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miss.mesmerized
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Bewertungen

Insgesamt 1245 Bewertungen
Bewertung vom 07.08.2018
Douglas, Claire

Do Not Disturb


ausgezeichnet

After her husband’s breakdown, Kirsty and her family move from London to Hywelphilly, a small village in Wales where they buy a guesthouse. After weeks of refurbishing, they look forward to welcoming the first guests, among them to Kirsty’s dislike her cousin Selena whom she hasn’t seen for more than sixteen years. They had been like sisters, but Selena’s constant lying lead to the inevitable break. Kirsty’s two daughters Evie and Amelia struggle with the move at first, but when Selena and her daughter Ruby arrive, the house awakes. The cousins manage to sort out their quarrels; yet, Kirsty cannot get rid of the feeling that Selena still does not tell her the complete truth. When Selena’s former boyfriend shows up to rent a room, the atmosphere gets tense and with the arrival of Kirsty’s brother and his wife, trouble is in the air. And then, the worst fears come true: Selena gets murdered.

I really liked the novel because Claire Douglas has well dosed the revelation of secrets the characters keep - and there are many of them. Everybody has something to hide, buried down in his or her mind, even the nice ones are not what they seem at the first glance. There is something mysterious about the house, the whispers of the village inhabitants add to this and many of the incidents are hard to make sense of.

The novel is told from Kirsty’s perspective, quite normally, you are biased in what she tells as you only get her limited point of view. On the other hand, this adds to the suspense and you can easily share her feeling of unease. To me, Kirsty is authentic in her action and in the way she tries to protect her family. Since it is not clear where the threat comes from, you suspiciously eye all the other characters simply to learn in the end that you were completely wrong. I absolutely liked that especially since the whole mystery is solved convincingly.

“Do not disturb” triggers the biggest fear: having evil in your own home, the place where you want to feel safe and secure and where you assume that also your children are protected. Many twists and turns and unexpected revelations keep suspense high throughout the novel, a mystery thriller just as it should be.

Bewertung vom 01.08.2018
Josten, Husch

Land sehen


ausgezeichnet

Horand Roth ist Professor in Bonn und nähert sich dem Leben ganz wie in seinem Beruf auch mit analytischer Klarheit. Mit Hilfe von Büchern und reiflichem Nachdenken lässt sich alles erklären und verstehen, doch als sein Onkel Georg plötzlich vor ihm steht und ihm eröffnet, Mönch in einem Orden der strenggläubigen Pius-Brüder geworden zu sein, übersteigt dies seinen geisteswissenschaftlich geprägten Horizont. Er will verstehen, wie ein so klardenkender Mensch seine geistigen Freiheiten für einen streng organisierten, extremen Orden aufgeben kann. Er geht selbst ins Kloster, liest die Bibel und beginnt zunehmend sein eigenes Dasein und seinen Glauben als Agnostiker zu hinterfragen. Doch er kommt den Beweggründen seines Onkels so nicht näher – kann er auch nicht, denn der Grund liegt ganz woanders.

Husch Jostens fünfter Roman ist eine Einladung und Herausforderung zugleich. Mit „Hier sind Drachen“, einem Roman, in dem sie bereits philosophisch die Frage nach dem Dasein in der modernen Welt gestellt hat, konnte die Autorin mich bereits begeistern und von sich überzeugen. „Land sehen“ steht dem in nichts nach, wenn auch die Thematik eine ganz andere ist. Interessanterweise hat ihr Roman wieder einen Titel mit Bezug zu Seefahrt, wenn man ihn wörtlich nimmt, im übertragenen Sinne symbolisiert er das Ende einer langen Durststrecke, ein Hoffnungszeichen, wieder eine Orientierung im Leben haben. Genau das sucht Hora, wenn er sich dessen zu Beginn auch noch nicht bewusst ist.

Gemeinsam mit dem Erzähler und Protagonisten begibt man sich in den theologischen Diskurs, der versucht den Glauben und das Gläubigsein zu ergründen. Man hat an seinen Gedankengängen Anteil, zweifelt mit ihm, findet Klarheit und Struktur. Man muss am Ende kein überzeugter Christ sein, kann aber vielleicht nachvollziehen, weshalb es andere sind; ja gerade der Zweifel und Skepsis sind es, die den Weg zum Glauben öffnen. Aber es ist nicht nur die Frage nach dem Glauben, die Hora umtreibt. Im Laufe der Handlung muss er auch seine Familiengeschichte neu schreiben und so manches in ein anderes Licht rücken. Seine Mutter mit ihrem vielfach schematisch-unflexiblen Verhalten erklärt sich plötzlich und auch sein unkonventioneller Onkel hat nachvollziehbare Beweggründe für seine Entscheidungen.

Husch Josten hat einen klaren, einerseits schnörkellosen Stil, der es ihr erlaubt, die Gedankengänge der Figuren präzise nachzuzeichnen, andererseits wirken ihre Worte poetisch und leicht, was die Lektüre trotz des nicht einfachen Inhalts zu einem Genuss macht. Es ist keine typische Sommerlektüre, die man mal eben nebenbei am Strand verschlingt. Immer wieder habe ich Sätze ein zweites, gar drittes Mal lesen müssen - doch was gibt es Schöneres, als einen Text nicht nur zu verschlingen, sondern ihn sich auch ein Stück weit zu erarbeiten und sich von ihm über die Buchseiten hinaus gedanklich begleiten zu lassen? So soll anspruchsvolle Literatur sein und nicht anders: einladen auf Gedankenexperimente, geistig herausfordern und unterhalten zugleich.

Bewertung vom 31.07.2018
Livaneli, Zülfü

Unruhe


ausgezeichnet

Ibrahim hat seine südostanatolische Heimat schon lange verlassen, um in Istanbul als Journalist zu arbeiten. Als er auf eine Todesmeldung stößt, wird er stutzig: kann es sich bei dem in Amerika getöteten Türken um seinen alten Schulfreund handeln? Alles spricht dafür und so reist er nach Mardin, um die Hintergründe zu erforschen. Was er dort erfährt, wird sein Leben nachhaltig verändern. Hüseyin war verliebt in eine Frau, doch es war eine Liebe, die nicht sein durfte. Er Muslim, sie Jesidin aus einem der stadtnahen Flüchtlingslagern. Ibrahims Spurensuchte führt ihn zu diesen Geflüchteten und die Geschichten, die er hört, lassen ihn nicht mehr los.

Zülfü Livaneli ist neben Orhan Pamuk eine der bedeutendsten Stimmen der Türkei, vor allem, weil er in seinen Romanen gesellschaftskritische Themen verarbeitet und unbequeme Wahrheiten anspricht. So auch in „Unruhe“, das den Umgang mit Jesiden, die Verachtung dieser Religion und die Ablehnung der Menschen offen anspricht und am Beispiel von Hüseyin und Meleknaz die Absurdität auf die Spitze treibt.

„Im Nahen Osten ist es seit jeher üblich, dass man sich gegenseitig umbringt und nicht merkt, wie man sich dabei selbst tötet.“

Es sind solche Sätze, die wie Nadelstiche auf diejenigen wirken müssen, an die sie gerichtet sind. Es ist nicht nur das unsägliche Treiben des IS, das im Namen einer Religion legitimiert wird und weltweit für Entsetzen sorgt, das Livaneli kritisiert. Dies ist einfach, denn kaum jemand wird ihm da widersprechen. Schwerer wiegt jedoch der Umgang der Bewohner im Grenzland mit den geflüchteten Jesiden. In einem Lager dürfen sie hausen, man kümmert sich auch dort um sie, aber sie sollen bitte auch dort bleiben und auf keinen Fall Beziehungen mit Muslimen eingehen. Meleknaz erfährt kein Mitleid für ihr Schicksal, statt Verständnis schlägt ihr Hass von Hüseyins Familie entgegen.

Aber auch Ibrahim muss erkennen, dass sein Verhalten zweifelhaft ist. Beobachtet er zunächst die Haltung von Hüseyins Familie, ist hierdurch geradezu verstört und sucht fieberhaft nach der jungen Frau, so muss er sich doch irgendwann eingestehen, dass auch er mehr aus Eigennutz handelt als aus Nächstenliebe: er will sich selbst und anderen beweisen, dass er ein guter Mensch ist, seinem Leben Sinn geben. Dass er dabei die Bedürfnisse der Frau ignoriert, wird ihm erst spät bewusst.

„Unruhe“ ist ein kurzer, schonungsloser Roman, der das Schicksal einer Glaubensgemeinschaft ins Zentrum stellt, deren Geschichte von Verfolgung und Hass gekennzeichnet ist. Er wirft kein gutes Bild auf die Welt, die zusieht, im besten Fall schweigt, im schlimmsten für zusätzliches Leid sorgt.

Bewertung vom 28.07.2018
Hennig von Lange, Alexa

Kampfsterne


ausgezeichnet

Mitte der 1980er Jahre, irgendwo im Westen der Republik. Die Welt ist in Ordnung in der Neubausiedlung, wo die Familien friedlich nebeneinander wohnen, sich gelegentlich treffen und die Kinder wohlgeraten sind und widerspruchslos den Musikunterricht besuchen, weil dies zur Talentförderung dazugehört. Doch hinter den Fassaden brodelt es, pubertierende Töchter begehren gegen die Eltern auf, Söhne nehmen sie schon gar nicht mehr ernst, Kinder leiden still und unbemerkt und die Ehepartner haben sich nur noch wenig zu sagen. Sex gibt es schon lange keinen mehr und alle befinden sich in einem Leben, das sie sich so nicht vorgestellt hatten.

Alexa Hennig von Lange hat das normale, geradezu durchschnittliche Leben eingefangen und lässt Figuren zu Wort kommen, die überall in deutschen Kleinstädten leben könnten und die uns tagtäglich überall begegnen. Die raschen Wechsel zwischen den einzelnen Erzählern lockern die Geschichte auf, die trotz der vielen Perspektiven doch sehr deutlich einem roten Faden folgt und unweigerlich auf eine Katastrophe hinsteuert.

„Kampfsterne“ greift dabei Themen auf, die auch 30 Jahre später noch aktuell sind und somit einen recht hohen Wiederkennungswert haben. Besonders interessant fand ich dabei den feministischen Aspekt. Die Mütter haben alle die Zeit der sexuellen Revolution und der Kämpfe für die Rechte der Frauen miterlebt. Sie haben Simone de Beauvoir gelesen, bewundern Susan Sontag und erkennen Alice Schwarzers Haltung an. Aber was haben sie daraus gemacht? Sie befinden sich in der Vorstadthölle, reduziert aufs Hausfrauendasein und unterwerfen sich den Wünschen ihrer Männer, wenn sie sich nicht gerade von ebendiesen verprügeln lassen und dies auch noch widerspruchslos aushalten. Ein Vorbild für die Töchter sind sie nicht, weshalb diese sie mit Verachtung strafen. Mit spitzer Zunge könnte man die Frage stellen, ob nicht ebendiese Töchter als Latte-Macchiato-Mütter Jahre später in dieselbe Falle getappt sind.

Die Männer haben es nicht leichter, haben sie selbst als Kindern der Kriegsgeneration Gewalt in der Erziehung erlebt, reproduzieren sie diese oder verkommen zu weichen Ja-Sagern. Wie soll der moderne Mann sein? Egal, was er tut, es wird falsch sein und schnell gerät er unter Generalverdacht, nur, weil er Kind auch niedlich findet, dies aber niemals sagen darf. Er soll nicht sein wie die Vätergeneration, aber doch wie einst der Steinzeitmensch seine Familie vor Feinden schützen, gelingt ihm das nicht, ist er ein Versager.

Es ist noch nicht die Zeit der Einzelkinder, deren Bedürfnisse über alles gestellt werden. So stehen sie oftmals hintenan und finden selbst nach schlimmsten Erlebnissen in ihren Eltern nicht diejenigen, die Trost spenden und für sie kämpfen. Im Gegenteil, die müssen sogar sehr viel aushalten, um dem Wunschbild zu entsprechen. Die Familien sind Kampfsterne, die sich gegenseitig bekriegen und die private Idylle zerstören, wo doch gleichzeitig der Welt dank Umweltzerstörung und Kaltem Krieg von außen die globale Katastrophe droht.

Glückliche Menschen sucht man vergeblich in der kleinen Siedlung und das, wo nie so viel persönliche Freiheit herrschte wie zu dieser Zeit. Aber Glück ist auch etwas, das nicht unbedingt von alleine kommt, sondern das man sich erarbeitet und für das man aktiv werden muss. Ein Buch, das ernsthafte Themen lebensnah und authentisch präsentiert, dabei aber auch unterhaltsam und komisch ist, was eine in sich stimmige und überzeugende Mischung ergibt.