungen und einem ganz intensiven Spannungsbogen bis zum unerwarteten Ende.

Fazit: Spannende Strandlektüre, nicht nur für Amrum-Urlauber.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.03.2016
Radermacher, Ulrich

Saukerl (eBook, ePUB)


sehr gut

Eher Familiendrama als Krimi

Der Huber-Bauer ist tot. Er liegt erschossen mitten im Schweinestall. Was für ein passendes Ende, denn der Toni war wohl ein Saukerl. Es wimmelt nur so von Verdächtigen und jeder hätte ein Motiv. Alois Schön und sein Team bekommen alle Hände voll zu tun…
Ein Heer von Protagonisten, glaubhaft und durchdacht. Der Vater tot, die Mutter verschwunden, der Sohn traumatisiert und die Tochter eine Mörderin? Klassische Verbrecher finden sich hier nicht. Das Schändliche verbirgt sich hinter wohlfeiler Fassade.
„Saukerl“ überzeugt mit einem ausgefeilten Plot, der den Rahmen der konventionellen Mörderjagd ausweitet. Aus Tätern werden Opfer, aus Opfern Täter. Eine Konfliktsituation, die den Leser emotional einbindet und verführt, seinen Fuß auf die falsche Seite zu stellen.
Ulrich Radermachers Erzählstil ist sehr angenehm und vermag mit leisen Tönen zu fesseln. Gut gefallen hat mir auch der bayerische und fränkische Dialekt. Das Privatleben von Alois und seiner Beate nimmt einen breiten Raum ein. Das geht ein wenig zu Lasten der Spannung.
Leider haben mir ein bisschen die falschen Fährten und überraschenden Wendungen gefehlt. Denn es dauert nicht lange bis das Motiv klar ist. Somit bleibt auch die Täterfrage nicht bis zum Ende im Dunkeln. Und vorhersehbare Krimis machen keinen Lesespaß.

Fazit: Solider München-Krimi zu einem heiklen Thema - mit Luft nach oben.

Bewertung vom 07.03.2016
Roderick, Mark

Tränen aus Blut / Post Mortem Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine Bestie namens Belial

Unweit von München: Avram Kuyper ist unterwegs nach Oberaiching zum Kuyperhof. Denn von seinem Bruder Goran, zu dem er schon lange keinen Kontakt mehr hatte, hat er eine beunruhigende Nachricht erhalten: „Komm nach Hause und räche dich an denen, die uns getötet haben.“
Frankfurt am Main: Wir begegnen Emilia Ness. Sie arbeitet bei Interpol und ist wegen einer Zeugenaussage in Frankfurt, als sie von ihrem Chef einen Anruf erhält. In einem Frankfurter Hotel wurde ein Toter gefunden, der für sie persönlich eine Botschaft hinterlassen hat.
Schnell ist klar, dass es sich bei dem Toten um Avrams Bruder Goran handelt. Goran war Reporter und hinter einer heißen Sache her. Wurde er ermordet, weil er zu viel wusste? Seine Familie ist jedenfalls seitdem spurlos verschwunden…
Mark Roderick erzählt die hochspannende Geschichte abwechselnd aus der Perspektive von Avram und Emilia. Beide versuchen zunächst unabhängig voneinander herauszufinden, was wirklich mit Goran und seiner Familie geschah, bis sie erkennen, dass sie es mit einem übermächtigen Gegner zu tun haben. „Wer ist diese Bestie, die kein Gewissen und keine Grenzen kennt?“
„Post Mortem - Tränen aus Blut“ ist der Auftakt einer packenden Thriller-Reihe. Die Fortsetzung, „Zeit der Asche“, erscheint im April, Teil drei ist bereits in Planung. Kaum zu glauben, dass es sich um einen Debütroman handelt, noch dazu von einem deutschen Autor. Ich vermute daher, dass Mark Roderick ein Pseudonym ist.
Die Geschichte lässt sich flott lesen und nimmt viele überraschende Wendungen bis zum unerwarteten Ende. Mithin geht es recht brutal und blutig zu: explizite Gewalt- und Folterszenen, Snuff-Videos. Avram und Emilia, ein unkonventionelles Team, dem ich gerne wieder über die Schultern schauen möchte.

Fazit: Gelungener Start einer neuen Serie. Hochspannung pur, brillant erzählt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.02.2016
Pflüger, Andreas

Endgültig / Jenny Aaron Bd.1


ausgezeichnet

La Sagrada Familia

Erzählt wird die Geschichte von Jenny Aaron. In ihrem ersten Leben war sie Mitglied einer international operierenden Elitetruppe der Polizei - hochintelligent, kampferprobt, effektiv. In ihrem zweiten ist sie Verhörspezialistin und Fallanalytikerin beim BKA. Sie spürt das Verborgene und versteht es, zwischen den Worten zu tasten - denn seit einem misslungenen Einsatz in Barcelona ist Aaron blind. Die damaligen Ereignisse haben sie traumatisiert. Doch es war nicht der schlimmste Tag ihres Lebens. Der schlimmste Tag ihres Lebens ist heute. Denn heute sitzt sie in einem Flieger nach Berlin. Dort trifft sie auf einen skrupellosen Soziopathen mit Verbindungen zur Russenmaffia, der noch eine alte Rechnung mit ihr offen hat. Ein tödlicher Zweikampf beginnt…
Eigentlich hat „Endgültig“ alles, was einen guten Thriller ausmacht, ein rasanter Plot und komplexe Figuren. Es geht um Familie und um Philosophie. Heldin und Anti-Held folgen dem Bushidō, dem Weg des Kriegers. Atemlos, wie auf Speed, in einem ganz eigenen Stakkato-Stil schildert Andreas Pflüger in vielen Rückblenden die Geschichte seiner Protagonisten. Ein sorgfältig recherchierter Roman, der Blindheit thematisiert. Eine actionreiche Geschichte mit falschen Fährten, dramatischen Wendungen und einem intensiven Spannungsbogen bis zum unerwarteten Ende. Auch der Humor kommt nicht zu kurz: „Haben Sie das Geld schon ausgegeben? Hoffentlich für was Sinnvolles. Hirnoperation?“
Die Welt der Samurai, Hegelsche Dialektik und Max Frischs Gantenbein (zufällig 1964 ebenfalls bei Suhrkamp erschienen), das war mir dann doch etwas „too much“. Außerdem hat mich gestört, dass in dem Roman so viel geraucht wird. Jeder, immer und überall. Nichtsdestotrotz ist Jenny Aaron eine „erleuchtete“ Heldin, der ich gerne wieder über die Schultern schauen möchte.

Fazit: Atmosphärisch, soghaft und von höchster Spannung.

Bewertung vom 24.02.2016
Lüders, Michael

Never Say Anything


ausgezeichnet

Kampf gegen Windmühlen

Die Journalistin Sophie Schelling sieht auf einer Dienstreise etwas, das sie nie hätte sehen dürfen. In seinem packenden Politthriller schildert Autor und Orientalist Michael Lüders die dunkle Seite des amerikanischen Drohnenkriegs. Worum geht es?
Sophie wird in Marokko Zeugin eines Drohnenanschlags. Das kleine Dorf Gourrama wird dem Erdboden gleich gemacht. Mit Hilfe fremder Frauen kann Sophie zwar entkommen, aber die Geschichte lässt sie nicht mehr los. Bald ist klar, dass nicht Al-Qaida das Massaker begangen hat, sondern eine Spezialeinheit aus den USA. Wie einst die Tötung Osama bin Ladens in Pakistan. Sophie erkennt sehr schnell: „Diese Geschichte ist gleichermaßen ein Skandal und ein Scoop.“
Zurück in Berlin: Leider glaubt man Sophie bei ihrer Zeitung nicht und so stellt sie ihren Bericht ins Internet. In einem weiteren Handlungsstrang, der in den USA spielt, wird das Schicksal von Marc Lindsay erzählt. Marc, der eigentlich als Übersetzer arbeitet, veröffentlicht geheime Videos über Folterungen und Militäreinsätze im Irak bei „Buzzfeed“, einem Medienportal. So wie 2007 Bradley Manning, der dafür zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Auf der Suche nach der Wahrheit gerät auch Sophie ins Visier der Geheimdienste und in große Gefahr: ihre Wohnung wird auf den Kopf gestellt, ihr Mail- und FB-Account gehackt, ihr Konto gesperrt - und die Bordelektronik ihres Autos manipuliert. Sophie ist schon sehr naiv, aber Blauäugigkeit ist ein zentrales Thema. Denn kritischer Journalismus ist zunehmend unerwünscht, harte Fakten werden weich gespült.
Michael Lüders stellt seine Heldin vor eine Gewissensfrage: „Wie weit bist du bereit zu gehen, um die Wahrheit herauszufinden? Würdest du dafür deine Zukunft aufs Spiel setzen? Oder vergisst du lieber, was du erlebt und erfahren hast?“ Wie wird sich Sophie entscheiden?
Der Leser erfährt viel über Enthüllungsplattformen und investigativen Journalismus. Es handelt sich um eine fiktive Geschichte, die auf Tatsachen beruht, aber auch Verschwörungstheorien enthält. Wir lernen viel über Drohnen und schmutzige Kriege. Von Gourrama bis Ramstein und Stuttgart, von Davidson und Boston bis nach Oslo.
Ein gut recherchiertes Buch, mit einem ganz intensiven Spannungsbogen und einem unerwarteten Finale. Eine höchst aktuelle Auseinandersetzung mit Geheimdiensten und entfesselter Moral. Der einzelne Mensch wird oftmals hart getroffen von den Handlungen der Mächtigen und ihrer brutalen Handlanger.

Fazit: Mein erstes Thriller-Highlight in diesem Jahr. Sehr zu empfehlen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.02.2016
Scharner, Helmut

Mostviertler / Mostviertler Trilogie Bd.1


sehr gut

The Winner Takes It All

„Mostviertler“ erzählt vom Schicksal des österreichischen Schuhfabrikanten Jakob Schuster. Er plant das Familienunternehmen mit der Produktion von Fair-Trade-Sportschuhen in Asien zu einem Global Player auszubauen. Doch durch seine fragwürdigen Methoden schafft er sich viele Feinde und bezahlt die Verwirklichung seines Traums schließlich mit dem Leben.
„Mostviertler“ ist ein gelungener Mix aus Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Familiensaga und Wirtschaftskrimi, enthält aber auch einige explizite Gewalt- und Sex-Szenen. Es geht um Liebe und Hass, Macht und Gier, Lügen und Intrigen. Liegt das Motiv im geschäftlichen oder eher im privaten Bereich? Kommissar Brandner aus Wien und der einheimische Polizist Reitbauer ermitteln…
Der Plot erinnert an „Mord im Orientexpress“ von Agatha Christie: In einem abgeschlossenen Raum geschieht ein Mord; der Täter oder die Täterin muss sich unter den Anwesenden befinden, denen eine Flucht unmöglich ist. Nun ja, hier ist es die Schusteralm.
Auch der Erzählstil ist ein bisschen retro und hat mich an die Romane von Raymond Chandler (Philip Marlow) erinnert. Ein Stil, dessen sich Helmut Scharner insbesondere bei den kursiv gedruckten Rückblenden in die Vergangenheit der 1990er Jahre bedient.
Der Autor schafft es, einen ebenso gut lesbaren wie authentischen Wirtschaftskrimi vorzulegen - hochspannend bis zum unerwarteten Ende. Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Nichts ist wie es scheint, niemand ist, wer er zu sein scheint. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Wer wird verlieren, wer wird gewinnen? Und um welchen Preis?

Fazit: Empfehlenswerter Kriminalroman mit der Faszination des Fernen Ostens.