Benutzer
Benutzername: 
Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 1090 Bewertungen
Bewertung vom 06.11.2022
Stallmajer, Manfred;Parker, Martina

Hotel Rock 'n' Roll


ausgezeichnet

In diesem Buch erinnert sich Manfred Stallmajer an seine Anfänge als Hotelmanager. Er gibt einen Einblick in sein Leben als Gastgeber, das er völlig unbedarft und ohne jede fundierte Ausbildung begonnen hat.

Der Hotelier berichtet über spontane Aftershow-Partys seiner bekannten Gäste, die manchmal viel weniger exzentrisch daherkommen als ihr Ruf. Wir Leser erhalten einen dezenten Einblick in die illustre Gästeschar, der neben Musikgrößen, Filmstars auch Größen der Schauspielhäuser sowie solche aus Politik und Wirtschaft angehör(t)en.

Wir tauchen ein in eine leider längst vergangene Welt, in der das stadtbekannte Original Waluliso (Wald-Luft-Licht-Sonne) in der Wiener Innenstadt anzutreffen war.

Ergänzt wird Stallmajers Rückschau, den Krimi-Autorin Martina Parker aufgezeichnet hat, durch zahlreiche private Fotos sowie Auszügen aus den Gästebüchern seiner Hotels sowie mit Interviews von einigen Wegbegleitern.

Zahlreiche Lokale und so mancher Promi hat diese Zeit geprägt und weilen nicht mehr unter uns. Das stimmt ein wenig traurig, ist aber der Lauf der Zeit.

Das Buch ist mit viel Herzblut im Verlag Schultz & Schirm erschienen. In seiner gediegenen Aufmachung als Hardcover mit Lesebändchen ist es ein tolles Geschenk an alle jene, die diese Zeit selbst erlebt haben und jene, die gerne einen neugierigen Blick durch das Schlüsselloch von Hotelzimmern linsen, in denen Berühmtheiten abgestiegen sind.

Fazit:

Mit diesem Buch habe ich mich in die 1980er und 1990er Jahre zurückversetzt gefühlt. Gerne gebe ich dieser gelungenen Rückschau 5 Sterne.

Bewertung vom 06.11.2022
Publig, Maria

Stille Nacht, keiner wacht


sehr gut

In Großlichten, einem fiktiven Ost im niederösterreichischen Waldviertel bereitet man sich auf die stillste Zeit der Jahres vor: auf Weihnachten. Doch ganz so still ist es nicht mehr, dann Punsch, Langos und der Weihnachtsmann haben auch hier Einzug gehalten.
Wieder mitten im Geschehen ist Wally Winzer, die PR-Lady aus Wien, die mit ihrem Tesla und ihrer Neugier Aufsehen erregt.

Diesmal wird der attraktive Weihnachtsmann ermordet und das angebliche Originalmanuskript des „Stille Nacht“-Liedes, das ein einheimischer Unternehmer ersteigert hat, verschwindet. Natürlich muss Wally Winzer ihre Nase wieder in die Ereignisse stecken. Hängen die beiden Straftaten zusammen? Und wenn ja, wie?

Daneben geht es noch um die „liebe(n) Familie(n)“, deren Haussegen gerade zu Weihnachten oft schief hängt.

Wer wissen will, was wirklich geschehen ist, schnappt sich Buch, heiße Schokolade und Vanillekipferl und steckt, in eine kuschelige Decke gehüllt, die Nase in das Buch.

Meine Meinung:

Nachdem mich der letzte Krimi „Waldviertelrache“ ein wenig enttäuscht hat, bin ich diesmal mit wenig Erwartung an das Buch herangegangen. Und siehe da, dieser Krimi gefällt wieder. Liegt aber nicht an Weihnachten, weil das laute Getöse mit seinem scheinheiligen Kommerz mag ich gar nicht.

Es gefällt, weil der eine oder andere Faden aus dem letzten Krimi weiter gesponnen wird und die Wally nicht mehr ganz so „gespreizt“ daherkommt.
Penible Ermittlungen sind nach wie vor weder vom Dorfpolizisten Sepp Grubinger noch von Wally Winzer zu erwarten. Aber, das ist auch nicht unbedingt das Ziel der Reihe, echte Polizeiarbeit darzustellen. Vielmehr geht es diesmal auch darum, dass es sich die Menschen durchaus leichter machen könnten, würden sie doch manchmal miteinander als übereinander reden.

Fazit:

Wer einen weihnachtlichen Krimi lesen möchte, ist hier richtig. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 06.11.2022
Troi, Heidi

Gefährliche Treue. Lorenz Lovis ermittelt


gut

Lorenz Lovis, ehemaliger Polizist der Polizia di Stato in Bressanone (Brixen), nunmehriger Privatdetektiv und Eigentümer eines verschuldeten Bauernhofes, soll die Almhütte für ein Krimi-Dinner auf Vordermann bringen und gleichzeitig im Wald nach dem Rechten sehen. Denn, entgegen der strikten Gesetze, die das Sammeln von Pilzen nur an geraden Tagen und da auch nur bis zu einem Kilo erlauben, wird der Wald von wildernden Schwammerlsuchern wahrlich heimgesucht. Zu allem Überfluss hat sich ein Italiener in einer Hütte eingenistet und zum Verdruss der Südtiroler, eine italienische Flagge gehisst. Ein deutlicher Affront in den Augen der traditionsbewussten Südtiroler.

Doch bevor Lorenz sich um die Almütte und den Wald kümmern kann, erreicht ihn die Nachricht, dass die Stoaner-Thres mit einer Axt erschlagen worden sein soll. Die Thres, eine von drei Schwestern, ist mit Loorenz Schulfreund Michael verheiratet. Der wird natürlich sofort von Ispettore Scatolin, Lorenz‘ Ex-Kollegen und auch nunmehrigen Ex-Freund als Tatverdächtiger abgeführt.

Jetzt gilt es, Michaels Unschuld zu beweisen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Meine Meinung:

Dieser dritte Krimi rund um Lorenz Lovis hat mir nicht so gut gefallen.

Warum?

Die Animositäten zwischen seinem Ex-Chef Botta und Lovis nerven zusehends. Wieder einmal landet Lovis auf der Liste der Verdächtigen. Dass Botta die deutsch-sprechenden und selbstbewussten Südtiroler nicht ausstehen kann, ist seit dem ersten Band bekannt. Dass diese Tatsache in jedem Fall mehrfach wiederholt wird, langweilt inzwischen. Wir Leser können und das schon merken. Vor allem ist das Thema „arroganter, italienischer Chef“ schon ziemlich ausgelutscht, da das in fast jedem Südtirol-Krimis vorkommt.

Dass die italienische Polizei schlampig ermittelt, passt hier zu den Vorurteilen. Allerdings sind Lovis‘ eigene Recherchen auch alles andere als genau. Ich frage mich ja, ob er die Arbeit während seiner Dienstzeit als Polizist auch so sprunghaft gemacht hat. Natürlich hat er es als Einheimischer leichter, die Einheimischen zu befragen und versteht es, die Andeutungen, Gerüchte und das Hörensagen besser einzuordnen als Scatolin. Doch dass er wieder die drei Jungs für sich spionieren lässt, geht für mich gar nicht. Einmal war das als „Kennenlernen“ der Charaktere recht amüsant, aber Kinderarbeit ist auch in Italien verboten.

Ich habe den Eindruck, dass die Autorin diesmal zu viel in den Krimi gepackt hat: den Pilzdieb, das Krimi-Dinner, den italienischen Hüttenbewohner, den Mord an der Stoaner-Thres, der übrigens nicht der einzige Mord bleiben wird, das Südtiroler Brauchtum, das eigenartige Verhältnis von und zu Angelika, die Burgl, die unverheiratete Stoaner-Schwester, die sich bei Lorenz einnistet und - irgendetwas habe ich jetzt bestimmt vergessen - ach ja, die Sommergäste und als Ratgeberin Huhn Alma. Es wirkt alles ziemlich chaotisch und überladen.

Doch eine, für mich sehr nahe liegende, Möglichkeit, wer der Täter sein könnte, wird weder von Scatolin noch von Lovis in Betracht gezogen.

Die leicht hilflose Liebenswürdigkeit, die Lorenz im ersten Band hat, als er versucht, den ererbten, aber verschuldeten Bauernhof seines Onkels zu halten, ist verloren gegangen und einer chaotischen Lebensweise gewichen. Von der Detektei kann er auch (noch?) nicht leben. Er spannt, meiner Ansicht nach, dauernd andere ein, seine Arbeit zu machen, sei es auf dem Hof oder beim Recherchieren.

Der Schreibstil ist eher einfach. Es wird mit Vorurteilen auf beiden Seiten gespielt. Sorry, aber Südtirol wurde nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Vertrag von Saint-Germain 1919 von den Siegermächten Italien zugesprochen - auch wenn das weder den Nord- noch den Südtirolern bis heute passt. Trotz allem Traditionsbewusstsein muss nach mehr als 100 Jahren den Tatsachen ins Auge geblickt werden. Ja, die Zwangsitalienisierung der deutschen Bevölkerung Südtirols während des Faschismus ist eine tiefe, schwärende Wunde. Das wäre vielleicht ein Thema, das sich für einen fesselnden Kriminalfall anböte.

Dieser dritte Krimi endet mit einem Cliffhanger: Die Leiterin einer Theatergruppe benötigt die Hilfe eines Detektivs mit schauspielerischen Fähigkeiten. Ob das etwas für Lorenz Lovis sein kann?

Fazit:

Leider hat mir dieser dritte Fall für Lorenz Lovis nicht so gut gefallen, daher gibt es diesmal nur 3 Sterne.

Bewertung vom 03.11.2022
Lendvai, Paul

Vielgeprüftes Österreich


ausgezeichnet

„Politik ist kein Ort der Geborgenheit“ (S.268)

Prof. Paul Lendvai, nach dem Tod von Hugo Portisch nun der Doyen der messerscharfen Analyse österreichischer Politik, beschreibt das „Leiden“ der Republik. Allerdings muss man festhalten, dass viele dieser Schmerzen hausgemacht, sprich von österreichischen Politikern verursacht wurden und werden.


In elf Kapiteln versucht er die Geschichte Österreichs darzustellen:

Die Last der Vergangenheit
Mythen und Realität: Das Erbe der Habrburger
Hitlers Schatten: gestern und heute
Die Achterbahnfahrt der FPÖ: Von Friedrich Peter zu Jörg Haider
Österreich: Immer wieder „unter Beobachtung“
Karl Renner und Bruno Kreisky
Geld statt Gesinnung: Niedergang der Sozialdemokratie
Die ÖVP, die ungewöhnlichste Volkspartei Europas
Von Wolfgang Schüssel zu Sebastian Kurz
Die „echten“ Österreicher und die Grünen
Österreich 2022: ein betrübliches Sittenbild

Auch wenn man das Gefühl hat, die Gegenwart ist so schlimm wie nie, auch in der Vergangenheit hat es Skandale gegeben. Allerdings haben viele Menschen ein Gedächtnis wie die sprichwörtliche Stubenfliege. Wer kann sich noch an Skandale wie Noricum, AKH oder ähnliches erinnern? Eben!

Der Unterschied liegt vermutlich darin, dass die damals nicht so informiert war. Man hat keine „Push-Nachrichten“ erhalten, soziale Medien waren noch nicht erfunden und die (wenigen) TV-Sender haben nicht in Dauerschleife von Korruption berichtet.

Die Zukunft wird angesichts der weltweiten Krisen und Katastrophen nicht einfacher werden.

„In einer existenziellen Krise sollten polarisierende Selbstinszenierungen mit der unausgesprochenen Formel „alles zu vertuschen“, keinen Platz haben, Eine zeitgerechte Warnung an die eigene Partei, die „alte ÖVP“.“ (Claus Raidl, ehemaliger Nationalbankpräsident)

Gerne gebe ich dieser gelungenen Analyse 5 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2022
Willams, Fenna; Gungl, Petra K.; Keller, Ivonne; Nolden, Renate; Polkehn, Edith Anna; Peters, Stephan; Berber, Pupuze; Ziemons, Cécile; Woda, Bruno; Meyer, Martin; Raifura, Daniel; Speidel, Joachim; Zotzmann-Koch, Klaudia; Schmid-Spreer, Ursula; Jischinski, Mark; Vollenberg, Brigitte; Lamberts, Brigitte; Lange, Kerstin; Quinke, Sibyl; Fröhlich, Mareike

Planvoll gescheitert


sehr gut

Diese Anthologie ist eine liebevoll zusammengestellte Sammlung von Kurzgeschichten, die Mehrheit davon Krimis. Allen Geschichten ist gemein, dass es zwar einen Plan zur Ausführung gibt, aber dann dennoch etwas schief geht.

„Ein Plan, ein Plan, mein Königreich für einen Plan, der aufgeht!“ könnte man in Abwandlung zu Shakespeares König Richard III. ausrufen!

Zwanzig Autorinnen und Autoren schreiben von Rache, Mordlust und Geldgier - also einem Querschnitt der menschlichen Abgründe. Dabei geht es in einigen Geschichten durchaus humorvoll zu, wenn die Bewohnerinnen eines Altenheims zwei Einbrecher als Stripper auftreten lassen oder zwei Knaben unbedingt den Beruf des Hackers erlernen wollen und dabei durch Herunterladen allerlei Software mehrere Geheimdienste düpieren.

Für mich persönlich sind Kurzgeschichten nur Häppchen, die ähnlich wie Petits Fours, nur den Appetit anregen, ohne wirklich satt zu machen.

Allerdings halte ich es für große Kunst, in nur wenigen Seiten Täter, Tat, Opfer und Auflösung unterzubringen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2022
Bong, Jörg

Die Flamme der Freiheit


ausgezeichnet

In diesem ersten Teil einer Trilogie über die Revolutionsgeschichte zeichnet Autor Jörg Bong in einer plastischen, ja fast schon romanhaften Darstellung, die Revolution(en) in Deutschland 1848/49 nach.

Das unterscheidet das Buch von Alexandra Bleyers „1848 - Erfolgsgeschichte einer gescheiterten Revolution“. Während sich die promovierte Historikerin Alexandra Bleyer dem Thema sachlich (auch, wenn sie sich - wie sie erklärt „mit dem Mut zur Lücke“) annähert, liest sich Jörg Bongs Werk fast wie ein historischer Roman.

In insgesamt zehn Kapiteln (wenn man den Prolog rund um Frankreich mitzählt) beschreibt er, ausgehend von der Revolte im Februar 1848, die Ereignisse.

Pariser Prolog
Revolutionen vor der Revolution
„März-Forderungen“ - die deutsche Revolution beginnt in Baden
Beinahe-Revolutionen oder „echt deutsche Tage“
Ganz Deutschland im Sturm
Berlin - der preußische Gott des Gemetzels
Kurzes Zwischenspiel: die Invasion
Das Frankfurter Vorparlament: Monarchie oder Republik
Dämonenaustreibung: Der Einmarsch
Armeen der Freiheit

Wir dürfen hier zahlreichen Kämpferinnen und Kämpfern wie Georg und Emma Herwegh sowie Literaten wie Heinrich Heine oder Ludwig Tieck über die Schulter schauen. Wir lernen das private sowie das politische Umfeld kennen.

Zahlreiche zeitgenössische Quellen beschreiben die Lage vor, während und nach der Revolution. Dieses Detailreichtum ist zugleich auch ein wenig die Schwäche des Werkes. Die zahlreichen Zitate aus Schriften und/oder Briefen unterbrechen ob ihre Fülle doch immer wieder den Lesestoff.

Dass der Revolution in Österreich und der Vertreibung des ehemaligen Staatskanzlers Metternich nur ein mageres Unterkapitel gewidmet ist, muss ich als Österreicherin leider hinnehmen.

Aufgefallen ist mir, dass bei der behutsamen Transkription der Zitate in eine heute angenehm lesbare Form, einige Schnitzer in der Grammatik passiert sind. Z.B.:

"Die Volksvertreter werden besoldet, damit auch der Arbeiter im Parlament des deutschen Volkes sitzen können." (S. 415)

Entweder „... damit auch der Arbeiter in Parlament sitzen kann.“ oder „... damit auch die Arbeiter in Parlament sitzen können.“

Fazit:

Autor Jörg Bong, den meisten Lesern unter seinem Pseudonym Jean-Luc Bannalec bekannt, ist ein sehr guter Erzähler. Hier ist er mitreißend, pointiert und (es sei ihm gestattet) auch Partei nehmend. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2022
Meester, Janine

Bergische Nacht


sehr gut

Als Rias Großvater plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, zieht Enkelin Ria wieder von der Ostsee ins Bergische Land, um ihr Erbe, eine Autowerkstatt und ein Zweifamilienhaus, anzutreten. Doch neben den materiellen Gütern hat Ria noch Bruno, einen Wachhund und Simon, einen Mieter „geerbt“, der wie die Gerüchteküche ihr zuträgt, im Gefängnis gesessen ist.

Kaum angekommen erhält Ria Drohbriefe und es passieren merkwürdige Dinge. Der Verdacht, dass ihr Mieter damit zu tun haben könnte, wird von mehreren Seiten genährt genauso wie das Gerücht, der Immobilienmakler Edoardo Caruso sei Mitglied der Mafia.

Ria wendet sich an die Polizei, die ihr anfangs wenig Unterstützung anbieten kann. Doch dann wendet sich das Blatt und KHK Tomasz Gajewski hat nicht nur ein dienstliches Interesse.

Meine Meinung:

Dieses Krimi-Debüt liest sich flott und ist unterhaltsam. Das liegt vor allem an Bruno, der sich Rias Erziehungsversuchen verweigert.
Auch das Setting, Autowerkstatt, Motoren, Schmieröl und eine begabte Mechanikerin ist neu und macht Spaß. Schmunzeln muss ich über die Typen im Biker-Treff „5 vor 12“.

Der Krimi lebt nicht nur von Bruno, den Oldtimern oder dem Biker-Treff sondern auch von Rias Freundin Nathalie, die telefonisch Ratschläge erteilt sowie von Tomasz Gajewski.

Mein Verdacht, den ich recht schnell hatte, hat sich bestätigt. Die Auflösung ist schlüssig und nachvollziehbar.

Das Cover, das einen Drehzahlmesser zeigt, gefällt mir, der Titel ist wenig aussagekräftig.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi-Debüt 4 Sterne und hoffe auf eine Fortsetzung.

Bewertung vom 01.11.2022
Schiewe, Ulf

Der eiserne Herzog


ausgezeichnet

Fast jeder kennt in groben Zügen die Geschichte von Wilhelm dem Eroberer, der 1066 in der Schlacht von Hastings den König von England, Harald Godwinson geschlagen hat. Doch die Hintergründe, warum ein aus der Normandie stammender Herzog, die Insel angreifen soll, ist heute nicht mehr so geläufig. Ulf Schiewe erzählt in diesem, seinem neuen historischen Roman, wie es dazu kam.

Wir lesen ein Mittelalterepos, das an Dramatik kaum zu überbieten ist. Von Kindern, die als Geiseln an anderen Herrschaftshäusern gehalten werden, von gebrochenen Schwüren, einem Papst, der sich in das Leben der Menschen einmischt, von Herrschern und deren Gemahlinnen, mit wenigen Ausnahmen (hier Matilda und Ealdgyth) ausschließlich nach dynastischen Gesichtspunkten verheiratet werden, Frauen, die oft analytischer denken als ihre Männer, von Norwegern, Angelsachsen und Normannen, deren Anführer alle den Anspruch stellen, König von Engaland zu sein. Aber, es kann nur einen geben. Nachdem die Frage nicht beim Schach geklärt wird, klirren die Schwerter und die englische Erde wird mit dem Blut von tausenden Menschen und Pferden getränkt.

Wer nun glaubt, dass ganze Buch handelt ausschließlich von blutigen Gemetzeln, der liegt falsch. Die Schlacht bei Hastings ist die Entscheidung, das Ende des Streits um den englischen Königsthron. Zuvor lernen wir die Kontrahenten Guilhem und Harold kennen sowie ihre Herkunftsgeschichte kennen. Beide intelligent, charismatisch und geborene Anführer. Unter anderen Umständen hätten sie Verbündetet, ja vielleicht sogar Freunde sein können. Doch der Ehrgeiz der Familie Godwin führt die beiden als Gegner auf das Schlachtfeld.

Ulf Schiewe gelingt es wie keinem zweiten, diese Zeit auferstehen zu lassen. Sein bildhafter Schreibstil kann sich durchaus mit dem Wandteppich von Bayeux, der eine Grundlage dieses Romans bildet, vergleichen lassen. Geschickt verknüpft der Autor, wie wir es von ihm aus anderen historischen Romanen gewöhnt sind, historische Fakten und seine Interpretationen (also Fiktion). Weder William noch Harald sind als abgrundtief böse Menschen dargestellt. Ränkeschmied ist eher Haralds Vater Godwin, der seinen Hals nicht voll kriegen kann und vermutlich selbst König werden wollte. Und wenn nicht er, dann über den Umweg seiner Tochter Edith, die den aktuellen König Edward den Bekenner geheiratet hatte. Um die Krone in seiner Familie zu halten, ist ihm jedes Mittel recht.

Sehr gut gelungen ist die Darstellung der Lebensweise der Menschen im Hochmittelalter: zugige Burgen, vorerst aus Holz, teilweise auf römischen Kastellen errichtet sowie das ständige auf der Hut sein, vor expandierenden Nachbarn. Eine Herrschaft währt oft nicht lange. Kaum zeigt der Herrscher Schwäche, ist sein Land auch schon überrannt. Leidtragende wie immer die einfache Dorfbevölkerung, die die eigenen als auch fremden Truppen mit ihren Feldfrüchten und Tieren versorgen muss. Leidtragende auch wie immer Frauen und Kinder, die als Kriegsbeute betrachtet werden. Die Darstellung der Scharmützel beinhalten natürlich auch grausame Szenen. Doch werden sie nicht aus Sensationsgier, sondern zum Verständnis beschrieben. Es ist nur gut, dass keine Gerüche übertragen werden können.

Fazit:

Ein gelungene Darstellung der Geschichte rund um Guilhem (Wilhelm) und seiner Eroberung Englands. Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.11.2022
Weichert, Stephan

Adler, Weibliche Kriminalpolizei, Berlin (eBook, ePUB)


sehr gut

Berlin, November 1940 - während die Alliierten Bomben auf Nazi-Deutschland abwerfen, treibt ein Triebtäter im Bereich des Betriebsbahnhofs Rummelsburg sein Unwesen. Mehrere Frauen, die auf dem wegen der Verdunkelung schlecht beleuchteten Heimweg sind, werden überfallen und vergewaltigt. Dann gibt es mit Karin Borchert die erste Tote - misshandelt, missbraucht, getötet und aus der S-Bahn geworfen. Und sie wird nicht die einzige bleiben ...

Kriminalrat Lüdke und Grete Hartmann, Leiterin der weiblichen Kriminalpolizei, wollen gemeinsam der Täter stellen und gründen die Sonderkommission „Quadriga“ . Dazu wird Luise Adler, eine jüngst zur Kommissarin ernannte junge Polizistin, neben einigen als Frauen verkleidete Polizisten zum Lockvogel. Doch der Täter scheint ihnen immer einen Schritt voraus.

Einige Mitglieder der Quadriga kämpfen aber nicht nur mit dem Täter, sondern auch mit ihren eigenen Dämonen, die sie mit Schnaps und Drogen in Schach zu halten versuchen. Auch die Sicherheitspolizei mit ihrem Chef Görnitz macht ihnen das Leben schwer. Görnitz ist nämlich der Meinung, dass hier staatsfeindliche Subjekte am Werk sind, die es gilt, unschädlich zu machen.

Während die Kripo akribisch nach dem Täter sucht, kocht Görnitz sein eigenes Süppchen. Im Netz der Kripo bleiben zwei Hauptverdächtige hängen: Paul Golzow, ein Weichenarbeiter, der Frau und Kinder schlägt, sowie Christian Cornelius, eine Chemiker, der maßgeblich an der Entwicklung von Zyklon B, jenem Blausäuregas beteiligt war, das nun zur Massenvernichtung in Konzentrationslagern verwendet wird. Cornelius will seinen Fehler wieder gut machen und träumt von einem Attentat.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist der Auftakt zu einer neuen Reihe. Mitten im Krieg haben zwei Polizeidienststellen nichts anderes zu tun, als ihre Animositäten zu pflegen. Die Kripo will wie üblich Verbrecher fangen, die anderen Volksschädlinge. Während die Kripo neutral an die Suche nach dem Täter heran geht, schießt sich Görnitz auf Juden, Sozialisten, Kommunisten, Homosexuelle und andere, dem System nicht passende Menschen ein. Die Vermutung Adlers, dass ein Mitglied der SA ein Sexualstraftäter sein soll, schließt er kategorisch aus. Der durch die NS-Politik indoktrinierte Görnitz ist nebenbei noch ein Frauenhasser, der Luise Adler selbst in ihrem Beisein nur als „Ding“ bezeichnet. Ein echter Herzerl also.

Neben der Suche nach dem Täter, der für die Leser recht schnell ausgemacht ist, lenkt der Autor die Leser auf weitere Handlungsstränge des Menschen verachtende Systems. So lernen wir das Ehepaar Schenk kennen, das ein Kinderheim führt, in dem man vorgibt, behinderte Kinder zu pflegen, aber in Wahrheit die Kinder gemäß der NS-Rassenlehre ermordet.

Der Krimi ist nichts für Zartbesaitete. Die Sprache der Protagonisten ist ebenso brutal wie die Schilderung der Morde und Folterungen durch die SiPo.

Jedes Kapitel enthält ein zum Inhalt passendes Zitat von Goebbels oder Hitler, das das krause und abscheuliche Gedankengut der NS-Diktatur kundtut. So ist es kaum verwunderlich, dass Luise Adler sich mit Pervitin und Morphintropfen sowie Kollege Zach mit Schnaps betäuben.

Der Untertitel „Verdunkelung“ kann auf mehrfache Art verstanden werden: Verdunkelung wegen der Luftangriffe, Verdunkelung der Taten, Verdunkelung der Menschenwürde, Verdunkelung der Foltermethoden oder Verdunkelung von Attentatsplänen.

Fazit:

Ein Krimi, der den Lesern die Abgründe der NS-Diktatur facettenreich und brutal näher bringt. Gerne gebe ich diesem Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe 4 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2022
Bugnyar, Thomas

Raben


ausgezeichnet

Was Sie schon immer über Raben wissen wollten!

Dass Raben äußerst intelligente Vögel sind, ist ja hinlänglich bekannt. Doch wie beweisen? Autor Thomas Bugnyar, seines Zeichen Professor und Leiter des Departments für Verhaltens- und Kognitionsbiologie an der Uni Wien, ist es gemeinsam mit anderen, Versuchsreihen extra für Raben(vögel) zu erstellen, um deren kognitive und soziale Fähigkeiten zu überprüfen. In mehreren Forschungsstätten wie am Haidlhof in Bad Vöslau oder in Grünau im Almtal ist es ihm gelungen zahlreiche Fähigkeiten nachzuweisen.

Seine Erkenntnisse hat er in diesem Buch in zehn Kapiteln zusammengefasst:

„Raben sind auch nicht anderes wie fliegende Affen“
Raben verstehen mehr, als wir denken
Allesfresser mit gewissen Vorlieben
Tarnen und Täuschen
Der schwierige Blick in den Rabenkopf
Von Vielfliegern und Dableibern
Komplexe Beziehungen
Danke für die Information
Eine Frage der Persönlichkeit
Was wir von den Raben lernen können

Mit viel Herzblut und noch mehr Liebe zu den Raben hat Thomas Bugnyar dieses Buch verfasst. Akribisch erklärt er dem interessierten Laien, wie Raben ticken und wie sie quasi „ausgehorcht“ werden können. Doch nicht jeder Proband macht gerne bei den Versuchen mit - deswegen ist Fingerspitzengefühl und individuelle Betreuung nötig. Der eine mag gerne Käsestückchen als Belohnung, der andere ist darüber indiginiert.

Rabenvögel sind Wildtiere, doch als Kulturfolger sind sie den Menschen oft näher und ähnlicher als beiden lieb ist.

Das Buch ist im Verlag Brandstätter in gediegener Ausführung mit Lesebändchen erschienen und eignet sich bestens als Geschenk.

Fazit:

Spannend ist zu lesen, wie die Raben auch ihn immer wieder überraschen und damit seine bisherige Erkenntnisse aus den Kopf stellen. Gerne gebe ich diesem humorvoll geschriebenen Buch 5 Sterne.