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katikatharinenhof

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Insgesamt 998 Bewertungen
Bewertung vom 28.02.2021
Finsterbusch, Monika;Berger, Nicola

Nella Nixe: Ein Geschenk für Gustav Krabbenkeks


ausgezeichnet

Es herrscht große Aufregung in der Unterwasserwelt, denn Gustav Krabebenkeks feiert in wenigen Tagen seinen 300. Geburtstag. Aber die Party soll ohne ihn stattfinden, denn Gustav fühlt sich in seinem hohen Alter einfach nicht mehr fit genug, um eine wilde Sause mitzumachen. Er sagt ab. Einzig Nella Nixe kann jetzt noch helfen und die alte Krabbe umstimmen. Aber da ist noch ein Problem: Was schenkt mein einer uralten Krabbe ? Nella hat eine Idee....


"Nella Nixe - Ein Geschenk für Gustav Krabbenkeks" verzaubert schon beim Betrachten des Covers mit farbenfrohen und changierenden Zeichnungen, die nicht nur kleine Kinderherzen höher schlagen lassen. Auch die Erwachsenen sind vollkommen hin und weg von dem liebevoll gestalteten Bucheinband.

Die Geschichte entführt in die bunte Unterwasserwelt, lässt kleine Mädchen zu Meerjungfrauen werden und gemeinsam mit Nella Nixe dieses Abenteuer erleben. Nella ist eine quirlige, aufgeweckte Nixe, die immer eine gute Idee hat und die auch mal gegen den Strom schwimmt. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie es auch durch, ohne dabei dickköpfig zu wirken. Das selbstbewusste Auftreten vermittelt auch schön den Kleinsten, dass sie ihren eigenen Weg gehen sollen , auch wenn mal Gegenwind von der Seite kommt. Schön umgesetzt und kindgerecht aufbereitet.

Auch der kleine Wischelwuschel Po, der mit seinem niedlichen Sprachfehler für Gekicher sorgt, wird herzlich in die Mitte der Freunde aufgenommen und vermittelt den kleinen Zuhörern, dass jeder dazugehört, auch wenn er mit besonderen Merkmalen ausgestattet ist.

Die liebevollen Zeichnungen sind aufwendig coloriert, heben mit dem wechselnden Lichteinfall glänzende Akzente hervor und sorgen so dafür, dass die kleine Nixe auf Mamas oder Papas Schoß mit staunenden Kinderaugen die detailreichen Szenen betrachtet.

Wenn dann auch noch "Unter dem Meer" als Hintergrundmusik läuft, ist der "Tauchgang" perfekt...ein wunderschönes Kinderbuch, das Eltern, Großeltern und Kindern gleichermaßen viel Freude macht und schnell zum neuen Lieblingsbuch erklärt wird.

Bewertung vom 27.02.2021
Mommsen, Janne

Das kleine Friesencafé Bd.1


sehr gut

Julias Akku ist leer und sie braucht dringend einmal Zeit für sich selbst, damit sie sich wieder erden kann. Omas Ratschlag, einmal den Kopf so richtig frei zu bekommen und nach Föhr zu fahren, nimmt sie daher gerne an und setzt über. Auf der Insel angekommen, möchte sie ihrer früh verstorbenen Mutter nahe sein, um auf ihren Spuren zu wandeln und so ein Gefühl zu bekommen, wie sich Glück anfühlt. Sie entdeckt ein leerstehendes Kapitänshaus, das ihr Platz und Zuflucht für ihr Hobby, die Malerei , bietet. Die ersten Neugierigen stehen schon bald vor der Tür und Julia bietet ihnen spontan eine Tasse Kaffee und selbstgebackenem Kuchen an...liegt hier etwa der Weg in die Zukunft ?


Mit dem Start seiner neuen Buchreihe trifft Janne Mommsen genau den Nerv seiner Leser und erfüllt ihnen mit diesem Roman den Traum von einer Auszeit an der Nordsee. Perfekt werden von ihm die Bilder der Insel eingefangen und für den Leser als zauberhaftes Fotobuch präsentiert. Das Marschland, die Dünen, das Flüstern des Windes und das Rauschen des Meeres begleiten den Leser durch die Seiten und sorgen so für Momente des Aufatmens und der Entspannung.

Mit Kapitän Paulsen ist im ein echtes Original gelungen, denn der kauzige Seebär weiß seine liebevollen Seiten hinter einer brummeligen Fassade sehr gut zu verstecken und die kann nur von einer liebevollen Frau geknackt werden.

Und genau diese warmherzige Seele läuft ihm mit Anita über die Füße, die das Herz auf dem rechten Fleck hat und der beste Beweis dafür ist, das man im Alter durchaus noch so einiges mit- & aufmischen kann :-)

Julia ist im Verlauf der Jahre irgendwie falsch abgebogen und hat sich selbst verloren- die frische Brise pustet ihr den Kopf ordentlich frei und mit jedem Bild, das sie auf der Insel malt, kehrt ihr eigenes Ich zurück.

Die Ereignisse auf der Insel sorgen für einige Turbulenzen, die sich aber, genauso schnell wie sie gekommen sind, auch schnell wieder auflösen.

Der Schreibende vermittelt dem Leser zu jederzeit das Gefühl, einer seiner Figuren zu sein und so zum festen Bestandteil seines Romans zu werden. Die Themenvielfalt ist üppig und reicht von Liebe im Alter über ungelebte Träume, die es noch zu verwirklichen gilt bis hin zum Entdecken des eigenen Ich .

Schön zu lesen und genau richtig, um gemütlich im Ohrensessel zu sitzen und bei einer Tasse Friesentee den Tag ausklingen zu lassen.

Bewertung vom 24.02.2021
Figueras, Emmanuelle

Warum wirst du denn rot?


ausgezeichnet

Perfekt für kleine Tierforscher

"Warum wirst du denn rot" von Emanuelle Figueras zeigt die ganze Farbenvielfalt und -Pracht im Tierreich, erklärt, dem Kindesalter angemessen, warum die Färbung des Tieres sogar lebensrettend sein kann und fasziniert mit unglaublichen Entdeckungen.

Die 35 x 25 cm großen, stabilen Seiten sind im kindgerechten Großdruck verfasst , farbenfroh, naturnah und sehr detailliert illustriert und enthalten genau die richtige Dosierung an Information, um die Neugier bei kleinen Tierforschern zu wecken.

Die Farbgebung drückt unglaublich viel aus und so lernt der kleine Leser viel über die Bedeutung und den Einsatz der bunten Pracht in der Tierwelt. Denn ein leuchtendes Gefieder, ein farbenfrohes oder dekorativ geflecktes Fell sprechen eine ganz eigene Sprache, ohne dabei Worte zu verwenden.

So zeigt beispielsweise der Mandrill als buntester aller Affen mit einer echten Kriegsbemalung seine Überlegenheit und präsentiert so seine Dominanz und Stärke in der Gruppe. Die rote Färbung entsteht durch den erhöhten Testosteronspiegel, die blaue Farbe wird durch eine besondere Anordnung der Fasern in ihrer Haut hervorgerufen und wirft das Licht zurück ,sodass nur der blaue Lichtanteil zu sehen ist.

Kurios wir des bei den Zebras, denn sie tragen in ihrem schwarz-weiß-gestreiften Fell einen integrierten "Ventilator". Die schwarzen Streifen nehmen die Hitze der Sonne auf, die weißen nicht und so entsteht ein schwacher Luftstrom, der den Schweiß auf der Haut schneller trocknen lässt. Ganz schön clever !

Der interessante Streifzug durch die Tierwelt bietet unglaublich viel Wissenswertes und Lehrreiches, entführt in die geheimnisvolle Farbenwelt, deckt überraschende Lichteffekte und raffinierte Tarnungen auf und ist für Kinder leicht nachvollziehbar und verständlich erläutert.

Besonderer Clou: 13 Aufklapptafeln wecken den Entdecker- & Forscherdrang des Kindes und zeigen in aufschlussreichen Zeichnungen noch mehr Details. Hier darf der Pfau sein prächtig schillerndes Rad schlagen, man begleitet die Eule beim nächtlichen Beutezug oder ist hautnah dabei, wenn ein Chamäleon seine Farbe wechselt.

Das Kinderbuch eignet sich hervorragend zum Vorlesen und Selbstlesen für Kinder ab 8 Jahren und ist, gerade jetzt in der Corona-Zeit, ein kleiner, lehrreicher Ausflug in die Tierwelt, die man sonst nur im Zoo entdecken, bestaunen und erleben kann.

Bewertung vom 17.02.2021
Zimmer, Renate

Eine kleine Ballgrammatik


ausgezeichnet

Kaum ein Spielgerät ist so vielseitig verwendbar und einsetzbar wie der Ball, denn Kinder sind von Anfang an fasziniert von diesem kleinen Gegenstand, der so viele Möglichkeiten der Beschäftigung bietet. Schon Babys erkunden mit ihren Händen und dem Mund den Ball und lernen so ihre Welt zu "begreifen".

Dass der Ball auch zum Erlernen und Vergrößern des Wortschatzes eingesetzt werden kann, darauf geht Renate Zimmer in ihrem kleinen Büchlein ein, das sehr praxisorientiert und kindgerecht aufgebaut ist.

Sie setzt neue Impulse zum spielerischen Zugang der Sprache, bietet sowohl fachpädagogischem Personal als auch Auszubildenden die Möglichkeit, mit ihren Ideen den Wortschatz der Kinder zu erweitern und die Sprachentwicklung der Kinder zu fördern.

Mit Spielideen zur Luftbildung, Stärkung der Mundmuskulatur und Entwicklung der grammatikalischen Fähigkeiten bindet sie die Kinder aktiv in die Lernphase mit ein und weckt so die Neugier auf das Spielen mit dem Ball und der Sprache.

Es macht richtig Spaß, die Spielanregungen aus dem Buch in den Alltag der Kinder zu integrieren und ihre Begeisterung zu sehen, wenn beim Pustefußball die Wattebäusche durch die Tore aus Papierrollen gepustet werden oder bei Zungenbrecherversen gekichert und geübt wird, bis der Knoten aus der Zunge verschwunden ist. Reimübungen, geheimnisvoller Fühlsack, Ballmassage oder Schwungtuchspiele runden das Ganze ab und bieten so eine unglaubliche Vielfalt an Möglichkeiten, Lernmechanismen in Gang zusetzen und handlungsbegleitetes Sprechen in den KiTa-Ablauf zu integrieren. Dabei werden die Bedürfnisse und Interessen der Kinder berücksichtigt und mit in die spielerischen Übungen einbezogen.

"Eine kleine Ballgrammatik" ist ein sehr hilfreiches und nützliches Büchlein, nicht nur im KiTa-Alltag, um die spielerische Förderung von Sprache und Sprechen umzusetzen und mitzugestalten.

Bewertung vom 09.02.2021
Winter, Gerrit

Sei eine Stimme, nicht nur ein Echo


schlecht

Beruflich bedingt habe ich in den letzten Jahrzehnten einige Stimm- & Sprachtrainings absolviert, sowie diverse Motivations-Coachings miterlebt. Die Buchvorstellung von "Sei eine Stimme - Nicht nur ein Echo" weckt meine Neugier und ich bin gespannt, was der Motivationstrainer und Stimm-Coach mir an neuen Erkenntnissen zu bieten hat.

Fühlen sich die ersten Seiten noch ein wenig befremdlich an, verstärkt sich dieses Gefühl im Verlauf des Buches immer mehr und ich lese immer wieder von einem Autor, der sehr Ich-bezogen ist und vor überbordendem Selbstbewußtsein nur so strotzt. Wie er mit diesem Balzgehabe Menschen - auch Prominente - motiviert, bleibt mir ein Rätsel, denn ich fühle mich bereits nach wenigen Kapiteln einfach nur noch vollkommen überfrachtet und genervt von seinen Tipps und Kniffen, damit Mann und Frau sich wieder Gehör verschaffen und wahrgenommen werden.

Er wirkt vollkommen übermotiviert, ja fast schon aufgedreht, wenn er seine, mitunter sehr theologischen, Ratschläge dem Leser vermittelt und ihm so seine Sicht der Dinge aufdrücken möchte. Er spricht von Umerziehung der erlernten Verhaltensmuster, von Manipulation durch Außenstehende und von Beeinflussung durch das Unterbewusstsein- sein Buch soll dabei helfen, einen Gesinnungswechsel herbeizuführen und so die Türen zu mehr Selbstbewusstsein, Authentizität und Durchsetzungsvermögen öffnen.

Für mich liest sich das Buch wie der Leitfaden einer Sekte und ich habe manchmal das Gefühl, dass der Leser hier einer Indoktrination unterzogen wird....

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.02.2021
Kastel, Michaela

So dunkel der Wald


sehr gut

Die Welt von Jannik und Ronja kennt keine Zukunft, denn sie werden seit Jahren von einer Bestie mitten im Wald gefangen gehalten. Der Wunsch nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben wird jedesmal im Keim erstickt und so hat sich eine gewissen Routine eingeschlichen. Als die Situation vor Ort eskaliert, scheint die Freiheit zum Greifen nah und doch viel weiter entfernt, als sie es sich vorstellen können. Denn wie lebt man ein Leben in Freiheit, wenn man nur Angst und Gewalt kennt ?

"So dunkel der Wald" von Michaela Kastel verlangt dem Leser unglaublich viel an Emotionen ab, denn die Autorin zeichnet hier ein düsteres Szenario aus Gewalt und Missbrauch. Der Schrecken und das Entsetzen sitzen tief, wenn man von den Qualen und dem Leid liest, dass der Peiniger seinen Opfern zufügt. Die Bilder ätzen sich ein und man wird sie einfach nicht mehr los, denn der Hilfeschrei der gebrochenen Seelen verfolgt einen auf Schritt und Tritt. Das Dunkel des Waldes wirkt zusätzlich noch bedrückend und sorgt dafür, dass die Handlung auf einen Mikrokosmos eingeschränkt wird. Die Gewaltspirale scheint keine Grenzen zu kennen und zieht den Leser immer weiter in den Strudel aus Dominanz, Macht und Unterdrückung hinein.

Man merkt deutlich, dass die Seelen und der Wille der Figuren gebrochen sind , aber die Schreibende lässt immer wider kleine Funken der Hoffnung aufglühen und sorgt so für eine abwechslungsreiche, jedoch nervenaufreibende Handlung. Die Psyche der missbrauchten, verstörten Kinder spielt hier eine wichtige Schlüsselrolle, um den Handlungsverlauf zu verstehen und begreifen zu können.

Die Ermittlungen der Polizistin kommen mir allerdings viel zu kurz, da sie von den bildgewaltigen Szenen im Wald komplett verdrängt und so zu einer nebensächlichen Handlung degradiert werden. Man kann als Leser viele Schritte der Kommissarin nicht nachvollziehen, da sie sehr willkürlich und zufällig wirken. Das lässt manches unglaubwürdig erscheinen und man bekommt so das Gefühl, dass die Lösung des Falles eher einer glücklichen Fügung, denn guter Kombinationsgabe und hervorragender Polizeiarbeit zu verdanken ist.

Lässt man diese Tatsache außer Acht, bleibt ein unglaublich düsterer Thriller zurück, der bedrohlich und verstörend auf den Leser einwirkt

Bewertung vom 04.02.2021
Haig, Matt

Die Mitternachtsbibliothek


ausgezeichnet

Das Leben ist nie etwas, es ist nur die Gelegenheit zu etwas (Hebbel)

Nora ist des Lebens überdrüssig und hat beschlossen, ihrem jämmerlichen Dasein ein Ende zu bereiten. Auf dem Weg zwischen Leben und Tod landet sie in einer riesengroßem Bibliothek, über und über gefüllt mit Büchern, die eines Version ihres Lebens hätten sein können. Das besondere an der Bibliothek: die Zeit steht still und es ist Mitternacht- also die Zeit zwischen Ende und Neubeginn. Nora hat nun die Möglichkeit, aus all den vielen Büchern des Lebens eine Variante zu finden, die sie glücklich macht und die sie leben will. Doch kann man glücklich sein, wenn man ein Leben lebt, das nicht der Version vom eigenen Leben entspricht ?....

"Die Mitternachtsbibliothek" ist ein Buch, das den Leser mit Haut und Haaren in die Seiten zieht und sich mit ganz leisen Tönen in das Leserherz schleicht. Matt Haig schlägt die Buchseiten des Leben auf und lässt Nora mal melancholisch, mal emotional, mal erfolgreich, mal traurig auf all die Gelegenheiten ihres Lebens blicken, die sie ungenutzt hat verstreichen lassen. So kann Nora als erfolgreiche Olympiaschwimmerin im Erfolg baden, ist gefeierter Rockstar, erforscht die Auswirkungen des Klimawandels in Spitzbergen oder schnuppert in ein idyllisches Familienleben mit Mann und Kind. Doch immer wieder kehrt sie in die Mitternachtsbibliothek zurück, weil es Ereignisse und Emotionen gibt, die sie in dieser Variante des Seins nicht glücklich machen.

Nora muss erkennen, dass sie immer wieder versucht hat, es anderen Recht zu machen, hat sich angepasst und die Träume und Sehnsüchte der Menschen in die Tat umgesetzt, die ihr nahe standen. Doch dabei ist ihr eigenes Ich auf der Strecke geblieben.

Mit jedem Buch, das sie aus den Regalen der Mitternachtsbibliothek nimmt, entdeckt sie eine unglaubliche Vielfalt an Möglichkeiten und die Antworten auf die Frage, was wäre wenn ich mich damals so oder so entschieden hätte. Dabei spielt das Buch der Reue eine große Rolle.

Unweigerlich setzt sich der Leser selbst mit seinem eigenen Leben auseinander und hinterfragt so manche Entscheidung, die er getroffen hat, um letztendlich, genau wie Nora zu der Erkenntnis zu kommen, dass das Buch des Lebens ganz viele unbeschriebene Seiten hat und man nur selbst die Lebensgeschichte schreiben kann.

Warmherzige Charaktere wie Mrs. Elms oder Chirurg Ash bereichern diese melancholisch-gefühlvolle Erzählung. Matt Haig gesteht seinen Figuren zu, dass sie den Mut haben, Schwäche zu zeigen und aus ihren Fehlern lernen.

Ein Buch, das so viele Spielarten der möglichen Lebensweisen bietet und dabei eines nicht aus den Augen lässt - den Hunger und die Neugier auf das Leben selbst. Man muss nur die sich bietenden Gelegenheiten nutzen und Ja zum Leben sagen.

Bewertung vom 30.01.2021
Dutzler, Herbert

Die Welt war eine Murmel


sehr gut

Nostalgie:; Die Lichterkette der Erinnerungen

Siggi muss die Wohnung seiner Mutter auflösen und kann es nichts übers Herz bringen, dass eine Entrümpelungsfirma sich mit den persönlichen Dingen seiner Mutter befasst, bevor diese endgültig der Vergangenheit angehören. So kommt es, dass Siggi unweigerlich mit Erinnerungen konfrontiert wird, die auf verblassten Fotos festgehalten in einer Kiste schlummern. Er reist zurück in seine Kindheit, als Urlaub in Italien noch etwas ganz Besonderes, Winnetou sein bester Freund und seine ersten Kochversuche fast lebensgefährlich war...

Mit "Die Welt war eine Murmel" öffnet Herbert Dutzler einen alten Karton voller Erinnerungen an seine eigene Kindheit und lässt den Leser daran teilhaben, in dem er ihn durch die Brille des 10jährigen Siggi schauen lässt und so ein Teil seiner Erlebnisse wird.

Der erste Urlaub mit dem Autobus in Italien wird zu einer abenteuerlichen Reise, bei der ohne Rücksicht auf Kind und Kegel, im Bus gequarzt wird, was das Zeug hält. Rauchen gehörte damals zum guten Ton und war somit selbstverständlich. Das Aufeinandertreffen mit der fremden Kultur und der fremden Sprache sorgt für manchen Lacher und für die eine oder andere Anekdote.

Züchtigen durch den Lehrer in der Schule, aber auch Zuhause mit einer Watschen waren nicht selten an der Tagesordnung und ich bin froh, dass sich das Weltbild gedreht hat, Kinder ihre Rechte haben und eben nicht auf diese Art und Weise misshandelt und großgezogen werden.

Modische Entgleisungen ( geblümte Badekappen, Polyester als gängige Faser), technische Neuerungen (Fernseher, Fotokamera mit Farbfilm) und die Entdeckung des Weltalls gehören ebenso zu Siggis Erinnerungen wie die Schräglage der Besinnlichkeit an Weihnachten.

Der Leser kramt unweigerlich in seiner eigenen Erinnerungsschublade, fördert die ein oder andere identische Erinnerung zu Tage und spürt den nostalgischen Flair, der aus den Seiten steigt.

Herbert Dutzler hat liebenswerte und schrullige Charaktere erschaffen, die den Leser an die Hand nehmen und ihm eine Zeitreise ermöglichen, als das nächste Abenteuer noch im Garten hinter dem Haus zu finden war, die Brause auf der Zunge geprickelt hat und Mamas Schnitzel der kulinarische Höhepunkt auf dem Teller gewesen ist.

Ein Buch voller Nostalgie und Charme, mit Augenzwinkern und guter Laune.

Bewertung vom 23.01.2021
Haller, Ina

Chienbäse


ausgezeichnet

Auf der Jagd nach den Geistern der Vergangenehit


Um die bösen Geister des Winters zu vertreiben, wird beim traditionellen Chienbäse-Umzug mit Feuer und Besen den Unholden zu Leibe gerückt. Doch während des Umzuges ereignet sich ein Unglück - ein Mann sinkt leblos zu Boden. Die Ermittlung ergeben, dass dieser tragische Zwischenfall nur das Zünglein an der Waage gewesen ist, denn schon bald häufen sich die Verbrechen und Samanthas Freund Joel rückt in den Fokus der Ermittler. Die Polizei hält hartnäckig an ihrem Verdacht fest, bis Joel spurlos verschwindet und Samantha das Zepter in die Hand nimmt und sich auf der Suche nach ihm selbst in Gefahr begibt….

Mit „Chienbäse“ legt Ina Haller den mittlerweile dritten Fall mit Samantha Kälin vor und es scheint, als werde die Krimi-Reihe von Buch zu Buch immer besser. Die Autorin verpackt Schweizer Tradition mit einfallsreichen Ideen und modernen Ermittlungsmethoden, um ihre Leser auch mit diesem Krimi wieder an die Seiten zu fesseln.
Dabei gelingt es der Schreibenden sehr gut, mit den Gefühlen ihrer Leser zu spielen, in dem sie Samanthas Gedanken und Emotionen für ihre Leserschaft zugänglich macht. Man fühlt sich unweigerlich selbst beobachtet, spürt das Unbehagen in sich aufsteigen und vermutet ebenfalls hinter jeder Ecke einen unliebsamen Zaungast, genau wie Samantha, wenn es dunkel im Zimmer wird und sich undefinierbare Schemen und Schatten in der Wohnung ausbreiten. Das Herz klopft bis zum Hals, der Puls schnellt in die Höhe und so ist man mittendrin im Fall und versucht mit Sammy die Puzzleteile zusammenzufügen.
Der Fall bietet von Anfang an ein hohes Erzähltempo, das zusätzlich dafür sorgt, dass man immer in atemloser Erwartung auf das nächste Ereignis ist, der Spannungsbogen ist stramm gespannt und verliert nie an Dramatik und Nervenkitzel.
Man merkt deutlich, dass sich die Charaktere (Samantha, Joel, Nussbaum) weiterentwickelt haben und sie sind für den Leser schon zu einer eingeschworenen Einheit zusammengeschmolzen. Dass aber ausgerechnet Nussbaum sich auf Joel als Täter eingeschossen hat, bringt das Vertrauen zu ihm beträchtlich ins Wanken und lässt nicht nur Samantha an seiner Loyalität und Integrität zweifeln. Ina Haller sät den Samen des Zweifels, der auch aufgeht und mehr als einmal kommt die Frage auf, ob man Nussbaum überhaupt noch über den Weg trauen kann….
Die Autorin bietet ihren Lesern unglaublich viel Abwechslung an Schauplätzen und unheimlichen Orten, führt mit geschickt angelegten falschen Fährten in die Irre und holt zum Showdown noch einmal alles aus der Trickkiste, um Nervosität und Aufregung auf ein dermaßen hohes Level zu treiben, dass einem der Atem stockt.
Die Lösung des Falles ist für den Leser schlüssig und gut erklärt, bestätigt den ein oder anderen eigenen Ermittlungsversuch und lässt zu, dass sich die bösen Geister der Vergangenheit endlich in Luft auflösen.