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yellowdog

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Insgesamt 2109 Bewertungen
Bewertung vom 16.01.2022
Augstein, Jakob

Strömung


sehr gut

Befindlichkeiten

Jakob Augstein hat mit Strömung seinen ersten Roman geschrieben und es geht zentral um die Befindlichkeiten eines Mannes mittleren Alters. Damit begibt er sich in eine literarische Tradition.
Er nutzt stilistisch auch diese Mittel, zum Beispiel sprechende Namen. Der Protagonist heißt Franz Xaver Misslinger und er befindet sich in einer Lebenskrise. Seine Ehe steht kurz vor dem Aus, seine politischen Ambitionen führen nicht zum Ziel.
Als Leser ist man zunächst ratlos, was mit diesem Mann eigentlich los ist. Der Autor mutet einen schon etwas zu.

Besser wird es im zweiten Teil. Misslinger ist in die USA gereist. Es ist eine Art Flucht. Seine jugendliche Tochter begleitet ihn.
Das USA-Porträt halte ich für gelungen. Die Stimmung im Land ist spürbar.
Es ist die Zeit des Wahlkampfes, als sich Trump so viele Entgleisungen erlaubte.
Einige Dialoge, auch die zwischen Misslinger und seiner Tochter sind wirklich gut.
Dennoch führt der Roman nur zur Sehnsucht nach dem Verschwinden und das war mir zu wenig.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.01.2022
Wolf, Christa;Fühmann, Franz

Monsieur - wir finden uns wieder


sehr gut

2 Persönlichkeiten: Christa Wolf – Franz Führmann

Dieser interessante Briefwechsel zwischen den DDR-Schriftstellergrößen Christa Wolf und Franz Führmann ging von 1968 bis zu Führmanns Tod 1984.
Dabei sind die Briefe nicht besonders literarisch verfasst. Insbesondere Christa Wolfs Briefe sind etwas bieder, als würde einen Tante Christa einen Brief schreiben. Einige Briefe wirken banal und überwiegend humorbefreit.
Bei ihren Romanen funktionierte ihr sachlicher Erzählton besser.
Führmanns Briefe sind emotionaler, er traut sich auch mal eine kleine Spitze gegen Christa auszusprechen.

Aber lesenswert wird es immer, wenn es um das zeitgeschichtliches geht. Zum Beispiel sind zwischendurch auch Briefe an Obrigkeiten der Diktatur gerichtet, Honecker oder Konrad Wolf
Da beklagen Wolf und Führmann den Umgang mit Schriftstellern und setzen sich z.B. für junge Schriftsteller ein, die verhaftet wurden.
Aber auch bei den privaten Briefen spürt man besonders bei Franz Führmann die Verbitterung und Verzweiflung über den Zustand im DDR-Literaturbetrieb. Manchmal scheint er zu resignieren. Den Bruch mit dem System haben beide aber nie in Betracht gezogen, im Gegensatz zu vielen anderen Schriftstellern, die das Land Richtung Westen verlassen hatten.

Abgerundet wird der Briefwechsel mit einem umfangreichen Anhang mit Anmerkungen und Reden und einem Nachwort von Christa Wolf.

Bewertung vom 12.01.2022
von Rönne, Ronja

Ende in Sicht


sehr gut

Hellas und Julis Reise

Das Hörbuch ist ca. 6 Stunden lang und ungekürzt. Eine angemessene Länge für diesen Text.
Ronja von Rönnes Stimme ist sicher Geschmackssache, aber ich schätze es generell, wenn Autoren ihre Texte selber einlesen. Das erhöht oftmals die Intensität und verrät mehr von den Stimmungen, den die Autorin ihren Figuren mitgibt.

Die 69jährige Hella und die junge Juli wollen sterben, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Ihre unfreiwillige Begegnung löst nach einer längeren Annäherungsphase eine gemeinsame Reise aus.
Man kann problemlos lange am Stück zuhören.
Die beiden Protagonisten sind trotz ihrer Probleme sympathisch und mit der Zeit verstehen sie sich trotz ihrer Unterschiede ganz gut. Sie werden ein Team.

Vordergründig wirkt der Plot humorvoll, da Ronja von Rönne mit ihrer Lakonie so einen Ton anklingen lässt. Aber die Themen Krankheit, Tod und Suizidversuch sind ernst genug.

Bewertung vom 12.01.2022
Kelly, Erin Entrada

Die Nelsons greifen nach den Sternen


gut

Das Jahr der Challenger

Die vielfach preisgekrönte amerikanische Schriftstellerin Erin Entrada Kelly hat mit „Die Nelsons greifen nach den Sternen“ (Originaltitel We Dream of Space) einen Roman um 3 Geschwister geschrieben. Das sind die Zwillinge Fitch und Bird und der 1 Jahr ältere Cash. Die Perspektiven wechselt in den Kapiteln zwischen diesen dreien und da sie teilweise sehr unterschiedliche Charaktere sind, spürt man auch erzählerisch Unterschiede in den Kapiteln.
Der Zeitpunkt 1986 ist auch wichtig für die Handlung. Die Zeit prägt auch die Kinder. Damals war die Raumfahrt ein großes Thema. Das wird in die Challenger-Unglück münden. Dabei wird auch die Astronautin Judith Resnick sterben, die Bird als Vorbild so sehr bewundert.
Das Wissen um die Katastrophe, die kommen wird, beeinflusst den Leser während die Kinder noch nichts davon wissen. Das erzeugt eine gewisse Beklemmung.
Der Plot hat viele gute Ansätze und das Buch Qualität, aber sprachlich hat mich der Roman nicht ganz überzeugt.

Bewertung vom 11.01.2022
Yanagihara, Hanya

Zum Paradies


gut

Bürger der Freistaaten

Hanya Yanagihara  entwirft eine Alternativwelt.  Das Buch hat drei Teile. Der erste Teil heißt Washington Square und spielt sich im neunzehnten Jahrhundert ab. Man begegnet einem anderen USA mit einer anderen Gesellschaftsform.
Das ist ziemlich interessant, da es neue Gedankengänge beim Leser auslöst.
Außerdem fällt auf, welch sensible Figuren die Autorin aufbaut. Das trifft schon auf die erste Hauptfigur David Bingham in hohem Masse zu. Es mündet in eine Liebesbeziehung zwischen David und Edward. Auch die Ich-Stimme im dritten Buch ist eine emotionale Figur, aber sie alle sind auch verschlossen.

Stilistisch arbeitet Yanagihara in diesem ersten Abschnitt viel mit Briefen und das funktioniert gut um eine Stimmung der Zeit zu erzeugen.
Der etwas langweilige Teil 2 handelt 1993. Mit Buch 3 kommen wir dann in der Zukunft an. Dies ist der längste Teil.
Die Namen der Figuren ziehen sich durch alle Teile aber es sind nicht dieselben. Das scheint eine Art Rollenspiel zu sein, das bei mir nicht verfängt.

Obwohl zum Paradies ein ambitioniertes Buch ist, würde ich es nicht gleich als Meisterwerk einstufen. Es hat Überlänge,teilweise bleibe ich ratlos, was ich damit anfangen soll. Mein Interesse jedenfalls konnte nicht über den ganzen Umfang gehalten werden und ich verbleibe bei 3,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 03.01.2022
Maly, Beate

Die Frauen von Schönbrunn / Schönbrunn-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Tiergarten in Zeiten des Krieges

In Die Frauen von Schönbrunn bringt Beate Maly ihren angenehmen, geschmeidigen und ansprechenden Stil zur Geltung wie sie es schon seit Die Hebamme von Wien getan hat.

Über den Titel wundere ich mich, denn es geht hauptsächlich nur um eine Frau: Emma, die gerne Tierärztin werden möchte, aber die sind in Wien 1914 noch nicht zugelassen. So arbeitet sie als Tierpflegerin im Tiergarten Schönbrunns,
Es ist die Zeit zwischen 1914 und 1918, also der erste Weltkrieg. Verletzt kehrt dort der Tierarzt Julius zurück.
Julius ist von Kriegserlebnisse schwer mitgenommen. Doch er lebt auf, als er Emmas Engagement für die Tiere miterlebt.
Der Untertitel "Ein Leben für das Wohl der Tiere" ist zutreffend.

Der Roman schafft es, die Stimmung der Zivilbevölkerung während des Krieges zu zeigen. Dazu gehören Verluste und Hunger. Auch für die Tiere ist wenig da. Eine harte Zeit. Ich zweifle nicht daran, dass die Menschen und Tiere viel leiden mussten.
Aber es ist dennoch ein packender Roman, da er so mitfühlend geschrieben ist umd zwei so liebenswerte Hauptfiguren hat. Es ist zu begrüßen, dass die Schönbrunn-Saga nächstes Jahr fortgesetzt wird.

Bewertung vom 29.12.2021
Coel, Michaela

Misfits (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Zeit der Motte

Misfits ist zwar kein Roman, aber doch erzählend gestaltet. Außerdem ist es sehr autobiografisch.
Das Buch ist zwar seitenmäßig relativ kurz, aber so ökonomisch geschrieben, dass dennoch viel mitgeteilt wird.
Diese Form ist logisch, denn das Herstück des Bucches entspricht einer Rede, die Michaela Coel in Edinburgh gehalten.
Ergänzt wird die Rede durch eine Einleitung und einen Epilog.

Anfangs gibt es gut gemachte Passagen über Michaelas Kundheit und Jugend. Sie wuch als einziges schwarzes Mädchen in einer weißen Gegend auf und wurde mit Rassismus konfrontiert.
Sie erzählt das so, dass es nachvollziehbar wird. Überhaupt erzeugt das Buch Empathie.
Später liegt der Schwerpunkt auf der Fernsehbranche. Michaela Coel gelang es mit ihrer eigene Idee erst ein Stück und dann daraus eine Fernsehserie zu realisieren.
Ich kannte diese und auch ihre zweite Serie nicht, denke aber, dass ich sie bald einmal sehen werde.

Bewertung vom 08.12.2021
Grossman, Wassili

Stalingrad


sehr gut

Das Buch ist eine großartige Ausgabe eines Romans über den Krieg.

Der Autor Wassili Grossman schlägt zuerst einen sachlichen Ton an, aber schon bald schimmert eine gehörige Portion Ironie durch, wenn auch von der düsteren Sorte.

Grossmann lässt sich Zeit, den Leser einzuführen.Man lernt die handelnden Figuren und ihre Lebensbedingungen kennen. Bedingungen, die sich durch den aufkommenden Krieg verändern werden.
Im finalen dritten Teil des Buches übernehmen die Kampfhandlungen die größte Rolle.

Grossman schreibt ausdrucksstark. Seine Beschreibungen sind detailliert.
Seine kritische Denkweise am sowjetischen System kommt aber in diesem im Original 1952 erstmals publizierten Roman thematisch bedingt noch nicht so stark zur Geltung wie in späteren seiner Werke. Dennoch ist auch schon dieser Roman große Literatur.
Es ist aber auch ein überlanger Roman der vom Leser manchmal viel Geduld fordert.

Absolut erwähnenswert an dieser Ausgabe sind das informative Vorwort von Jochen Hellbeck sowie das interessante Nachwort von Robert Chandler.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.12.2021
Heldt, Dora

Geld oder Lebkuchen


gut

Dora Helds Humor ist speziell, manchmal deftig und übertrieben, gerade in den Dialogen, doch nicht ohne verschmitzte Empathie für die Menschen.
Die Figuren sind in der Regel überzeichnet, aber sie haben in ihrer Kuriosität ihre Menschlichkeit bewahrt. Ihre Gedankengänge sind aber eher simpel.

Gudrun und Ernst verbringen die Weihnachtszeit auf Sylt.
Die Idee von Ernst, aus Langeweile eine Bank zu überfallen, ist eigentlich fatal.
Aber der Untertitel lautet „Fast ein Krimi“ und das trifft u, den als Kriminalfall kann man das nicht ernst nehmen.
Stattdessen kann man sich über das Verhalten der Protagonisten und den Handlungsverlauf amüsieren.
Die Sprecherin Katja Danowski passt zum Buch.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.