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Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 13.03.2015
Mahrenholtz, Katharina

Literatur!


sehr gut

»Literatur ist viel mehr als Deutschunterricht und gar nicht quälend langweilig. Dieses Buch soll unterhalten und Spaß machen. Und ganz nebenbei richtig viel Wissen vermitteln. Worum es in den berühmten Romanen geht, warum sie überhaupt bedeutend sind und was an den Autoren so toll ist – alles ohne literaturwissenschaftliche Fremdwörter und in übersichtlicher Länge, dafür mit Illustrationen.«
Auf dieses Buch war ich richtig neugierig und nach dem obigen Vorwort noch gespannter, was von den genannten Versprechungen eingehalten werden würde. Nun, nach dem Lesen, weiß ich: Im Grunde alles, es gibt nur ein paar kleine Einschränkungen.
Aber natürlich möchte ich mit den schönen Dingen anfangen. In chronologischer Reihenfolge werden wichtige Werke der Weltliteratur aufgezählt. Die Reise beginnt im Jahr 1300 und endet 2011 und umfasst die ältesten Klassiker wie Dante Alighieris „Die Göttliche Komödie“ genauso wie Stephenie Meyer’s „Twilight“. Ich fand es richtig spannend, mich vorbei an Shakespeare und Goethe, Schrittchen für Schrittchen, über Poe, Wilde, Mann und Brecht, über Lenz und King zur Neuzeit vorzuarbeiten.
Eine solche Auflistung kann unmöglich vollständig sein. Sicher wird jeder Leser bei dem ein oder anderen Werk den Kopf schütteln oder sich auch nur wundern, weil er (oder sie) zuvor noch nie davon gehört hat. Und andere Werke wird man vermissen, gar entrüstet sein, dass sie fehlen. Damit hätten wir übrigens gleich die erste kleine Einschränkung ;-)
Zu den einzelnen Werken gibt es Inhaltsangaben. Wegen des Unterhaltungswertes sind diese meist – nun ja – unterhaltsam geschrieben.
An dieser Stelle kommt kleine Einschränkung Nummer Zwei: Die Inhaltsangaben sind sämtlich voller Spoiler. Man kann nun einwenden, dass bei vielen Klassikern zumindest der grobe Inhalt bekannt ist, es vielleicht schon eine (oder mehrere) Verfilmungen des Stoffs gibt. Trotzdem: Wer sich an Spoilern stört, sollte den Abschnitt „Inhalt“ besser nicht zu genau lesen.
Es gibt aber bei den einzelnen Büchern noch mehr zu erfahren. Da gibt es die Punkte „Smalltalk-Info“ und "Zitate", es gibt Infos zu ähnlichen Büchern und es wird die Frage geklärt, ob dieses Buch für Einsteiger geeignet ist.
Nächster Punkt: Der Autor. Kann bei Autoren wie Shakespeare schon mal umfangreicher sein ;-) Manchmal gibt’s dazu noch eine ganz entzückende Illustration – wer schon mal ein Bild des Autors sah, wird ihn sofort wiedererkennen. Zu manchen Büchern gibt es zusätzlich noch eine zeichnerische Darstellung des Inhalts. Als ich diese Seite studierte, musste ich zum ersten Mal in meinem Leben bei Hamlet lachen.
Sehr schön finde ich auch die „Timeline“, die sich durch das ganze Buch zieht. Dieser Zeitstrahl beginnt wie schon erwähnt im Jahre 1300. Oben auf dem Zeitstrahl kann man ablesen, was es an wichtigen Ereignissen gab, das können zum Beispiel politische Dinge sein oder berühmte Erfindungen. Unterhalb des Zeitstrahls sind die wichtigen literarischen Werke eingetragen. Diese Timeline habe ich ebenfalls sehr gerne verfolgt und nicht selten schmunzeln müssen. Blicken wir doch zum Beispiel mal ins Jahr 1969… Da steht bei den Ereignissen: Nixon wird US-Präsident, Willy Brandt wird Bundeskanzler, Die Mondlandung durch Neil Armstrong und das Woodstock-Festival. An wichtigen literarischen Werken wird erwähnt: „Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug“ von Kurt Vonnegut, „Der Pate“ von Mario Puzo und „Die kleine Raupe Nimmersatt“ von Eric Carle :)
Ergänzend finden sich noch Seiten mit beispielsweise einer Übersicht der Literaturhelden in Europa, mit Begriffserklärungen (Was ist eine Novelle?), es gibt Buchtipps, eine Übersicht von Autoren und ihren Pseudonymen, die meistverkauften Bücher aller Zeiten, die wichtigsten Literaturpreise oder eine Doppelseite „Alter und Tod von Autoren“.
Fazit: Wie versprochen – sehr unterhaltsam und mit richtig viel Wissen.

Bewertung vom 07.03.2015
Jardin, Izabelle

Remember


sehr gut

»Zwei äußerst gegensätzliche Überlegungen rangen in ihr um die Herrschaft. Die eine vertrat die graue Partei der Vernunft, die andere die knallbunte Opposition aus Neugier, Abenteuerlust und einer unwiderstehlichen Faszination, die sie magisch anzog.«
Leah hat sich in ihrem Leben gut eingerichtet. Den Traum von der Selbständigkeit hat sie sich mit einem eigenen – und dank ihrer Geschäftstüchtigkeit – gut laufenden Ladens, den sie gemeinsam mit ihrer Freundin Mette führt, erfüllt. Was fehlt jetzt noch zum Glück? Richtig – der Märchenprinz. In Leahs Fall sollte es möglichst ein Typ wie Rhett Butler sein. (Anmerkung: Rhett Butler – Vom Winde verweht – in der Verfilmung durch Clark Gable dargestellt) Eines Tages steht er in ihrem Laden, heißt Connor, ist reich, gutaussehend, charmant und strahlt genau dieses leicht arrogante Selbstbewusstsein aus, bei dem Leahs Knie schwach werden. Aber Leah hat auch einiges von Scarlett O’Hara in sich (Anmerkung: weiblicher Gegenpart in „Vom Winde verweht“), was bedeutet, dass sie sich nicht allzu leicht erobern lässt. Und als endlich das gemeinsame Glück perfekt zu sein scheint, wird ein furchtbares Ereignis alles ändern…

Mit diesem Buch habe ich mich auf reichlich ungewohntes Gebiet begeben, denn klassische Liebesromane lese ich gewöhnlich nicht. Trotzdem hat mich dieser Ausflug gut unterhalten, denn das Buch hatte einiges, was mich packte.

Da ist zunächst mal Leah. Ihr Charakter hat mich manches Mal genervt, weil sie häufig zickt und leicht aufbraust. Dann wirkt sie auf mich einfach unangenehm und unreif. Aaaaber – was mir sehr gut gefiel, war ihre Selbständigkeit und dass sie trotz stärkster Hormonschübe nicht mal so einfach alles über Bord wirft, was sie sich aufgebaut hat. Mit viel Energie setzt sie sich für das ein, was sie will und was sie richtig findet. Kein einfacher Charakter, aber auf jeden Fall nicht langweilig. Ein ziemlich starker „Grüntick“ machte sie für mich sogar liebenswert, wenn mir auch als normalerweise Nichtliebesromanleserin ein bisschen zu häufig „seine“ grünen Augen erwähnt wurden ;-)

Und Connor… Nun ja, mir gefiel Rhett Butler auch immer gut ;-) Aber am meisten hat er bei mir durch seine Art gepunktet, an unheimlich viele Dinge zu denken und sehr, sehr aufmerksam zu sein. Das hob seinen Charakter vom klassischen „Reich-und-schön“ Typ ab.

Klasse war zudem der Spannungsaufbau im Buch. Der Titel passt ausgezeichnet, wenn dem Leser auch der wahre Umfang erst am Ende bewusst wird. Aber schon zu Beginn erleben wir Leah, die in ihrem Tagebuch blättert und sich erinnert. Völlig unklar ist zu diesem Zeitpunkt, wie die Geschichte sich entwickeln wird. Dafür erfährt man aber, auf welches Ereignis die Geschichte zusteuern wird…
»Er hatte aufgelegt und sie stand gedankenversunken an ihrem Schreibtisch. Morgen! Morgen würde er zurückkommen. Sie riss das oberste Blatt des Kalenders ab, warf es in den Papierkorb. Morgen! Morgen war es endlich so weit. Morgen war der 12. September!«

Falls noch jemand Zweifel haben sollte, was die Dramatik dieses Tages betrifft: gemeint ist der 12. September 2001 und „er“ befindet sich zu dieser Zeit in New York. Und so begleitet der Leser Leah bei ihren Erinnerungen, beginnend im Oktober 2000 und hat während der ganzen Geschichte im Hinterkopf, dass der 11. September 2001, ein Datum, von dem wohl jeder präzise sagen kann, wie er diesen Tag erlebt hat, sich entscheidend auf die Beziehung der beiden auswirken wird. Aber wie? Das macht die Sache wirklich spannend!

Was gibt es noch? Eine für meinen Geschmack wohldosierte Menge von Erotik, ein lang gehütetes Familiengeheimnis und eine Portion Mystik in Form einer Liebesgöttin. Letzteres war für mich persönlich zu umfangreich, wird aber anderen Lesern sicher gefallen. Einfallsreich war es auf jeden Fall.

Fazit: Für den Fan von Liebesromanen dürfte kein Wunsch offen bleiben. Und wer mal – wie ich – ein wenig Abwechslung sucht, wird hier auch gut unterhalten.

Bewertung vom 07.03.2015
Matthews, John

Stadt in Angst / Finley Jameson Bd.1


ausgezeichnet

New York 1891. Für Camille schien er ein Kunde wie jeder andere zu sein, dieser Kunde, für den sie in einer dunklen Gasse den Rock hob. Nur dass dieser Kunde ihr letzter gewesen sein wird. Der Zustand ihrer Leiche ähnelt denen, die man drei Jahre zuvor in London aufgefunden hat – ermordet von dem Mann, der als berüchtigtster Serienmörder aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird. Kann es sein, dass „Jack the Ripper“ den Atlantik überquert hat und nun seine Mordserie in Amerika fortführen will?
Angesichts dieser Bedrohung eilt Kriminalanalytiker Finley Jameson im Auftrag von Scotland Yard zu Hilfe. Gemeinsam mit dem Cop Joseph Argenti macht er sich auf die Jagd nach dem Mörder, der begonnen hat, eine blutige Spur durch New York zu ziehen.
Tatsächlich scheint es sich bei dem Täter um den Ripper zu handeln. Und dieser mordet nicht nur aus Leidenschaft, sondern hat auch viel Spaß daran, gejagt zu werden. Wie zuvor schon in London teilt er sich seinen Verfolgern über Briefe mit.

Dieses Buch war für mich wieder ein Volltreffer! Spannung, Atmosphäre, Charaktere, Stil – es passte einfach alles.
Ich mag ja ohnehin Krimis, die in dieser Zeit spielen. Ich finde es einfach reizvoll, wie Ermittler mit – aus heutiger Sicht – Steinzeitmethoden versuchen, ihre Arbeit zu machen. Umso interessanter, wie kreativ da der ein oder andere wird! Und dann die ganze Atmosphäre dieser Zeit! Es gibt zwar heute auch dunkle Ecken, aber doch lang nicht so viele. Wenn man sich solch unbeleuchtete Gassen vorstellt, vielleicht noch mit Nebel dazu, dann ist das allein schon wunderbar schaurig und die perfekte Kulisse für einen Serienmörder. Im Buch wird diese Kulisse so gut beschrieben, dass ich alles deutlich vor Augen hatte.

Zum Umfeld gehören neben dem Killer und den Prostituierten auch Straßengangs, korrupte Polizisten und skrupellose Gangsterbosse. Hier finden sich ebenfalls einige sehr interessante Charaktere und was die Brutalität der „normalen“ Verbrecher angeht, hatte ich manches Mal den Gedanken, dass sie dem Ripper wenig nachstehen.

Dieser teilt sich dem Leser auch nicht nur durch die Briefe mit, sondern man begleitet ihn bei seinen Taten, kann dabei seine Gedankengänge verfolgen. Was man da erfährt, sind natürlich keine wirklich neuen und überraschenden Dinge, aber spannend geschrieben ist es. Und ordentlich blutig wird es auch.

Wirklich klasse fand ich auch Jameson und Argenti. Als einfach gestrickt kann man sie nicht bezeichnen, beide schleppen Dinge mit sich rum, die sie quälen, beide haben ihren eigenen Kopf. Und vor allem Jameson kann im Umgang mächtig schwierig werden. Allerdings kann man sich leicht vorstellen, dass es nicht ohne Auswirkungen bleibt, wenn man seit Jahren hinter einem Mann her ist, der mit einem Katz und Maus spielt. Manchmal drängte sich die Frage auf, wer hier eigentlich wen jagd.

Wer sich schon zuvor mit der Gestalt „Jack the Ripper’s“ befasst hat, wird in diesem Buch auf die bekannten Eckdaten stoßen, die Namen der Opfer beispielsweise, die ihm zugerechnet werden. Ein kurzes Vorwort gibt dazu auch einen kleinen Überblick. Bei den Briefen, Vorgehensweisen und den hinterlassenen „Zeichen“ finden sich ebenfalls historische Bezüge, wie man beim „nachgoogeln“ erfährt. Natürlich ist auch viel Roman dabei, der vermeintliche Täter keiner von denen, die tatsächlich unter Verdacht standen. Aber ganz ehrlich: Davon gab es so viele und richtig sicher ist man sich nur bei wenigen Dingen. Lediglich bei fünf Opfern geht man unbestritten vom Ripper als Täter aus, alles weitere hängt davon ab, welchen Experten man nun befragt. Und genauso sieht es bei allen anderen Dingen, wie beispielsweise den Briefen, aus. Das lässt beim Schreiben viel Spielraum ;-)

Fazit: Tolle Ripper-Story, ich habe mich blendend unterhalten. Von mir aus kann die Jagd gerne weitergehen!

Bewertung vom 27.02.2015
Drayson, Nicholas

Kleine Tierkunde Ostafrikas


sehr gut

»Das ist ja alles sehr interessant. Und trotzdem die reinste Spekulation, A.B., mein alter Freund.«
»Spekulationen, mein lieber Patel, erweisen sich oft genug als wahr. Du hast deine Theorie dargelegt. Ich habe meine Theorie dargelegt. Wollen wir es nicht dem Publikum überlassen, zu entscheiden, welche der beiden wahr ist?«

Der Ort, wo hier über die Wahrheit abgestimmt wird, ist der Asadi Club in Nairobi. Wer den Vorgängerband „Kleine Vogelkunde Ostafrikas“ gelesen hat, weiß, dass dieser Ort schon immer Austragungsort skurriler Wetten war. Und nun steht im Blickpunkt ein 70 Jahre alter Mordfall, der nie aufgeklärt werden konnte.
Um diesen Punkt gleich abzuhaken: Es ist nicht notwendig, zuvor die kleine Vogelkunde gelesen zu haben. Die Handlung wird zwar in einigen Punkten fortgeführt, alle wichtigen Infos dazu aber kurz mitgeteilt. Um einen anderen Punkt zu klären: Der Klappentext ist irreführend und einfach nicht zutreffend. Was mich persönlich aber ganz und gar nicht gestört hat ;-)

In besagtem Klappentext wird nämlich von einer „kleinen Safari der klopfenden Herzen“ erzählt und der Anschein vermittelt, dass es in diesem Buch für den Protagonisten Mr. Malik erneut darum ginge, das Herz von Rose Mbikwa zu gewinnen. Als ich das las, dachte ich spontan: Schon wieder? Ging es darum nicht in Band Eins? Jetzt das gleiche nochmal, nur mit einer anderen Rahmenhandlung? Ich kann Entwarnung geben. In diesem Buch passiert so viel, dass Mr. Malik gar keine Zeit hat, sich um Rose zu bemühen.

Da ist zunächst mal der alte Mordfall, der immer noch die Gemüter bewegt. Und dann das große und allgegenwärtige Problem der Korruption, gegen das Malik schon seit Jahren auf eine ihm eigene Art ankämpft. Seine unter Pseudonym erscheinende wöchentliche Kolumne in der Evening News hat schon so manchen Minister zum Rücktritt gezwungen. Aber nun hat die Regierung dem Kolumnenschreiber den Kampf angesagt und als wenn Malik damit nicht schon genug beschäftigt wäre, muss er außerdem die Hochzeit seiner Tochter vorbereiten und diverse Probleme im Club bewältigen.

Nachdem ich ein wenig skeptisch mit dem Buch begonnen hatte, hat es mir dann doch viel Spaß gemacht. Mr. Malik mag ich sehr und ebenso viele der anderen Charaktere im Buch. Da gibt es beispielsweise einen jungen Kenianer, der praktisch ein wandelndes Naturkundelehrbuch ist und zwei Clubmitglieder, die sich wirklich unaufhörlich Wortduelle liefern und jede kleine Streitigkeit zu einer Wette aufbauschen. Sehr amüsant!
Viel erfährt der Leser aber auch über Afrika – Schönes und weniger Schönes. Um mit dem Schönen zu beginnen, gibt es wieder herrliche Schilderungen der Natur und der Tierwelt. Ich hätte am liebsten sofort meinen Koffer gepackt! Aber es wird auch viel Negatives berichtet, hierzu zählen zum Beispiel die Bereiche Korruption, Not, Infrastruktur und Straßenkriminalität. Allerdings wird alles so herrlich leicht und mit einem Schmunzeln erzählt, dass die gute Laune beim Lesen nicht leidet.

Auch die Erzählperspektive gefiel mir, der Erzähler taucht selber in der Geschichte nicht auf, steht aber in ständigem „Kontakt“ mit dem Leser und spricht ihn häufig an. Bei Sätzen wie „Sind das nicht gute Neuigkeiten?“, „Es wird Sie freuen zu hören…“ oder „Wer, so höre ich Sie fragen…“ hat man das Gefühl, der Erzähler sitzt einem gemütlich gegenüber. Das passt sicher nicht zu jedem Buch, aber zu diesem hier wunderbar.

Die „kleine Tierkunde“ wird fortgeführt in den Überschriften der einzelnen Kapitel, die jeweils aus einem Satz bestehen wie zum Beispiel: »Das Erdferkel frisst die Ameise, doch der Ameisenhügel wächst weiter.« Oder: »Wenn Elefanten kämpfen, leiden die Mäuse.« Was hinter solchen Aussagen steckt, erschließt sich mal leicht, mal muss man ein bisschen nachdenken. Immer aber machte es mich neugierig auf das folgende Kapitel.

Fazit: Ein schönes Buch, ein überraschendes Buch. Abwechslungsreich und unterhaltsam, mit viel Natur und afrikanischem Lebensgefühl.

Bewertung vom 27.02.2015
Borrmann, Mechtild

Der Geiger


ausgezeichnet

Gerade eben stand er noch im Rampenlicht, gefeiert, umgeben von tosendem Applaus. Gerade eben war er, Ilja Wassiljewitsch Grenko, noch im Konzertsaal des Tschaikowsky-Konservatoriums in Moskau, spielte Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur. Und er spielte auf seiner Stradivari, dieser wunderbaren Geige, die sich nun schon seit vier Generationen im Familienbesitz der Grenkos befand. Als er die Bühne verließ, ahnte er noch nicht, dass sich sein Leben und das seiner Familie nun dramatisch ändern würde, dass er die wichtigsten Dinge in seinem Leben, seine Musik, seine Frau Galina und seine beiden kleinen Söhne, mit einem Schlag verlieren würde…

Moskau im Mai 1948. Gleich hinter der Bühne wurde Ilja schon von zwei Männern erwartet. »Ilja Wassiljewitsch Grenko, Sie müssen uns begleiten.« Weder darf er sich von seiner im Publikum sitzenden Frau verabschieden, noch darf er seine wertvolle Geige einem anwesenden Mitarbeiter des Konservatoriums anvertrauen. Er, der sich nie für Politik interessiert hat, wird gezwungen, ein Geständnis zu unterschreiben, in dem er sich selbst als Landesverräter bezichtigt. Sein weiterer Weg führt ihn daraufhin in ein Arbeitslager in Workuta, das er nie mehr verlassen wird. Auf Galina und ihre Kinder – die Familie des „Verräters“ – wartet die Verbannung nach Kasachstan.

Köln im Juli 2008. Sascha Grenko arbeitet für ein Securityunternehmen, das sich auf Personenschutz und die Beschaffung von Wirtschaftsinformationen spezialisiert hat. Der Enkel von Ilja und Galina Grenko wanderte mit seiner Familie als Kind aus Kasachstan nach Deutschland ein. Aus der glücklichen Zukunft in der neuen Heimat wurde aber nichts, denn die Eltern starben schon nach wenigen Tagen bei einem Autounfall. Saschas kleine Schwester Viktoria wurde adoptiert und er verlor völlig den Kontakt zu ihr. Nach vielen Jahren hatte Viktoria ihn nun um ein Treffen gebeten, weil sie dringend „in einer Familienangelegenheit“ seine Hilfe benötigen würde. Um was es genau geht, kann sie ihm aber nicht mehr erzählen, denn sie wird vor seinen Augen erschossen. In ihren Unterlagen findet Sascha Hinweise darauf, dass seine Schwester auf der Suche nach der Stradivari war, die seit 1948 als verschwunden gilt. Sascha erkennt, dass die Suche nach Viktorias Mörder gleichzeitig eine Suche nach der Geige ist. Eine gefährliche Suche…

Auch dieses Buch von Mechtild Borrmann hat mich wieder von Anfang bis Ende gefesselt. Die Handlung verläuft in drei Erzählsträngen. Einmal verfolgen wir Iljas Schicksal, einmal das seiner Frau, beide vom Zeitpunkt ihrer Verhaftung bzw. Verbannung an bis zum Tod. Der dritte Erzählstrang spielt hingegen im Jahr 2008 und in ihm begleiten wir Sascha bei seiner Suche. Während die Berichte aus der Vergangenheit sich vor allem durch ihre Dramatik und die drastischen Schilderungen der Lebensumstände auszeichnen, ist in der Gegenwart richtig Spannung angesagt.

Das Arbeitslager in Workuta gab es tatsächlich – und es war stets gut besucht. Nachdem ich im Internet darüber nachgelesen habe kann ich sagen, dass die furchtbaren Beschreibungen im Buch leider nicht übertrieben sind. Nördlich des Polarkreises gelegen braucht man bei Temperaturen von bis zu -56°C eigentlich keine Zäune, eine Flucht würde ohnehin den sicheren Tod bedeuten. Wie mag das sein, wenn man unschuldig verurteilt wird, 20 Jahre seines Lebens in dieser Eishölle verbringen zu müssen? Furchtbar! Sehr berührt haben mich zudem die Textstellen, in denen Ilja verzweifelt versucht, sich die Musik wenigstens in seinem Kopf zu bewahren und damit zugleich gegen seine Angst anzukämpfen.
Am Ende des Buches findet sich ein Personenverzeichnis und ein Glossar russischer Begriffe. Das langt aus, um beim Lesen keine Verständnisprobleme zu haben. Ich selbst bin aber durch das Buch so neugierig geworden, dass ich mir zu einigen Dingen noch genauere Infos aus dem Netz geholt habe.
Fazit: Zeitgeschichte, Dramatik und Spannung – da fehlt einfach nichts.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.02.2015
Raab, Thomas

Still


ausgezeichnet

Karl Heidemann ist ein Kind mit einem übersensiblen Gehörsinn. Überdeutlich für ihn selbst das leiseste Geflüster, unerträglich und schmerzhaft für ihn alle normalen Alltagsgeräusche. Was tut nun ein Baby, wenn das „beruhigende“ Singen von Kinderliedern durch seine Mutter bei ihm starke Kopfschmerzen auslöst? Richtig – es schreit. Was tut eine Mutter, wenn ihr Baby unaufhörlich schreit und sich nicht beruhigen lässt? Richtig – sie verzweifelt. Keine glückliche Kombination.

Bald wird den Eltern klar, dass das Leben für ihr Kind nur in der Isolation möglich ist. Von nun an bleibt Karl im Keller des Hauses, lebt dort friedlich vor sich hin, jeden einzelnen Tag, Jahr für Jahr. Und kann nicht verstehen, wie er so eine Belastung für seine Mitmenschen sein kann.

»Karl aber verstand jedes Wort, hörte seine Großeltern, die keinen Hehl daraus machten, dem so schwer geprüften eigenen Kind im Nachhinein eine Totgeburt gewünscht zu haben. Er … erfuhr von dem gewünschten Glück namens Karl Heidemann und dem wunschlosen Unglück, ebenfalls namens Karl Heidemann, erfuhr von dem Leid seiner Mutter und dem Verursacher dieses Leides, wieder er selbst.
Er, in dessen Geistesgut es keine bösen Absichten gab. Weder dachte er schlecht von seinen Eltern, noch war es ihm ein Wunsch, anderen Schaden zuzufügen, sie zu verletzen. Allein davon zu hören, wo er doch ohnedies so zurückgezogen lebte, rief große Unsicherheit in ihm hervor. Was hatte ihn vom Gewollten zum Ungewollten werden lassen? Karl wusste es nicht. Und er würde diese Unwissenheit auch nie wieder vergessen können.«

Der Leser ahnt, dass dies nicht auf Dauer gutgehen kann. Ich litt mit Karl mit und litt mit den Eltern. Absolut gefesselt war ich und mochte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ständig war da dieses unterschwellige Gefühl, dass man sich auf etwas Schreckliches zubewegt, langsam aber unausweichlich. Hinzu kommt die Faszination seiner Gedankengänge, die doch alle so friedlich, liebevoll und mitfühlend sind! Kein gehetzter Wahnsinn, kein psychopathisches Gestammel, wie man es schon so oft an anderen Stellen gelesen hat. Nein, Karl ist ein so netter Mensch – und dadurch umso furchterregender. Wie kann ich das Gefühl beschreiben, dass das Buch bei mir auslöste? Ein beständiges Schauern vielleicht? Absolut großartig!

Karl hinterlässt auf seinem Weg eine Spur des Schreckens und der Leser folgt ihm, insgesamt über gut drei Jahrzehnte lang. Ebenfalls auf Karls Spur: Ermittler Horst Schubert. Wie findet man einen Mörder, wenn keiner der üblichen Ermittlungsansätze hier weiterhilft? Wenn sich kein vorstellbares Motiv finden lässt? Denn Karl – er meint es doch nur gut!
»Wissbegierig sein Suchen. Ein Suchen nach jenem Ort, jenem Geist, jenem wundersamen Kunstgriff, der seine Mutter verzaubert, mit Frieden und Schönheit beschenkt hatte: dem Tod.«

Fazit: Ich möchte jeden einladen, sich auf die Lebensgeschichte von Karl Heidemann einzulassen. „Still“ verspricht Hochspannung, Faszination und ein einmaliges Leseerlebnis.

»Ja, sie tat gut, die eingekehrte Ruhe. Ruhe, für die er selbst gesorgt, Frieden, den er selbst gebracht hatte.
Der Tod also konnte geschenkt werden.
Von Menschenhand.«

Bewertung vom 21.02.2015
Edelmann, Gitta

Canterbury Requiem


gut

Ella Martin, Erfolgsautorin von Portugal-Romanzen, möchte für ihren Verlag künftig genauso erfolgreiche England-Romanzen schreiben. Um Land und Leute kennenzulernen, hat sie sich für einige Monate in Canterbury niedergelassen. Mit dem Wetter tut sie sich noch sehr schwer, aber dafür hat sie schon nach kurzer Zeit einige nette Bekanntschaften gemacht. Und Aileen, die sie bei einer Chorprobe kennenlernte, war ihr besonders sympathisch. Umso größer die Trauer, als diese, kaum dass sich die beiden auf dem Heimweg getrennt haben, von einem Auto überfahren und getötet wird. Und die Trauer wird zum Schock, als kurz darauf zwei Polizisten bei Ella erscheinen und ihr zwei Dinge mitteilen: Erstens, dass Aileen nicht das Opfer eines Unfalls, sondern ermordet wurde. Und zweitens, dass sie selbst verdächtig ist, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein. Für Ella steht schnell fest, dass sie den tatsächlichen Mörder wohl selber suchen muss.

Ich hatte mich also auf einen Häkel-Krimi eingelassen. Das kommt nicht so häufig vor, aber hin und wieder schau ich mal ganz gerne über meinen eigenen „Lese-Rand“ hinüber. Was mir gleich gut gefiel, war die gesamte sehr britische Atmosphäre in diesem Buch. Auf beinahe jeder Seite war mir bewusst, dass ich einen Krimi las, der in England spielte. Die Gegend wurde beschrieben und die Stadt Canterbury. Immer wieder auch das Wetter (in all seiner Feuchtigkeit ;-) Man hielt sich in Pubs auf oder traf sich zum Tee. Unterstützt wurde alles noch durch Englisch-Brocken, die sich durch die Dialoge zogen. Nichts, wozu man großartige Englisch-Kenntnisse benötigen würde, sondern einfache Floskeln wie „come on“, „I see“, „oh dear“, „thanks“, „nice to meet you“ usw. Der Effekt war aber klasse, auf mich wirkte alles sehr, sehr britisch.

Der Krimi beginnt als geruhsame Detektivgeschichte – schließlich hat Ella bislang ausschließlich Liebesszenarien entworfen. Ich war dann auch überrascht, als sie plötzlich in Gefahr geriet. Damit hatte ich nicht gerechnet und auch die Auflösung gestaltete sich überraschend kreativ. Was dazwischen passiert, fand ich allerdings nicht sooo spannend. Der Polizei wurde keine glückliche Rolle verpasst, ihr dargestelltes Verhalten erschien mir doch zu unrealistisch. Es wirkte auf mich, als ob die wichtigste Funktion des zuständigen Inspectors wäre, als Vorlage für einen Charakter in Ellas neuem Buch zu dienen und bei ihr immer mal wieder „so ein Ziehen im Bauch“ auszulösen.

Besagtes „Ziehen“ lösten aber noch weitere männliche Personen aus, Ella flirtete und küsste sich durch die Kapitel, ohne Anzeichen einer sonstigen Verliebtheit. Als Charakter kam sie mir nie sehr nah. Sonderliche Tiefe habe ich aber bei keiner der agierenden Personen gefunden – da wäre sicher noch mehr drin gewesen. Und eine Sache hat mich glatt ein wenig geärgert, weil sie für meinen Geschmack einfach zuuu unwahrscheinlich und zuuu sehr ein Druck auf die Tränendrüse war. Wer in der Lage ist, das Buch mit mehr „Hach! Wie schön!“ als ich zu lesen, den wird das aber vermutlich nicht stören.

Zu den weiteren Nebenschauplätzen des Buches zählten auch die Schwierigkeiten, die Ella mit dem Schreiben ihres neuen Romans hat. Nicht uninteressant! Und ganz am Rande: Tatsächlich wird in dem Buch gehäkelt. Und zwar nicht zu knapp ;-)

Ganz nett fand ich zudem den Anhang, in dem es sowohl einige Infos zu Sehenswürdigkeiten in Canterbury als auch eine kleine Karte der Stadt gibt.

Fazit: Netter und sehr britischer Häkelkrimi mit viel englischer Atmosphäre. Freunde des Häkelkrimis dürften nichts vermissen. Abraten würde ich aber jedem, der im Krimi nicht auf Spannung verzichten kann.

Bewertung vom 13.02.2015
Hub, Ulrich

An der Arche um Acht


ausgezeichnet

Mitten im ewigen Eis stehen drei Pinguine und führen – wenn sie sich nicht gerade raufen – tiefsinnige Gespräche. Einer der Pinguine ist kleiner als die anderen beiden – aber dafür nicht auf den Schnabel gefallen…
Die beiden anderen Pinguine schauen sich ratlos an. Dann fordern sie den Kleinen auf: »Blicke dich einmal um und beschreibe uns genau, was du siehst.«
»Schnee«, antwortet der kleine Pinguin, ohne sich umzublicken, denn das weiß er schon.
»Weiter.«
»Eis.«
»Weiter.«
»Schnee.«
»Weiter!«
»Und Eis und Schnee und Schnee und Eis und Eis -«
»Und wer hat das alles gemacht?«
»Gott?«, fragt der kleine Pinguin zweifelnd.
»Genau«, die beiden anderen nicken eifrig mit ihren Köpfen. »Und was sagst du nun?«
»Besonders viel ist ihm bei dieser Gegend nicht eingefallen.«

Herrlich! Ich hätte den Diskussionen der drei Freunde noch ewig folgen können. Aber dieser Tag wird nicht im gewohnten Rhythmus von „Eis und Schnee und Rauferei“ ablaufen. Nein, er wird den Pinguinen mehr Abwechslung bringen, als ihnen lieb ist. Wer als erwachsener Leser den Titel des Buchs gelesen hat, weiß schon, was nun kommen wird. Und richtig, da naht auch schon die Taube mit der Botschaft von Gott…
In diesem Augenblick trudelt eine dicke weiße Taube durch die Luft, steuert auf die Pinguine zu und landet ungeschickt im Schnee, wobei sie sich mehrfach überschlägt.
Neugierig verfolgen die … Pinguine dieses Landemanöver. »Heute können wir uns nicht über Langeweile beklagen«, denken sie, »erst der kleine Schmetterling und jetzt sogar eine dicke Taube.« Als die Taube wieder zu sich gekommen ist, rappelt sie sich auf, schüttelt den Schnee von den Flügeln und stellt sich breitbeinig vor den … Pinguinen auf. »Habt ihr einen Moment Zeit, um über Gott zu sprechen?«, fragt sie und fährt ohne eine Antwort abzuwarten fort: »Gut, ich bringe euch nämlich eine Nachricht von Gott, hört gut zu, Gott hat gesagt … Was riecht hier so nach Fisch?«

Tatsächlich hatte Gott natürlich etwas ganz anderes gesagt, nämlich dass er „von den Menschen und Tieren genug hat. Ständig streiten sie sich und alles muss man ihnen dreimal sagen.“ Aber an den gewählten Zitaten wird deutlich, dass hier zwar eine biblische Geschichte erzählt wird und dass Fragen wie die nach der Existenz von Gott behandelt werden, aber alles herrlich leicht, lustig und kindgerecht. Es gibt keinen mahnenden Zeigefinger und den trotzigen kleinen Pinguin werden kleine Mitleser sicher gleich ins Herz schließen. Und es unvorstellbar finden, dass der Kleine zurückbleiben soll, weil Gott von jedem Tier ja nur ein Paar auf die Arche lässt. Das geht doch nicht!

Ist das eine schöne Geschichte, ich liebe sie! Ich liebe schon alleine das Cover! Wer muss da nicht lachen? Kleine Leser werden ungeheuren Spaß daran haben, wie der Pinguin in einem Koffer auf die Arche geschmuggelt werden soll. Ob das wohl gut geht? Ob Gott das nicht doch irgendwann merkt?

Immer wieder gibt es neue witzige Einfälle und Dialoge, spaßige Wortschöpfungen und liebevoll gezeichnete Bilder. Allein die Taube! Wie wird sie normalerweise dargestellt? Doch wohl als ein schlanker Vogel, der mit einem Ölzweig im Schnabel den Frieden symbolisiert. Ganz anders die Taube in diesem Buch! Das einzige, was sie mit ihrem Vorbild verbindet, ist die weiße Farbe. Ansonsten ist die Taube hier dick und alles andere als friedlich! Bis zum versöhnlichen Schluss werden kleine und große Leser viel Freude an diesem Buch gehabt haben.

Fazit: Wer noch ein nettes Geschenk für den Nachwuchs – beispielsweise zu Ostern – sucht: Hier ist es. Ein tolles Buch, das trotz Anspruch jede Menge Lesespaß garantiert.